OLG München 24. Januar 2011
34 Wx 148/10
BGB §§ 899a, 1068; GBO § 47 Abs. 2

Nießbrauch am GbR-Anteil eines Gesellschafters nicht eintragungsfähig

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 34 Wx 148_10
letzte Aktualisierung: 01.02.2011
OLG München, 25.01.2011 - 34 Wx 148/10
BGB §§ 899a, 1068; GBO § 47 Abs. 2
Nießbrauch am GbR-Anteil eines Gesellschafters nicht eintragungsfähig
1. Zur Eintragungsfähigkeit von Verfügungsbeschränkungen an Anteilen von BGB
Gesellschaftern im Grundbuch.
2. Jedenfalls nach dem Rechtszustand vom 18.8.2009 kommt die Eintragung einer
Verfügungsbeschränkung infolge Nießbrauchsstellung als Belastung am Gesellchaftsanteil eines
BGB-Gesellschafters nicht mehr in Betracht.


Oberlandesgericht München
Az.:
34 Wx 148/10
Mindelheim Bl. 5763 - Grundbuchamt –
AG Memmingen
In der Grundbuchsache
wegen Nießbrauchsbestellung am Gesellschaftsanteil
erlässt das Oberlandesgericht München -34. Zivilsenat- durch den Vorsitzenden Richter
am Oberlandesgericht Lorbacher, die Richterin am Oberlandesgericht Paintner und den
Richter am Oberlandesgericht Hinterberger am 25. Januar 2011 folgenden
Beschluss
I.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 5 gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Memmingen - Grundbuchamt - vom 15. Oktober 2010 wird
zurückgewiesen.
II.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.200,00 €.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Im Grundbuch ist die Beteiligte zu 1, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), unter
der Bezeichnung U. & S. GbR und unter Aufführung ihrer vier Gesellschafter, der
Beteiligten zu 2 bis 5, eingetragen. Mit notarieller Urkunde vom 26.7.2010 übertrug der
Beteiligte zu 2 von seinem mit 51 % bezeichneten Gesellschaftsanteil einen
Teilgesellschaftsanteil zu 50 % mit allen Rechten und Pflichten auf den Beteiligten zu 5,
der die Übertragung annahm. Die Überlassung des Gesellschaftsanteils erfolgte ohne
Gegenleistung als Schenkung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der
Veräußerer behielt sich auf seine Lebenszeit den Nießbrauch an dem Beteiligungsanteil
nach im Einzelnen vertraglich vorgesehenen Maßgaben vor, ohne dass dadurch der
betroffene Gesellschafter nach außen in seinen Verwaltungsrechten beschränkt wurde.
Es wurde - soweit hier erheblich - bewilligt und beantragt, die Verfügungsbeschränkung
infolge Nießbrauchsbestellung als Belastung am Gesellschaftsanteil des Erwerbers
zugunsten des Nießbrauchsberechtigten im Grundbuch einzutragen.
Den notariellen Vollzugsantrag vom 16.8.2010 hat das Grundbuchamt am 15.10.2010
kostenpflichtig zurückgewiesen, weil das Grundstückseigentum nicht mehr den
Gesellschaftern, sondern der GbR zustehe und diese keiner Verfügungsbeschränkung
unterliege. Daran ändere auch § 899a Satz 1 BGB nichts. Denn das Recht des
Gesellschafters, als Vertreter für die GbR zu handeln, werde durch die beantragte
Eintragung der Verfügungsbeschränkung nicht beeinträchtigt.
Der Beschwerde vom 9.11.2010 hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen. Das
Rechtsmittel wird im Wesentlichen darauf gestützt, dass auch nach der Anerkennung
der Rechts- und Grundbuchfähigkeit der GbR Verfügungsbeschränkungen, die in der
Vergangenheit bereits als eintragungsfähig eingestuft worden seien, weiterhin
eintragungsfähig blieben. Nach dem am 18.8.2009 in Kraft getretenen ERVGBG (vom
11.8.2009 BGBl I S. 2713) seien neben der GbR auch deren Gesellschafter in das
Grundbuch einzutragen. Bezüglich der Eintragungsfähigkeit von
Verfügungsbeschränkungen sei trotz Grundbuchfähigkeit der GbR zumindest der "status
quo ante" hergestellt. Demnach sei dem Eintragungsantrag stattzugeben.
II.
Die zulässig namens sämtlicher Urkundsbeteiligter - der Gesellschaft wie ihrer
Gesellschafter - eingelegte Beschwerde (§ 71 Abs. 1, § 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr.
3 FamFG) bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Nach dem Inkrafttreten des ERVGBG hatte der Senat bereits Gelegenheit, sich mit
der Problematik der Eintragung von Verfügungsbeschränkungen am Anteil des
Gesellschafters zu befassen. Im Beschluss vom 2.7.2010 (34 Wx 062/10, bei juris) hat
er die Eintragung des Insolvenzvermerks beim miteingetragenen Gesellschafter, über
dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, als eintragungsfähig erachtet,
weil in das Grundbuch einzutragen sei, was sich unmittelbar auf die eingetragenen
Rechte oder auf die Verfügungsbefugnis hinsichtlich dieser Rechte auswirke; im
Insolvenzfall sei die Verfügungsbefugnis berührt, weil das Recht des Gesellschafters
beeinträchtigt sei, als Vertreter der GbR nach außen zu handeln (Senat aaO.).
Hingegen wurde in einem weiteren Senatsbeschluss vom 18.11.2010 (34 Wx 096/10 nicht veröffentlicht -) in dessen nicht tragenden Gründen die Eintragung eines
Nacherbenvermerks am Gesellschaftsanteil mit folgenden Erwägungen verneint:
Vor Anerkennung der Grundbuchfähigkeit der GbR seien im Grundbuch die
Gesellschafter selbst in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Rechtsträger
verlautbart worden (vgl. BayObLGZ 2002, 330/332). Demnach sei seinerzeit die
Eintragung von Verfügungsbeschränkungen zu Lasten des Gesellschafters, nicht der
Gesellschaft, in Betracht gekommen (dazu Bestelmeyer Rpfleger 2008, 552/556;
Böhringer Rpfleger 2007, 260). Indes unterliege die Gesellschaft selbst keiner
Verfügungsbeschränkung. Mit Wirkung vom 18.8.2009 schütze § 899a Satz 1 BGB nun
den guten Glauben an die Vertretungsmacht der im Grundbuch eingetragenen
Gesellschafter, und zwar auch dann, wenn das Vertretungsrecht des handelnden
Gesellschafters durch Verfügungsbeschränkungen mit Außenwirkung beeinträchtigt sei
(§ 899a Satz 2 i.V.m. § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB). In diesem Zusammenhang müsse im
Einzelfall geprüft werden, ob die konkrete Verfügungsbeschränkung das Recht des
Gesellschafters beeinträchtige, als Vertreter für die GbR nach außen zu handeln. Dies
sei bei Verfügungsbeschränkungen, denen nur Bedeutung für die Verfügungsbefugnis
im Hinblick auf das Eigenvermögen des Gesellschafters zukomme, wozu zwar der
Gesellschaftsanteil zähle, der mit dem Vermögen der rechtsfähigen GbR aber nicht
identisch sei, zu verneinen (vgl. Bestelmeyer Rpfleger 2010, 169/188 f.).
2. Nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält, ist für die begehrte
Eintragung der Verfügungsbeschränkung im Grundbuch kein Raum. Denn der
Nießbrauch lastet in der hier gewählten Fiorm des Rechtsnießbrauchs (§ 1068 BGB) nur
am Gesellschaftsanteil, nicht an den einzelnen Gegenständen des
Gesellschaftsvermögens. Das Grundbuch hat aber die Rechtsverhältnisse der
Gesellschaft und nicht die ihrer Gesellschafter wiederzugeben (vgl. Frank MittBayNot
2010, 96/97; Lautner DNotZ 2009, 650/670; Heinze RNotZ 2010, 289/306; Bestelmeyer
aaO.; auch MüKo/Pohlmann BGB 5. Aufl. § 1068 Rn. 85; Staudinger/Frank BGB Bearb.
2008 Rn. 93; Meikel/Böttcher GBO 10. Aufl. § 10 GBV Rn. 34 a.E.; a. A. Demharter
GBO 27. Aufl. Anhang zu § 13 Rn. 33; Kohler in Bauer/von Oefele GBO 2. Aufl. § 22
Rn. 78; OLG Hamm DNotZ 1977, 376; differenzierend Schöner/ Stöber GBO 14. Aufl.
Rn. 1367, 1671; unklar Hügel/Kral GBO 2. Aufl. GesR Rn. 92 und 92.1). Zwar dient die
Eintragung der Gesellschafter nach der Begründung des Gesetzgebers (siehe BTDrucks. 16/13437 S. 27) nicht nur der Identifizierung der Gesellschaft, sondern ist auch
Grundbuchinhalt mit materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Konsequenzen
(siehe § 47 Abs. 2 Satz 2 GBO). Dies ist jedoch vor dem Hintergrund der vom
Gesetzgeber anerkannten Grundbuchfähigkeit der GbR zu verstehen. Nach Sichtweise
des Senats wäre es verfehlt, daraus ableiten zu wollen, dass
Verfügungsbeschränkungen von Gesellschaftern nun wieder in jedem Fall
gleichermaßen und losgelöst davon, ob sie sich auf das eingetragene Recht auswirken,
behandelt werden müssten, als wenn die Gesellschafter selbst als Eigentümer im
Grundbuch eingetragen wären. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb mit Rücksicht auf
die Funktion des Grundbuchs, durch Gutglaubensschutz den Grundstücksverkehr mit
einer eingetragenen GbR zu ermöglichen, die Beschränkung am Anteil des
Gesellschafters zu verlautbaren wäre. Denn in seiner Verfügungsbefugnis über das
Grundstück selbst ist der eingetragene Gesellschafter nicht eingeschränkt. Überdies
muss - unabhängig von der Rechtslage seit 18.8.2009 - hinsichtlich des
Rechtsnießbrauchs auch kein Gutglaubensschutz durch das Grundbuchs gewährleistet
sein, weil bei einer Verfügung über den belasteten Gesellschaftsanteil der Nießbrauch
unabhängig von der Verlautbarung im Grundbuch bestehen bleibt (richtig
Staudinger/Frank aaO.). Das Grundbuchamt hat deshalb den Eintragungsantrag
insoweit zu Recht zurückgewiesen.
3. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 131 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 i.V.m. § 30 Abs. 1
KostO.
4. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 2
Satz 1 GBO vorliegen. Die behandelte Rechtsfrage ist umstritten und höchstrichterlich
nicht geklärt. Dazu ergeht folgende
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 78 GBO, § 71 FamFG ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von 1 Monat
nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichung einer
Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht - dies ist der Bundesgerichtshof in
76133 Karlsruhe, Herrenstraße 45a (Postanschrift: 76125 Karlsruhe) - einzulegen. Die
Rechtsbeschwerde muss enthalten:
1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet
wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Beteiligten müssen sich durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG).
Lorbacher
Paintner
Hinterberger
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richterin
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
.
BGB §§ 899a, 1068
GBO § 47 Abs. 2
1. Zur Eintragungsfähigkeit von Verfügungsbeschränkungen an Anteilen von BGBGesellschaftern im Grundbuch.
2. Jedenfalls nach dem Rechtszustand vom 18.8.2009 kommt die Eintragung einer
Verfügungsbeschränkung infolge Nießbrauchsstellung als Belastung am Gesellchaftsanteil
eines BGB-Gesellschafters nicht mehr in Betracht.
OLG München, 34. Zivilsenat
Beschluss vom 25.1.2011
34 Wx 148/10

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

24.01.2011

Aktenzeichen:

34 Wx 148/10

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht

Erschienen in:

MittBayNot 2011, 221-222
RNotZ 2011, 176-178
FGPrax 2011, 67-68
NotBZ 2011, 143
ZEV 2011, 268-269

Normen in Titel:

BGB §§ 899a, 1068; GBO § 47 Abs. 2