BGH 20. Juli 2020
NotSt(Brfg) 2/20
BNotO § 14 Abs. 2; BeurkG § 4; GrdstVG § 2

Genehmigung nach GrdstVG; Umgehungsgeschäft; Amtspflichtverletzung

letzte Aktualisierung: 11.09.2020
BGH, Beschl. v. 20.7.2020 – NotSt(Brfg) 2/20

BNotO § 14 Abs. 2; BeurkG § 4; GrdstVG § 2
Genehmigung nach GrdstVG; Umgehungsgeschäft; Amtspflichtverletzung

a) Genehmigungsbedürftig nach § 2 GrdstVG ist unter dem Gesichtspunkt des
Umgehungsgeschäfts auch der Verkauf kleinerer, die Freigrenze nicht überschreitender, Flächen,
wenn Trennstücke eines die Freigrenze übersteigenden Grundstücks gleichzeitig oder nacheinander
veräußert werden, die einzelnen Rechtsgeschäfte in einem inneren Zusammenhang stehen und nach
einem einheitlichen Plan durchgeführt werden (Anschluss an BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 –
IX ZR 43/92, NJW 1993, 648).
b) Der Notar verletzt seine Amtspflichten nach § 14 Abs. 2 BNotO, § 4 BeurkG, wenn er an einem
derartigen Umgehungsgeschäft mitwirkt, und kann sich deswegen eines Dienstvergehens schuldig
machen.

Gründe:

I.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und wurde im Mai 2016 zum Notar bestellt.
Am 9. August 2016 übersandte der Kläger dem Landesamt für Landwirtschaft,
Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (nachfolgend:
LLUR) einen von ihm gefertigten Kaufvertragsentwurf über die Veräußerung
des Flurstücks 37/4 der Flur 004 der Gemarkung B. -S. mit
einer Größe von 21.132 m² und beantragte hierfür die Erteilung der Genehmigung
nach § 2 des Grundstückverkehrsgesetzes (GrdstVG). Mit Bescheid vom
8. September 2016 versagte das LLUR die Genehmigung mit der Begründung,
dass der Kaufinteressent kein Landwirt sei. Hierüber informierte der Kläger die
Kaufvertragsparteien mit Schreiben vom 13. September 2016. Ein Antrag auf
gerichtliche Entscheidung wurde nicht gestellt. In der Folgezeit wurde das Flurstück
37/4 durch den Eigentümer (Verkäufer) in die neu gebildeten Flurstücke
152 (9.411 m²) und 153 (11.721 m²) zerlegt. Die diesbezügliche Grundbucheintragung
erfolgte am 29. November 2016. Am 28. Dezember 2016 beurkundete
der Kläger den Verkauf des Flurstücks 152 an die Ehefrau des ursprünglichen
Kaufinteressenten und am 13. Juni 2017 den Verkauf des Flurstücks 153 an
den früheren Kaufinteressenten selbst. Die Erteilung einer Grundstückverkehrsgenehmigung
wurde für diese beiden Verträge nicht beantragt. Wegen
des Verdachts der unerlaubten Umgehung des Genehmigungserfordernisses
wandte sich das LLUR am 16. Januar 2018 mit einer Beschwerde an die
Schleswig-Holsteinische Notarkammer. Nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens
verhängte der Präsident des Landgerichts gegen den Kläger durch Disziplinarverfügung
wegen eines grob fahrlässigen Verstoßes gegen die Pflichten
aus § 14 Abs. 2 BNotO, § 4 BeurkG eine Geldbuße von 1.000 €. Hinsichtlich
der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung im Urteil des Oberlandesgerichts
verwiesen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Disziplinarverfügung.
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung nicht
zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung
der Berufung, mit der er seinen Klageantrag weiterverfolgen möchte.

II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache
aber ohne Erfolg. Ein Grund zur Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 5 Satz 2,
§ 124 Abs. 2 VwGO iVm § 64 Abs. 2 BDG, § 105 BNotO) liegt nicht vor. Entgegen
der Auffassung des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Die Rechtssache weist keine besonderen
tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf und hat auch keine grundsätzliche
Bedeutung. Ein Verfahrensfehler liegt ebenfalls nicht vor.

a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nur gegeben, wenn der
Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz
oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten
in Frage gestellt hat (s. zB Senat, Beschluss vom 23. November
2015 - NotSt(Brfg) 5/15, NJW-RR 2016, 754, 755 Rn. 5 mwN). Zweifel an der
Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den
Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn solche Zweifel nicht auch die Richtigkeit
des Ergebnisses erfassen (Senat aaO mwN). Die hier angegriffene Entscheidung
begegnet keinen solchen Bedenken. Das Oberlandesgericht hat die Disziplinarverfügung
zutreffend für rechtmäßig befunden. Der Kläger hat die Pflicht
des Notars, seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn seine Mitwirkung bei Handlungen
verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke
verfolgt werden (§ 14 Abs. 2 BNotO, § 4 BeurkG), grob fahrlässig verletzt. Dies
stellt ein Dienstvergehen dar (§ 95 BNotO; vgl. dazu zB Senat, Beschlüsse vom
23. November 2015 - NotSt(Brfg) 4/15, DNotZ 2016, 227, 228 f Rn. 17 und vom
8. April 2019 - NotSt(Brfg) 5/18, NJW-RR 2019, 1143, 1145 Rn. 16), welches
die Verhängung der getroffenen Disziplinarmaßnahme rechtfertigt.

aa) Zu Recht hat das Oberlandesgericht eine unerlaubte Umgehung des
Genehmigungserfordernisses nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG angenommen.

(1) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG bedürfen die rechtsgeschäftliche
Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks und der schuldrechtliche
Vertrag hierüber der Genehmigung. Von dieser Genehmigungspflicht ist gemäß
§ 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Durchführung des Grundstückverkehrsgesetzes
des Landes Schleswig-Holstein (idF vom 21. Februar 1996, GVBl. S. 231)
i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG die Veräußerung von Grundstücken ausgenommen,
die nicht größer als 2 ha (= 20.000 m²) sind (Freigrenze). Danach wäre
die gesonderte Veräußerung der neu gebildeten Flurstücke 152 (9.411 m²)
und 153 (11.721 m²) - im Gegensatz zum Verkauf des früheren Flurstücks 37/4
(21.132 m²) - nicht von der Genehmigungspflicht erfasst gewesen, weil deren
Größe jeweils unter der Freigrenze liegt. Allerdings ist unter dem Gesichtspunkt
des Umgehungsgeschäfts auch der Verkauf kleinerer, die Freigrenze nicht
überschreitender Flächen genehmigungsbedürftig, wenn Trennstücke eines die
Freigrenze übersteigenden Grundstücks gleichzeitig oder nacheinander veräußert
werden, die einzelnen Rechtsgeschäfte in einem inneren Zusammenhang
stehen und nach einem einheitlichen Plan durchgeführt werden (s. BGH, Urteil
vom 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92, NJW 1993, 648 mwN; vgl. ferner BGH,
Beschluss vom 24. April 1986 - BLw 14/85, AgrarR 1986, 211 f; Schleswig-
Holsteinisches OLG, RNotZ 2007, 210, 211; OLG Rostock, NJW-RR 2015,
1238 f Rn. 10 und NJOZ 2015, 1767, 1768 Rn. 10; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
15. Aufl., Rn. 3968; Gutachten des Deutschen Notarinstituts, DNotIReport
2011, 187, 189).

(2) Ein solches Umgehungsgeschäft lag hier vor. Nachdem das ursprüngliche
Vorhaben, das Flurstück 37/4 zu verkaufen, an der Versagung der
Grundstückverkehrsgenehmigung gescheitert war, wurde es vom Eigentümer in
zwei neu gebildete Flurstücke zerlegt, deren Größe jeweils unterhalb der Freigrenze
lag; sodann wurden diese beiden Flurstücke an den ursprünglichen
Kaufinteressenten und dessen Ehefrau verkauft. Der vorbezeichnete Geschehensablauf
als solcher, der hiervon umfasste Zeitraum von wenigen Monaten
und die eheliche Verbindung der Käufer genügen für den erforderlichen inneren
Zusammenhang der Grundstücksrechtsgeschäfte und die Annahme eines Vorgehens
nach einem einheitlichen Plan. Dieser Würdigung steht der vom Kläger
angemahnte Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG nicht entgegen. Ehegatten
werden insofern nicht anders behandelt als andere Personen, die sich zu einer
Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft oder sonst zur Verfolgung gemeinsamer
wirtschaftlicher Zwecke verbunden haben. Ebenso wenig wie diesen ist es
Ehegatten gestattet, gesetzliche Genehmigungserfordernisse zu unterlaufen. Im
einen wie im anderen Falle geht es darum, die gesetzliche Genehmigungspflicht
vor einer gezielten Umgehung zu schützen.

bb) Mit der Umgehung des Genehmigungserfordernisses nach § 2 Abs. 1
Satz 1 GrdstVG werden unerlaubte Zwecke im Sinne von § 14 Abs. 2 BNotO,
§ 4 BeurkG verfolgt. Hieran hat der Kläger durch Vornahme und Vollzug der
Beurkundungen vom 28. Dezember 2016 und 13. Juni 2017 (ohne Einholung
der gebotenen Grundstückverkehrsgenehmigung) mitgewirkt. Das Vorliegen
eines Umgehungsgeschäfts war für ihn insgesamt erkennbar. Er hat insoweit
grob fahrlässig gehandelt.

(1) Die Genehmigungsbedürftigkeit nach § 2 GrdstVG unter dem Gesichtspunkt
des Umgehungsgeschäfts wird für die Veräußerung kleinerer, die
Freigrenze nicht überschreitender, Flächen, die aus der Zerlegung eines die
Freigrenze übersteigenden Grundstücks gebildet worden sind, bereits seit Jahrzehnten
in Rechtsprechung und Schrifttum behandelt und erläutert und musste
dem Kläger daher auch bekannt sein (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. Oktober
1992 aaO S. 649 mwN). Er hatte auch Kenntnis von den Umständen, die zur
Einordnung der von ihm beurkundeten Grundstücksveräußerungen als Umgehungsgeschäft
führen. Dies gilt für das ursprüngliche Vorhaben, das Flurstück
37/4 zu verkaufen, und dessen Scheitern infolge der Versagung der Grundstückverkehrsgenehmigung
ebenso wie für die zeitnahe Zerlegung dieses Flurstücks
in zwei neue, die Freigrenze jeweils unterschreitende, Flurstücke sowie
deren Veräußerung an den ursprünglichen Kaufinteressenten und dessen Ehefrau.
Der Verdacht auf das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts drängte sich
hiernach, wie das Oberlandesgericht zutreffend dargelegt hat, geradezu auf.
Daran änderte es unter den genannten Gegebenheiten nichts, wenn die beiden
Ehegatten dem Kläger gegenüber erklärt haben sollten, die neu gebildeten
Flurstücke 152 und 153 gesondert zur jeweils eigenständigen Eigentums- und
Vermögensbildung erwerben zu wollen. Der innere Zusammenhang der Grundstücksrechtsgeschäfte
und das Vorgehen nach einem einheitlichen Plan blieben
hiervon unberührt.

(2) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf einen Konflikt mit der notariellen
Urkundsgewährungspflicht. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO ist es dem
Notar lediglich verwehrt, seine Amtstätigkeit ohne ausreichenden Grund zu
verweigern. Ein ausreichender Grund zur Verweigerung einer Beurkundung
liegt indes, worauf auch das Oberlandesgericht zu Recht hingewiesen hat, stets
vor, wenn der Notar mit der Vornahme der gewünschten Beurkundung gegen
Amtspflichten verstößt (s. nur Senat, Urteil vom 14. März 2016 - NotSt(Brfg)
6/15, DNotZ 2016, 876, 878 Rn. 22 mwN). Demzufolge bestand für den Kläger
unter den vorliegenden Umständen keine "Pflichtenkollision". Vielmehr war er
gehalten, seine Mitwirkung an der Veräußerung der Flurstücke 152 und 153
ohne Einholung einer Grundstückverkehrsgenehmigung zu verweigern (§ 14
Abs. 2 BNotO, § 4
BeurkG).

cc) Im Hinblick auf die Auswahl der für das einheitliche Dienstvergehen
(§ 95 BNotO) verhängten Sanktion in Gestalt einer Geldbuße (§ 97 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 BNotO) und die Bemessung ihrer - maßvollen - Höhe bestehen ebenfalls
keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Insoweit erhebt
der Kläger auch keine Einwände.

b) Auch der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen
Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht
vor. Eine Rechtssache weist dann besondere tatsächliche oder rechtliche
Schwierigkeiten auf, wenn sie wegen einer erheblich über dem Durchschnitt
liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zugrundeliegenden Rechtsmaterie
in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich
überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den
üblichen Streitigkeiten deutlich abhebt (s. nur Senat, Beschluss vom 13. November
2017 - NotZ(Brfg) 2/17, DNotZ 2018, 469, 476 Rn. 29 mwN). Diese Voraussetzungen
legt die Antragsbegründungsschrift nicht ausreichend dar und
sind - wie sich aus den obigen Ausführungen (zu a) ergibt - auch im Übrigen
nicht ersichtlich.

c) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
(§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist erfüllt, wenn es im konkreten Fall auf eine
Tatsachen- oder Rechtsfrage ankommt, die über den von der ersten Instanz
entschiedenen Fall hinausgeht und an deren Klärung daher im Interesse der
Einheit oder der Fortbildung des Rechts auch für vergleichbare Fälle ein Interesse
besteht (s. zB Senat, Beschluss vom 23. November 2015 - NotSt(Brfg)
5/15, NJW-RR 2016, 754, 756 Rn. 19 mwN). Diese Voraussetzungen sind nicht
gegeben, wenn die Streitfrage bereits in der obergerichtlichen Rechtsprechung
geklärt ist (Senat aaO). Letzteres ist hier, wie oben (unter a) ausgeführt, der Fall
und gilt insbesondere für den vom Kläger angesprochenen Konflikt mit der notariellen
Urkundsgewährungspflicht.

d) Einen Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zeigt die Antragsbegründung
nicht auf und ein solcher ist auch sonst nicht ersichtlich.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 109 BNotO, § 77 Abs. 1 BDG
iVm § 154 Abs. 2 VwGO. Die Wertfestsetzung beruht auf § 111g Abs. 1 BNotO
iVm § 52 Abs. 1 GKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

20.07.2020

Aktenzeichen:

NotSt(Brfg) 2/20

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Sonstiges Öffentliches Recht

Normen in Titel:

BNotO § 14 Abs. 2; BeurkG § 4; GrdstVG § 2