Voraussetzungen für die Ausstellung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 lit. b EuErbVO
letzte Aktualisierung: 29.6.2022
OLG Köln, Beschl. v. 2.3.2022 – 2 Wx 13/22
EuErbVO Art. 39 Abs. 3, 43, 46 Abs. 3 lit. b; DV (EU) Nr. 1329/2014; IntErbRVG § 27
Voraussetzungen für die Ausstellung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 lit. b EuErbVO
1. Eine Bescheinigung nach
Nr. 1329/2014 kann nicht zum Nachweis der Wirkungen sowie der Bestandskraft eines in
Deutschland erteilten Erbscheins ausgestellt werden.
2. Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Ausstellung einer Bescheinigung nach Anh. 1 der DV (EU)
Nr. 1328/2014.
Gründe:
I.
Am 16.09.2020 hat der Rechtspfleger des Nachlassgerichts einen durch am 18.08.2021
erlassenen Beschluss berichtigten gemeinschaftlichen Erbschein nach dem am xx.xx.2020
verstorbenen A B (im Folgenden: Erblasser) nach gesetzlicher Erbfolge erlassen (Bl. 31a f.
d.A.). Danach sind Erben des Erblassers die Beteiligten zu 1) bis 4) und die mit letztem
gewöhnlichem Aufenthalt in Polen am 25.09.2020 nachverstorbene C (D) B. Nach C (D) B
ist im Notariat der Beteiligten zu 5) die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses
beantragt worden.
Mit Schriftsatz vom 03.09.2021 hat die Beteiligte zu 5) die Erteilung einer Bescheinigung
nach Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 hinsichtlich des
Erbscheins vom 16.09.2020 nach dem Erblasser beantragt und sich hierbei auf Art. 66
Abs. 5, 46 Abs. 3 lit. b) EuErbVO, § 27 IntErbRVG gestützt (Bl. 57 d.A.). Sie hat
vorgetragen, dass zur Begründung des Antrags auf Erteilung eines Europäischen
Nachlasszeugnisses nach C B und zu dessen Verwendungsabsicht der Erbschein vom
16.09.2020 in der berichtigten Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18.08.2021
vorgelegt worden sei, wonach Frau C B Miterbin des Erblassers gewesen sei. Die
beantragte Bescheinigung sei zum Nachweis der Wirkungen und der Bestandskraft des
vorgelegten Erbscheins im polnischen Rechtskreis erforderlich.
Durch am 06.12.2021 erlassenen Beschluss hat der Rechtspfleger des Nachlassgerichts
den Antrag der Beteiligten zu 5) auf Erteilung einer Bescheinigung nach Anhang 1 der
Durchführungsverordnung (EU) Nr. xxx9/2014 hinsichtlich des Erbscheins vom 16.09.2020
zurückgewiesen (Bl. 71 ff. d.A.). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass ein Erbschein
nicht in Rechtskraft erwachse und keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweise, so dass
dies auch nicht bescheinigt werden könne.
Gegen diesen der Beteiligten zu 5) am 14.12.2021 zugegangenen Beschluss hat diese mit
am 24.12.2021 beim Amtsgericht Köln eingegangenen Schriftsatz vom 20.12.2021, auf
dessen Inhalt Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt und beantragt, den
Beschluss vom 06.12.2021 aufzuheben und das Amtsgericht Köln anzuweisen, die
Bescheinigung nach Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014
antragsgemäß zu erteilen (Bl. 94 ff. d.A.).
Durch am 26.01.2022 erlassenen Beschluss hat der Rechtspfleger des Nachlassgerichts
der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur
Entscheidung vorgelegt (Bl. 97 ff. d.A.).
II.
Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde zu verstehen, das gegen die Ablehnung der
Ausstellung der Bescheinigung nach Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr.
1329/2014 statthafte Rechtsmittel gem. §§ 27 Abs. 2 S. 3 IntErbRVG, 724, 567 Abs. 1 Nr.
2 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG. Bei der Ablehnung durch den Rechtspfleger findet die sofortige
Beschwerde statt (BGH
13), über die der Senat gem.
Einzelrichter entscheidet. Es bestehen zwar Zweifel, ob die sofortige Beschwerde zulässig
ist, weil nicht ersichtlich ist, dass die Beteiligte zu 5), die ausdrücklich im eigenen Namen
handelt, durch die Ablehnung der Erteilung der Bescheinigung in eigenen Rechten verletzt
ist. Dies kann indes dahinstehen.
Die sofortige Beschwerde hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
Die Beteiligte zu 5) hat keinen Anspruch auf Vorlage einer Bescheinigung nach Art. 46
Abs. 3 Ziff. b) EuErbVO in Verbindung mit Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU)
Nr. 1329/2014. Eine unmittelbare Anwendung von Art. 46 Abs. 3 Ziff. b) EuErbVO scheidet
aus. Denn unabhängig davon, dass ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung einer in einem
Mitgliedsstaat ergangenen und in diesem Mitgliedsstaat vollstreckbaren Entscheidung in
einem anderen Mitgliedsstaat gem.
worden ist, setzt ein solcher Antrag u.a. voraus, dass die Entscheidung einen
vollstreckungsfähigen Inhalt hat und vollstreckbar ist, was durch die Bescheinigung nach
Art. 46 Abs. 3 lit. b) EuErbVO in Verbindung mit Anhang 1 der Durchführungsverordnung
(EU) Nr. 1329/2014 nachzuweisen ist (Dutta/Weber, IntErbR, 2. Aufl. 2021, Art. 43
EuErbVO, Rn. 5; MüKo-BGB/Dutta, 8. Aufl. 2020,
FamFG/Rauscher, 3. Aufl. 2019,
zugrundeliegende Feststellungsbeschluss gem.
vollstreckungsfähigen Inhalt. Er ist daher nicht vollstreckbar, so dass auch eine
Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 lit. b) EuErbVO zum Zwecke der
Vollstreckbarkeitserklärung nicht auszustellen ist. Ein Erbschein wird auch nicht
rechtskräftig. Er kann, sofern seine Unrichtigkeit festgestellt wird, jederzeit von Amtswegen
wieder eingezogen werden.
Zwar wird die Auffassung vertreten, dass eine Bescheinigung gem. Art. 46 Abs. 3 Ziff. b)
EuErbVO auch dann auszustellen ist, wenn die Inzidenzanerkennung einer Entscheidung
eines anderen Mitgliedstaates gem.
(Dutta/Weber, IntErbR, 2. Aufl. 2021, Art. 46 EuErbVO Rn. 3 sowie
36). Dies mag zutreffen, wenn es um die Anerkennung einer volltreckbaren Entscheidung
geht, Es ist indes zweifelhaft, ob eine Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Ziff. b) EuErbVO
im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens auch dann erforderlich sein kann, wenn es
sich – wie hier - um die Anerkennung einer nicht vollstreckbaren Entscheidung handelt.
Hiergegen spricht, dass die Bescheinigung gem. Art. 46 Abs. 3 Ziff. b) EuErbVO keine
Aussagen zu den Entscheidungswirkungen jenseits des vollstreckbaren Inhalts einer
Entscheidung enthält. Die EuErbVO sieht letztlich keine auf einem einheitlichen Formblatt
beruhende Bescheinigung über die anerkennungsfähigen Entscheidungswirkungen vor
(vgl. zum Vorstehenden: MüKo-BGB/Dutta, EuErbVO, Art. 39 Rn. 4). Etwas anderes ergibt
sich auch nicht aus dem Inhalt des Anhangs 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr.
1329/2014, insbesondere dem Abschnitt 5. „Vollstreckbarkeit der Entscheidung“. Denn der
Umstand, dass die dort gestellte Frage, ob die Bescheinigung zum Zwecke der
Vollstreckung der Entscheidung in einem anderen Mitgliedsstaat beantragt wird, alternativ
mit „Nein“ beantwortet werden kann, bedeutet nicht zwingend, dass alle Arten von
Entscheidungen in den Anwendungsbereich der Bescheinigung fallen. Diese Frage kann
ebenso gut so zu verstehen sein, dass bei Entscheidungen mit vollstreckungsfähigem
Inhalt angegeben werden soll, ob eine Vollstreckung in einem anderen Mitgliedsstaat
bezweckt wird. Letztlich kann dies jedoch offenbleiben.
Denn die Beschwerde bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil es an einem Antrag eines
Beteiligten des Anerkennungsverfahrens oder Vollstreckbarerklärungsverfahrens auf
Erteilung einer Bescheinigung gem. Art. 46 Abs. 3 Ziff. b) EuErbVO in Verbindung mit
Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 fehlt. Wie Art. 46, 47
EuErbVO und § 27 IntErbRVG zu entnehmen ist, wird die Bescheinigung nur auf Antrag
eines Beteiligten des jeweiligen Verfahrens auf Anerkennung der Entscheidung oder
Erteilung der Vollstreckbarerklärung erstellt, nicht aber auf einen im eigenen Namen
gestellten Antrag der über das Anerkennungsverfahrens entscheidenden Stelle, hier der
Beteiligten zu 5) als Notarin. Ein solcher Antrag eines Beteiligten ist indes nicht ersichtlich.
Ein Antragsrecht der Beteiligten zu 5) ergibt sich auch nicht gem. Art. 66 Abs. 5 EuErbVO.
Es kann daher offenbleiben, ob ein Erbschein nach deutschem Recht eine Entscheidung
im Sinne von
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen gem. § 70 Abs. 2
FamFG nicht vorliegen.
Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 5.000,00 €
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Köln
Erscheinungsdatum:02.03.2022
Aktenzeichen:2 Wx 13/22
Rechtsgebiete:Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Normen in Titel:EuErbVO Art. 39 Abs. 3, 43, 46 Abs. 3b; DV (EU) Nr. 1329/2014; IntErbRVG § 27