FG Bremen 16. Dezember 2020
2 K 151/19 (1)
GrEStG § 6a; AO § 163

Grunderwerbsteuer bei Verschmelzung von Genossenschaften nach vorangegangenen Umwandlungen

letzte Aktualisierung: 16.2.2022
FG Bremen, Gerichtsbescheid v. 16.12.2020 – 2 K 151/19 (1)

GrEStG § 6a; AO § 163
Grunderwerbsteuer bei Verschmelzung von Genossenschaften nach vorangegangenen
Umwandlungen

1. Die Nichterhebung der Steuer i. S. v. § 6a GrEStG setzt die Teilnahme eines
herrschenden Unternehmens am Umwandlungsvorgang voraus. Eine Anwendung des § 6a
GrEStG im Wege der teleologischen Reduktion auf Fälle, in denen am Umwandlungsvorgang – wie
hier – kein Unternehmen mit einer Beteiligungshöhe von mindestens 95 % beteiligt ist, scheidet aus.
2. Eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO scheidet mangels
übermäßiger Besteuerung im Zusammenhang mit § 6a GrEStG aus. Frühere
Grunderwerbsteuerbelastungen der an dem Umwandlungsvorgang Beteiligten aufgrund vorheriger,
als Zwischenschritte im Rahmen eines „Gesamtplans“ ausgeführter Verschmelzungen führen nicht
zu einer unzulässigen Doppelbelastung. Mehrere Gesellschaften bilden auch bei einem
„Gesamtplan“ keine grunderwerbsteuerrechtliche Einheit. Grunderwerbsteuerrechtlich maßgebend
ist vielmehr die zivilrechtliche Selbständigkeit von Gesellschaften.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im Hauptantrag und in den Hilfsanträgen unbegründet.

I. Der am 08.10.2020 erlassene Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
für die Grunderwerbsteuer zur Steuernummer mit den Endziffern -007
ist gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden,
weil er den Bescheid vom 02.12.2019 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
für die Grunderwerbsteuer zur Steuernummer mit den Endziffern -007,
der den ursprünglich angefochtenen und am 02.12.2019 aufgehobenen Bescheid vom
15.09.2014 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer
zur Steuernummer mit den Endziffern -007 ersetzt hat, geändert hat. Die in
§ 68 Satz 1 FGO verwendeten Begriffe „ändern“ und „ersetzen“ sind weit auszulegen.
Entscheidend ist, dass beide Verwaltungsakte „dieselbe Steuersache“ betreffen (Seer in:
Tipke/Kruse, AO/FGO, 157. Lieferung 08.2019, § 68 FGO Rz 11 f. mit Nachweisen der
BFH-Rechtsprechung; vgl. auch BFH, Urteil vom 26.06.2019 II R 58/15, BFH/NV 2019,
1222, juris Rz 10 f.). Dies ist hier der Fall. Der Beklagte hat in dem Bescheid vom
02.12.2019 lediglich den Zeitpunkt korrigiert, auf den die Erwerbstatbestände verwirklicht
worden sind, die Grunderwerbsteuer nach § 38 AO entstanden ist und der Grundbesitz
nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG, § 157 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu bewerten
ist, und mit dem diesen Bescheid ändernden Bescheid vom 08.10.2020 dem Antrag
der Klägerin nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entsprochen, wodurch hinsichtlich eines
Teils des Streitgegenstands Erledigung eingetreten ist.

II. Der während des Klageverfahrens erlassene geänderte Bescheid über die gesonderte
Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 08.10.2020 zur
Steuernummer mit den Endziffern -007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in
ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Die Verschmelzung der B. und der C. auf die bis dahin als A. firmierende Klägerin erfüllte
den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG hinsichtlich der zum Vermögen der
AA., der K., der L., der M., der N., der O., der Q. und der P. gehörenden Grundstücke
und den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG hinsichtlich des zum Vermögen der R.
gehörenden Grundstücks.

Der Grunderwerbsteuer unterliegen Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übertragung
eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründen, zu deren Vermögen ein inländisches
Grundstück gehört, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens
95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand
von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der
Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden
würden (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG). Dasselbe gilt für Rechtsgeschäfte, die den Anspruch
auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile einer solchen
Gesellschaft begründen (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG), und für Fälle, in denen der Vereinigung
unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile einer solchen Gesellschaft
kein schuldrechtliches Geschäft i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen
ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG), sowie für Fälle, in denen dem Übergang unmittelbar
oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile einer solchen Gesellschaft auf einen
anderen kein schuldrechtliches Geschäft i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen
ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG).

Diesen Tatbeständen ist gemeinsam, dass nicht das Eigentum am Grundstück auf einen
neuen Rechtsträger übergeht, sondern nur unmittelbar oder mittelbar Anteile an einer
grundbesitzenden Gesellschaft übergehen. Dabei ist der Vorgang, der zum Erwerb dieser
Anteile führt, zwar das die Steuer auslösende Moment. Gegenstand der Steuer ist aber
nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete Zuordnung von
mindestens 95 % der Anteile in einer Hand. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich
derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als
habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner
Hand vereinigen. Die Anteilsvereinigung kann auch dadurch erfolgen, dass der Erwerber
die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft teils unmittelbar und teils mittelbar erwirbt
(ständige Rechtsprechung des BFH, zuletzt Urteil vom 27.09.2017 II R 41/15, BFHE
260, 94, BStBl II 2018, 667, juris Rz 13 m. w. N.).

a) Der Erwerber erwirbt einen Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft dann unmittelbar,
wenn er zivilrechtlich Gesellschafter dieser Gesellschaft wird. Beim mittelbaren Anteilserwerb,
also einem Anteilserwerb, bei dem der Erwerber selbst nicht Gesellschafter
der grundbesitzenden Gesellschaft wird, scheidet eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus,
da es keine Regelungen für einen mittelbaren Anteilserwerb vorsieht.
Sind die grundbesitzenden Gesellschaften – wie im Streitfall die AA., die K., die L., die
M., die N., die O., die Q., die P. und die R. – Kapitalgesellschaften, setzt ein mittelbarer
Anteilserwerb, der zu einer Anteilsvereinigung beitragen oder führen kann, voraus, dass
der Anteilserwerber sowohl bei der zwischengeschalteten Gesellschaft (Zwischengesellschaft)
oder bei den Zwischengesellschaften als auch bei den grundbesitzenden Gesellschaft
selbst in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit
hat, seinen Willen durchzusetzen. Dies ist beispielsweise bei Vorhandensein einer einzigen
Zwischengesellschaft der Fall, wenn der Anteilserwerber mindestens 95 % der Anteile
an der Zwischengesellschaft hält und diese ihrerseits zu mindestens 95 % an der
grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist. Ist eine weitere Zwischengesellschaft vorhanden,
genügt es, wenn der Anteilserwerber mindestens 95 % der Anteile an der ersten
Zwischengesellschaft hält, diese zu mindestens 95 % an der zweiten Zwischengesellschaft
und diese wiederum zu mindestens 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft
beteiligt ist. Entsprechendes gilt auch bei weiteren Zwischengesellschaften (vgl. die ständige
Rechtsprechung des BFH, zuletzt BFH, Urteil in BFHE 260, 94, BStBl II 2018, 667,
juris Rz 14 ff. m. w. N.).

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die Beteiligung der Gesellschaft, die Gesellschafterin
der grundbesitzenden Gesellschaft ist, für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG dem
Anteilserwerber als mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft zugerechnet.
Der Gesetzgeber geht für Zwecke der Grunderwerbsteuer typisierend davon
aus, dass der Anteilserwerber mit dem Erreichen der Quote von 95 % in grunderwerbsteuerrechtlich
erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen – wenn
auch über so viele Stufen, wie zumindest 95 %ige Beteiligungen an Zwischengesellschaften
vorhanden sind – bei der grundbesitzenden Gesellschaft durchzusetzen (ständige
Rechtsprechung des BFH, zuletzt Urteil in BFHE 260, 94, BStBl II 2018, 667, juris Rz 17
m. w. N.). Hierbei handelt es sich nicht um eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, sondern
um eine mehrstufige rechtliche Betrachtungsweise (vgl. BFH, Urteile vom
20.12.2000 II R 26/99, BFH/NV 2001, 1040, juris Rz 11; vom 25.08.2010 II R 65/08,
BFHE 231, 239, BStBl II 2011, 225, juris Rz 15. a. E.).

Anteile der Gesellschaft i. S. v. § 1 Abs. 3 GrEStG sind bei Kapitalgesellschaften die Beteiligungen
am Gesellschaftskapital, also bei – wie hier – GmbH’s die Geschäftsanteile
(vgl. § 5 und §§ 14 ff. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
-GmbHG-). Entsprechendes gilt für vergleichbare ausländische Kapitalgesellschaften.
Die Höhe der Beteiligung am Gesellschaftskapital einer Kapitalgesellschaft ist ausschlaggebend
dafür, ob ein Anteilserwerb zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Vereinigung
von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft beitragen oder führen kann
(BFH, Urteil in BFHE 260, 94, BStBl II 2018, 667, juris Rz 18 m. w. N.).

b) Im Streitfall wurden durch die Verschmelzung der B. und der C. mehr als 95 % der Anteile
an der AA. in der Hand der Klägerin i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG vereinigt, und
zwar teils unmittelbar und teils mittelbar. Denn vor der Verschmelzung waren an der AA.
die noch als A. firmierende Klägerin zu 50,00 %, die B. zu 40,04 %, die C. zu 2,18 % und
die D. zu 7,78 % beteiligt. Nach der Verschmelzung der B. und der C. auf die bis dahin
als A. firmierende Klägerin waren an der AA. die Klägerin zu mehr als 95 % beteiligt,
nämlich unmittelbar zu 92,22 % und mittelbar zu (mindestens) 7,64 %, und zwar über ihre
unmittelbare Beteiligung an der D. i. H. v. (mindestens) 98,24 %, die ihrerseits zu 7,78 %
an der AA. beteiligt war. Für die Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG macht es keinen
Unterschied, dass die Klägerin mehr als 95 % der Anteile der grundbesitzenden AA.
teils unmittelbar in ihrer Hand vereinigte und teils mittelbar über die zwischengeschaltete

D. Der damit verbundene (fingierte) Erwerb der Grundstücke der AA. durch die Klägerin
unterliegt der Grunderwerbsteuer.

Außerdem wurden durch die Verschmelzungen mehr als 95 % der Anteile der K., der L.,
der M., der N., der O., der Q. und der P. in der Hand der Klägerin i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 2
GrEStG mittelbar vereinigt. Denn an den vorgenannten GmbH’s war vor und nach der
Verschmelzung die AA. zu 100 % beteiligt. Dadurch, dass sich nach der Verschmelzung
mehr als 95 % der Anteile der AA. teils unmittelbar und teils mittelbar in der Hand der
Klägerin befanden und die AA. 100 % der Anteile der vorgenannten GmbH’s hielt, waren
nach der Verschmelzung in der Hand der Klägerin zugleich mehr als 95 % der Anteile der
vorgenannten GmbH’s i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG mittelbar vereinigt. Der damit verbundene
fingierte Erwerb der Grundstücke der vorgenannten GmbH’s durch die Klägerin
unterliegt der Grunderwerbsteuer.

c) Des Weiteren gingen durch die Verschmelzung mehr als 95 % der Anteile an der R.
auf die Klägerin i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG unmittelbar über. Denn an der R. war vor
der Verschmelzung die B. zu 100 % beteiligt und nach der Verschmelzung die Klägerin
zu 100 %. Der damit verbundene (fingierte) Erwerb des Grundstücks der R. durch die
Klägerin unterliegt der Grunderwerbsteuer.

d) In den vorliegend gegebenen Fällen der Anteilsvereinigung i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 2
GrEStG und des Anteilsübergangs i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG entsteht die Grunderwerbsteuer
nach § 38 AO bei dinglichem Eintritt der rechtlichen Vereinigung bzw.
des rechtlichen Übergangs der jeweiligen Anteile, also mit Eintragung in das vorgesehene
Register (vgl. auch Urbach, kösdi 6/2019, 21269, 21280; Saecker, NWB Nr. 12
vom 18.03.2019, S. 817, 832). Denn die Wirkungen einer Verschmelzung durch Aufnahme
treten mit der Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden
Rechtsträgers ein (§ 20 Abs. 1 UmwG).

Danach entspricht der Zeitpunkt der Steuerentstehung im Streitfall dem Zeitpunkt der
Eintragung der Verschmelzung der B. und der C. auf die Klägerin in das Register des
Sitzes der Klägerin (AG …), die am 28.07.2011 erfolgte, nachdem die Verschmelzung
bereits am 21.07.2011 in das Register der B. beim AG … als übertragender Rechtsträger
und am 13.07.2011 in das Register der C. beim AG … als übertragender Rechtsträger
eingetragen worden war. Mit der Eintragung der Verschmelzung in das Register des
Sitzes der Klägerin am 28.07.2011 erloschen die B. und die C. (§ 20 Abs. 1 Nr. 2
UmwG). Die Anteile an der AA., die sich vor der Verschmelzung zu 50,00 % in der Hand
der bis dahin als A. firmierenden Klägerin, zu 40,04 % in der Hand der B. und zu 2,18 %
in der Hand der C. befanden, und die Anteile an der D., die sich vor der Verschmelzung
zu 98,24 % in der Hand der B. befanden, gingen kraft Gesetzes auf die Klägerin als übernehmender
Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über, ohne dass es eines
schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts bedurfte (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).
Während in dem ursprünglichen, vom 15.09.2014 datierenden Bescheid über die gesonderte
Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer zur Steuernummer
mit den Endziffern -007 unzutreffend als Zeitpunkt der Anteilsvereinigung i. S.
des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG das Datum der notariellen Beurkundung am 18.05.2011 benannt
war und zum Zeitpunkt des Anteilsübergangs i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG
keine Angaben gemacht worden waren, bezeichnet der den vorgenannten Bescheid ersetzende
neue Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
für die Grunderwerbsteuer zur Steuernummer mit den Endziffern -007 vom 02.12.2019,
der nach § 68 Satz 1 FGO in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 08.10.2020
nunmehr Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist, zutreffend den Zeitpunkt der
Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes der Klägerin am 28.07.2011
als Zeitpunkt der Anteilsvereinigung und des Anteilsübergangs.

2. Bei fingierten Grundstückserwerben nach § 1 Abs. 3 GrEStG durch Vereinigung unmittelbar
oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft
in einer Hand oder durch Übergang unmittelbar oder mittelbar von mindestens
95 % der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft werden gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich
die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn außerhalb
des Bezirks dieses Finanzamts liegende Grundstücke betroffen sind. Abzustellen ist dabei
auf die Geschäftsleitung der Gesellschaft, deren Anteile vereinigt werden oder übergehen.
Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft, um deren Anteile es geht, nicht selbst
Grundstückseigentümer ist, sondern an der grundbesitzenden Gesellschaft lediglich unmittelbar
und/oder mittelbar beteiligt ist (vgl. BFH, Urteil vom 21.09.2005 II R 33/04,
BFH/NV 2006, 609, juris Rz 12). Bei dieser Zuständigkeit bleibt es auch dann, wenn im
Rahmen einer Umwandlung neben § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG gleichzeitig die Steuertatbestände
des § 1 Abs. 2a, 3 oder 3a GrEStG erfüllt werden (Loose in Boruttau, GrEStG, 19.
Auflage 2018, § 17 Rz 54).

Im Streitfall vereinigten sich infolge der Verschmelzung der B. und der C. auf die Klägerin
mehr als 95 % der Anteile der AA. in der Hand der Klägerin, wodurch die Klägerin (fingiert)
die außerhalb des Bezirks des Beklagten liegenden Grundstücke im Eigentum der
AA. sowie die außerhalb des Bezirks des Beklagten liegenden Grundstücke im Eigentum
der 100 %igen Tochtergesellschaften der AA., nämlich der K., der L., der M., der N., der
O., der Q. und der P. erwarb (s. o. Ziffer 1.). Da sich die Geschäftsleitung der AA. als diejenige
Gesellschaft, deren Anteile vereinigt wurden und auf die daher abzustellen ist, seit
dem 19.01.2010 im Bezirk des Beklagten befindet, war dieser insoweit für die Feststellung
der Besteuerungsgrundlagen zuständig.

Außerdem gingen im Streitfall infolge der Verschmelzung der B. auf die Klägerin mehr als
95 % der Anteile der R. auf die Klägerin über, wodurch die Klägerin (fingiert) das außerhalb
des Bezirks des Beklagten liegende Grundstück im Eigentum der R. erwarb (s. o.
Ziffer 1.). Auch der Ort der Geschäftsleitung der R. als diejenige Gesellschaft, deren Anteile
übergegangen sind und auf die daher abzustellen ist, befand sich bereits seit dem
01.07.2011 und damit auch zum maßgeblichen Zeitpunkt des fingierten Erwerbs des Eigentums
an dem Grundstück in … am 28.07.2011, dem für den Anteilsübergang i. S. v.
§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG maßgeblichen Datum der Eintragung der Verschmelzung in das
Register des Sitzes der Klägerin, im Bezirk des Beklagten, der daher auch insoweit für
die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zuständig war.

3. Der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
für die Grunderwerbsteuer ist nicht deshalb rechtswidrig, weil sich daraus nicht die
Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer entnehmen lässt.
Zu den Besteuerungsgrundlagen gehört die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht
des jeweiligen Vorgangs dem Grunde nach (BFH, Urteil vom 15.03.2017 II R
36/15, BFHE 257, 482, DStR 2017, 1659, juris Rz 15 m. w. N.). Im Rahmen der Entscheidung
über die Steuerpflicht des jeweiligen Vorgangs ist auch über die Gewährung der
Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG zu entscheiden (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom
16.10.2014 4 K 1059/13, EFG 2015, 424, juris Rz 5, 24, nachgehend BFH, EuGH-Vorlage
in BFHE 257, 381, DStR 2017, 1324, juris Rz 3). Zu den Besteuerungsgrundlagen
gehören außerdem die verbindliche Entscheidung über die als Steuerschuldner in Betracht
kommenden natürlichen oder juristischen Personen und über die Finanzämter, die
zur Steuerfestsetzung berufen sind, sowie die Angabe der betroffenen Grundstücke
(BFH, Urteil in BFHE 257, 482, DStR 2017, 1659, juris Rz 15 m. w. N.) und des Zeitpunkts
der Verwirklichung der Erwerbsvorgangs, zu dem die Grunderwerbsteuer entstanden
und der erworbene Grundbesitz zu bewerten ist. Die Entscheidung über den Bewertungszeitpunkt
darf nach Sinn und Zweck des § 17 Abs. 3 GrEStG nicht den für die
Bewertung der Grundstücke zuständigen Finanzämtern überlassen werden. Nur die Feststellung
im Bescheid nach § 17 Abs. 3 GrEStG kann eine einheitliche Beurteilung dieses
Zeitpunkts gewährleisten (BFH, Urteil vom 30.08.2017 II R 39/15, BFHE 260, 87, BStBl II
2018, 786, juris Rz 14).

Nach § 17 Abs. 3a GrEStG sind in die gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 3 GrEStG
jedoch nicht die Grundbesitzwerte i. S. des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 157
Abs. 1 bis 3 BewG aufzunehmen, wenn die Steuer nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu bemessen
ist. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG wird in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG die
Steuer nach den Grundbesitzwerten i. S. des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 157
Abs. 1 bis 3 BewG bemessen. Das Gleiche gilt nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG bei
Umwandlungen aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes. In diesen Fällen sind
nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 i. V. m. Abs. 5 BewG die Grundbesitzwerte gesondert
festzustellen, da sie für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sind. Der Beklagte
hat daher zu Recht nicht die (Ersatz-)Bemessungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer
(Grundbesitzwerte für die betroffenen Grundstücke) in den angefochtenen
Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer
aufgenommen.

Der angefochtene Bescheid ist vielmehr (bindender) Grundlagenbescheid i. S. des § 171
Abs. 10 AO für die Bescheide über die Feststellung des Grundbesitzwerts und die Grunderwerbsteuerbescheide.
Die durch ihn festgestellten Besteuerungsgrundlagen sind für
diese beiden Folgebescheide von Bedeutung i. S. des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO. Er hemmt
nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 171 Abs. 10 AO den Ablauf der Feststellungsfrist für
den Erlass der Bescheide über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts. Da
durch den Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 GrEStG auch die betroffenen Grundstücke
festgestellt werden, steht erst aufgrund dieses Bescheides fest, dass und für welche
Grundstücke Werte festzustellen sind. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung
des Grundbesitzwerts für Grunderwerbsteuerzwecke ist zudem (bindender) Grundlagenbescheid
i. S. des § 171 Abs. 10 AO für den Grunderwerbsteuerbescheid als Folgebescheid
(BFH, Urteil in BFHE 257, 482, DStR 2017, 1659, juris Rz 17 m. w. N.).

III. Der Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid zu Recht nicht festgestellt, dass die
danach grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgänge nach § 6a GrEStG von der Grunderwerbsteuer
befreit sind. Denn die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nach
§ 6a GrEStG liegen nicht vor. Dies gilt auch dann, wenn man den steuerbaren Erwerb
der Grundstücke der B. und der C. durch die Klägerin i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1
GrEStG in die Betrachtung einbezieht, der von dem – nach Rücknahme der dagegen gerichteten
Klage am 19.08.2019 – rechtskräftigen Bescheid über die gesonderte Feststellung
der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 15.09.2014 zur
Steuernummer mit den Endziffern -008 erfasst wird.

Die Verschmelzung der B. und der C. auf die bis dahin als A. firmierende Klägerin führte
zu einem Übergang des Eigentums an den Grundstücken der B. und der C. kraft Gesetzes
i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG. Sie bewirkte als übertragende Umwandlung
einen Rechtsträgerwechsel hinsichtlich der der B. und der C. als übertragende
Rechtsträger zuzurechnenden Grundstücke (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 09.04.2008 II R
32/06, BFH/NV 2008, 1526, juris Rz 10 m. w. N.). Die Grunderwerbsteuer entstand am
28.07.2011 mit der Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes der Klägerin
als übernehmender Rechtsträger. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die
Grunderwerbsteuerpflicht des Grundstücksübergangs bei Umwandlungsvorgängen nicht
verfassungswidrig (z. B. BFH, Urteile vom 07.07.2004 II R 3/02, BFHE 206, 374, BStBl II
2004, 1006, juris Rz 18 f.; in BFH/NV 2008, 1526, juris Rz 15 ff.; BFH, Beschluss vom
09.04.2009 II B 95/08, BFH/NV 2009, 1148, juris Rz 12 ff.).

1. Nach § 6a Satz 1 GrEStG wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder 3 GrEStG
steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3
UmwG die Steuer nicht erhoben. Dies gilt nach § 6a Satz 3 GrEStG jedoch nur dann,
wenn an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und
ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften
oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt
sind. Abhängig im vorgenannten Sinne ist nach der Legaldefinition in § 6a Satz 4 GrEStG
eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen
innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem
Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens
95 % ununterbrochen beteiligt ist.

Begünstigt sind danach Umwandlungsvorgänge mit folgenden Beteiligten: ein herrschendes
Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft, ein herrschendes Unternehmen und
mehrere abhängige Gesellschaften, mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige
Gesellschaften (BFH, EuGH-Vorlage in BFHE 257, 381, DStR 2017, 1324, juris
Rz 27), wobei § 6a Satz 4 GrEStG für die Frage, wann eine Gesellschaft von einem herrschenden
Unternehmen abhängig ist, an die Kapitalbeteiligung des herrschenden Unternehmens
an der Gesellschaft und deren Dauer anknüpft. Hierdurch erreicht der Gesetzgeber,
dass Dritte, die an der grundbesitzenden Gesellschaft nicht in signifikanter Höhe
beteiligt sind und dadurch keine entscheidende Sachherrschaft über den Grundbesitz der
abhängigen Gesellschaft ausüben können, nicht in den Genuss der Steuervergünstigung
nach § 6a GrEStG kommen (Schwedhelm/Zapf, DStR 2016, 1967 1969).

Herrschendes Unternehmen kann jede natürliche oder juristische Person, Personengesellschaft
oder Personenvereinigung sein, die wirtschaftlich tätig ist. An den wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens sind keine hohen Anforderungen
zu stellen. Es reicht aus, wenn das herrschende Unternehmen über die Beteiligung
am abhängigen Unternehmen am Markt teilnimmt. Deshalb ist es nicht erforderlich, dass
der an der Umwandlung als herrschendes Unternehmen beteiligte Rechtsträger ein Unternehmer
i. S. des § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist (BFH, EuGH-Vorlage in
BFHE 257, 381, DStR 2017, 1324, juris Rz 29).

Wie der EuGH in seinem den Beihilfecharakter der Steuervergünstigung nach § 6a
GrEStG ablehnenden Urteil vom 19.12.2018 C-374/17, A-Brauerei (ECLI:EU:C:2018:
1024, juris Rz 45 ff., 50) hervorgehoben hat, soll die Steuervergünstigung nach § 6a
GrEStG mit der in Satz 3 vorgesehenen Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf
Konzernsachverhalte einer übermäßigen Besteuerung entgegenwirken. Die Besteuerung
der Übertragung von Grundstücken aufgrund von Umwandlungsvorgängen innerhalb eines
Konzerns, der sich durch einen besonders hohen Grad an Beteiligung, nämlich mindestens
95 %, auszeichnet, wird als übermäßig angesehen, weil nach § 1 Abs. 2a und
Abs. 3 GrEStG die Übertragung des betreffenden Grundstücks grundsätzlich bereits „eingangs“
besteuert wird, d. h. zu dem Zeitpunkt, zu dem die Gesellschaft, die Eigentümerin
dieses Grundstücks ist, in einem solchen Konzern aufgeht. Würde später die Übertragung
des Grundstücks aufgrund einer konzerninternen Umwandlung erneut besteuert,
ergäbe sich eine Doppelbesteuerung derselben Grundstücksübertragung, nämlich ein
erstes Mal bei der Übertragung, die dem Erwerb von mindestens 95 % des Gesellschaftsvermögens
der abhängigen Gesellschaft durch das beherrschende Unternehmen
entspricht, und ein zweites Mal bei dem Umwandlungsvorgang zwischen der abhängigen
Gesellschaft und dem beherrschenden Unternehmen. Dagegen ist eine solche Doppelbesteuerung
in Fällen einer Umwandlung, an der zwei durch eine Beteiligung von weniger
als 95 % miteinander verbundene Gesellschaften beteiligt sind, ausgeschlossen. Denn
dann ist der Erwerb durch das beherrschende Unternehmen, das eine Beteiligung von
weniger als 95 % des Gesellschaftsvermögens der abhängigen Gesellschaft hält, nicht
nach § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG steuerpflichtig, während der spätere Umwandlungsvorgang
zwischen den beiden Gesellschaften nicht nach § 6a GrEStG befreit ist. Da das
Erreichen der 95 %-Schwelle Voraussetzung für die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a und
Abs. 3 GrEStG ist, erfordert und rechtfertigt das Ziel des § 6a GrEStG, eine doppelte und
damit übermäßige Besteuerung zu vermeiden, die Beschränkung der Norm auf Umwandlungsvorgänge
zwischen Gesellschaften, die ebenfalls die 95 %-Schwelle erreichen, also
durch eine Beteiligung von mindestens 95 % miteinander verbunden sind. Nur Umwandlungsvorgänge
zwischen solchen Gesellschaften erlauben den Schluss, dass sich die
Sachherrschaft über das betreffende Grundstück nicht geändert hat, weil es bereits vor
dem Umwandlungsvorgang der erwerbenden Gesellschaft zuzurechnen war.
Die in § 6a Satz 4 GrEStG vorgesehenen Fristen beschränken die Anwendung der
Steuervergünstigung auf Fälle, in denen die Beteiligung des herrschenden Unternehmens
an der abhängigen Gesellschaft fünf Jahre vor dem Rechtsvorgang und dieselbe
Zeit nach dem Rechtsvorgang besteht. Hierdurch soll eine dem Zweck der Vorschrift
entgegenstehende Ausweitung der Steuervergünstigung verhindert werden. Wendet man
§ 6a Satz 4 GrEStG wortlautgetreu an, wären allerdings lediglich als Abspaltungen und
Ausgliederungen zur Aufnahme (§§ 123 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 UmwG) gestaltete
Umwandlungen von der Steuervergünstigung erfasst, während z. B. Umwandlungen zur
Neugründung (§§ 2 Nr. 2, 123 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 UmwG) die Vorbehaltensfrist
per definitionem nicht erfüllen und Verschmelzungen (§ 2 UmwG), Aufspaltungen
(§ 123 Abs. 1 UmwG) und Vermögensübertragungen unter Auflösung des übertragenden
Rechtsträgers (§ 174 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UmwG) grundsätzlich an der
Nachbehaltensfrist scheitern würden (Kittl/Lorenz, DStR 2019, 897, 900). Nach der
Rechtsprechung des BFH (EuGH-Vorlage in BFHE 257, 381, DStR 2017, 1324, juris
Rz 30; z. B. Urteil vom 22.08.2019 II R 18/19 (II R 62/14), BFHE 266, 379, BStBl II 2020,
352, juris Rz 26) und der ganz überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl.
die Nachweise im BFH-Urteil vom 22.08.2019 II R 18/19 (II R 62/14), BFHE 266, 379,
BStBl II 2020, 352, juris Rz 25) ist § 6a Satz 4 GrEStG deshalb dahin auszulegen, dass
die Fristen nur insoweit maßgebend sind, als sie aufgrund der Umwandlung auch eingehalten
werden können. So kann beispielsweise bei einer Verschmelzung einer abhängigen
Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen nur die Frist vor der Verschmelzung
eingehalten werden. Nach der Verschmelzung besteht die Beteiligung des herrschenden
Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft nicht mehr. Die Steuervergünstigung
nach § 6a GrEStG ist zu gewähren, weil die Frist nach der Verschmelzung gerade wegen
der Verschmelzung nicht eingehalten werden kann (BFH, Urteile vom 22.08.2019 II R
18/19 (II R 62/14), BFHE 266, 379, BStBl II 2020, 352, juris Rz 1, 26, 35; vom 21.08.2019
II R 15/19 (II R 50/13), BFHE 266, 326, BStBl II 2020, 329, juris Rz 1, 31, 40 f., II R 20/19
(II R 53/15), BFHE 266, 353, BStBl II 2020, 341, juris Rz 1, 26, 35 f.). Dasselbe gilt für die
anderen von § 6a Satz 1 GrEStG erfassten Umwandlungsvorgänge, bei denen aus
Rechtsgründen („umwandlungsbedingt“) die Fristen nicht eingehalten werden können
(BFH, EuGH-Vorlage in BFHE 257, 381, DStR 2017, 1324, juris Rz 30). Mit Blick auf die
Vorbehaltensfrist bedeutet dies, dass sämtliche zur Neugründung ausgestalteten Umwandlungen
von der Begünstigung erfasst sein können (BFH, Urteile vom 21.08.2019 II
R 16/19 (II R 36/14), BFHE 266, 335, BStBl II 2020, 333, juris Rz 1, 25, 34 f.; II R 21/19
(II R 56/15), BFHE 266, 361, BStBl II 2020, 344, juris Rz 1, 26, 35 f.; Kittl/Lorenz, DStR
2019, 897, 902). Gleiches gilt betreffend die Nachbehaltensfrist für alle Umwandlungen,
im Rahmen derer der übertragende Rechtsträger erlischt, was insbesondere bei der Verschmelzung
und der Aufspaltung der Fall ist (BFH, Urteil vom 21.08.2019 II R 19/19 (II R
63/14), BFHE 266, 343, BStBl II 2020, 337, juris Rz 1, 34, 43 f.; Kittl/Lorenz, DStR 2019,
897, 902). Dieses Verständnis des Fristenerfordernisses erlaubt die Anwendung der
Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG nicht nur auf Umwandlungsvorgänge, durch die
ein Konzern beendet wird, sondern auch auf Umwandlungsvorgänge, durch die ein Konzern
neu begründet wird (BFH, Urteile vom 22.08.2019 II R 18/19 (II R 62/14), BFHE 266,
379, BStBl II 2020, 352, juris Rz 30; II R 17/19 (II R 58/14), BFHE 266, 370, BStBl II
2020, 348, juris Rz 31; vom 21.08.2019 II R 15/19 (II R 50/13), BFHE 266, 326, BStBl II
2020, 329, juris Rz 35; II R 16/19 (II R 36/14), BFHE 266, 335, BStBl II 2020, 333, juris
Rz 29; II R 19/19 (II R 63/14), BFHE 266, 343, BStBl II 2020, 337, juris Rz 38; II R 20/19
(II R 53/15), BFHE 266, 353, BStBl II 2020, 341, juris Rz 30; II R 21/19 (II R 56/15),
BFHE 266, 361, BStBl II 2020, 344, juris Rz 30).

2. Die Klägerin war vor Eintragung der Verschmelzung der B. und der C. auf sie in das
Register beim AG … am 28.07.2011, die zu den (fingierten) Grundstückserwerben geführt
hat, kein herrschendes Unternehmen. Dies gilt sowohl in Bezug auf die beiden Genossenschaften,
die auf sie verschmolzen und infolgedessen ohne Abwicklung aufgelöst
wurden, als auch in Bezug auf die Gesellschaften, deren Anteile durch die Verschmelzung
unmittelbar und mittelbar in ihrer Hand vereinigt wurden bzw. auf sie übergingen.
Die Klägerin war vor Eintragung der Verschmelzung am 28.07.2011 an den beiden Genossenschaften
(B. und C.), die infolge der Verschmelzung ohne Abwicklung aufgelöst
wurden, überhaupt nicht beteiligt. Von einer Beherrschung der B. und der C. durch die
Klägerin konnte daher vor Eintragung der Verschmelzung am 28.07.2011 ebenso wenig
die Rede sein wie von einer Abhängigkeit der B. und der C. von der Klägerin.
Dasselbe trifft auch für die R. zu, an der vor Eintragung der Verschmelzung am
28.07.2011 allein die B. beteiligt war.

Im Verhältnis zur AA. war die Klägerin zwar vor Eintragung der Verschmelzung am
28.07.2011 Muttergesellschaft, und die AA. war Tochtergesellschaft der Klägerin, und die
Tochtergesellschaften der AA. (K., L., M., N., O., Q. und P.) waren ihrerseits Enkelgesellschaften
der Klägerin. Es fehlte aber an der für die Anwendbarkeit des § 6a GrEStG erforderlichen
Mindestbeteiligung der Klägerin von 95 %. Denn an der AA. war die Klägerin
vor Eintragung der Verschmelzung am 28.07.2011 nur zu 50,00 % beteiligt. Eine Beteiligung
an der AA. von 50 % begründet weder ein Beherrschungs- bzw. Abhängigkeitsverhältnis
zwischen der Klägerin und der AA. noch ein Beherrschungs- bzw. Abhängigkeitsverhältnis
zwischen der Klägerin und den Tochtergesellschaften der AA..
Dass die Klägerin mit der Eintragung der Verschmelzung am 28.07.2011 ein herrschendes
Unternehmen geworden ist, genügt für die Anwendung des § 6a GrEStG – entgegen
der Ansicht der Klägerin – nicht. Denn eine Mindestbeteiligung der Klägerin an der AA.
von 95 % entstand erst am 28.07.2011, bestand aber weder unmittelbar noch mittelbar
ununterbrochen bereits seit mindestens fünf Jahren, wie dies § 6a Satz 4 GrEStG voraussetzt.
Die Vorbehaltensfrist für eine Mindestbeteiligung von 95 % an der AA. konnte
auch nicht etwa gerade wegen der Verschmelzung nicht eingehalten werden. Die Nichteinhaltung
beruhte vielmehr darauf, dass die Klägerin nicht bereits fünf Jahre vor der Verschmelzung
der B. und der C. auf sie – zusätzlich zu der eigenen Beteiligung i. H. v.
50,00 % – die Beteiligungen der B. (40,04 %), der C. (2,18 %) und der D. (7,78 %) an der
AA. ununterbrochen innehatte. Im Streitfall führt daher weder die Erkenntnis weiter, dass
bei einer mehrstufigen Beteiligungskette die Konzernspitze als herrschendes Unternehmen
in Bezug auf die erste Beteiligungsebene als unmittelbar sowie in Bezug auf jede
weitere Ebene (mindestens 95 % Beteiligung vorausgesetzt) als mittelbar beherrschend
in Betracht kommt, noch die Erkenntnis, dass bei ausreichend langen Beteiligungsketten
mehrere herrschende und abhängige Rechtsträger vorliegen können (Viskorf, in:
Boruttau, GrEStG, 19. Auflage 2018, § 6a Rz 73, § 6a Rz 88 - 90).

Das Gleiche gilt für den Hinweis der Klägerin, dass nach der Rechtsprechung des BFH
(z. B. Urteile in BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833; in BFHE 246, 215, BStBl II 2016, 57; in
BFHE 251, 492, BStBl II 2018, 783) für die Frage, ob eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands
i. S. v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG vorliegt, auf die Grundsätze des
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten zurückgegriffen
werden kann. Denn aus der BFH-Rechtsprechung (z. B. Urteil in BFHE
241, 53, BStBl II 2013, 833, juris Rz 10, 13 f.) ergibt sich, dass nur die mittelbare Änderung
– im Gegensatz zur unmittelbaren – allein nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen
ist, weil das Zivilrecht eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands nicht
kennt. § 6a Satz 4 GrEStG stellt hingegen für die Frage, wann eine Gesellschaft von einem
herrschenden Unternehmen abhängig ist, auf die „Beteiligung“ des herrschenden
Unternehmens „am Kapital“ der abhängigen Gesellschaft ab. Maßgebend für die in § 6a
Satz 4 bestimmte Anteilsgröße von 95 % für die dort genannte zeitliche Mindestdauer ist
der Anteil des herrschenden Unternehmens am Stammkapital bei einer abhängigen
GmbH bzw. am Grundkapital bei einer abhängigen AG bzw. am Gesellschaftsvermögen
bei einer abhängigen Personengesellschaft (Pahlke, GrEStG, 6. Auflage 2018, § 6 Rz 50
f.). Da das Zivilrecht den Begriff des Anteils im vorgenannten Sinne kennt, muss im Rahmen
des § 6a GrEStG – ebenso wie im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG – für die Beurteilung,
ob eine unmittelbare Beteiligung gegeben ist, an das Zivilrecht angeknüpft werden.
Für eine vom Zivilrecht losgelöste wirtschaftliche Betrachtungsweise ist kein Raum.

3. Eine Anwendung des § 6a GrEStG im Wege der teleologischen Reduktion auf Fälle, in
denen am Umwandlungsvorgang – wie hier – kein Unternehmen mit einer Beteiligungshöhe
von mindestens 95 % beteiligt ist, scheidet aus.

Eine teleologische Reduktion zielt darauf, den Geltungsbereich einer Norm mit Rücksicht
auf ihren Gesetzeszweck gegenüber dem zu weit gefassten Wortlaut einzuschränken.
Sie ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung
rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Aufgabe der teleologischen Reduktion ist es
nicht, das Gesetz zu verbessern, obwohl es sich – gemessen an seinem Zweck – noch
nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist. Vielmehr muss die auf den
Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen (BFH, Urteil vom
14.05.2019 VIII R 20/16, BFHE 264, 459, BStBl II 2019, 586, juris Rz 28 m. w. N.). So
liegt es hier jedoch nicht. Der Gesetzgeber hat die Steuervergünstigung nach § 6a
GrEStG bewusst an ein besonderes Beherrschungs- bzw. Abhängigkeitsverhältnis geknüpft,
ohne dass dies zu sinnwidrigen Ergebnissen führt.

a) In der – auch bereits vom Beklagten in seinen Einspruchsentscheidungen vom
01.08.2017 und von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22.02.2019 zitierten – Begründung
zur Einführung von § 6a GrEStG mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung
des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP heißt es wörtlich (Bundestag, Drucksache 17 / 15 vom 09.11.2009,
S. 21):

„ Um schnell und effektiv Wachstumshemmnisse zu beseitigen, sollen die Bedingungen
für Umstrukturierungen von Unternehmen krisenfest, planungssicherer
und mittelstandsfreundlicher ausgestaltet werden. Unternehmen sollen flexibel
auf Veränderungen der Marktverhältnisse reagieren können. Um dies zu erreichen
werden Grundstücksübergänge im Rahmen von Umstrukturierungen bei
Umwandlungsvorgängen grunderwerbsteuerrechtlich begünstigt, wenn es sich
um einen Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 des Umwandlungsgesetzes
handelt.

Da die Grunderwerbsteuer ihrem Wesen als Verkehrsteuer nach an Akte oder
Vorgänge des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Akt, an
die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder eines Verkehrsvorgangs anknüpft,
und diese grundsätzlich ohne Ansehung der Person bzw. des verfolgten Zweckes
der Steuer unterwirft, kann eine Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung
der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, dann
gerechtfertigt sein, wenn das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des
Gemeinwohls gefördert werden soll. Deshalb muss die Begünstigungswirkung
den Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zu Gute kommen. Sie darf
nicht von Zufälligkeiten abhängen und daher willkürlich eintreten, sondern muss
sich direkt aus der der Begünstigungsnorm zugrunde liegenden Entlastungsentscheidung
ableiten lassen. Aus diesem Grunde werden Umwandlungsvorgänge,
die zu einem Rechtsträgerwechsel am Grundstück im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes
führen, zur Beseitigung von Wachstumshemmnissen begünstigt.
Die Erfassung aller derartigen Vorgänge dient der gebotenen gleichmäßigen Wirkung
der Begünstigung.

Um eine zielgenaue Begünstigung zu erreichen, bedarf es flankierender Eingrenzungen.
Diese müssen sicherstellen, dass die Begünstigung nicht zu einem ungewollten
Mitnahmeeffekt führt, mithin Gestaltungen eröffnet, die nicht in der Zielrichtung
der Ausnahme von der allgemeinen Belastung mit der Grunderwerbsteuer
liegen. Deshalb wird einerseits […] eine Vorbehaltensfrist festgelegt und
anderseits […] eine nachträgliche Versagung der Begünstigung festgeschrieben.
Die Vorschrift orientiert sich insoweit an dem Grunderwerbsteuergesetz innewohnenden
System, wie es in den Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 des Grunderwerbsteuergesetzes
seinen Ausdruck findet. “

Der Finanzausschuss (7. Ausschuss) des Deutschen Bundestages hat hierzu in seinem
Bericht zu dem vorgenannten Gesetzesentwurf vom 02.12.2009 ergänzend Folgendes
ausgeführt (Bundestag, Drucksache 17 / 147 vom 03.12.2009, S. 10):

„ […] Die Beschränkung auf Konzernsachverhalte ist zulässig. Deshalb erfasst
die Begünstigung nur solche Umwandlungsvorgänge an denen ausschließlich ein
herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen
abhängige Gesellschaften, oder mehrere von einem herrschenden
Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (Satz 3).

[…] “
Sowohl aus dem Wortlaut des § 6a GrEStG als auch aus der Gesetzesbegründung ergibt
sich, dass die Steuervergünstigung nur bestimmten Unternehmen bzw. Gesellschaften,
bei denen ein besonderes Beherrschungs- bzw. Abhängigkeitsverhältnis besteht, zu Gute
kommen soll. Dies soll sicherstellen, dass die Rechtsfolgen der von § 6a GrEStG begünstigten
Erwerbsvorgänge nur in einem genau umschriebenen Anwendungsbereich zurückgenommen
werden. Dasselbe gilt für die einzuhaltenden Fristen in Bezug auf die Beteiligung
des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft. Hierdurch
soll vermieden werden, dass Beteiligungen kurzfristig erworben werden, um Umwandlungen
ohne Grunderwerbsteuerbelastung auszuführen. Die Beteiligungshöhe und die Fristen
grenzen den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG in sachgerechter Weise ein, um
ungewollte Mitnahmeeffekte zu verhindern (vgl. BFH, EuGH-Vorlage in BFHE 257, 381,
DStR 2017, 1324, juris Rz 60 f.). Eine Überprüfung, ob im Einzelfall tatsächlich eine Missbrauchskonstellation
vorliegt, findet nicht statt (Schwedhelm/Zapf, DStR 2016, 1967,
1970). Eine Auslegung des § 6a GrEStG in der Weise, dass im Einzelfall ein Missbrauchsprüfung
vorzunehmen ist, ist nicht zulässig. Sie stünde mit der Regelungskonzeption
des Gesetzes nicht in Einklang. Wäre eine Missbrauchsprüfung im Einzelfall gewollt,
hätte ein Missbrauchselement zwingend zum Tatbestandsmerkmal erhoben werden müssen
(vgl. BFH, Urteil vom 22.01.2020 II R 8/18, BFHE 267, 468, BStBl II 2020, 567, juris
Rz 25). Da § 6a GrEStG an anderweit definierte Merkmale anknüpft, ist stattdessen eine
Typisierung gewollt.

b) Zwar sind die Vor- und Nachbehaltensfristen dahin auszulegen, dass sie nur insoweit
maßgebend sind, als sie aufgrund der Umwandlung auch eingehalten werden können.
Voraussetzung für eine solche teleologische Reduktion der Haltefristen ist aber stets,
dass an dem Umwandlungsvorgang ein herrschendes Unternehmen mit einer Beteiligungshöhe
von mindestens 95 % und eine von diesem herrschenden Unternehmen abhängige
Gesellschaft oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen mit einer Beteiligungshöhe
von mindestens 95 % abhängige Gesellschaften beteiligt sind (vgl. BFH,
Urteile vom 22.08.2019 II R 18/19 (II R 62/14), BFHE 266, 379, BStBl II 2020, 352, juris
Rz 26 ff.; II R 17/19 (II R 58/14), BFHE 266, 370, BStBl II 2020, 348, juris Rz 27 ff.; vom
21.08.2019 II R 15/19 (II R 50/13), BFHE 266, 326, BStBl II 2020, 329, juris Rz 31 ff.; II R
16/19 (II R 36/14), BFHE 266, 335, BStBl II 2020, 333, juris Rz 25 ff.; II R 19/19 (II R
63/14), BFHE 266, 343, BStBl II 2020, 337, juris Rz 34 ff.; II R 20/19 (II R 53/15), BFHE
266, 353, BStBl II 2020, 341, juris Rz 26 ff.; II R 21/19 (II R 56/15), BFHE 266, 361, BStBl
II 2020, 344, juris Rz 26 ff.). Etwas anderes wird, soweit ersichtlich, auch in der Literatur
nicht vertreten.

Im Streitfall war die Klägerin an dem Umwandlungsvorgang – Verschmelzung der B. und
der C. auf sie – nicht als herrschendes Unternehmen mit einer Beteiligungshöhe von mindestens
95 % an der B. und der C. beteiligt, und umgekehrt waren mit der B. und der C.
auch keine von ihr abhängigen Unternehmen an dem Umwandlungsvorgang beteiligt. Die
Klägerin war vor Eintragung der Verschmelzung am 28.07.2011 an der B. und der C. vielmehr
überhaupt nicht beteiligt. Nach der Umwandlung war die Klägerin ebenfalls nicht zu
mindestens 95 % an der B. und der C. beteiligt, da beide mit Eintragung der Verschmelzung
am 28.07.2011 erloschen, also nicht mehr existierten.

Der – zutreffende – Hinweis der Klägerin, dass in der Verschmelzung der B. und der C.
auf sie trotz fehlender Beteiligungshöhe von mindestens 95 % keine Steuerumgehung
gelegen habe, kann für die Anwendung der Steuervergünstigung des § 6a GrEStG auf
den Streitfall für sich genommen nicht genügen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus
den Äußerungen derjenigen Stimmen in Literatur (z. B. Rödder/Schönfeld, DStR 2010,
415, 416; Teiche, BB 2012, 2659, 2660 f.; Behrens, BB 2019, 360) und Rechtsprechung
(FG Düsseldorf, Urteile vom 07.05.2014 7 K 281/14, EFG 2014, 1424, juris Rz 10; vom
04.11.2015 7 K 1553/15 GE, EFG 2016, 142, juris Rz 11), die § 6a Satz 4 GrEStG als
reine Missbrauchsvermeidungsvorschrift analog zu den entsprechenden Regelungen der
§§ 5 und 6 GrEStG verstehen. Auch diese Stimmen halten lediglich Fristenverstöße in
bestimmten Fallkonstellationen für unschädlich, verzichten aber, soweit ersichtlich, einhellig
nicht auf das Erfordernis, dass an dem Umwandlungsvorgang ein herrschendes
Unternehmen mit einer Beteiligungshöhe von mindestens 95 % und eine von diesem
herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaft oder mehrere von einem herrschenden
Unternehmen mit einer Beteiligungshöhe von mindestens 95 % abhängige Gesellschaften
beteiligt sind.

IV. Der Beklagte hat zu Recht in dem angefochtenen Bescheid keine Anrechnung von
Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 6 GrEStG festgestellt. Abgesehen davon, dass fraglich
ist, ob die Anrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG überhaupt eine Besteuerungsgrundlage
ist, die bei der gesonderten Feststellung nach § 17 GrEStG festzustellen ist,
hat die Klägerin jedenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen für eine solche Anrechnung
weder dargelegt noch nachgewiesen.

1. Die Voraussetzungen für eine Anrechnung von Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 6
Satz 2 GrEStG liegen im Streitfall nicht vor.

a) § 1 Abs. 6 GrEStG stellt keine formelle Steuerbefreiung dar, sondern sieht unter bestimmten
Voraussetzungen lediglich eine Anrechnung von Grunderwerbsteuer vor. Voraussetzung
für eine Anrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist, dass ein Erwerbsvorgang
i. S. des § 1 Abs. 1, 2, 3 oder Abs. 3a GrEStG einem „anderen“ in diesen
Absätzen bezeichneten Erwerbsvorgang vorausgeht. Nicht von § 1 Abs. 6 GrEStG erfasst
ist deshalb die aufeinanderfolgende Verwirklichung einzelner Erwerbsvorgänge innerhalb
der Abs. 1 und 3 des § 1 GrEStG. Die Vorschrift betrifft also nicht Rechtsvorgänge,
die in verschiedenen Nummern dieser Absätze geregelt sind, wie beispielsweise
in § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG einerseits und in § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG andererseits (BFH,
Urteil vom 12.05.2016 II R 26/14, BFHE 254, 71, BStBl II 2016, 748, juris Rz 25 m. w.
N.).

Zentrale Voraussetzungen für die Privilegierung eines Erwerbs nach § 1 Abs. 6 Satz 2
GrEStG sind die Identität des Erwerbers (sog. Erwerberidentität) und die Identität der
Grundstücke (sog. Grundstücksidentität) bei den aufeinanderfolgenden Erwerbsvorgängen
(z. B. BFH, Urteile vom 31.03.2004 II R 54/01, BFHE 205, 314, BStBl II 2004, 658,
juris Rz 20; vom 01.12.2004 II R 10/02, BFH/NV 2005, 1365, juris Rz 13; Meßbacher-
Hönsch, in: Boruttau, GrEStG, 19. Auflage 2018, § 1 Rz 1274 ff.; Schiessl/Tschesche,
BB 2003, 1867, 1868 m. w. N.).

Erwerberidentität bedeutet, dass an den aufeinanderfolgenden Erwerbsvorgängen grunderwerbsteuerrechtlich
derselbe Erwerber beteiligt ist. Erwerber in diesem Sinne ist bei
Konzernumstrukturierungen in der Regel die jeweilige grunderwerbsteuerpflichtige Gesellschaft
bzw. der grunderwerbsteuerpflichtige Gesellschafter (vgl. § 13 GrEStG). Nur
bei einer Erwerberidentität lässt sich sagen, dass der Steuertatbestand zwar formell zweimal,
dem materiellen Grund nach jedoch vom Subjekt der grunderwerbsteuerrechtlichen
Zuordnung nur einmal erfüllt ist. Dementsprechend ist in § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG ausdrücklich
klargestellt, dass auch der nachfolgende Erwerbsvorgang formell uneingeschränkt
der Grunderwerbsteuer unterliegt. Rechtsfolge ist nach § 1 Abs. 6 Satz 2
GrEStG lediglich die Steueranrechnung, d. h., in Bezug auf den nachfolgenden Erwerbsvorgang
wird die Grunderwerbsteuer nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage
für diesen den Betrag übersteigt, von dem bei dem vorausgegangenen Erwerbsvorgang
Grunderwerbsteuer berechnet worden ist (Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau,
GrEStG, 19. Auflage 2018, § 1 Rz 1270 f.; Schiessl/Tschesche, BB 2003, 1867, 1868
m. w. N.; Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 21.04.2004 I 479/98, EFG 2004, 1856, juris
Rz 18; vgl. auch BFH, Urteil vom 31.08.1994 II R 108/91, BFH/NV 1995, 431 juris Rz 22).

b) Im Streitfall kann nicht festgestellt werden, dass den Grundstückserwerben der Klägerin
durch Verschmelzung gemäß notariellem Vertrag vom 18.05.2011 und den (Quasi-)
Grundstückserwerben der Klägerin infolge Anteilsvereinigung bzw. -übergang aufgrund
dieser Verschmelzung (Quasi-)Erwerbe derselben Grundstücke seitens der Klägerin vorausgegangen
sind.

Die Verschmelzungsverträge und Ausgliederungs- und Übernahmeverträge vom
19.01.2010 haben nicht zu (Quasi-)Erwerben von Grundstücken der BBB. und der Tochtergesellschaften
der BBB., der B., der D. und der E. durch die Klägerin nach § 1 Abs. 3
GrEStG geführt. Denn die Klägerin war erst seit der Verschmelzung mit Vertrag vom
18.05.2011 zu mehr als 95 % an der AA. beteiligt. Es kann nicht festgestellt werden, dass
sie zuvor grunderwerbsteuerrechtlich in einer relevanten Beziehung zu den Grundstücken
der vorgenannten Gesellschaften stand.

Da nicht die Klägerin, sondern die AA. hinsichtlich der vorgenannten Rechtsvorgänge
grunderwerbsteuerrechtlich als (Quasi-)Erwerberin von Grundstücken der BBB. und der
Tochtergesellschaften der BBB., der B., der D. und der E. anzusehen ist, besteht keine
Erwerberidentität. Eine wesentliche Voraussetzung für eine Anrechnung der Grunderwerbsteuer
aus den vorgenannten Rechtsvorgängen auf die Grunderwerbsteuer für die
(Quasi-)Grundstückserwerbe der Klägerin infolge der Verschmelzung mit Vertrag vom
18.05.2011 liegt somit nicht vor.

c) Eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG scheidet bei fehlender Erwerberidentität
mangels einer Regelungslücke aus. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen,
die Anrechnung der einem Dritten berechneten Steuer in die Regelung des § 1
Abs. 6 Satz 2 GrEStG aufzunehmen (BFH, Urteile in BFHE 205, 314, BStBl II 2004, 658,
juris Rz 20; BFH, Urteil in BFH/NV 2005, 1365, juris Rz 13; Meßbacher-Hönsch, in:
Boruttau, GrEStG, 19. Auflage 2018, § 1 Rz 1281).

2. Da die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG für eine Anrechnung von
Grunderwerbsteuer im Streitfall schon nicht erfüllt sind, kann offenbleiben, ob Inhalt
von Bescheiden über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer
nach § 17 Abs. 3 GrEStG neben den erforderlichen Feststellungen über die
Steuerpflicht dem Grunde nach sowie über das Bestehen von Steuerbefreiungen, wie
z. B. § 6a GrEStG, auch die Entscheidung über eine Anrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2
GrEStG sein kann.

Ziffer 9 der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Durchführung
der gesonderten Feststellung nach § 17 GrEStG vom 01.03.2016 (Die Senatorin
für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, 01.03.2016, S 4541-1/2016-1/2016-13-5,
BStBl I 2016, 282, juris; ebenso bereits Ziffer 9 der gleich lautenden Erlasse der obersten
Finanzbehörden der Länder zur Durchführung der gesonderten Feststellung nach § 17
GrEStG vom 18.07.2007, Der Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen,
18.07.2007, S 4541-10-4-917, BStBl I 2007, 549, juris) sieht vor, dass die Entscheidung
über eine Anrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG in den Zuständigkeitsbereich der
jeweiligen Lagefinanzämter der betroffenen Grundstücke fällt. Dementsprechend haben
Feststellungen zu § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG in den Bescheiden über die Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer nach § 17 GrEStG zu unterbleiben.

Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass bei der gesonderten Feststellung
nach § 17 GrEStG die Anrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG keine Besteuerungsgrundlage
und damit nicht festzustellen ist (z. B. Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau,
GrEStG, 19. Auflage 2018, § 1 Rz 1287). Zuständig für die Entscheidung über die Anrechnung
wäre danach das Finanzamt, das für die Steuerfestsetzung zuständig ist. Dieses
Finanzamt wird üblicherweise auch die weiteren Informationen besitzen, die für die
Entscheidung über eine Anrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG erforderlich sind.
V. Die Klage ist auch insoweit unbegründet, als die Klägerin hilfsweise die Verpflichtung
des Beklagten begehrt, die Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich der im Abschnitt 1.2 c)
bis f) ihres Schriftsatzes vom 12.03.2020 genannten Grundstücke und Beteiligungen gemäß
§ 163 AO unberücksichtigt zu lassen, bzw. die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung
ihres Billigkeitsantrags unter Beachtung der Auffassung des Gerichts.

1. Die Sachurteilsvoraussetzung eines abgeschlossenen Vorverfahrens, das grundsätzlich
gemäß § 44 FGO dem Klageverfahren vorausgehen muss, ist im Streitfall erfüllt.
Zwar hat der Beklagte vor der Einspruchsentscheidung keinen Bescheid erlassen, durch
den er den Antrag der Klägerin nach § 163 AO abgelehnt hat. Vielmehr hat er erstmals in
der Einspruchsentscheidung vom 01.08.2017 eine (ablehnende) Verwaltungsentscheidung
getroffen. Dennoch war es im Streitfall nicht notwendig, ein weiteres Rechtsbehelfsverfahren
durchzuführen. Denn es ist eine Einspruchsentscheidung ergangen, die von
der Klägerin als Beschwerte in zulässiger Weise durch Klage angefochten werden konnte
(z. B. BFH, Urteil vom 23.02.2017 III R 35/14, BFHE 257, 20, BStBl II 2017, 757, juris
Rz 14 m. w. N.). Während des Klageverfahrens ist sodann der ursprünglich angefochtene
Bescheid vom 15.09.2014 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
für die Grunderwerbsteuer zur Steuernummer mit den Endziffern -007 ersetzt worden
durch den neuen Bescheid vom 02.12.2019, der auch eine Entscheidung über den Antrag
der Klägerin nach § 163 AO enthält und gemäß § 68 Satz 1 FGO in der Gestalt des
Änderungsbescheides vom 08.10.2020 Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens
geworden ist.

2. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten über den Antrag der Klägerin nach § 163
AO ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1, § 102
Satz 1 FGO).

a) Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen,
die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt
bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls sachlich unbillig
wäre. Mit einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO kann die niedrigere Festsetzung
von Steuern (§ 163 Satz 1 Alt. 1 AO), die Nichtberücksichtigung einzelner steuererhöhender
Besteuerungsgrundlagen (§ 163 Satz 1 Alt. 2 AO) oder die frühere oder spätere Berücksichtigung
von Besteuerungsgrundlagen (§ 163 Satz 2 AO) als Rechtsfolge herbeigeführt
werden.

aa) Die Entscheidung über die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist
eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO), bei der Inhalt und Grenzen
des Ermessens durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden. Die Entscheidung unterliegt
gemäß § 102 FGO ggf. i. V. m. § 101 Satz 1 FGO nur eingeschränkter gerichtlicher
Nachprüfung. Stellt das Gericht eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler
fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung
beschränkt. Nur wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart
eingeengt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht
kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null), ist es befugt, seine Entscheidung an die
Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen und nach § 101
Satz 1 FGO eine Verpflichtung zu einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen
auszusprechen (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Urteil vom 22.10.2014
II R 4/14, BFHE 247, 170, BStBl II 2015, 237, juris Rz 13 m. w. N.).

bb) Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem
Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft. Das
setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als
tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig
erkannt hätte.

Bei der Entscheidung über eine sachliche Billigkeitsmaßnahme ist auf den Einzelfall abzustellen.
Sie ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten. Billigkeitsmaßnahmen dienen
der Anpassung des steuerrechtlichen Ergebnisses an die Besonderheiten des Einzelfalls,
um Rechtsfolgen auszugleichen, die das Ziel der typisierenden gesetzlichen Vorschrift
verfehlen und deshalb ungerecht erscheinen. Sie gleichen Härten aus, die der steuerrechtlichen
Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem
vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen (BFH, Beschluss vom 28.11.2016 GrS
1/15, BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393, juris Rz 113). Sachlich unbillig ist die Erhebung
einer Steuer vor allem dann, wenn sie im Einzelfall nach dem Zweck des zugrunde liegenden
Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist.

Unbeachtet bleiben müssen grundsätzlich solche Erwägungen, die der gesetzliche Tatbestand
typischerweise mit sich bringt (BFH, Urteile vom 21.10.1987 X R 29/81, BFH/NV
1988, 546, juris Rz 16 m. w. N.; vom 26.10.1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995,
297, juris Rz 20 f. m. w. N.). Billigkeitsmaßnahmen dürfen nicht die einem gesetzlichen
Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder
korrigieren. Sie können nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestands
abhelfen (BVerfG, Beschluss vom 05.04.1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102,
BStBl II 1978, 441, juris Rz 36; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 11.05.2015 1 BvR
741/14, HFR 2015, 882, DStR 2015, 2237, juris Rz 10; BFH, Urteil vom 22.10.2014 II R
4/14, BFHE 247, 170, BStBl II 2015, 237, juris Rz 15 m. w. N.). Auch dürfen Billigkeitsmaßnahmen
nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch
begründenden Gesetzes zu unterlaufen (BFH, Urteil in BFHE 176, 3, BStBl II
1995, 297, juris Rz 21 m. w. N.). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge,
die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt in der
Regel keine Billigkeitsmaßnahme (z. B. BFH, Urteil vom 23.07.2013 VIII R 17/10, BFHE
242, 134, BStBl II 2013, 820, juris Rz 12 m. w. N.). Insbesondere kann § 163 AO nicht als
Rechtsgrundlage für eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Steuerbefreiung dienen (vgl.
BFH, Urteil vom 10.03.2016 III R 2/15, BFHE 253, 12, BStBl II 2016, 508, juris Rz 28 m.
w. N.).

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Beklagte ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen,
dass Billigkeitsmaßnahmen im Streitfall nicht in Betracht kommen. Die Festsetzung
und Erhebung von Grunderwerbsteuer ist im Streitfall nicht sachlich unbillig. Denn
sie steht im Einklang mit dem Zweck des § 6a GrEStG und des § 1 Abs. 6 GrEStG und
läuft den gesetzgeberischen Wertungen nicht zuwider.

aa) Die Belastung der Klägerin mit Grunderwerbsteuer aufgrund der Verschmelzung mit
der B. und der C. ist kein Grund für eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO.

Der Gesetzgeber hat durch die in § 6a GrEStG aufgestellten Voraussetzungen (qualifiziertes
Beteiligungsverhältnis, Haltefristen) den nicht besteuerungswürdigen Rechtsträgerwechsel
vom besteuerungswürdigen Rechtsträgerwechsel abgegrenzt. Es widerspräche
den Wertungen des Gesetzgebers, die Folgen, die sich hieraus ergeben, durch Billigkeitsmaßnahmen
zu beseitigen oder abzumildern. Ein finanzbehördlicher Billigkeitserweis,
der über die im Streitfall fehlende Beteiligung von mindestens 95 % vor der Verschmelzung
gemäß Vertrag vom 18.05.2011 hinwegsähe, würde auf eine – unzulässige
– partielle Gesetzeskorrektur hinauslaufen.

Ein Überhang des Gesetzes über die Wertungen des Gesetzgebers liegt im Streitfall
nicht vor. Eine Doppelbesteuerung derselben Grundstücksübertragung, nämlich ein erstes
Mal bei einer Übertragung, die dem Erwerb von mindestens 95 % des Gesellschaftsvermögens
einer sodann abhängigen Gesellschaft durch ein sodann beherrschendes Unternehmen
entspricht, und ein zweites Mal bei einem Umwandlungsvorgang zwischen
der abhängigen Gesellschaft und dem beherrschenden Unternehmen, ist nicht ersichtlich.
Zwar bedarf es bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a GrEStG für die Gewährung
der Steuerbefreiung keiner Feststellung einer Doppelbesteuerung im konkreten Einzelfall
(BFH, Urteile vom 22.08.2019 II R 18/19 (II R 62/14), BFHE 266, 379, BStBl II
2020, 352, juris Rz 15; II R 17/19 (II R 58/14), BFHE 266, 370, BStBl II 2020, 348, juris
Rz 16; vom 21.08.2019 II R 15/19 (II R 50/13), BFHE 266, 326, BStBl II 2020, 329, juris
Rz 17; II R 16/19 (II R 36/14), BFHE 266, 335, BStBl II 2020, 333, juris Rz 14; II R 19/19
(II R 63/14), BFHE 266, 343, BStBl II 2020, 337, juris Rz 15; II R 20/19 (II R 53/15),
BFHE 266, 353, BStBl II 2020, 341, juris Rz 15; II R 21/19 (II R 56/15), BFHE 266, 361,
BStBl II 2020, 344, juris Rz 15). Fehlt es allerdings an einer Doppelbesteuerung und damit
einer übermäßigen Besteuerung, ist eine Steuerbefreiung im Billigkeitswege von
vornherein nicht angezeigt.

Der Umstand, dass die Verschmelzung der B. und der C. auf die Klägerin und die vorangegangenen
Umstrukturierungen wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen gewesen sind, die
auf Veränderung der Marktverhältnisse beruht, Wachstumshemmnisse beseitigt und dem
Gemeinwohl gedient haben, ist nicht geeignet, die Annahme eines für eine sachliche Unbilligkeit
erforderlichen Überhangs des Gesetzes über die Wertungen des Gesetzgebers
zu begründen oder zu ersetzen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob die
sich nach der Verschmelzung gemäß Vertrag vom 18.05.2011 ergebende Unternehmensstruktur
grunderwerbsteuerneutral hätte erreicht werden können, wenn zunächst die
Muttergesellschaften (Genossenschaften) verschmolzen und erst danach die Tochterbzw.
Enkelgesellschaften umstrukturiert worden wären. Entgegen der Ansicht der Klägerin
wäre eine solche Fusion „von oben nach unten“ rechtlich nicht an § 1 GenG gescheitert,
der lediglich voraussetzt, dass der Gesellschaftszweck darauf gerichtet ist, den Erwerb
oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch
gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Denn dafür genügt es, dass der genannte
Zweck durchgängig verfolgt wird, auch wenn zwischenzeitlich ein gemeinschaftlicher
Geschäftsbetrieb nicht existierte, sondern erst (wieder) nach Abschluss der „oben“
begonnenen Fusion auch „unten“. Jedenfalls ist die Frage der sachlichen Unbilligkeit der
eingetretenen Rechtsfolgen allein auf der Grundlage der für den tatsächlich verwirklichten
Sachverhalt einschlägigen Rechtsvorschriften zu entscheiden und nicht anhand eines
Vergleichs mit den möglicherweise eintretenden Rechtsfolgen eines gedachten Sachverhalts.

bb) Ein Grund für eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO ergibt sich auch nicht daraus,
dass den grunderwerbsteuerbaren Erwerben der Klägerin aufgrund von Anteilsverei-
nigungen infolge der Verschmelzungen mit Vertrag vom 18.05.2011 die Verschmelzungsverträge
und Ausgliederungs- und Übernahmeverträge vom 19.01.2010 vorangegangen
sind, mit denen die operativen Geschäftsbereiche in der bis dahin als AAAA. firmierenden
AA. zusammengelegt worden sind und hierdurch bereits Grunderwerbsteuer für Grundbesitz
angefallen ist, für den infolge der Verschmelzungen mit Vertrag vom 18.05.2011
erneut Grunderwerbsteuer angefallen ist.

Die Finanzverwaltung ermöglicht zwar im Wege des Billigkeitserweises für den Sonderfall
des nachfolgenden Erwerbs des Grundbesitzes einer Gesellschaft durch deren Alleingesellschafter
eine Anrechnung auch dann, wenn die engen Voraussetzungen des § 1
Abs. 6 Satz 2 GrEStG nicht erfüllt sind (vgl. Erlass des Finanzministeriums Bayern vom
05.10.1992 37-S 4521-22/3-63 816, beck-online). Die zugrundeliegenden Billigkeitserwägungen
können jedoch nicht auf den Streitfall übertragen werden. Denn die Klägerin war
am 18.05.2011 gerade nicht Alleingesellschafterin der AA. oder zu mindestens 95 % an
der AA. beteiligt. Mangels Beteiligungshöhe von mindestens 95 % konnte sie keine Sachherrschaft
über den Grundbesitz der AA. ausüben. Ihr waren die aufgrund der Verschmelzungsverträge
und Ausgliederungs- und Übernahmeverträge vom 19.01.2010 auf
die AA. übergegangenen Grundstücke der BBB. und der Tochtergesellschaften der BBB.,
der B., der D. und der E. nicht über ihre Beteiligung an der AA. bereits vor Eintragung der
Verschmelzung in das Register beim AG … am 28.07.2011 zuzurechnen. Die Bescheide
über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer
vom 22.01.2014 zur Steuernummer …, vom 10.06.2014 zur Steuernummer … und
vom 17.03.2015 zur Steuernummer … sind folgerichtig auch nicht gegenüber der Klägerin,
seinerzeit noch als A. firmierend, sondern gegenüber der AA. erlassen worden.
Für die Steuerbarkeit der beiden Erwerbsvorgänge im Jahr 2010 und im Jahr 2011 spielt
es keine Rolle, ob die nach der Darstellung der Klägerin aus rechtlichen und wirtschaftlichen
Gründen zwingend erforderlichen mehreren Schritte „von unten nach oben“ zur Fusion
der Genossenschaften auf einem „Gesamtplan“ beruhten. Denn auch ein „Gesamtplan“
ändert nichts daran, dass im Streitfall der Grundbesitz der grundstücksbesitzenden
Gesellschaften grunderwerbsteuerrechtlich zweimal einem neuen Rechtsträger zuzuordnen
war, nämlich im Jahr 2010 zunächst der AA. und erst im Jahr 2011 der Klägerin.
Mehrere Gesellschaften bilden auch bei einem „Gesamtplan“ keine grunderwerbsteuerrechtliche
Einheit. Grunderwerbsteuerrechtlich maßgebend ist die zivilrechtliche Selbständigkeit
von Gesellschaften. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise etwa dergestalt,
dass die erforderlichen mehreren Schritte zur Begründung eines Konzerns eine Einheit
bilden und daher unabhängig von der rechtlichen Gestaltung nur einmal Grunderwerbsteuer
auslösen könnten, ist mit dem Charakter der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrssteuer
nicht vereinbar, der zu einer gesonderten steuerrechtlichen Beurteilung eines
jeden für sich genommen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgangs führt. Etwas
anderes ergibt sich nicht aus dem von der Klägerin zitierten BFH-Urteil in BFHE 251,
492, BStBl II 2018, 783 (juris Rz 26) und der Kommentierung von Meßbacher-Hönsch, in:
Boruttau, GrEStG, 19. Auflage 2018, § 1 Rz 888. Denn beide betrachten die Situation einer
grundbesitzenden Personengesellschaft – und nicht mehrerer Gesellschaften – und
bejahen die Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG, wenn beitretenden Treugebern
als neuen Gesellschaftern entsprechend einem vorgefassten Plan bezogen auf
das geplante Eigenkapital mindestens 95 % der Anteile an der Personengesellschaft zuzurechnen
sind.

Abgesehen davon kann ein wirtschaftliches Gesamtergebnis, das sich auf der Grundlage
eines Gesamtplans ergibt, nach der Rechtsfigur des Gesamtplans nur dann als ein einheitlicher
Steuertatbestand zugrunde gelegt werden (Gesamtplan-Besteuerung), wenn
ein Steuerpflichtiger existiert, dem der Gesamtplan zugerechnet werden kann, weil er die
mehreren einzelnen Sachverhalte (Teilschritte), aus denen der Gesamtplan besteht, beherrscht.
An einem solchen Steuerpflichtigen fehlt es im Streitfall. Denn jedenfalls den
Abschluss des Verschmelzungsvertrags der B. und der C. mit der Klägerin am
18.05.2011 als zweiten Schritt beherrschten weder die AA. noch die Klägerin. Vielmehr
war das Zustandekommen dieses Vertrags gerade nicht allein vom Willen der bis dahin
als A. firmierenden Klägerin bzw. ihrer Beteiligten, sondern gleichermaßen vom Willen
der Beteiligten der B. und der Beteiligten der C. abhängig, auf die auch die AA. keinen
beherrschenden Einfluss ausüben konnte. Die Annahme der Verwirklichung eines einheitlichen
Besteuerungstatbestands gerade durch die AA. aufgrund eines Gesamtplans
kommt daher nicht in Betracht. Genau hierauf mit der Folge der Besteuerung nur der AA.
läuft aber der im vorliegenden Verfahren hilfsweise gestellte Klageantrag der Klägerin
hinaus, den Beklagten zu verpflichten, bei der ihr gegenüber erfolgten gesonderten Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer zur Steuernummer mit
den Endziffern -007 die Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich der unter Abschnitt 1.2 c)
bis f) ihres Schriftsatzes vom 12.03.2020 genannten Grundstücke und Beteiligungen gemäß
§ 163 AO unberücksichtigt zu lassen. Denn dieser Antrag soll im Ergebnis dazu führen,
dass es ausschließlich bei einer Besteuerung der AA. aufgrund der ihr gegenüber
bereits erlassenen Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
für die Grunderwerbsteuer vom 22.01.2014 zur Steuernummer …, vom 10.06.2014
zur Steuernummer … und vom 17.03.2015 zur Steuernummer … verbleibt.
VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, soweit die Klage abgewiesen
worden ist, und aus § 138 Abs. 1 FGO, soweit sie nach Erlass des geänderten Feststellungsbescheides
vom 08.10.2020 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt
worden ist.

1. Hinsichtlich des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Teils war nur
noch nach § 138 FGO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (vgl. z. B. BFH,
Beschluss vom 14.05.1975 VII R 107/72, BFHE 115, 425, juris Rz 3).
Bei übereinstimmenden Erledigterklärungen sind die Kosten grundsätzlich der Finanzbehörde
aufzuerlegen, soweit der Rechtsstreit dadurch erledigt wird, dass dem Antrag des
Steuerpflichtigen durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts
stattgegeben wird (§ 138 Abs. 2 Satz 1 FGO), und dieses Obsiegen des Steuerpflichtigen
nicht auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen oder beweisen können
und sollen (§ 138 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 137 Satz 1 FGO). § 138 Abs. 2 FGO ist allerdings
nicht anzuwenden, wenn die Klage unzulässig war. In einem solchen Fall richtet
sich die Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO (z. B. BFH, Beschluss vom
15.03.1994 V B 35/93, BFH/NV 1995, 331, juris Rz 5; Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO,
158. Lieferung 10.2019, § 138 FGO Rz 63 m. w. N.).

2. Im Streitfall hat der Beklagte zwar dem Antrag der Klägerin nach § 16 Abs. 2 Nr. 1
GrEStG entsprochen. Die insoweit mit Schriftsatz vom 12.03.2020 erhobene Verpflichtungsklage
war jedoch unzulässig.

Nach Aktenlage hat die Klägerin erstmals in dem Schriftsatz vom 12.03.2020 einen Antrag
nach § 16 GrEStG auf Aufhebung der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für
die Grunderwerbsteuer zur Steuernummer mit den Endziffern -007 gestellt. Das Finanzamt
darf erst dann tätig werden und das Verwaltungsverfahren zur Berücksichtigung des
Anspruchs nach § 16 GrEStG durchführen, wenn der Antrag gestellt worden ist (§ 86
Satz 2 Nr. 2 AO). Ein vor Stellung des Antrags durchgeführtes Verfahren wäre rechtsfehlerhaft.
Weder aus den Schriftsätzen der Klägerin im Einspruchsverfahren noch aus ihren
Schriftsätzen im Klageverfahren bis zum Jahr 2020 lässt sich ein ausdrücklicher Antrag
auf Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Bescheides über die gesonderte Feststellung
der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer zur Steuernummer mit
den Endziffern -007 wegen eines Rückerwerbs i. S. des § 16 GrEStG oder auch nur ein
konkludenter Antrag durch Geltendmachung eines auf § 16 GrEStG gestützten Aufhebungs-
oder Änderungsanspruchs entnehmen, den der Beklagte nach Maßgabe des
von der Klägerin zitierten BFH-Urteils in BFHE 258, 95, BStBl II 2017, 966 (juris Rz 37)
in der Einspruchsentscheidung oder jedenfalls während des vorliegenden Klageverfahrens
bei Erlass des als Zeitpunkt der Steuerentstehung zutreffend den 28.07.2011 feststellenden
Bescheides vom 02.12.2019 hätte berücksichtigen können und müssen. Der
Einspruchsentscheidung des Beklagten und den Schriftsätzen des Beklagten im vorliegenden
Klageverfahren kann auch keine Ablehnung eines Antrags der Klägerin nach
§ 16 GrEStG entnommen werden.

Wird einer der Tatbestände des § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG erfüllt, so entsteht ein Anspruch
des Steuerpflichtigen auf Aufhebung oder Änderung eines bereits ergangenen
Steuerbescheides (Festsetzungs- oder Feststellungsbescheides). Der Anspruch aus § 16
GrEStG führt jedoch nicht zum Erlöschen des einmal wirksam entstandenen ursprünglichen
Steueranspruchs. Vielmehr ist der Anspruch nach § 16 GrEStG ein weiterer (gegenläufiger)
Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. des § 37 Abs. 1 AO, der selbständig
neben den Steueranspruch tritt. Dementsprechend lässt der Anspruch aus § 16
GrEStG die – im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage streitige – Rechtmäßigkeit
der für den ursprünglichen Erwerbsvorgang vorgenommenen Feststellung unberührt.
Über eine Anfechtung des ursprünglichen Feststellungsbescheides einerseits und über
einen Antrag nach § 16 GrEStG andererseits ist auch verfahrensrechtlich jeweils gesondert
zu entscheiden (vgl. BFH, Urteil vom 16.01.2002 II R 52/00, BFH/NV 2002, 1053, juris
Rz 11). Die Ausführungen des BFH im Urteil vom 16.02.2005 II R 53/03 (BFHE 209,
158, BStBl II 2005, 495, juris Rz 15), nach denen beim Erlass der Einspruchsentscheidung
auch ein in diesem Zeitpunkt bestehender Anspruch auf Aufhebung oder Änderung
der Steuerfestsetzung berücksichtigt werden muss, sofern eine Steuerfestsetzung bereits
ergangen ist, aber mit einem Einspruch angefochten wurde, gilt zwar entsprechend auch
für Feststellungsbescheide. In beiden Fällen ist jedoch erforderlich, dass dem Finanzamt
im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung bereits der erforderliche Antrag nach § 16
Abs. 1 oder 2 GrEStG als unabdingbare (Verfahrens-)Voraussetzung für eine Aufhebung
oder Änderung des angefochtenen Bescheides nach § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG vorlag.
An einem solchen Antrag fehlte es im Streitfall nicht nur im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung,
sondern auch noch im Zeitpunkt des Erlasses des während des Klageverfahrens
ergangenen Bescheides vom 02.12.2019, der nach Aufhebung des den 18.05.2011
als Zeitpunkt der Steuerentstehung feststellenden und daher rechtswidrigen Bescheides
vom 15.09.2014 an dessen Stelle getreten und nach § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand
des vorliegenden Klageverfahrens geworden ist.

Der Antrag nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Aufhebung oder Änderung eines Feststellungsbescheides
kann zwar – wie hier mit Schriftsatz vom 12.03.2020 – auch erst während
der Anhängigkeit einer Anfechtungsklage gegen den Feststellungsbescheid gestellt
werden. Dies besagt indes nichts darüber, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen
ein solches Begehren zulässig verfolgt werden kann. Über ein neu in das Klageverfahren
eingeführtes und neben dem ursprünglichen Anfechtungsbegehren geltend
gemachtes Verpflichtungsbegehren darf das Finanzgericht nur sachlich entscheiden,
wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen für eine Verpflichtungsklage gegeben
sind. Diese haben im Streitfall nicht vorgelegen.

Nach § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist eine Verpflichtungsklage (§ 40
Abs. 1 Halbs. 2 FGO) – vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO – nur zulässig, wenn das
Vorverfahren über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos
geblieben ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt gewesen, weil die Klägerin
erst nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 01.08.2017 und im Übrigen auch
erst nach Ergehen des Bescheides vom 02.12.2019 den Antrag nach § 16 Abs. 2 Nr. 1
GrEStG gestellt hat und ein weiteres Einspruchsverfahren nicht durchgeführt worden ist.
Ein Vorverfahren ist im Streitfall auch nicht ausnahmsweise unter den Voraussetzungen
einer sog. Sprungverpflichtungsklage nach § 45 Abs. 1 FGO entbehrlich. Eine Sprungklage
setzt voraus, dass das Finanzamt zuvor einen Antrag auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes
mindestens durch einen Verwaltungsakt abgelehnt hat (BFH, Urteile
vom 09.08.1989 II R 145/86, BFHE 158, 11, BStBl II 1989, 981, juris Rz 15 ff.; vom
05.06.1991 II R 83/88, BFH/NV 1992, 267, juris Rz 33). Eine vor Erlass eines ablehnenden
Verwaltungsaktes erhobene Sprungklage in der Form der sog. Vornahmeklage zum
Finanzgericht ist unheilbar unzulässig (z. B. BFH, Urteil vom 19.05.2004 III R 18/02,
BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980, juris Rz 35 m. w. N.; Beschluss vom 04.06.2014 VII
B 180/13, BFH/NV 2014, 1723, juris Rz 14 m. w. N.).

Daraus folgt für die Kostenentscheidung im Streitfall, dass sich diese – trotz des erfolgreichen
Antrags der Klägerin nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG – nicht nach § 138 Abs. 2
Satz 1 FGO richtet, sondern nach § 138 Abs. 1 FGO.

3. Nach § 138 Abs. 1 FGO entscheidet das Gericht bei einem in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärten Rechtsstreit nach billigem Ermessen über die Kosten des
Verfahrens durch Beschluss, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen
ist. Dies gilt auch bei Erledigung nur eines Teils des Rechtsstreits.
Danach sind die Kosten auch insoweit der Klägerin aufzuerlegen, als sich ihre Klage
durch den Erlass des geänderten Feststellungsbescheides vom 08.10.2020 in der Hauptsache
erledigt hat. Denn insoweit hätte ihre Klage aus den zu Ziffer II. - IV. dieses Urteils
dargelegten Gründen keinen Erfolg gehabt.

VII. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO
nicht gegeben sind. Die Entscheidung beruht allein auf einer Würdigung der Umstände
des vorliegenden Einzelfalls.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

FG Bremen

Erscheinungsdatum:

16.12.2020

Aktenzeichen:

2 K 151/19 (1)

Rechtsgebiete:

Genossenschaft
Grunderwerbsteuer
Sonstiges Steuerrecht
Umwandlungsrecht

Normen in Titel:

GrEStG § 6a; AO § 163