Kein Rechtsmissbrauch bei Squeeze-out nach § 62 Abs. 5 UmwG
letzte Aktualisierung: 21.9.2022
OLG Köln, Urt. v. 23.6.2022 – 18 U 213/20
319 Abs. 6, 327 ff.; EGBGB a. F. Art. 27 f., 35 Abs. 1, 37 Abs. 1 Nr. 2;
14, 20 Abs. 3; HGB § 290; öABGB § 1175 Abs. 2; SpruchG §§ 7 Abs. 7, 8 Abs. 3, 15, 17
Abs. 1; WpHG a. F. §§ 21, 22, 22a, 28
Kein Rechtsmissbrauch bei Squeeze-out nach § 62 Abs. 5 UmwG
1. Ein Übertragungsbeschluss nach § 62 Abs. 5 Satz 1 UmwG in Verbindung mit § 327a Abs. 1 Satz
1 AktG bedarf nicht einer sachlichen Rechtfertigung. Der Gesetzgeber selbst hat die Abwägung der
widerstreitenden Interessen vorgenommen, weshalb der Squeeze-out seine Rechtfertigung „in sich“
trägt.
2. Der gesetzgeberischen Wertung, dass der Hauptaktionär sein Interesse an einer effektiven
Unternehmensführung bzw. an einer Vereinfachung der Konzernstruktur verfolgen kann, soweit die
vermögensrechtlichen Interessen der Minderheitsaktionäre in angemessener Weise gewahrt werden,
hat eine Rechtsmissbrauchskontrolle Rechnung zutragen. Es können nur eklatante Fallgestaltungen
als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn etwa deutliche Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass der gesetzgeberische Zweck entfremdet und stattdessen ein anderweit aufgestelltes Verbot
unterlaufen wird oder die beabsichtigte Maßnahme in ihrer Benachteiligung der Minderheit über das
vom Gesetz vorgesehene Maß deutlich hinausgeht. Insofern liegt die Darlegungs- und Beweislast für
die einen Missbrauchstatbestand begründenden Tatsachen bei den sich hierauf berufenden
(ehemaligen) Minderheitsaktionären und sind an den zu führenden Nachweis einer solchen
Zweckentfremdung hohe Anforderungen zu stellen.
3. Aus der bloßen Herbeiführung der Voraussetzungen für einen Squeeze-out kann dessen
Rechtsmissbräuchlichkeit nicht hergeleitet werden.
4. Der Umstand, dass durch die Verschmelzung das Amt des besonderen Vertreters erlischt und
damit die ihm übertragene Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verhindert wird, führt
nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit des Squeeze-out.
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich mit ihren Anfechtungsklagen gegen den in der Hauptversammlung
der Rechtsvorgängerin der Beklagten – der A AG (alt) – am 24. März 2017 zu TOP 1
gefasste Beschluss, wonach die Aktien der Minderheitsaktionäre der A AG (alt) auf deren
Hauptaktionärin übertragen werden sollten.
1. Die Kläger waren Minderheitsaktionäre der A AG (alt). Die A AG (alt) war eine
börsennotierte Aktiengesellschaft, eingetragen im Handelsregister B. Das Grundkapital
belief sich auf 104.780.000 € und war eingeteilt in 4.030.000 Stückaktien. 74,8 % der
Aktien gehörten ursprünglich der A SE. Weitere 2,98 % der Aktien hielt die C GmbH und
weitere 15,85 % der Aktien gehörten der D GmbH, die eine 100-prozentige Tochter der A
SE war. Die Aktien der A SE, von denen sich im Geschäftsjahr 2017 6,7 % im Eigenbesitz
und 13,5 % im Streubesitz befanden, wurden im Übrigen von vier Aktionärsgruppen
gehalten: Die E Ltd. hielt 25,9 %, die F-Gruppe 26,4 %, die G-Gruppe 13,2 % und die
H-Gruppe 14,3 % jeweils unmittelbar oder über Tochtergesellschaften. Zwischen den
vorgenannten vier großen Aktionärsgruppen besteht seit 2007 ein Syndikatsvertrag, in
dem unter anderem Nominierungsrechte für den Aufsichtsrat der A SE und die
Koordination des Abstimmungsverhaltens der vier Aktionärsgruppen geregelt sind (vgl.
AnlH III 604 ff.); danach sind die Parteien des Syndikatsvertrags zur einheitlichen
Ausübung ihrer Stimmrechte aus den syndizierten Aktien in der Hauptversammlung der A
SE verpflichtet.
Seit 2009 kam es zu konzerninternen Transaktionen, an der auch die A AG (alt) beteiligt
war. Diesbezüglich behaupten die Kläger zum Teil, dass die A SE die A AG (alt) veranlasst
habe, Beteiligungen zu einem überhöhten Preis zu übernehmen. Im Jahr 2014 forderten
die Kläger die A AG (alt) zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung auf,
in der Beschlüsse über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen der
konzerninternen Transaktionen sowie die Bestellung eines besonderen Vertreters getroffen
werden sollten. Da eine außerordentliche Hauptversammlung nicht stattfand, wurde im
Jahr 2015 die ordentliche Hauptversammlung um entsprechende Tagesordnungspunkte
ergänzt. In der Hauptversammlung vom 19. Juni 2015 wurden sodann Beschlüsse
hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die A SE
aufgrund einer konzerninternen Transaktion (I-Transaktion) und über die Bestellung des
besonderen Vertreters Herrn J gefasst. Hiergegen erhob die A SE Anfechtungsklage, der
das Landgericht Köln mit Urteil vom 14. Januar 2016 (Az. 91 O 30/15) stattgab und die
Beschlüsse für nichtig erklärte; das landgerichtliche Urteil hatte keinen Bestand und wurde
durch Senatsurteil vom 9. März 2017 (Az. 18 U 19/16, juris) aufgehoben. Nachdem die A
AG (alt) im Jahr 2015 Informationsverlangen des besonderen Vertreters, des Herrn J,
zunächst nicht nachgekommen war, erteilte sie auf ein im Rahmen des einstweiligen
Rechtsschutzes zu ihren Lasten ergangenes Senatsurteil vom 4. Dezember 2015 (Az.
18 U 149/15, juris) die begehrten Auskünfte. In der Hauptversammlung vom 24. Juni 2016
wurde die Geltendmachung weiterer Schadensersatzansprüche aus konzerninternen
Transaktionen gegen die A SE beschlossen und Herr J auch diesbezüglich zum
besonderen Vertreter bestellt. Herr J machte am 24. Juni 2016 Ansprüche in Höhe von
86 Mio. € außergerichtlich gegenüber der A SE geltend. Mit Schreiben vom 20. März 2017
forderte Herr J von der A SE weiteren Schadensersatz, sodass sich die Forderungssumme
insgesamt auf 217 Mio. € belief, die schließlich auch gerichtlich geltend gemacht wurde
(Az. 22 O 169/17 LG Köln).
Am 18. September 2016 wurde die D GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt (im
Folgenden: D AG). Mit Aktienkauf- und Übertragungsvertrag vom 6. Oktober 2016
(Anlage BE 3 – Bl. 509 ff. eA) übertrugen die A SE und die C GmbH insgesamt 3.134.427
Aktien an der A AG (alt) auf die D AG, sodass diese sodann eine Beteiligung in Höhe von
93,63 % an der A AG (alt) hielt. Nachdem die D AG am 7. Oktober 2016 das förmliche
Verlangen an die A AG (alt) gerichtet hatte, einen verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out
durchzuführen, schlossen die D AG und die A AG (alt) am 30. Dezember 2016 einen
notariell beurkundeten Verschmelzungsvertrag (vgl. ab Seite 43 der Anlage K 17 [zu
Az. 91 O 18/17], dort Anlage 1). Der Übertragungsbericht der D AG vom 9. Februar 2017
(Anlage K 16 zu Az. 91 O 18/17) wies eine Barabfindung in Höhe von 300 € je Stückaktie
als angemessen aus und nahm hinsichtlich der Unternehmensbewertung Bezug auf ein
dem Bericht als Anlage 3 beigefügtes K-Gutachten vom 3. Februar 2017, das den vom
besonderen Vertreter geltend gemachten Schadensersatzansprüchen keine Auswirkungen
auf die Unternehmensbewertung beimaß (vgl. Anlage K 18 zu Az. 91 O 18/17); dieses
Gutachten wurde im Prüfbericht von L (L) bestätigt (vgl. Anlage K 19 zu Az. 91 O 18/17).
Auch die Aktualisierungsbestätigung von K (Anlage K 21 zu Az. 91 O 18/17) und die
Stichtagserklärung von L (Anlage K 22 zu Az. 91 O 18/17), die im Rahmen der
Hauptversammlung am 24. März 2017 ausgelegt waren, wiesen 300 € als Barabfindung je
Stückaktie als angemessen aus.
In der außerordentlichen Hauptversammlung vom 24. März 2017 stellten die Kläger
verschiedene Fragen, die sich zum Teil auf die Solvenz der A AG (alt) insbesondere
vermittelt durch die Beteiligung an der M AG bezogen; wegen der Einzelheiten und zum
Inhalt der einzelnen Fragen wird auf die notarielle Niederschrift der vorgenannten
Hauptversammlung nebst Anlagen (vgl. Anlage K 20 zu Az. 91 O 18/17) und die
nachstehenden Gründe Bezug genommen. In der Hauptversammlung der A AG (alt)
wurde sodann zum Tagesordnungspunkt 1 der Beschluss gefasst, wonach die Aktien der
Minderheitsaktionäre gem. § 62 Abs. 5 UmwG i.V.m. §§ 327a ff. AktG gegen Gewährung
einer von der D AG zu zahlenden angemessenen Barabfindung in Höhe von 300,00 € je
Aktie auf die Hauptaktionärin übertragen werden sollten.
Nach Eingang der von den Klägern erhobenen Anfechtungsklagen beim Landgericht Köln
hat der Senat in dem von der A AG (alt) angestrebten Freigabeverfahren (Az. 18 AktG
1/17), an dem alle Kläger des vorliegenden Anfechtungsverfahrens beteiligt waren, die
Auffassung geäußert, der Hauptversammlungsbeschluss sei rechtsmissbräuchlich, da die
D AG vor allem den Zweck verfolgt habe, die Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen durch den besonderen Vertreter zu verhindern. Nachdem die
D AG im Nachgang zu der ersten mündlichen Verhandlung im Freigabeverfahren am
9. Oktober 2017 eine Verpflichtungserklärung dahingehend abgegeben hatte, dass die
vom besonderen Vertreter geltend gemachten Schadensersatzansprüche in einer
Größenordnung von über 217 Mio. € im Spruchverfahren als Sonderwert anzusetzen
seien, gab der Senat mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 (Az. 18 AktG 1/17, WM 2019,
1218) die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister frei, wobei er aber an der
Auffassung festhielt, dass die Gesamtumstände bei der Fassung des
Übertragungsbeschlusses für die Annahme von Rechtsmissbrauch sprächen, allerdings
die Vermögensinteressen der A AG (alt) im Freigabeverfahren höher zu bemessen seien;
eine gegen den Senatsbeschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 1017/18)
blieb ohne Erfolg. Die Eintragung des umwandlungsrechtlichen Squeeze-out und der
Verschmelzung erfolgte am 27. Dezember 2017. In der Folge wurde die D AG in A AG
umfirmiert und ihr Sitz von N nach B verlegt.
Die Kläger, die auch nach der Eintragung des Übertragungsbeschlusses vom Fortbestand
eines Rechtsschutzbedürfnisses für die Anfechtungsklage ausgehen, weil deren Erfolg
Grundlage für Schadensersatzansprüche sein könne, halten den Übertragungsbeschluss
für rechtsmissbräuchlich. Hierzu haben sie behauptet, der Squeeze-out habe allein dazu
gedient, die weitere Geltendmachung der Schadensersatzansprüche durch den
besonderen Vertreter zu verhindern. Darüber hinaus haben die Kläger zu 8) bis 10)
behauptet, dass der D AG der entsprechende Anteil an den Aktien zum Zeitpunkt der
Hauptversammlung gar nicht gehört habe, sondern sie diese nur gehalten habe. Die
Kläger sind zudem der Ansicht, dass sowohl der Übertragungs- als auch der Prüfbericht
mangelhaft gewesen seien, so dass diese keine ordnungsgemäße
Entscheidungsgrundlage dargestellt hätten. Im Übrigen sei das Auskunftsrecht der
Minderheitsaktionäre durch eine unzureichende Fragenbeantwortung in der
Hauptversammlung verletzt worden; auch seien die Rede- und Fragerechte
verfahrensfehlerhaft beschränkt worden. Schließlich haben die Kläger zu 8) bis 10)
gemeint, dass bei der Hauptaktionärin ein Rechtsverlust nach § 28 WpHG aF eingetreten
sei, weil die Meldepflichten nach §§ 21, 22 WpHG aF verletzt gewesen seien. Hierzu
haben sie insbesondere behauptet, dass die Meldungen der D AG nie bei der zuständigen
Behörde erfolgt seien, jedenfalls die Meldung vom 7. Oktober 2016 fehlerhaft gewesen sei.
Die Kläger haben beantragt,
den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 24. März 2017 zu
Tagesordnungspunkt 1, wonach die auf den Namen lautenden Stückaktien der übrigen
Aktionäre der A AG (Minderheitsaktionäre) gemäß § 62 Abs. 5 UmwG i.V.m. §§ 327a ff.
AktG gegen Gewährung einer von der D AG mit Sitz in N (Hauptaktionärin) zu zahlenden
angemessenen Barabfindung in Höhe von 300,00 € je auf den Namen lautender
Stückaktien der A AG auf die Hauptaktionärin übertragen werden, für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat den Standpunkt vertreten, dass ein Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls für
die Gegner im Freigabeverfahren nicht mehr bestanden habe, da ihnen bereits die Kosten
des Freigabeverfahrens erstattet worden seien; sonstige Schäden seien nicht ersichtlich.
Im Übrigen sei der Übertragungsbeschluss nicht deswegen erfolgt, um die
Geltendmachung der Schadensersatzansprüche zu verhindern, sondern vielmehr zum
Zweck einer Vereinfachung der Konzernstruktur, des Wegfalls von Vorlauffristen von
Informationspflichten und der Börsennotierung sowie gesetzlicher Publizitätspflichten und
einer erhöhten Transaktionssicherheit.
2. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. November 2020 (GA 1422 ff.),
auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes
und der erstinstanzlichen Anträge gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen
wird, abgewiesen. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:
a) Die Anfechtungsklagen seien zwar zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die
Klagen auch nach der Eintragung des Übertragungsbeschlusses folge aus den
Schadensersatzregelungen des § 246a Abs. 4, § 319 Abs. 6 Sätze 9 und 10 AktG und
zwar unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein Schadensersatzanspruch entstanden
sei bzw. sein könne.
b) Jedoch hätten die Klagen in der Sache keinen Erfolg.
aa) Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten bzw. deren
Hauptaktionärin lasse sich entgegen der durch den Senat im Freigabeverfahren (Az.
18 AktG 1/17) vertretenen Auffassung nicht ausmachen. Andernfalls hätten es
Minderheitsaktionäre – wie hier die Kläger – in der Hand, mit der bloßen Behauptung von
Schadensersatzansprüchen durch die Bestellung eines besonderen Vertreters
Strukturmaßnahmen im Konzern zu verhindern.
Es sei daher für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Abschneidens von über die
Beteiligung vermittelten Vermögensrechten der Minderheitsaktionäre jedenfalls
erforderlich, dass der tatsächliche Bestand von Schadensersatzansprüchen zumindest
überwiegend wahrscheinlich sei. Davon könne hier nicht ausgegangen werden, denn es
fehle hierzu jeglicher Vortrag der Kläger. Die schlichte Bezugnahme auf das
Forderungsschreiben des besonderen Vertreters vom 24. März 2017 und die durch diesen
nachfolgend erhobene Schadensersatzklage genüge nicht. Vortrag sei auch nicht wegen
eines durch die damalige Hauptaktionärin im Freigabeverfahren abgegebenen
„Anerkenntnisses“ entbehrlich.
Darüber hinaus werde an der im landgerichtlichen Urteil vom 14. Januar 2016 (Az. 91 O
30/15) vertretenen Auffassung festgehalten, dass sämtliche Ansprüche, mit denen die in
der Hauptversammlung vom 19. Juni 2015 erfolgte Beschlussfassung zu § 147 Abs. 1
AktG unterlegt worden seien, ins Blaue hinein aufgestellt gewesen seien und das
Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für ein schadensersatzbegründendes Verhalten
erforderlich gewesen seien. Die gegenteilige Auffassung des Senats laufe der Regelung
des § 142 Abs. 2 AktG und dem darin niedergelegten Erfordernis einer qualifizierten
Minderheit zuwider, die Voraussetzung für einen Antrag auf gerichtliche Bestellung eines
Sonderprüfers sei, ließe man die bloße Behauptung von Schadensersatzansprüchen
ausreichen.
Hinzu komme, dass – anders als durch den Senat angenommen – entsprechende
Schadensersatzansprüche im Spruchverfahren berücksichtigt würden, selbst wenn sie
weder unstreitig noch rechtskräftig festgestellt seien.
Ferner sei die subjektive Voraussetzung des Rechtsmissbrauchs nicht erfüllt, denn indem
die Hauptaktionärin im Rahmen des Freigabeverfahrens erklärt habe, die
Schadensersatzansprüche von über 217 Mio € für die Zwecke des Spruchverfahrens als
Sonderwert anzuerkennen, habe sie deutlich gemacht, dass es ihr nicht darum gegangen
sei, die Minderheitsaktionäre von ihrer Beteiligung an den Schadensersatzansprüchen
auszuschließen. Es sei daher nicht anzunehmen, dass maßgebliche Triebfeder für den
Squeeze-out gewesen sei, die Minderheitsaktionäre an der Verfolgung von
Schadensersatzansprüchen zu hindern.
Im Übrigen gelte, dass der Ausschluss der Minderheitsaktionäre einer sachlichen
Rechtfertigung nicht bedürfe und das Gesetz – abgesehen von Voraussetzungen für die zu
beachtenden Mehrheitsverhältnisse – hierfür keine Voraussetzungen aufstelle. Vorliegend
komme hinzu, dass – was in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben
können – die Beklagte nachvollziehbare legitime Ziele der Hauptaktionärin dargelegt habe.
bb) Soweit die Kläger zu 8) bis 10) das Vorliegen der Voraussetzungen für einen
umwandlungsrechtlichen Squeeze-out mit der Erwägung in Zweifel gezogen hätten, der
Hauptaktionärin hätten nicht mindestens 90 % der Aktien gehört, greife dies nicht durch.
Die D AG sei mit einem Anteil von 93,63 % als Aktionärin im elektronischen Aktienregister
eingetragen gewesen, weshalb nach § 67 Abs. 2 AktG zu ihren Gunsten eine
unwiderlegliche Vermutung der Mitgliedschaft streite.
cc) Auch die Berufung auf angebliche Mängel des Übertragungsberichts und des
Prüfberichts führe nicht weiter, da es sich hierbei lediglich um Bewertungsrügen gehandelt
habe, die gemäß §§ 327f, 243 Abs. 4 Satz 2 AktG dem Spruchverfahren vorbehalten
blieben und die Anfechtbarkeit des Beschlusses nicht begründen könnten.
dd) Aus demselben Grund scheide auch die Anfechtbarkeit wegen der
Auskunftsrügen aus, da auch diese nur bewertungsbezogen gewesen seien.
ee) Soweit der Ablauf der Hauptversammlung gerügt werde, könne dies ebenso
nicht durchgreifen, da Ermessensfehler bei der Durchführung der Hauptversammlung nicht
erkennbar gewesen seien. Insbesondere seien die Schließung der Rednerliste und die
Beschränkung der Redezeit durch die Satzung und das Gesetz gedeckt.
ff) Schließlich scheitere auch der von den Klägern zu 8) bis 10) erhobene Einwand
des Rechtsverlustes nach § 28 WpHG aF.
(1) Dass die Beklagte (gemeint ist die D AG) ihren Mitteilungspflichten
nachgekommen sei, sei bewiesen. Auch seien zum Zeitpunkt der Hauptversammlung
inhaltliche Fehler dieser Meldung nicht gegeben gewesen, da der Grund der Mitteilung
zutreffend angegeben sei und sich aus den Unterlagen auch die Beherrschung der
Beklagten (gemeint ist die D AG) ergeben habe.
(2) Auch die A SE habe ihren Meldepflichten genügt. Sie habe insbesondere kein
Unterschreiten einer Meldeschwelle angeben müssen, weil ihr gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1
WpHG aF sämtliche (nunmehr) von der Beklagten gehaltenen Anteile zugerechnet worden
seien. Im Übrigen sei die Schwelle von 75 % durch die längst gemeldete
Syndikatszurechnung gemäß § 22 Abs. 2 WpHG aF überschritten gewesen.
(3) Entgegen der von den Klägern zu 8) bis 10) vertretenen Auffassung seien auch
die oberhalb der A SE bestehenden Unternehmen und Personen ihren Meldepflichten
umfassend gerecht geworden.
Die E Ltd. habe die zwischenzeitliche Verringerung ihrer Beteiligung an der A SE nicht
melden müssen. Auch die Meldung des Herrn O sei zutreffend, da er tatsächlich in
beherrschender Funktion hinsichtlich der E Ltd. auftrete.
Auch die Mitteilungen der Gruppe F seien zutreffend. Die für den Rechtsverlust nach § 28
WpHG aF darlegungsbelasteten Kläger hätten nicht dargetan, woraus sich der nach § 22
Abs. 3 WpHG aF relevante beherrschende Einfluss des Herrn F auf die Privatstiftung
österreichischen Rechts ergebe. Ohnedies würden ihm über den Syndikatsvertrag alle
Stimmen der übrigen Syndikatsmitglieder zugerechnet.
Ebenfalls zutreffend seien die Mitteilungen der G Gruppe. Weder die P Holding GmbH
noch die G-Holding hätten angesichts der Anteilsübertragung von der P Holding GmbH auf
die Q-Beteiligungs-GmbH und der anschließenden Verschmelzung der P auf deren
Muttergesellschaft – die G Holding – eine Mitteilung machen müssen. Auch die Erwerberin
der von der P Holding GmbH an sie veräußerten Anteile – die Q-Beteiligungs GmbH –
habe ihre Meldepflichten erfüllt.
Auch die Meldelage in der H-Gruppe sei zutreffend, die Hauptaktionäre der H Insurance
Group AG hätten mangels beherrschenden Einflusses nicht angegeben werden müssen.
Der von den Klägern zu 8) bis 10) behauptete beherrschende Einfluss der
H Versicherungsverein Privatstiftung auf die Konzernmutter (H Insurance Group AG) lasse
sich nicht feststellen. Auch eine Zurechnung der an der Beklagten gehaltenen Beteiligung
an die Privatstiftung über § 22 Abs. 2 WpHG aF komme nicht in Betracht, da diese nicht
Partei der Syndikatsvereinbarung sei.
Schließlich sei die von den Klägern zu 8) bis 10) vertretene Auffassung, infolge der
Syndikatsvereinbarung seien eigene BGB-Gesellschaften begründet worden, die ihrerseits
meldepflichtig gewesen sein, unzutreffend.
3. Hiergegen richten sich die Kläger zu 1) bis 5) und zu 8) bis 10) mit ihren formund
fristgerecht eingelegten Berufungen (vgl. Bl. 205 ff., 237 ff., 246 ff. 267 ff. 293 ff. eA).
a) Sie machen in den jeweils fristgerecht erfolgten Berufungsbegründungen im
Wesentlichen geltend, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass kein
rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgelegen habe. Vielmehr belege der Hintergrund des
Squeeze-out-Beschlusses, dass dieser zweckentfremdet gewesen sei und allein dazu
gedient hätte, die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche durch den besonderen
Vertreter zu verhindern. Sämtliche von der Beklagten angeführten Gründe für den
Squeeze-out würden diesen nicht rechtfertigen, da sie dem Squeeze-out als solchem inne
wohnten bzw. die Konzernstruktur tatsächlich gar nicht vereinfacht werde. Es sei daher
vielmehr der durch den Senat im Freigabeverfahren (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember
2017 – 18 AktG 1/17, WM 2019, 1218, 1221 ff.) vertretenen Ansicht zu folgen. Auch lägen
im konkreten Fall erhebliche konkrete Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch vor, die
das Landgericht übersehen habe.
Entgegen der Annahme des Landgerichts sei das Spruchverfahren zur Wahrung der
Vermögensinteressen der Minderheitsaktionäre nicht geeignet. Es sei nämlich weder
gesichert, dass in diesem die streitigen Schadensersatzansprüche beachtet würden, noch
könnten die Kläger den Darlegungsanforderungen im Spruchverfahren gerecht werden, da
hierzu wiederum die Tätigkeit des besonderen Vertreters erforderlich sei.
Darüber hinaus habe das Landgericht, indem es ausgeführt habe, dass die Gefahr drohe,
dass die Minderheitsaktionäre die ihnen zustehenden Rechte nach § 147 AktG
missbrauchen würden, die Frage nach dem Rechtsmissbrauch genau umgekehrt.
Ferner sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Kläger die
entsprechenden Schadensersatzansprüche nicht dargelegt hätten.
Schließlich sei auch die erst im Freigabeverfahren durch die seinerzeitige Hauptaktionärin
(D AG) abgegebene Verpflichtungserklärung für die Frage des Rechtsmissbrauchs bei der
Beschlussfassung völlig irrelevant.
b) aa) Die Kläger zu 8), zu 9) und zu 10) machen des Weiteren geltend,
dass aus § 67 Abs. 2 AktG eine unwiderlegliche Vermutung der Aktionärseigenschaft nicht
folge, mithin von einem „Gehören“ der Aktien nicht auszugehen sei.
bb) Sie rügen ferner, dass im Rahmen des Übertragungs- und Prüfberichts nicht
nur Bewertungsfragen gerügt worden seien. Gleiches gelte für die eingeforderten
Auskünfte, da sich die Fragen hinsichtlich der Solvenz der D AG nicht auf die Abfindung
als solche, sondern auf deren Realisierbarkeit bezogen hätten.
cc) Auch habe das Landgericht nicht ohne eigene Ermessenabwägung von einer
Verfahrensfehlerfreiheit der Hauptversammlung ausgehen dürfen.
dd) Überdies habe das Landgericht zu Unrecht die Verletzung von Meldepflichten
nach §§ 21 ff. WpHG aF verneint, obwohl sie – die Kläger – bereits nachgewiesen hätten,
dass die Mitteilungen der D AG nicht richtig gewesen seien. Auch habe kein einziger
Meldeverpflichteter aus dem Syndikat oberhalb der A SE – weder das Syndikat als
Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch die einzelnen Syndikatsmitglieder noch die diese
Mitglieder beherrschenden Personen – § 22 Abs. 2 WpHG aF als Grund angegeben,
obwohl das Landgericht diesen für maßgeblich erachtet habe; wegen der diesbezüglichen
einzelnen Rügen zu den Aktionärsgruppen wird auf Bl. 302 f. eA verwiesen.
ee) Schließlich habe das Landgericht sich mit einzelnen Anfechtungsrügen nicht
befasst. So hätten die Kläger zu 8) bis 10) gerügt, dass eine Beschlussfassung über den
verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out um drei Monate bis zu der ordentlichen
Hauptversammlung vom 30. Juni 2017 hätte verschoben werden können, weil bis Ende
März 2017 ohnehin der Jahresabschluss und Lagebericht für das vergangene
Geschäftsjahr hätten erstellt sein müssen und so eine Beschlussfassung auf der
Grundlage aktueller Zahlen hätte erfolgen können.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln – 91 O 13/17 – vom 19. November
2020
den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 24. März 2017 zu
Tagesordnungspunkt 1, wonach die auf den Namen lautenden Stückaktien der übrigen
Aktionäre der A AG (Minderheitsaktionäre) gemäß § 62 Abs. 5 UmwG i.V.m. §§ 327a ff.
AktG gegen Gewährung einer von der D AG mit Sitz in N (Hauptaktionärin) zu zahlenden
angemessenen Barabfindung in Höhe von 300,00 € je auf den Namen lautender
Stückaktien der A AG auf die Hauptaktionärin übertragen werden, für nichtig zu erklären.
Die Kläger zu 2), zu 3) und zu 8) bis zu 10) beantragen hierzu ergänzend,
hilfsweise festzustellen, dass der vorgenannte Beschluss nichtig ist,
äußerst hilfsweise festzustellen, dass der vorgenannte Beschluss unwirksam ist.
Außerdem beantragen die Kläger zu 8) bis zu 10),
festzustellen, dass der in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
24. März 2017 unter Tagesordnungspunkt 1 gefasste Beschluss über die Zustimmung zur
Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der A AG auf die D AG mit Sitz in N
(Hauptaktionärin) gegen Gewährung einer angemessenen (§ 62 Abs. 5 UmwG i.V.m.
§§ 327a ff. AktG) entgegen der Feststellung und Verkündung des Versammlungsleiters die
erforderliche Mehrheit nicht erhalten hat und demzufolge nicht gefasst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil (Bl. 338 ff. / 491 ff. eA).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig nebst Anlagen zu der
Verfahrensakte gereichten Schriftsätze und auf den übrigen Inhalt der Verfahrensakte
sowie die nachstehenden Entscheidungsgründe verwiesen.
II.
1. Die zulässigen Berufungen sind unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen sind.
a) Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend ein fortbestehendes
Rechtsschutzbedürfnis der – mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das
Handelsregister als Aktionäre der Beklagten ausgeschiedenen – Kläger angenommen.
aa) Zwar verliert ein Minderheitsaktionär mit der Eintragung des
Übertragungsbeschlusses grundsätzlich seine Befugnis, Anfechtungs- oder
Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse zu erheben. Mit dem Übergang
der Aktien geht er jedoch nicht der Befugnis verlustig, gegen den Übertragungsbeschluss
selbst vorzugehen, selbst dann nicht, wenn die Rückübertragung der Aktien mittlerweile
unmöglich geworden ist. Wie sich im Umkehrschluss aus § 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG in
Verbindung mit § 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6 Satz 10 und 11 AktG ergibt, genügt es für den
Fortbestand des rechtlichen Interesses an der Anfechtung des Übertragungsbeschlusses,
dass der Erfolg der Klage Grundlage eines Schadensersatzanspruchs sein kann. Ein
Erfolg der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage bildet entsprechend § 327e Abs. 2, § 319
Abs. 6 Satz 10 AktG die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch jedenfalls gegen
die Beklagte. Die Gesellschaft hat gemäß § 319 Abs. 6 Satz 10 AktG klagenden
Minderheitsaktionären den Schaden zu ersetzen, der aus der Eintragung entstanden ist,
wenn sich die Beschlussmängelklage nach einer Eintragung aufgrund eines Beschlusses
im Freigabeverfahren als begründet erweist (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2011 – II ZR
229/09, WM 2011, 1032 Rn. 5 ff. m.w.N.). Die nicht auf Rückgängigmachung der
Eintragung gerichtete Schadensersatzleistung richtet sich nach §§ 249 ff. BGB und erfasst
sämtliche Kosten und den entgangenen Gewinn (vgl. Schnorbus, in: K. Schmidt/Lutter,
AktG, 4. Aufl., § 327e Rn. 18 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund kann ein Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses allenfalls dann
angenommen werden, wenn die Anfechtung gegen Beschlüsse gerichtet ist, an deren
Vernichtung der ausgeschiedene Aktionär kein berechtigtes Interesse mehr hat (vgl. BGH,
Urteil vom 9. Oktober 2006 – II ZR 46/05, WM 2006, 2216 Rn. 17). Ein solches
berechtigtes Interesse wird etwa angenommen, soweit der Ausgang des
Anfechtungsverfahrens rechtlich erhebliche Auswirkungen auf die als Vermögensausgleich
für den Verlust der Mitgliedschaftsrechte zu gewährende angemessene Barabfindung
haben kann (BGH a.a.O. Rn. 19). Für den Fortbestand des berechtigten Interesses an der
Anfechtung des Übertragungsbeschlusses nach dessen Eintragung in das Handelsregister
genügt es grundsätzlich, dass der Erfolg der Klage Grundlage für einen
Schadensersatzanspruch sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2011 – II ZR 229/09,
WM 2011, 1032 Rn. 10). Dementsprechend kann ein berechtigtes Interesse (nur) dann
verneint werden, wenn feststeht, dass ein Schaden, der von Minderheitsaktionären geltend
gemacht werden könnte, nicht (mehr) besteht, denn in diesem Fall könnte ein Erfolg der
Anfechtungsklage nicht mehr Grundlage für einen Schadensersatzanspruch sein.
bb) Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, weshalb ein
(fortbestehendes) Rechtsschutzbedürfnis der Kläger besteht.
(1) Das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger zu 2), zu 3) und zu 8) folgt bereits aus
deren Pflicht zur (anteiligen) Tragung der Kosten des Freigabeverfahrens, die als mögliche
Schadensersatzposition im Sinne des § 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG in Verbindung mit § 237e
Abs. 2, § 319 Abs. 6 Satz 10 AktG anerkannt sind (vgl. Grunewald, in: MünchKommAktG,
5. Aufl., § 319 Rn. 47; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht,
9. Aufl., AktG § 319 Rn. 43; Plumeyer/Jaursch, in: Heidel, Aktienrecht und
Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., AktG § 319 Rn. 32; Singhof, in: BeckOK-AktG, Stand:
1. Februar 2022, § 319 Rn. 29; Koch, AktG, 16. Aufl., § 246a Rn. 26; Schwab, in:
K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 246a Rn. 60). Diese Kosten sind den Klägern im
Freigabeverfahren auch auferlegt worden, sodass sich diesbezüglich grundsätzlich ein
Ersatzanspruch ergeben kann.
Diese Schadensposition ist für die vorgenannten Kläger nicht durch die im
Freigabeverfahren durch die Beklagte schriftsätzlich abgegebene Erklärung vom
22. November 2017 (Bl. 342 f. eA) entfallen. In dieser hat sich die Beklagte lediglich
gegenüber den Klägern zu 1), zu 4), zu 5), zu 9) und zu 10) verpflichtet, die
außergerichtlichen Kosten des Freigabeverfahrens zu erstatten, wie sie diese zu erstatten
hätte, wenn das Oberlandesgericht Köln ihren Freigabeantrag zurückgewiesen hätte bzw.
für den Fall, dass trotz der Rücknahme des Kostenantrages den oben genannten Klägern
die Verfahrenskosten auferlegt werden sollten, sie keinen Antrag auf Erstattung der
Verfahrenskosten stellen werde. Da sich dieses Angebot von vornherein nicht an die – zu
diesem Zeitpunkt am Freigabeverfahren nicht mehr beteiligten – Kläger zu 2), zu 3) und
zu 8) gerichtet hat, stellen deren Kosten des Freigabeverfahrens weiterhin mögliche
Schadenspositionen dar.
(2) (a) Demgegenüber können die Kläger zu 1), zu 4), zu 5), zu 9) und
zu 10) ihr Rechtsschutzbedürfnis nicht aus der Verpflichtung zur Tragung der Kosten des
Freigabeverfahrens herleiten.
Die Kläger zu 1), zu 4) und zu 5) haben das Angebot der Beklagten konkludent durch den
Antrag auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten angenommen, so dass diese als
Schadensposition nicht mehr in Betracht kommen. Die außergerichtlichen Kosten des
Freigabeverfahrens sind ausgeglichen; dass den Klägern außergerichtliche Kosten im
Rahmen des Freigabeverfahrens entstanden sind, die über die nach dem RVG zu
erstattenden Beträgen hinausgehen, haben sie nicht dargelegt. Auch die gerichtlichen und
außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben diese Kläger nicht zu zahlen, da insoweit
allein der entsprechende Antrag auf Erstattung der Verfahrenskosten nach § 103 Abs. 2
ZPO eine entsprechende Zahlungspflicht auslösen könnte. Dass den Klägern gerichtliche
Kosten im Rahmen des Freigabeverfahrens entstanden sind, die sie getragen hätten, ist
weder ersichtlich noch dargetan.
Entsprechend verhält es sich im Ergebnis für die Klägerinnen zu 9) und zu 10). Zwar
haben diese das Angebot der Beklagten nicht angenommen. Allerdings führt die (auch)
ihnen gegenüber erklärte Bereitschaft der Beklagten, die diesen Klägerinnen im
Freigabeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten und sie insoweit klaglos zu stellen,
dazu, dass auch die Klägerinnen zu 9) und zu 10) aus den ihnen im Freigabeverfahren
entstandenen Kosten kein Rechtsschutzbedürfnis herleiten können; daran ändert ihre
Weigerung, das Angebot anzunehmen nichts.
(b) Allerdings können die Kläger zu 1), zu 4), zu 5), zu 9) und zu 10) ihr
Rechtsschutzbedürfnis auf die ihnen im Spruchverfahren (91 O 6/18 LG Köln)
entstandenen (und noch entstehenden) Kosten, die ebenfalls eine berücksichtigungsfähige
Schadensposition im Sinne von § 327e Abs. 1, § 319 Abs. 6 Satz 10 AktG darstellen (vgl.
Schnorbus, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 327e Rn. 18 mit Fn. 48), stützen.
Bei der Durchführung des gemäß § 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG in Verbindung mit § 327f
Satz 2 AktG zur Bestimmung der Barabfindung eröffneten Spruchverfahrens besteht die
Möglichkeit, dass die ehemaligen Minderheitsaktionäre als Antragsteller einen Teil der
Kosten nicht ersetzt verlangen können. Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 2 SpruchG,
demzufolge grundsätzlich jeder Verfahrensbeteiligte seine außergerichtlichen Kosten
selbst trägt und nur aus Billigkeitserwägungen verfahrenszweckentsprechende Kosten des
Antragstellers dem Antragsgegner aufzuerlegen sind (vgl. BGH, Beschluss vom
13. Dezember 2011 – II ZB 12/11, WM 2012, 280 Rn. 13 ff.; BayObLG, Beschluss vom
18. Mai 2022 – 101 ZBR 97/20, juris Rn. 154 ff.; OLG München, Beschluss vom 7. Januar
2022 – 31 Wx 399/18, NZG 2022, 362, 369; Drescher, in: BeckOK-SpruchG, Stand:
1. Februar 2002, § 15 Rn. 23; Koch, AktG, 16. Aufl., SpruchG § 15 Rn. 6; Kubis, in:
MünchKommAktG, 5. Aufl., SpruchG § 15 Rn. 20). Dabei ist aber anerkannt, dass nicht
jede Erhöhung der angegriffenen Kompensation eine zu Lasten des Antragsgegners
gehende Kostenüberbürdung aus Gründen der Billigkeit zur Folge hat; erforderlich ist
vielmehr eine „erhebliche Erhöhung“ der verfahrensgegenständlichen Kompensation (vgl.
Kubis a.a.O. Rn. 21). Demnach besteht auch für den Fall, dass die Kompensation zu
niedrig angesetzt ist, und dies im Spruchverfahren erkannt wird, die Möglichkeit, dass die
Kläger gleichwohl einen Teil ihrer außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.
Dieses im Gesetz angelegte Kostentragungsrisiko stellt für alle Kläger eine
Schadensposition dar, aus der sie ihr Rechtsschutzbedürfnis für die dem Senat zur
Entscheidung unterbreitete Anfechtungsklage herleiten können.
b) Die Berufungen sind unbegründet, weil der von den Klägern angegriffene
Hauptversammlungsbeschluss mit der erforderlichen Mehrheit wirksam gefasst worden ist
und er weder nichtig noch anfechtbar ist.
aa) Ohne Erfolg bleiben die Berufungen, soweit sie sich gegen die Annahme des
Landgerichts wenden, dass der angefochtene Übertragungsbeschluss sich nicht als
rechtsmissbräuchlich darstelle. Der Rechtsstandpunkt des Landgerichts trifft im Ergebnis
zu.
aaa) Die Frage des Rechtsmissbrauchs lässt sich nicht allein anhand der Ziele des
Vorgehens, sondern in Relation zu der gesetzgeberischen Zielsetzung beurteilen (BGH,
Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 302/06, WM 2009, 896 Rn. 12). Dabei verfolgen die über
§ 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG zur Anwendung gelangenden §§ 327a ff. AktG das
rechtspolitische Ziel , einem Hauptaktionär, dem Aktien der Gesellschaft in Höhe von
mindestens 90 % des Grundkapitals „gehören“, die Ausschließung einer Restminderheit
von höchstens 10 % im Interesse einer effizienten Unternehmensführung zu ermöglichen
(BGH a.a.O.; Senat, Beschluss vom 14. Dezember 2017 – 18 AktG 1/17, WM 2019, 1218,
1221). Die Gesetzesmaterialien selbst verweisen darauf, dass die Praxis zeige, dass
Kleinstbeteiligungen oft dazu missbraucht würden, den Mehrheitsaktionär bei der
Unternehmensführung zu behindern und ihn zu – nicht von der Sache gebotenen –
finanziellen Zugeständnissen zu veranlassen, während andererseits Kleinstbeteiligungen
regelmäßig auch keinen maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen
könnten, weshalb ihr Interessenschwerpunkt auf der Vermögenskomponente ihrer
Beteiligung liege, deren Verlust mit einer vollen wirtschaftlichen Entschädigung hinreichend
kompensiert werde (vgl. BegrRegE in BT-Drucks. 14/7034 S. 31 f.). Da der Gesetzgeber
auch bei einem Kapitalanteil von höchstens 10 % typischerweise keine
Einwirkungsmöglichkeiten auf die Unternehmensführung gesehen und er das Interesse
und die Initiative der Muttergesellschaft, die Konzernstruktur zu ordnen und zu
vereinfachen sowie die Unternehmensleitung zu vereinheitlichen als legitim erachtet hat
(vgl. BT-Drucks. 17/3122 S. 13 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG), hat er
für den verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out den in § 327a AktG vorgesehenen
Schwellenwert von 95 % auf 90 % abgesenkt und an die Voraussetzung geknüpft, dass
der Squeeze-out in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Verschmelzung der
Tochter- auf die Muttergesellschaft vollzogen wird; zur Sicherstellung dieses
Zusammenhangs hat er zugleich in § 62 Abs. 5 Satz 1 UmwG eine Dreimonatsfrist
etabliert.
Vor diesem Hintergrund ist anerkannt, dass ein Übertragungsbeschluss gemäß § 62
Abs. 5 Satz 1 UmwG in Verbindung mit § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG einer sachlichen
Rechtfertigung nicht bedarf. Der Gesetzgeber selbst hat die Abwägung der
widerstreitenden Interessen vorgenommen, weshalb der Squeeze-out seine
Rechtfertigung "in sich" trägt. Der von einem mindestens 90 % des Stamm- oder
Grundkapitals haltenden Hauptaktionär verfolgte Zweck, Behinderungen bei der
Unternehmensführung durch die übrigen Inhaber von Klein- und Kleinstbeteiligungen zu
vermeiden, ist grundsätzlich legitim, ohne dass es auf das Vorliegen zusätzlicher
(übergeordneter) unternehmerischer Gründe im Einzelfall ankommt (vgl. BGH, Urteil vom
16. März 2009 – II ZR 302/06, WM 2009, 896 Rn. 14; Grunewald, in: Lutter, UmwG,
6. Aufl, § 62 Rn. 49; dies., in: MünchKommAktG, 5. Aufl., § 327a Rn. 17; Heckschen, NZG
2010, 1041, 1045; Koch, AktG, 16. Aufl., § 327a Rn. 14; Marsch-Barner/Oppenhoff, in:
Kallmeyer, UmwG, 7. Aufl., § 62 Rn. 34 ; Packi, ZGR 2011, 777, 784 ff., 799 f.;
Schockenhoff/Lumpp, ZIP 2013, 749, 751). Es findet mithin eine materiell-rechtliche
Kontrolle auf Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit durch das Gericht nicht statt (vgl.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Januar 2004 – I-16 W 63/03, NZG 2004, 328, 331).
Der gesetzgeberischen Wertung, dass der Hauptaktionär sein Interesse an einer effektiven
Unternehmensführung bzw. an einer Vereinfachung der Konzernstruktur verfolgen kann,
soweit die vermögensrechtlichen Interessen der Minderheitsaktionäre in angemessener
Weise gewahrt werden, hat eine Rechtsmissbrauchskontrolle Rechnung zu tragen. Es darf
insbesondere eine solche Rechtsmissbrauchskontrolle im Ergebnis nicht dazu führen,
dass eine sachliche Rechtfertigung des Squeeze-out erforderlich würde, da dies der
gesetzgeberischen Zielsetzung zuwider liefe. Dementsprechend erweist sich etwa die
Durchführung einer Verschmelzung, die in erster Linie als Ziel den Ausschluss der
Minderheitsaktionäre verfolgt, nicht als rechtmissbräuchlich, sondern stellt sie vielmehr
eine zulässige Gestaltungsvariante dar, ist doch der – die Konzernführung
vereinfachende – angestrebte Ausschluss der Minderheitsaktionäre den Regelungen über
den verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out immanent (vgl. Grunewald, in: Lutter, UmwG,
6. Aufl., § 62 Rn. 53; Habighorst, in: Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht,
2. Aufl., UmwG § 62 Rn. 60; Packi, ZGR 2011, 777, 801 f.). Auf der anderen Seite hat die
Rechtsmissbrauchskontrolle auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen, da
die Beteiligung der Minderheitsaktionäre vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfasst sind.
Art. 14 Abs. 1 GG schließt zwar nicht grundsätzlich aus, Aktien einer Minderheit auch
gegen deren Willen auf den Hauptaktionär zu übertragen, auch wenn die Übertragung das
Ziel verfolgt, die Minderheitsaktionäre vollständig aus der Gesellschaft zu drängen, wie
dies in den hier über § 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG anwendbaren Vorschriften der §§ 327a ff.
AktG geregelt ist, die das Bundesverfassungsgericht für verfassungsgemäß befunden hat
(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. Mai 2007 – 1 BvR
390/04, WM 2007, 1329, 1330). Jedoch ist das maßgeblich darauf zurückzuführen, dass
den vorgenannten gesetzlichen Regelungen ein legitimer Zweck zugrunde liegt, die
Regelungen für den ausgeschlossenen Aktionär einen Wertersatz vorsehen, dessen
Angemessenheit vorab durch einen unabhängigen und gerichtlich bestellten
Sachverständigen überprüft und erforderlichenfalls nachfolgend im Spruchverfahren
überprüft wird, und sie überdies den verfassungsrechtlichen Anforderungen an effektiven
Rechtsschutz genügen (vgl. BVerfG a.a.O. 1330 f.)
Vor diesem Hintergrund ist anerkannt, dass nur eklatante Fallgestaltungen als
missbräuchlich angesehen werden können, weil etwa der gesetzgeberische Zweck
entfremdet und stattdessen ein anderweit aufgestelltes Verbot unterlaufen wird oder die
beabsichtigte Maßnahme in ihrer Benachteiligung der Minderheit über das vom Gesetz
vorgesehene Maß deutlich hinausgeht (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Dezember 2017
– 18 AktG 1/17, WM 2019, 1218, 1221; Grunewald, in: Lutter, UmwG, 6. Aufl, § 62 Rn. 49).
Insofern liegt die Darlegungs- und Beweislast für die einen Missbrauchstatbestand
begründenden Tatsachen bei den sich hierauf berufenden (ehemaligen)
Minderheitsaktionären (vgl. OLG München, Beschluss vom 3. September 2009 – 7 W
1432/08, ZIP 2008, 2117, 2121; Fröde, NZG 2007, 729, 732; Kort, AG 2006, 557, 562;
Markwardt, BB 2004, 277, 283), mithin hier bei den Klägern.
bbb) Nach dieser Maßgabe kann nicht festgestellt werden, dass der Squeeze-out-
Beschluss rechtsmissbräuchlich gefasst wurde. Soweit der Senat – in anderer
Zusammensetzung – im Rahmen des Freigabeverfahrens von Rechtsmissbräuchlichkeit
ausgegangen ist, haben sich die hierfür sprechenden Anhaltspunkte im Rahmen dieses
Rechtsstreits nicht in einer Weise erhärtet, dass hieran festgehalten werden könnte.
(1) Soweit die Kläger (auf GA 61, 244, 432 f., 616, 641) die
Rechtsmissbräuchlichkeit des Squeeze-out daraus herzuleiten suchen, dass hier die
Voraussetzungen für einen verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out im Hinblick auf die D
AG bewusst herbeigeführt worden seien, vermögen sie damit nicht durchzudringen. Aus
der bloßen Herbeiführung der Voraussetzungen für einen Squeeze-out kann dessen
Rechtsmissbräuchlichkeit nicht hergeleitet werden (vgl. Grunewald, in: Lutter, UmwG,
6. Aufl., § 62 Rn. 50).
Für den aktienrechtlichen Squeeze-out hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden,
dass allein die Verschaffung der für § 327a AktG erforderlichen Kapitalmehrheit nicht zur
Rechtsmissbräuchlichkeit des Squeeze-out-Beschlusses führt (vgl. BGH, Urteil vom
16. März 2009 – II ZR 302/06, WM 2009, 896 Rn. 7 ff.).
Dies gilt auch für den – hier gegebenen – Fall, in dem durch eine Formumwandlung der
übernehmenden Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft und eine nachfolgende
Aktienübertragung auf diese die Voraussetzungen für einen verschmelzungsrechtlichen
Squeeze-out erst geschaffen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Dezember 2017
– 18 AktG 1/17, WM 2019, 1228, 1221; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom
14. Juni 2012 – 11 AktG 1/12, WM 2012, 1961, 1963 f.; OLG München, Beschluss vom
28. Juli 2021 – 7 AktG 4/21, juris Rn. 108). Entgegen der von einzelnen Klägern
vertretenen Ansicht lagen der Einführung des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out
keine gegenteiligen Erwägungen des Gesetzgebers zugrunde. Wie das Hanseatische
Oberlandesgericht Hamburg (a.a.O.) zutreffend ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber,
obwohl im Gesetzgebungsverfahren Gestaltungsmöglichkeiten diskutiert worden und auch
die Möglichkeit des Formwechsels und dessen Bedeutung im Hinblick auf die Annahme
eines möglichen Rechtsmissbrauchs im Rahmen des § 327a AktG bekannt waren, keine
präzisierenden Anforderungen an die Art und Weise der Entstehung der übernehmenden
Gesellschaft gestellt. Dies rechtfertigt es, den Formwechsel der übernehmenden
Gesellschaft (von einer GmbH) in eine Aktiengesellschaft als zulässige
Gestaltungsmöglichkeit zur Erreichung eines verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out
anzusehen (vgl. Senat, Hanseatisches OLG Hamburg und OLG München, jeweils a.a.O.;
ebenso Bungert/Wettich, DB 2010, 2545, 2549 f.; Göthel, ZIP 2011, 1541, 1548 f.;
Grunewald, in: Lutter, UmwG, 6. Aufl., § 62 Rn. 50; Heckschen, NZG 1041, 1045; Junker,
in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., UmwG § 62 Rn. 19; Hörtnagl/Ollech, in:
Schmitt/Hörtnagl/Ollech, UmwG/UmwStG, 9. Aufl., UmwG § 62 Rn. 18; Marsch-
Barner/Oppenhoff, UmwG, 7. Aufl., § 62 Rn. 36; Mayer, NZG 2012, 561, 563; Rieger, in:
Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 1. Aufl. [197. Lfg., Stand: 1. Dezember 2018] § 62
Rn. 107 f.; jeweils m.w.N.; a.A. Florstedt, ZIP 2018, 1661, 1666, 1669). Da der
Gesetzgeber eine Mindestfrist für das Bestehen der Aktiengesellschaft nicht vorgesehen
hat, lässt sich auch aus dem Umstand, dass der Squeeze-out zeitnah nach Erreichen der
entsprechenden Beteiligungen angestrebt wurde, kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen
ableiten (Hanseatisches OLG Hamburg a.a.O. 1964; Mayer, NZG 2012, 561, 563; Rieger,
in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 1. Aufl. [197. Lfg., Stand: 1. Dezember 2018] § 62
Rn. 108; in diesem Sinne auch Habighorst, in: Böttcher/Habighorst/Schulte,
Umwandlungsrecht, 2. Aufl., UmwG § 62 Rn. 56).
(2) Auch der Umstand, dass der beschlossene Squeeze-out die Geltendmachung
der Schadensersatzansprüche gegen die A SE durch den bestellten besonderen Vertreter
verhindert, führt nicht dazu, dass der Squeeze-out-Beschluss rechtsmissbräuchlich gefasst
wurde.
(a) (aa) Zwar trifft es zu, dass mit der erfolgten Verschmelzung der A AG
(alt) auf D AG das Amt des besonderen Vertreters erloschen ist, so dass dieser keine
weiteren Tätigkeiten entfalten kann (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 – II ZR
94/17, juris Rn. 2 m.w.N.). Dies berührt grundsätzlich auch die von Art. 14 Abs. 1 GG
geschützten Vermögensinteressen der (ausgeschiedenen) Minderheitsaktionäre. Denn die
in Rede stehenden Schadensersatzansprüche nach §§ 311, 317 AktG, die von § 147
Abs. 1 AktG erfasst werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2020 – II ZR 8/19, WM 2020,
1535 Rn. 35 ff. m.w.N.) und mit deren Geltendmachung der bestellte besondere Vertreter
betraut war, wirken sich auf den Wert der Beteiligung der Minderheitsaktionäre und damit
auf die Höhe der ihnen geschuldeten Barabfindung (§ 327b AktG) aus.
(bb) Jedoch erwächst den Klägern aus der verhinderten Geltendmachung der
behaupteten Schadensersatzansprüche durch den besonderen Vertreter unter den hier
gegebenen Umständen kein untragbarer Nachteil. Denn in dem nach § 327f Satz 2 AktG
zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung eröffneten Spruchverfahren
können auch Schadensersatzansprüche, deren Geltendmachung dem besonderen
Vertreter überantwortet war, im Rahmen einer (Inzident-)Prüfung Berücksichtigung finden
(vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006 – II ZR 46/05, WM 2006, 2216 Rn. 23 aE).
Dementsprechend ist kein Rechtsmissbrauch anzunehmen, wenn in Folge des Squeezeout
sich die Bestellung eines besonderen Vertreters, der Schadensersatzansprüche gegen
die Muttergesellschaft der übernehmenden Tochtergesellschaft geltend machen sollte,
erledigt (vgl. OLG München, Beschluss vom 3. September 2008 – 7 W 1432/08, ZIP 2008,
2117, 2122; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 14. Juli 2008 – 23 W 14/08, WM 2009,
175 f.; LG Düsseldorf, Urteil vom 4. März 2004 – 31 O 144/03, ZIP 2004, 1755, 1757 f.;
Goslar, EWiR 2018, 139, 140; Grigoleit/Berger, in: Münchener HdB-GesR, Band 7, 6. Aufl.,
§ 28 Rn. 44b; Grunewald, in: Lutter, UmwG, 6. Aufl., § 62 Rn. 53; Schnorbusch, in:
K. Schmidt/Lutter, AktG, 6. Aufl., § 327f Rn. 21; a.A. Lochner, in: Heidel, Aktienrecht und
Kapitalmarktrecht, 5. Aufl.,
Festsetzung der Höhe der Abfindung im Spruchverfahren berücksichtigt (Goette,
Grunewald, Grigoleit/Berger, jeweils a.a.O.; Rieckers, DB 2019, 107, 113).
(aaa) Dieser Standpunkt wird zwar in der obergerichtlichen Rechtsprechung
vereinzelt dahin eingeschränkt, dass nur solche Schadensersatzforderungen im
Spruchverfahren berücksichtigungsfähig seien, die entweder unstreitig oder rechtskräftig
festgestellt seien (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19. April 2007 – 9 W 53/06, ZIP 2007,
2025, 2026; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Februar 2000 – 4 W 15/98, NZG 2000, 744,
746); allerdings handelt es sich hierbei jeweils um nicht tragende Ausführungen (zutreffend
Decher in FS Vetter [2019] S. 95, 104; übersehen von LG Frankfurt a.M., Beschluss vom
13. März 2009 – 3-5 O 57/06, NZG 2009, 553, 558).
(bbb) Das für das Spruchverfahren zwischen den Parteien in zweiter Instanz
zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf hat demgegenüber für die Ermittlung einer
angemessenen Barabfindung im Sinne der §§ 12 f. UmwG anerkannt, dass der
Gesellschaft am Bewertungsstichtag zustehende Schadensersatzansprüche zum Zweck
der Ermittlung der Barabfindung nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, sofern sie sich mit
hinreichender Sicherheit im Spruchverfahren feststellen ließen und damit der Gesellschaft
zurechenbar seien (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 1990 – 19 W 9/88,
ZIP 1990, 1474, 1476 f.). Entsprechend verhält es sich für die im vorliegenden Rechtsstreit
entscheidende 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln, das auch für das
Spruchverfahren zwischen den Parteien zuständig ist und in seinem vorliegend von der
Berufung angegriffenen Urteil ausdrücklich festgehalten hat, dass es der Rechtsprechung
des Oberlandesgerichts Düsseldorf folge und dementsprechend
Schadensersatzansprüche zu prüfen seien, auch wenn sie nicht unstreitig oder
rechtskräftig festgestellt seien. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat seine Entscheidung
unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 1 GG maßgeblich auf das damit einher gehende
verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes gestützt, um Gewähr dafür zu
bieten, dass die ausgeschiedenen Minderheitsaktionäre für den Verlust ihrer
Rechtsposition voll entschädigt würden. Einer Ausuferung von Untersuchungspflichten
könne dadurch vorgebeugt werden, dass die Beteiligten eine gewisse Darlegungslast treffe
und eine Aufklärungs- und Ermittlungsplicht nur bestehe, soweit der Vortrag der Beteiligten
oder der Sachverhalt als solcher hierfür Anlass gebe. Diese Rechtsprechung hat das
Bundesverfassungsgericht gebilligt, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf unter
inhaltlicher Befassung von Art. 14 Abs. 1 GG mit der Berücksichtigung von
Schadensersatzansprüchen auch im Spruchverfahren dem besonderen Schutzbedürfnis
der Minderheitsaktionäre Rechnung getragen habe (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer
des Ersten Senats vom 4. April 1998 – 1 BvR 1372/90, juris Rn. 6).
(ccc) Diesem Standpunkt tritt der Senat bei (vgl. auch OLG Frankfurt a.M.,
Beschluss vom 15. Februar 2010 – 5 W 52/09, AG 2010, 798, 801 f. = juris Rn. 89; OLG
München, Urteil vom 3. März 2010 – 7 U 4744/09, ZIP 2010, 725, 726 f.;
Hüttemann/Meinert, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung,
2015, § 7 Rn. 49; etwas restriktiver OLG München, Beschluss vom 5. Mai 2015 – 31 Wx
366/13, ZIP 2015, 1166, 1171: außergerichtliche oder gerichtliche Geltendmachung
erforderlich).
Das vom Oberlandesgericht Düsseldorf maßgeblich herangezogene Gebot eines
effektiven Rechtsschutzes hat das Bundesverfassungsgericht auch bei seiner
verfassungsrechtlichen Überprüfung – und Billigung – der für die nach Art. 14 Abs. 1 GG
gebotenen Gewährleistung eines angemessenen Wertersatzes geschaffenen
einfachrechtlichen Vorschriften zum Squeeze-out-Verfahren gewürdigt und als mit dem
Grundgesetz in Übereinstimmung angesehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des
Ersten Senats vom 30. Mai 2007 – 1 BvR 390/04, WM 2007, 1329, 1330 f.). Vor diesem
verfassungsrechtlichen Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum das Oberlandesgericht
Düsseldorf seine Rechtsprechung aufgeben sollte; dies auch eingedenk des Umstandes,
dass die von den Klägern zur Stützung ihres abweichenden Rechtsstandpunktes
angeführte Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (OLG Celle, OLG Stuttgart;
jeweils a.a.O.) eine verfassungsrechtliche Würdigung nicht enthält und es sich ohnedies
um nicht tragende Erwägungen handelt. Jedenfalls konnte die Beklagte hiervon im
Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht ausgehen, was dagegen spricht, dass sie sich –
wesentlich – durch die Absicht, Schadenersatzansprüche abzuschneiden, hat leiten
lassen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dies anders beurteilt hat, sind weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Für die Berücksichtigungsfähigkeit von Schadensersatzansprüchen aus §§ 311, 317 AktG
sprechen überdies systematische Erwägungen, denn den Ansprüchen kommt bei der
Bewertung der Gesellschaft und damit auch bei der Bemessung der Barabfindung
Bedeutung zu (vgl. Goette in FS K. Schmidt [2009] S. 469, 479; Grigoleit/Berger, in:
Münchener HdB-GesR, Band 7, 6. Aufl., § 28 Rn. 44b; Rieckers, DB 2019, 107, 113; in
diesem Sinn auch Goslar, EWiR 2018, 139, 140).
Schließlich ist das Spruchverfahren in seiner Ausgestaltung durch den Gesetzgeber
geeignet, die Interessen der als Minderheitsaktionäre ausgeschiedenen Kläger hinreichend
zu wahren und hinreichend Gewähr für die Bemessung der angemessenen Barabfindung
zu bieten (a.A. Mock, WM 2019, 1905, 1908). Im Spruchverfahren gilt insoweit dem
Grunde nach der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 17 Abs. 1 SpruchG i.V.m. § 26 FamFG).
Danach hat das Gericht die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und Beweise zu
erheben (Klöcker/Wittgens, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., SpruchG § 17 Rn. 13). Die
Ermittlungen sind erst abzuschließen, wenn von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches,
die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist (OLG München,
Beschluss vom 5. Mai 2015 – 31 Wx 366/13, ZIP 2015, 1166, 1172). Auch ist das Gericht
nach § 17 Abs. 1 SpruchG i.V.m. § 29 Abs. 1 FamFG insbesondere frei darin, die
notwendigen Beweise zu erheben. Entgegen der Annahme der Kläger scheidet die
Eignung des Spruchverfahrens für die Wahrung der Vermögensinteressen nicht deswegen
aus, weil der besondere Vertreter besondere Auskunftsrechte habe, die für
Minderheitsaktionäre nicht bestünden. Zwar trifft es zu, dass der besondere Vertreter
Auskunftsrechte gegenüber der Gesellschaft geltend machen kann (Spindler, in:
K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 147 Rn. 29). Auch besteht aufgrund der in § 8 Abs. 3
SpruchG ausgesprochenen Verweisung auf § 138 ZPO die Notwendigkeit, im
Spruchverfahren die entsprechenden Tatsachen für die Erfüllung der Ersatzansprüche
darzulegen (vgl. Kubis, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., SpruchG § 8 Rn. 4). Allerdings führt
dies nicht dazu, dass die Vermögensinteressen der Minderheitsaktionäre im
Spruchverfahren nicht mehr gewahrt werden können, wenn die Minderheitsaktionäre über
die notwendigen Informationen verfügen, um ihrer Darlegungslast im Spruchverfahren
gerecht zu werden; für diesen Fall haben die besonderen Auskunftsrechte des besonderen
Vertreters keine Bedeutung mehr. An die Stelle weiterer Ermittlungen des besonderen
Vertreters treten dann weitere Ermittlungen und Beweiserhebungen des zuständigen
Gerichts im Spruchverfahren von Amts wegen. Insbesondere kann das Gericht selbst die
Vorlage etwaig fehlender Unterlagen nach § 7 Abs. 7 SpruchG verlangen, um eine
notwendig gewordene Substanziierung des Vorbingens zu gewährleisten.
Dass diese Voraussetzung vorliegend erfüllt war, folgt daraus, dass im Zeitpunkt der
Beschlussfassung am 24. März 2017 den Minderheitsaktionären der Bericht des
besonderen Vertreters bekannt war (vgl. Anl. K 4 – AnlH II 434 ff.). Diesem Bericht waren
sowohl das Anspruchsschreiben des besonderen Vertreters vom 20. Juni 2016 als auch
dasjenige vom 20. März 2017 beigefügt, wobei das letztgenannte auf 135 Seiten eine
detaillierte Aufstellung der Schadensersatzansprüche enthielt. Im Zusammenspiel mit den
Ermittlungsbefugnissen des Gerichts im Spruchverfahren erscheint eine Berücksichtigung
der Ersatzansprüche als hinreichend gesichert; dass die Kläger insoweit durch die Vorlage
des entsprechenden Berichts nicht nur „ins Blaue hinein“ die Ansprüche geltend gemacht
haben, haben sie selbst angeführt (vgl. etwa Bl. 269, 296 eA).
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von einzelnen Klägern angeführten Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 9. Oktober 2006 (Az.: II ZR 46/05, WM 2006, 2216). Dieses
behandelt bereits nicht die Frage des Rechtsmissbrauchs, sondern diejenige nach der
Verfahrensfortsetzungsbefugnis eines im Verlauf eines Beschlussanfechtungsprozesses
durch Squeeze-out ausgeschiedenen Minderheitsaktionärs, der Zustimmungsbeschlüsse
zur Übertragung des wesentlichen betriebsnotwendigen Vermögens der dort beklagten
Gesellschaft auf die Hauptaktionärin (gemäß § 179a AktG) angriff. Dieses berechtigte
Interesse an der Fortführung des Anfechtungsprozesses hat der Bundesgerichtshof im
Wege einer Einzelfallprüfung (BGH a.a.O. Rn. 17) auf die im Fall eines obsiegenden
Gestaltungsurteils gegebene Rechtskraft inter omnes und der Nichtigkeit der den
Vermögensübertragungen zustimmenden Hauptversammlungsbeschlüsse und der
Unwirksamkeit der entsprechenden Verpflichtungsverträge, die vom Spruchgericht bei der
von ihm vorzunehmenden Bewertung zugrunde zu legen habe, gestützt. Denn dann hätte
festgestanden, dass Vermögenswerte bei der Unternehmensbewertung den Aktiva
zuzurechnen wären und insoweit bereits die Vermögenslage verbessert würde. Für den
vorliegenden Fall lässt sich jedoch aus der vorgenannten Entscheidung für die Eignung
des Spruchverfahrens zur Wahrung der vermögensrechtlichen Interessen der Kläger nichts
herleiten, da allein mit einer Nichtigkeitserklärung nicht feststeht, dass ein entsprechender
Vermögenswert in Gestalt der Schadensersatzansprüche im Spruchverfahren zu
berücksichtigen wäre, denn deren Berechtigung ist nicht Gegenstand des dem Senat
vorliegend zur Entscheidung unterbreiteten Verfahrens.
Soweit die (am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligten) Kläger zu 6) und zu 7) mit
Schriftsatz vom 8. September 2017 (ab GA 715) aus der vorgenannten Entscheidung des
Bundesgerichtshofs ein Primat der Klage abgeleitet haben mit dem Ziel, dass dem
besonderen Vertreter die Fortführung der Schadensersatzklage möglich sein müsse, da
die an seine Stelle tretenden Organe der Beklagten weder klagebereit noch -fähig seien,
wird dies durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht getragen. Im Übrigen
führte dieser von den Klägern zu 6) und zu 7) eigenommene Standpunkt dazu, dass der
beschlossene Squeeze-out zur Verhinderung der Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen durch den besonderen Vertreter nicht geeignet wäre und
dementsprechend einem damit begründeten Rechtsmissbrauch die Grundlage fehlte.
(b) Soweit die Kläger zur Begründung des Rechtsmissbrauchs eine
Zweckentfremdung des Squeeze-out behaupten, dieser habe ausschließlich den Zweck
verfolgt, die (weitere) Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die A SE
zu vereiteln, andere nachvollziehbare Gründe seien nicht ersichtlich, vermögen sie damit
nicht durchzudringen.
Die Kläger, die – wie vorstehend bereits dargelegt – für die einen Rechtsmissbrauch
begründenden Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast tragen, haben zwar behauptet,
dass der Hauptversammlungsbeschluss vom 24. März 2017 allein dazu gedient habe, die
Geltendmachung der Schadensersatzansprüche durch den besonderen Vertreter zu
verhindern. Die Beklagte hat zwar eingeräumt, dass auch die seinerzeit im Raum
stehenden Ersatzansprüche bei der Beurteilung der Gesamtsituation eine Rolle gespielt
hätten. Sie hat jedoch unter Hinweis auf eine seinerzeit bestehende „Gemengelage“ die
Behauptung der Kläger, der Squeeze-out habe ausschließlich die Verhinderung der
Geltendmachung der Ersatzansprüche bezweckt, in Abrede gestellt und über das schlichte
Bestreiten hinaus zusätzliche Gründe angeführt, die für den Squeeze-out-Beschluss
wesentlich gewesen seien. Indem sie als Gründe unter anderem eine Vereinfachung der
Konzernstruktur, den Wegfall von Vorlauffristen und Informationspflichten nebst
Kostenersparnis, den Wegfall der Börsennotierung und gesetzlicher Publizitätspflichten
sowie die erhöhte Transaktionssicherheit angeführt und diese erläutert hat, ist sie auch bei
Annahme einer ihr obliegenden sekundären Darlegungslast einer solchen gerecht
geworden. Den ihnen obliegenden Nachweis dafür, dass die von der Beklagten
angeführten Gründe lediglich vorgeschoben sind, haben die Kläger nicht erbracht.
(aa) Es kann allerdings nicht in Abrede gestellt werden, dass zwischen dem
beschlossenen Squeeze-out und dem von der damaligen Mehrheitsaktionärin (A SE) und
der durch den besonderen Vertreter sowie einzelne Kläger als Streithelfer unterstützten A
AG (alt) geführten Streit über die Bestellung des besonderen Vertreters sowie zwischen
dem besonderen Vertreter und der A AG (alt) geführten Streit über die Ausübung von
dessen Informationsrechten ein gewisser (jedenfalls sachlicher) Zusammenhang besteht.
Dieser Umstand lässt Raum für die Annahme, dass der Squeeze-out – und das mit dessen
Vollzug einhergehende Erlöschen des Amts des besonderen Vertreters – ausschließlich
auf die Verhinderung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen abgezielt hat.
Jedoch begründen allein die – auch gerichtlich ausgetragenen – Streitigkeiten über die
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die Bestellung des besonderen
Vertreters und dessen Informationsrechte kein ausreichendes Indiz im Sinne der
klägerischen Behauptung. Indem die damalige Hauptaktionärin der A AG (alt), die A SE,
gegen die Bestellung des besonderen Vertreters und gegen die Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen vorgegangen ist, hat sie von ihrem Recht auf Beschreitung
des Rechtswegs Gebrauch gemacht, um die aus ihrer Sicht rechtswidrigen
Geltendmachungsbeschlüsse und den Bestellungsbeschluss der Hauptversammlung vom
19. Juni 2015 gerichtlich überprüfen zu lassen. Hieraus für die A (alt) AG (bzw. die
Beklagte) negative Schlussfolgerungen für einen von dieser erwogenen Squeeze-out zu
ziehen, kann dazu führen, dass eine Gesellschaft von der Inanspruchnahme des
eröffneten Rechtswegs abgehalten wird, um sich nicht dem Eindruck des
Rechtsmissbrauchs auszusetzen; dies erscheint im Hinblick auf den im
Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten allgemeinen
Justizgewährungsanspruch, der – auch für juristische Personen des Privatrechts – den
Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren
und die verbindliche gerichtliche Entscheidung garantiert (BVerfG, Beschluss vom 30. April
2003 – 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 406 f. = NJW 2003, 1924; vgl. auch Sachs, in:
Sachs, GG, 9. Aufl., Art. 20 Rn. 162, 164 m.w.N.), bedenklich. Nicht anders verhielte es
sich, wenn sich eine Gesellschaft für die Beschreitung des Rechtswegs entscheidet,
jedoch zur Vermeidung eines daraus zu ihren Lasten abgeleiteten
Rechtsmissbrauchsvorwurfs von der Durchführung eines Squeeze-out absieht; dadurch
würde überdies ihre durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte unternehmerische
Betätigungsfreiheit eingeschränkt. Im Übrigen kommt hinzu, dass mit der
Inanspruchnahme des Rechtswegs anderweitig verfolgte Zwecke eines Squeeze-out nicht
ausgeschlossen sind; es erschließt sich nicht, warum in einer solchen Situation die
gesetzlich statuierte Rechtfertigung des Squeeze-out nicht zum Tragen kommen soll.
Entsprechend verhält es sich für die Streitigkeiten über die Reichweite der Auskunftsrechte
des besonderen Vertreters; auch insoweit ist es einer Gesellschaft grundsätzlich
unbenommen, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen.
Besondere Umstände des vorliegenden Falls, die eine abweichende Bewertung gebieten
könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere stellt sich die Rechtsverfolgung durch die
damalige Hauptaktionärin der A AG (alt), die A SE, bzw. die Rechtsverteidigung der A AG
(alt) nicht als mutwillig dar, denn der Verlauf der von ihr betriebenen
Beschlussanfechtungsverfahren dokumentiert, dass deren Rechtsauffassung nicht von
vornherein aussichtslos war.
Dies gilt zunächst für die von der A SE gegen die Geltendmachungsbeschlüsse und den
Bestellungsbeschluss erhobene Anfechtungsklage. Dieser hat das Landgericht Köln mit
Urteil vom 14. Januar 2016 (Az. 91 O 30/15) stattgegeben und angeführt, dass es für eine
Beschlussfassung nach § 147 Abs. 1 AktG erforderlich sei, dass für die Geltendmachung
von Schadensersatzansprüchen zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für ein
schadensbegründendes Verhalten des in Anspruch zu nehmenden Haftungsschuldners
bestünden, so dass es nicht ausreiche, wenn lediglich gleichsam ins Blaue hinein ein
haftungsbegründendes Verhalten ohne jeglichen konkreten Anhaltspunkt behauptet werde.
Zwar hat der erkennende Senat die landgerichtliche Entscheidung durch Urteil vom
9. März 2017 (Az. 18 U 19/16, juris) aufgehoben, jedoch unter anderem wegen der sich zu
§ 147 AktG stellenden umstrittenen Rechtsfragen die Revision zugelassen. Dass jener
Rechtsstreit ungeklärte Rechtsfragen – unter anderem zu den inhaltlichen Anforderungen
an einen Beschluss nach § 147 AktG – aufwarf und der Ausgang des Rechtsstreits daher
offen war, hat der Bundesgerichtshof in seiner abschließenden Kostenentscheidung nach
§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO bestätigt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2019 – II ZR
94/17, juris Rn. 1 ff.). Vor diesem Hintergrund ist das Beschreiten des Rechtswegs durch
die damalige Hauptaktionärin der A AG (alt) nachvollziehbar. Dass damit gleichzeitig Zeit
gewonnen worden sein mag, um einen möglichen Squeeze-out vorzubereiten, ist lediglich
ein Nebeneffekt der Wahrnehmung des gerichtlichen Rechtsschutzes, begründet jedoch
für sich genommen unter den hier gegebenen Umständen kein Indiz, dass der Squeezeout
allein die Verhinderung einer Geltendmachung der Schadensersatzansprüche (durch
den besonderen Vertreter) bezweckte. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil aus den
vorstehend (sub II.2.b)aa)bbb)(2)(a)(aaa)) dargestellten Gründen im Zeitpunkt der
Beschlussfassung nicht davon ausgegangen werden konnte, sich durch den Squeeze-out
berechtigten Schadensersatzansprüchen entziehen zu können.
Entsprechend verhält es sich für das Verfahren, das die Informationsrechte des
besonderen Vertreters zum Gegenstand hatte. In diesem Verfahren hat das Landgericht
den auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Antrag des seine
Informationsrechte nach § 147 Abs. 2 AktG verfolgenden besonderen Vertreters mangels
Verfügungsgrundes abgelehnt (LG Köln, Urteil vom 22. September 2015 – 91 O 38/15).
Zwar hat der erkennende Senat diese Entscheidung durch Urteil vom 4. Dezember 2015
(Az. 18 U 149/15, ZIP 2015, 2470) aufgehoben. Doch zeigt auch dieser Verfahrensverlauf,
dass die Rechtsverteidigung der A AG (alt) nicht von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg
und mutwillig war. Nach Abschluss jenes Verfahrens ist eine Auskunftserteilung erfolgt,
auch wenn die Parteien sich darüber uneinig sind, ob diese in der gebotenen Weise
erfolgte. Der Umstand, dass die A SE und deren betroffenen (auch ehemaligen)
Vorstandsmitglieder gegenüber dem besonderen Vertreter im Anschluss an die
Hauptversammlungsbeschlüsse 2015 Verjährungsverzichtserklärungen abgegeben und
diese später verlängert haben (vgl. GA 985), spricht indes eher gegen die Annahme eines
von vornherein auf Vereitelung einer Geltendmachung der Schadensersatzansprüche
durch den besonderen Vertreter gerichteten Vorgehens als dass es ein solches indiziert.
Das wird auch dadurch unterstrichen, dass der hier streitgegenständliche
Hauptversammlungsbeschluss erst am 24. März 2017 und damit erst über ein Jahr nach
dieser Auseinandersetzung gefasst wurde, was insoweit zumindest den zeitlichen
Zusammenhang in Frage stellt.
Ein solcher Zusammenhang – in zeitlicher und in inhaltlicher Hinsicht – bestand allenfalls
zu dem seinerzeit noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsstreit (Az.: 18 U 19/16),
der die Anfechtung unter anderem der Geltendmachungsbeschlüsse und des
Bestellungsbeschlusses nach § 147 AktG zum Gegenstand hatte. Jedoch begründet der
Umstand, dass der Squeeze-out vor rechtskräftigem Abschluss jenes
Beschlussanfechtungsverfahrens beschlossen (und später umgesetzt) wurde, kein Indiz
für eine rechtsmissbräuchliche Beschlussfassung. Die Bestellung des besonderen
Vertreters und die ihm übertragene Prüfung und Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen stellt kein punktuelles Ereignis dar, sondern begründet einen
sich über einen gewissen Zeitraum erstreckenden (Dauer-)Zustand. Vor diesem
Hintergrund liefe die Annahme eines zu Lasten des einen Squeeze-out beschließenden
Unternehmens gehenden Indizes für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen, das die
Gesellschaft zu entkräften hätte, darauf hinaus, der Bestellung eines besonderen
Vertreters nach § 147 AktG eine faktische Sperrwirkung beizumessen. Eine solche
Annahme ist jedoch – unabhängig von dem damit verbundenen erheblichen
Missbrauchspotenzial (vgl. dazu Arnold, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., § 147 Rn. 56, 130;
Koch, AktG, 16. Aufl., § 147 Rn. 7, 22; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 147
Rn. 14d) – mit der gesetzgeberischen Konzeption des Squeeze-out nicht vereinbar (in
diesem Sinne auch Mock, WM 2019, 1905, 1909; Rieckers, DB 2019, 107, 113). Dies liefe
in der Sache darauf hinaus, dass die Gesellschaft in solchen Fällen zur Entkräftung einer
solchen Indizwirkung eine besondere Rechtfertigung für den Squeeze-out geben müsste,
derer es nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht bedarf. Denn der Gesetzgeber
ist – wie bereits (oben unter aaa) ausgeführt – davon ausgegangen, dass der Squeeze-out
regelmäßig legitimen Gründe (Konzernvereinfachung, Effektuierung der
Unternehmensführung usw.) diene und daher die Rechtfertigung in sich selbst trage; dient
mithin ein Squeeze-out diesem Gesetzeszweck, ist er grundsätzlich nicht
rechtsmissbräuchlich (OLG München, Beschluss vom 28. Juli 2021 – 7 AktG 4/21, juris
Rn. 102; in diesem Sinne auch OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 5. November 2007
– 5 W 22/07, ZIP 2008, 138, 140; Arnold, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., § 147 Rn. 130;
Austmann, in Münchener HdB-GesR, Band 4, 5. Aufl., § 75 Rn. 121; Decher in FS
Eberhard Vetter [2019] 95, 100 ff.: „eng begrenzte Ausnahmefälle“; Wilsing/Paul, in:
Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl.,
Im Hinblick auf diese durch das Gesetz zugunsten des Hauptaktionärs vorgegebene
Abwägung kann daher ein rechtsmissbräuchlicher Squeeze-out allenfalls dann
angenommen werden, wenn deutliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die
Gesellschaft mit dem Squeeze-out einen gänzlich anderen Zweck verfolgt und den vom
Gesetzgeber angenommenen Zweck entfremdet, was unter besonderen Umständen auch
dann der Fall sein kann, wenn die berechtigte Gesellschaft neben legitimen auch nicht
schutzwürdige Interesse verfolgt und letztere deutlich überwiegen (vgl. Arnold, in:
MünchKommAktG, 5. Aufl., § 147 Rn. 130; Bühler, BB 2018, 2886, 292 f.; insoweit offen
gelassen bei OLG München, Beschluss vom 28. Juli 2021 – 7 AktG 4/21, juris Rn. 104).
Dabei sind an den durch die Minderheitsaktionäre zu führenden Nachweis einer solchen
Zweckentfremdung hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Koch, AktG, 16. Aufl. 2022, § 327a
Rn. 21; Bühler, BB 2018, 2886, 2892 f.).
Vor diesem Hintergrund genügen daher die vorgenannten Rechtsstreitigkeiten über die
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die Bestellung des besonderen
Vertreters und dessen Informationsrechte allein nicht für den Nachweis eines
rechtsmissbräuchlichen Squeeze-out. Ihnen mag ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen
sein, dass – was die Beklagte nicht in Abrede stellt – die vom besonderen Vertreter zu
prüfenden und geltend zu machenden Schadensersatzansprüche ein Gesichtspunkt
waren, der für die zugunsten des Squeeze-out getroffene Entscheidung eine Rolle gespielt
hat. Indes genügt dies allein nicht, um den Nachweis zu erbringen, dass es der
Gesellschaft überwiegend oder – wie von den Klägern behauptet – allein um die
Abwendung der Schadensersatzansprüche ging. Hierzu bedarf es vielmehr des
Nachweises, dass die vom Gesetzgeber angenommenen und die von der Beklagten
angeführten Rechtfertigungsgründe im vorliegenden Fall nicht gegeben, sondern – wie die
Kläger behaupten – vorgeschoben waren.
(bb) Diesen Nachweis haben die Kläger zur Überzeugung des Senats nicht
geführt.
(aaa) Dies gilt zunächst für die im Übertragungsbericht vom 9. Februar 2017 (dort
ab Seite 25 – Anlage K 16) ausdrücklich angeführten „wesentlichen Gründe“, die als
legitime Gründe für einen umwandlungsrechtlichen Squeeze-out anerkannt sind.
(aaaa) Dies gilt insbesondere für die im Übertragungsbericht angeführte
Vereinfachung der Konzernstruktur (vgl. etwa Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss
vom 14. Juni 2012 – 11 AktG 1/12, WM 2012, 1961, 1943).
Mit der beabsichtigten (und mittlerweile vollzogenen) Verschmelzung der A AG (alt) auf die
D AG war der Wegfall einer Holdingebene und damit einer Beteiligungsebene verbunden.
Ob diese unternehmerische Entscheidung zweckmäßig war, ist einer gerichtlichen
Kontrolle entzogen. Formal bewirkt die Verschmelzung eine Vereinfachung und Ordnung
der Konzernstruktur. Dies reicht aus, denn entscheidend ist, dass nach Vollzug der
Verschmelzung und dem Squeeze-out nicht die gleiche Konzernstruktur, nur eben ohne
Minderheitsaktionäre, gegeben ist (vgl. Grunewald, in: Lutter, UmwG, 6. Aufl., § 62
Rn. 52). Anhaltspunkte dafür, dass die (neue) Konzernstruktur direkt nach dem
Ausscheiden der Kläger wieder rückgängig gemacht werden sollte (vgl. dazu Grunewald
ZIP 2002, 18, 22), sind nicht ersichtlich. Der von Klägerseite erhobene Einwand, dass die
Zwischenholding in Form der D AG erst für den Squeeze-out geschaffen worden sei und
deswegen praktisch gar keine Eliminierung stattgefunden habe, greift nicht durch. Denn
die D AG hielt bereits vor der Übertragung der Aktienanteile der A SE rund 15 % an der A
AG (alt), was der Annahme, sie sei nur für die Zwecke des Squeeze-out als
Zwischenholding installiert worden, die Grundlage entzieht; dies gilt auch für die
klägerseits geäußerte Annahme, die Aktienübertragung habe zu einer Verkomplizierung
der Gesellschaftsstruktur geführt.
Soweit von den Klägern darauf verwiesen wird, dass es auch andere Wege gegeben habe,
um die Konzernstruktur zu vereinfachen, ist dieser Einwand unbehelflich, denn hierbei
handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung, die der gerichtlichen Kontrolle
entzogen ist.
Entsprechend verhält es sich für den Einwand, die Beklagte habe seit Jahren die
Möglichkeit gehabt, die entsprechende Vereinfachung der Konzernstruktur vorzunehmen.
Im Übrigen stellt dies die Vereinfachung der Konzernstruktur als anerkannt legitimen
Grund nicht in Frage.
(bbbb) Auch die von der Beklagten angeführte erhöhte Flexibilität, die mit dem
Wegfall der Vorlauffristen und Informationspflichten einhergeht, stellt einen legitimen Grund
für einen Squeeze-out dar, denn er trägt zur Effektivierung der Unternehmensführung bei.
Infolge des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre können Hauptversammlungen
kurzfristig und ohne aufwändige Vorbereitungen durchgeführt werden, was auch eine
Einsparung an Kosten zur Folge hat (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2017
– 1 AktG 1/17, WM 2019, 1218, 1223).
Entsprechend verhält es sich für den Wegfall der Börsennotierung und gesetzlicher
Publizitätspflichten. Warum die Beklagte nicht auch diesen Zweck verfolgt haben soll, ist
nicht ersichtlich. Im Gegenteil sprechen die in der Vergangenheit wiederholt
durchgeführten Rechtsstreitigkeiten zwischen Minderheitsgesellschaftern und der A AG
(alt) dafür, dass ein solches Vorgehen aus Sicht der Mehrheitsgesellschafterin Sinn
machte.
Der Umstand, dass diese Gründe einem Squeeze-out immanent sind, führt nicht dazu,
dass sie bei der Prüfung, ob der Squeeze-out rechtsmissbräuchlich ist, unberücksichtigt
bleiben. Abgesehen davon dass dies nichts daran ändert, dass es sich um einen legitimen
Grund für einen Squeeze-out handelt, liefe die gegenläufige Annahme einzelner Kläger der
dem Gesetz zugrunde liegenden Abwägung zugunsten der Hauptaktionärin – hier der
vormaligen D AG – zuwider. Es obliegt vielmehr den (ausgeschiedenen)
Minderheitsaktionären – hier den Klägern –, die die Darlegungs- und Beweislast für die
Voraussetzungen des ihnen günstigen Ausnahmefalls (Rechtsmissbrauch) tragen, (auch)
die einem Squeeze-out immanenten legitimen Gründe zu widerlegen. Dies ist ihnen hier
nicht gelungen.
(cccc) Auch die im Übertragungsbericht (a.a.O. S. 26 f.) genannte erhöhte
Transaktionssicherheit, die die Beklagte mit dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre
unter Hinweis auf das damit entfallende Risiko von Rechtsstreitigkeiten und dadurch
verzögerte Struktur- und Kapitalmaßnahmen anführt, stellt einen legitimen Grund für einen
Squeeze-out dar. Unabhängig davon, ob die von den Minderheitsaktionären geführten
Rechtsstreitigkeiten berechtigt oder unberechtigt geführt wurden, stellt der Squeeze-out
eine Möglichkeit dar, die unternehmerischen Entscheidungen und deren Durchführung
verlässlich abzusichern. Indem der Gesetzgeber selbst darauf verweist, dass
Minderheitsbeteiligungen und deren Mitwirkungsrechte missbraucht werden können, um
die Gesellschaft zu finanziellen Zugeständnissen zu veranlassen, folgt, dass auch ein zur
Vorbeugung solchen Missbrauchs beschlossener Squeeze-out einen legitimen Grund in
sich trägt. Ob im Einzelfall bereits zuvor diese Mitwirkungsrechte berechtigt oder
unberechtigt genutzt wurden oder ob ein derartiger Missbrauch tatsächlich droht, ist mit
Blick auf die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende Abwägungsentscheidung
des Gesetzgebers unerheblich. Dass die Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen
Squeeze-out nicht auch diesen Zweck verfolgte, kann auf Grundlage des klägerischen
Vortrags nicht angenommen werden und liegt mit Blick auf den Inhalt des
Übertragungsberichts eher fern.
(bbb) Entsprechend verhält es sich in Bezug auf im Übertragungsbericht nicht
ausdrücklich angeführte Vorteile, die die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. Februar 2022
näher ausgeführt hat. Der klägerseits vereinzelt erhobene Einwand, der Umstand, dass
weder vermeintliche Steuerersparnisse noch die Einbeziehung der A AG (alt) in den
zwischen der D AG und der M AG bestehenden Beherrschungs- und
Gewinnabführungsbetrag im Übertragungsbericht Erwähnung gefunden hätten, belege,
dass es sich bei diesen Gesichtspunkten um nachgeschobene Rechtsfertigungsgründe
handle, verfängt nicht. Die zugrunde liegende und im Hinblick auf die Nutzung steuerlicher
Verlustvorträge von den Klägerinnen zu 1) und zu 5) auf Seite 4 des Schriftsatzes vom
7. März 2022 (Bl. 540 eA) ausdrücklich artikulierte Annahme, diese Gesichtspunkte hätten
im Übertragungsbericht zwingend erwähnt müssen, trifft nicht zu. Im Gegenteil bedarf es
im Übertragungsbericht weder Belehrungen über die steuerlichen und zivilrechtlichen
Folgen noch einer – vorliegend sogar skizzierten – Begründung des Squeeze-out (vgl. nur
OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Dezember 2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 209; OLG
Frankfurt a.M., Beschluss vom 6. April 2009 – 5 W 8/09, AG 2010, 39, 41; Grunewald, in:
MünchKommAktG, 5. Aufl., § 327c Rn. 9; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktienund
GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl.,
AktG, 4. Aufl., § 327c Rn. 8a; Singhof, in: BeckOGK-AktG, Stand: 1. Februar 2022, § 327c
Rn. 7). Vor diesem Hintergrund ist es zumindest möglich, dass – so die Darstellung der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung – von einer Erwähnung dieser möglichen
Vorteile im Übertragungsbericht abgesehen wurde, weil sich diese nicht hinreichend sicher
quantifizieren ließen und diese auch nicht Triebfeder der Verschmelzung waren, sondern
lediglich als einer von verschiedenen Gesichtspunkten in die „Gemengelage“ eingeflossen
sind. Darauf, ob die von der Beklagten im Berufungsverfahren teilweise erstmals
angeführten, teilweise vertieften Gesichtspunkte, die klägerseits mit Nichtwissen bestritten
und als verspätet gerügt worden sind, zutreffen, kommt es im Ergebnis jedoch nicht an.
(ccc) Denn ohnedies gebietet auch der klägerseits erhobene Einwand, dass sich
der Squeeze-out wirtschaftlich nicht rentiere, keine abweichende Bewertung dahin, dass
die von der Beklagten im Übrigen angeführten Gründe nur vorgeschoben und der
Squeeze-out ausschließlich den Zweck verfolgt habe, die (weitere) Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen gegen die A SE zu vereiteln.
Soweit die Kläger darauf verweisen, dass den im gemeinsamen Verschmelzungsbericht
(dort auf Seite 27) genannten Gesamtkosten des Squeeze-out in Höhe von rund
17,5 Mio € durch zu erwartende jährliche Einsparungen erst in ca. 40 Jahren kompensiert
würden, greift dies im Ergebnis nicht durch. Zum einen handelt es sich bei dem dieser
Rechnung zugrunde gelegten Betrag von 440.000 € um einen Mindestbetrag, der sich
– was auch die Klägerinnen zu 1) und zu 5) (etwa auf Bl. 211, 609 eA) konzedieren – um
weitere interne Kosteneinsparungen erhöhen kann; bereits im Freigabeverfahren hatte die
dortige Antragstellerin (bezogen auf einen Vierjahreszeitraum) jährliche Einsparungen in
Höhe von knapp 600.000 € für den Senat nachvollziehbar vorgetragen und glaubhaft
gemacht (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2017 – 18 AktG 1/17, WM 2019, 1218,
1223), was den Amortisierungszeitraum deutlich verkürzt. Zum anderen sind in dem
Gesamtbetrag der Verschmelzungskosten Grunderwerbsteuern in einer Größenordnung
von rund 15,4 Mio € enthalten. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass – worauf die
Beklagte (auf GA 483 f., 977) mit Recht hingewiesen hat – diese Grunderwerbsteuer auch
angefallen wäre, wenn die Beklagte den nunmehr angegriffenen
verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out zu einem früheren Zeitpunkt realisiert, alternativ
– unter der (hier nicht erfüllten) Voraussetzung einer Beteiligung der D AG in Höhe von
mindestens 95 % – einen aktienrechtlichen Squeeze-out nach §§ 327a ff. AktG umgesetzt
hätte oder aber ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen worden wäre, sofern bei
Annahme des Abfindungsangebots (§ 305 AktG) durch eine ausreichende Anzahl von
Minderheitsaktionären die Beteiligung auf mindestens 95 % gestiegen wäre. Insoweit
erweist sich das Vorbringen der Kläger, die der Beklagten vorhalten, entsprechende
Maßnahmen nicht früher umgesetzt zu haben, nicht frei von Widersprüchen, zumal die
Beklagte (auf GA 479 f., Bl. 494 f. eA) nachvollziehbar begründet hat, warum sie diese
Maßnahmen nicht bzw. – was den durch den Gesetzgeber zum 11. Juli 2011 eingeführten
verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out angeht – nicht früher umgesetzt hat, sondern die
Erfahrungen mit den ab dem Jahr 2014 zutage getretenen Rechtsstreitigkeiten (vgl.
GA 479 f.) zum Anlass genommen hat, die Grunderwerbsteuerbelastung neu zu gewichten
und im Ergebnis konzernstrukturellen Erwägungen unterzuordnen.
Ohnedies ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Gewichtung der unterschiedlichen
Belange, die für die Frage, wann welche Maßnahme ergriffen werden soll, maßgeblich
sind, Ausfluss der unternehmerischen Freiheit ist. Es ist in erster Linie Sache der
Gesellschaft, zu bewerten, was sich wirtschaftlich für sie rechnet und was nicht (vgl.
Grunewald, in: Lutter, UmwG, 6. Aufl., § 62 Rn. 50). Dementsprechend mag es zwar
einerseits angehen, bei der Prüfung der Nachvollziehbarkeit einer unternehmerischen
Entscheidung einen ökonomischen Maßstab anzulegen. Allerdings bleibt es der
Gesellschaft unbenommen, auch Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die sich nicht von
vornherein quantifizieren lassen. Dazu zählt auch der Gesichtspunkt, durch den
Ausschluss der Minderheitsaktionäre künftigen Rechtstreitigkeiten vorzubeugen und neben
der Einsparung der mit Rechtsstreitigkeiten einhergehenden Kosten eigene Ressourcen
(Personal) für die eigentliche unternehmerische Tätigkeit freizuhalten. Auch das führt dazu,
dass der streitgegenständliche Squeeze-out sich auch bei ökonomischer Betrachtung als
nicht abwegig darstellt.
Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung von gegen die A SE gerichteten und
vom besonderen Vertreter zuletzt mit rund 217 Mio € bezifferten
Schadensersatzforderungen, unabhängig davon, ob man auf diese in voller Höhe oder nur
in Höhe des auf die Minderheitsaktionäre entfallenden Anteils (6,37 %) von rund
13,86 Mio € abstellt. Im letztgenannten Fall liegt die Annahme, die Beklagte habe
Einmalkosten in Höhe von 17,5 Mio € in Kauf genommen, nur um sich
Schadensersatzforderungen in Höhe von 13,86 Mio € zu entziehen, eher fern. Aber auch
für den erstgenannten Fall ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, die den
Standpunkt der Beklagten gänzlich unplausibel erscheinen lassen. Die Beklagte hat hierzu
(auf Bl. 504 eA) vorgetragen, dass die Zuführung eines Betrages in Höhe von rund
217 Mio € an die A AG (alt) steuerneutral zu behandeln sei und im Ergebnis deren
Unternehmenswert und damit den Wert der Beteiligungen erhöht hätte, wovon auch die
seinerzeit (unmittelbar und mittelbar) mit 93,63 % beteiligte A SE profitiert hätte, weshalb
sich aus Konzernsicht eine entsprechende Ersatzleistung – mit Ausnahme des auf die
Minderheitsaktionäre entfallenden Anteils – nicht als per se nachteilig erwiesen hätte.
Soweit die Kläger der von der Beklagten angenommenen Steuerneutralität etwaiger
Ersatzleistungen in der mündlichen Verhandlungen entgegen getreten sind und sie diese
der Sache nach bestritten haben, verfängt dies nicht, weil es sich hierbei um eine
Rechtsauffassung handelt, die die Beklagte mit Schriftsatz vom 14. April 2022
(Bl. 619 ff. eA) im Einzelnen – nachvollziehbar – ausgeführt und belegt hat. Vor diesem
Hintergrund erscheint – was auch die Klägerinnen zu 1) und zu 5) (auf Bl. 543 eA) nicht in
Abrede stellen – der Standpunkt der Beklagten plausibel, dass in diesem Zusammenhang
allenfalls zusätzliche Finanzierungskosten auf die Ersatzleistungen zu berücksichtigen
seien, falls und soweit die A SE sich hierfür Liquidität hätte beschaffen müssen. In diesem
Zusammenhang hat die Beklagte aber auch ausgeführt, dass es völlig ungewiss
(gewesen) sei, ob und in welcher Höhe Zinsaufwendungen, auf deren Abwendung der
Squeeze-out gegebenenfalls hätte ausgerichtet sein können, überhaupt entstehen würden,
so dass dergleichen nicht unterstellt werden kann. Soweit die Klägerinnen zu 1) und zu 5)
(auf Bl. 543 eA) hieraus folgern, die Beklagte habe die Auslösung entsprechender
Finanzierungskosten eingeräumt, wird dies durch das Vorbringen der Beklagten nicht
gestützt.
(ddd) Schließlich verfängt auch die Behauptung der Klägerinnen zu 1) und 5) (auf
GA 613) nicht, die Beklagte habe (über die geführten Rechtsstreitigkeiten hinaus)
Regelungen zum Schutz der Minderheitsaktionäre ignoriert und diesen insbesondere für
von der Mehrheitsaktionärin veranlasste nachteilige Maßnahmen keinen Ausgleich
geleistet. Die trotz Bestreitens seitens der Beklagten (GA 982) pauschal gebliebene
Behauptung ist ohne Substanz und Beweisantritt geblieben.
bb) Ohne Erfolg bleiben die Kläger auch, soweit sie als Anfechtungsgrund eine
angebliche Treuepflichtverletzung anführen, weil die beschlussfassende
Hauptversammlung auf den 24. März 2017 bestimmt wurde, obwohl der letzte festgestellte
Jahresabschluss zu diesem Zeitpunkt nur für den 31. Dezember 2015 vorgelegen habe
und es daher – mit Blick auf § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB – geboten gewesen sei, die
Aufstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2016 abzuwarten und dementsprechend
die Hauptversammlung bis zum 30. Juni 2017 zurückzustellen. Dabei lassen die Kläger
außer Betracht, dass nach § 62 Abs. 5 Satz 1 UmwG die Hauptversammlung innerhalb
von drei Monaten nach Abschluss des Verschmelzungsvertrages einen
Übertragungsbeschluss beschließen muss. Da der Verschmelzungsvertrag am
30. Dezember 2016 geschlossen wurde (vgl. GA 474), war ein weiteres Abwarten seitens
der Beklagten über März 2016 hinaus nicht möglich. Die gesetzliche Dreimonatsfrist, durch
die der erforderliche – die gegenüber dem aktienrechtlichen Squeeze-out auf 90 %
abgesenkte Beteiligungsquote rechtfertigende – Zusammenhang von Verschmelzung und
Minderheitenausschluss sichergestellt werden soll und deren Einhaltung durch das
Registergericht zu kontrollieren ist (vgl. BT-Drucks. 17/3122 S. 13; ferner Grunewald, in:
Lutter, UmwG, 6. Aufl., § 62 Rn. 35), ist zwingend (vgl. Göthel, ZIP 2011, 1541, 1545;
Mayer, NZG 2012, 561, 569). Dass der Verschmelzungsvertrag nicht bereits am
30. Dezember 2016 angesichts des fehlenden Jahresabschlusses hätte geschlossen
werden dürfen, machen auch die Kläger zu 8) bis 10) nicht geltend; dies würde die
Anforderungen an die Treuepflicht auch überspannen.
cc) Ohne Erfolg bleiben die Berufungen der Kläger zu 8) bis 10), soweit sie das
Vorliegen der Voraussetzung für einen Squeeze-out nach § 62 Abs. 5 UmwG mit der
Begründung in Abrede stellen, der D AG hätten im Zeitpunkt des Zugangs des
Übertragungsverlangens bei der Gesellschaft nicht Aktien in Höhe von neun Zehnteln des
Grundkapitals der A AG (alt) gehört.
aaa) Allerdings lässt sich entgegen der Annahme des Landgerichts aus § 67
Abs. 2 AktG nicht die Unerheblichkeit des Vorbringens der Kläger herleiten. Die vom
Landgericht angenommene unwiderlegliche Vermutung der Mitgliedschaft nach § 67
Abs. 2 AktG gilt nicht für die Beurteilung der Mehrheit im Rahmen des § 327a AktG, weil
es insoweit auf die materielle Inhaberschaft der Aktien ankommt (vgl. nur OLG Stuttgart,
Beschluss vom 1. Dezember 2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 206; Bezzenberger, in:
K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 67 Rn. 31). Das gesetzliche Merkmal des „Gehörens“
(vgl. § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG) bringt die Maßgeblichkeit der dinglichen Rechtslage zum
Ausdruck. Die Eintragung der (außerhalb des Registers erfolgenden Verfügungen über)
Aktien im Aktienregister ist weder Voraussetzung für die Wirksamkeit der
Rechtsübertragung noch können Übertragungsmängel durch die Eintragung geheilt
werden (OLG Stuttgart a.a.O. m.w.N.). Entsprechend verhält es sich für den
verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out nach § 62 Abs. 5 Satz 1 UmwG, der
gleichermaßen auf das Merkmal des „Gehörens“ und damit auf dingliche Rechtslage
abstellt, wobei eine unmittelbare Beteiligung des Hauptaktionärs erforderlich ist, mithin
eine bloß mittelbare Beteiligung nicht genügt (vgl. Habighorst, in: Böttcher/Habighorst
/Schulte, UmwG, 2. Aufl., § 62 Rn. 47; Grunewald, in: Lutter, UmwG, 6. Aufl., § 62 Rn. 4,
33; Hörtnagl/Ollech, UmwG, 9. Aufl., § 62 Rn. 4; Junker, in: Henssler/Strohn,
Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., UmwG § 62 Rn. 4; Diekmann, in: Semler/Stengel/Leonard,
UmwG, 5. Aufl., § 62 Rn. 32f; jeweils m.w.N.).
bbb) (1) Jedoch hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. Februar 2022
(Bl. 491 ff. eA) darauf verwiesen, dass der an die D AG gerichtete Depotauszug der R, der
als Anlage 4 dem Übertragungsbericht (Anlage K 16) beigefügt gewesen sei, für den
30. Dezember 2016 den Bestand von 3.773.239 Aktien ausgewiesen habe. Ergänzend
hierzu hat sie als Anlage BE 2 (Bl. 508 eA) einen Depotauszug zur Verfahrensakte
gereicht, der die entsprechende Aktienanzahl und als Tag des letzten Zugangs den
6. Oktober 2016 ausweist. Darüber hinaus hat die Beklagte auch den Aktienkauf- und
Übertragungsvertrag vom 6. Oktober 2016 (Anlage BE 3 – Bl. 509 ff. eA; im Folgenden
auch: AKÜV) vorgelegt. Darin ist in Absatz 4 des mit „Verkauf und Übertragung der Aktien“
überschriebenen § 1 die dingliche Übertragung der Aktien mit Wirkung zum Tag der
Unterzeichnung – das ist hier der 6. Oktober 2016 – unabhängig von der Zahlung des
geschuldeten Kaufpreises vereinbart. Auch der in den nachfolgenden Absätzen 5 und 6
von der jeweiligen Veräußerin erteilte Auftrag des Transaktionsvollzugs am Stichtag ist
ausweislich des vorgenannten Depotauszugs ausgeführt worden.
Vor diesem Hintergrund kann der von den Klägern zu führende Nachweis des fehlenden
Aktieneigentums als nicht erbracht angesehen werden, erachtet der Senat es vielmehr als
erwiesen, dass die D AG im maßgeblichen Zeitpunkt die Eigentümerin der ihr in dem
vorgenannten Vertrag veräußerten und übertragenen 3.134.427 Aktien und somit von
insgesamt 3.773.239 Aktien – mithin von 93,63 % aller Aktien – war.
(2) Soweit die Kläger zu 8) und zu 10) nach dem Schluss der mündlichen
Verhandlung mit Schriftsatz vom 14. April 2022 die in § 1 Abs. 7 AKÜV von der D AG
bestätigten Zustimmungen ihrer Organe zu den Aktienübertragungen ebenso mit
Nichtwissen bestreitet wie den Fortbestand des Aktieneigentums bis zum Squeeze-out,
hilft ihnen das nicht weiter. Abgesehen davon, dass sie verkennen, dass sie für das von
ihnen als Umstand für einen geltend gemachten Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsgrund
darlegungs- und beweisbelastet sind, können sie damit nicht mehr gehört werden (§§ 525,
296a Satz 1 ZPO). Der vom Senat in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung,
dass der Eigentumsnachweis durch den vorgelegten Aktienkauf- und Übertragungsvertrag
geführt worden sei, hat keiner der Kläger widersprochen. Einen Schriftsatznachlass zu
dem Beklagtenschriftsatz vom 23. Februar 2022 haben die Kläger zu 8) und 10) nicht
beantragt und ist ihnen auch nicht gewährt worden. Es ist auch weder dargetan noch
ersichtlich, dass die Kläger zu 8) und 10) vor der mündlichen Verhandlung vom 14. März
2022 nicht im Stande gewesen sein könnten, zu dem mit Schriftsatz vom 23. Februar 2022
vorgelegten Aktienkauf- und Übertragungsvertrag vom 6. Oktober 2016 und dem
schriftsätzlichen Beklagtenvorbringen Stellung zu nehmen, wie dies etwa die Kläger zu 1),
zu 4) und zu 5) – zu anderen Punkten – getan haben.
Soweit die Kläger zu 8) und zu 10) an ihr erstinstanzliches Vorbringen anknüpfen,
demzufolge die Beklagte bzw. die D AG die Verwendung des Wortes „gehören“ vermieden
und sie sich stattdessen des Wortes „halten“ bedient hätten, verhilft das den Berufungen
nicht zum Erfolg. Zwar haben die Kläger diverse Stellen angeführt, in denen nur von einem
„Halten“ und keinem „Gehören“ der Aktien die Rede war (vgl. GA 1093 ff.). Dies begründet
indes kein Indiz für einen fehlenden Eigentumserwerb. Entgegen der Annahme der Kläger
stehen sich die Begriffe des „Gehörens“ und „Haltens“ nicht diametral entgegen. Dass
diesen vorliegend eine synonyme Bedeutung beigemessen wurde, wird etwa durch den
Übertragungsbericht vom 9. Februar 2017 der D AG (Anlage K 16 zu 91 O 18/17)
veranschaulicht, indem auf Seite 6 ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass der D AG die
entsprechenden Stückaktien „gehören“. Ferner kommt diese synonyme Verwendung in
dem an die A AG (alt) gerichteten Schreiben der D AG vom 7. Oktober 2016 zum
Ausdruck, in dem sie beide Begriffe verwendet, um den gleichen Sachverhalt
wiederzugeben. Zunächst führt sie wörtlich aus „zusammen mit dem bereits im
Aktienregister eingetragenen Bestand von 638.813 Stückaktien hält die D somit 3.773.239
der (…) Stückaktien“. Später im gleichen Schreiben heißt es aber sodann „Da der D
unmittelbar Aktien in Höhe von mehr als neun Zehnteln des Grundkapitals der A gehören
(…)“ (vgl. Anlage 1 [dort Seite 1] zum Übertragungsbericht, Anlage K 16 zu 91 O 18/17).
Auch das weitere erstinstanzliche Vorbringen der Kläger zu 8) bis 10), mit dem diese das
angebliche Fehlen des erforderlichen Aktieneigentums bzw. der nach § 62 Abs. 5 Satz 1
UmwG erforderlichen Beteiligungsquote der D AG herzuleiten suchen, hat der Senat
geprüft und nicht für durchgreifend befunden.
dd) Ebenfalls ohne Erfolg bleiben die Berufungen, soweit sie weiterhin einen
Beschlussmangel darauf stützen, dass sowohl im Übertragungsbericht als auch im Bericht
des sachverständigen Prüfers angebliche Berichts- und Prüfungsmängel enthalten seien,
aus denen sich die Anfechtbarkeit des Übertragungsbeschlusses ergebe.
aaa) Soweit die Anfechtbarkeit des Übertragungsbeschlusses mit inhaltlichen
Fehlern im Prüfbericht des gerichtlich bestellten Prüfers L seitens der Kläger begründet
werden soll, hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, dass mögliche
inhaltliche Mängel bei der Abfassung des Prüfberichts eine Anfechtbarkeit des
Übertragungsbeschlusses nicht begründen könnten. Dies ergibt sich bereits aus der
unabhängigen Stellung des gerichtlich bestellten Prüfers, der sein Amt persönlich und
sachlich unabhängig und weisungsfrei zum Schutz der Minderheitsaktionäre auszuüben
hat. Damit wäre es unvereinbar, wenn die Gesellschaft oder der Hauptaktionär für
mögliche Fehler der Prüfung einzustehen hätten, denn solche Fehler entziehen sich bei
wohlverstandener unabhängiger Prüfungstätigkeit der Einflussnahme- und
Korrekturmöglichkeit der Gesellschaft und des Hauptaktionärs (vgl. OLG Frankfurt a.M.,
Beschluss vom 6. April 2009 – 5 W 8/09, AG 2010, 39, 41). Daher ist der Prüfungsbericht
allenfalls einer Prüfung nach formalen Gesichtspunkten zugänglich (vgl. OLG Karlsruhe,
Beschluss vom 29. Juni 2006 – 7 W 22/06, AG 2007, 92, 93); dass die Kläger auch
derartige formale Rügen gegen den Prüfbericht erhoben haben, ist jedoch nicht ersichtlich.
bbb) Eine Anfechtbarkeit des Übertragungsbeschlusses ergibt sich vorliegend
auch nicht aus angeblichen Mängeln des Übertragungsberichts.
(1) Eine Anfechtung des Übertragungsbeschlusses kann nicht auf
bewertungsbezogene Mängel des Übertragungsberichts gestützt werden. § 327f Abs. 1
Satz 1 und Satz 2 AktG normieren ausdrücklich, dass die Angemessenheit der
Barabfindung nicht Gegenstand des Anfechtungsverfahrens ist, um so eine Blockade der
Eintragung des Squeeze-out im Handelsregister zu vermeiden. Hieraus folgt – unabhängig
von der Klarstellung des § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG –, dass die Berücksichtigung
abfindungsbezogener Informationsmängel ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom
16. März 2009 – II ZR 302/06, WM 2009, 896 Rn. 36).
Dieser Ausschluss der Anfechtbarkeit gilt auch für abfindungsbezogene bzw.
bewertungsbezogene Informationsmängel des Übertragungsberichts, der außerhalb der
Hauptversammlung erteilt wird, auch wenn § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG keine unmittelbare
Anwendung finden kann. Der Bundesgerichtshof hat den Ausschluss der Anfechtbarkeit
bei abfindungsbezogenen Informationsmängeln aus dem Sinn und Zweck des § 327
Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG hergeleitet unter beiläufiger Nennung der Klarstellungsfunktion
des § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG (BGH a.a.O.). Dementsprechend ist es ohne Bedeutung, ob
die entsprechenden Informationen in oder außerhalb der Hauptversammlung erteilt
wurden, sind mithin bewertungsbezogene Rügen hinsichtlich des Inhalts des
Übertragungsberichts nach § 327c Abs. 2 Satz 1 AktG nicht geeignet, die Anfechtbarkeit
des Squeeze-out-Beschlusses zu begründen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. April
2009 – 5 W 8/09, AG 2010, 39, 42; LG München I, Urteil vom 23. April 2009 – 5 HK O
542/09, AG 2009, 632, 634 f.). Dies entspricht der Gesetzessystematik, soll doch gerade
(nur) das Spruchverfahren eine abfindungswertbezogene Überprüfung ermöglichen (vgl.
BGH, Urteil vom 18. September 2006 – II ZR 225/04, ZIP 2006, 2080 Rn. 30).
(2) Allerdings ist die Berücksichtigung abfindungswertbezogener Rügen nicht
gänzlich ausgeschlossen. Vielmehr muss der Übertragungsbericht jedenfalls derart
ausgestaltet sein, dass dieser seinen gesetzlichen Zweck erfüllen kann (LG München I,
Urteil vom 23. April 2009 – 5 HK O 542/09, AG 2009, 632, 634). Danach soll der
Übertragungsbericht jeden Minderheitsaktionär in die Lage versetzen, die Berechnung des
Schwellenwerts als wesentliche Voraussetzung des Squeeze-out und vor allem auch die
der Festlegung der Barabfindung zugrunde liegenden Überlegungen nachzuvollziehen
(BT-Drucks. 14/7034 S. 73). Der Bericht muss daher eine Plausibilitätskontrolle
ermöglichen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. April 2009 – 5 W 8/09, AG 2010, 39, 41)
und dementsprechend den Minderheitsaktionären zusammen mit anderen ihnen zur
Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ein erstes und bei Bedarf in der
Hauptversammlung zu vertiefendes Urteil über die Plausibilität insbesondere der
festgesetzten Barabfindung ermöglichen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. September
2008 – 6 W 30/08, ZIP 2009, 170, 174).
Diesen Anforderungen wird der Übertragungsbericht der D AG vom 9. Februar 2017
(Anlage K 16 zu 91 O 18/17) gerecht. Aus dem Übertragungsbericht folgt die
Nachvollziehbarkeit der festgelegten Barabfindung. Die Höhe der Barabfindung hat der
Übertragungsbericht (auf Seite 43) mit 300,00 € je Aktie beziffert und (ab Seite 52) die aus
Sicht der D AG gegebene Angemessenheit der Barabfindung unter Benennung der
wesentlichen wertbildenden Faktoren aufgezeigt. Im Übrigen wird auf das in der Anlage
angefügte Gutachten von K zur Unternehmensbewertung vom 3. Februar 2017 (Anlage
K 18 zu 91 O 18/17) verwiesen. In diesem Gutachten werden (ab Seite 7) zunächst die
Bewertungsgrundsätze und -methoden ausgeführt, um die Ermittlung des
Unternehmenswertes plausibel zu machen, um sodann (ab Seite 13) die Faktoren für die
Unternehmensbewertung hinsichtlich der A AG (alt) detailliert darzustellen. Das Gutachten
schließt sodann (auf den Seiten 139 ff.) mit der daraus ermittelten angemessenen
Barabfindung. Insgesamt erfolgt eine nachvollziehbare Festlegung der Barabfindung, die
den Minderheitsaktionären eine Plausibilitätskontrolle entsprechend den oben
ausgeführten Kriterien ermöglicht. Insbesondere bedurfte es – entgegen der Annahme der
Kläger – nicht der Offenlegung der der Bewertung zugrundeliegenden Unterlagen.
Weitergehende Angaben, um die festgesetzte Barabfindung einer konkreten Prüfung
unterziehen und auf ihre Angemessenheit hin überprüfen zu können, sind nicht
erforderlich, denn das Gesetz mutet Minderheitsaktionären eine solche Prüfung von
vornherein nicht zu. Nach § 327c Abs. 2 Sätze 2 bis 4 AktG ist diese Aufgabe vielmehr
dem durch das Gericht bestellten unparteiischen und sachverständigen Prüfer
überantwortet, der den Übertragungsbericht einer sachkundigen, unabhängigen
Plausibilitätskontrolle unterzieht und den Anteilseigner präventiv vor Fehleinschätzungen
schützt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. September 2008 – 6 W 30/08, ZIP 2009,
170, 174 m.w.N.).
Nichts anderes folgt aus der Aktualisierungserklärung von K vom 24. März 2017 (Anlage
K 21 zu 91 O 18/17). Unabhängig davon, ob sich aus dieser Aktualisierungserklärung, die
einen geminderten Wert der Stückaktien benennt, die entsprechende Berechnung für die
Minderheitsaktionäre noch nachvollziehen lässt, sind diese Angaben für die Bewertung, ob
ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechender Übertragungsbericht vorliegt,
unerheblich. Zum einen folgt dies daraus, dass eine Verpflichtung zur Aktualisierung des
Übertragungsberichts gesetzlich nicht vorgesehen ist (vgl. nur Grunewald, in:
MünchKommAktG, 5. Aufl., § 327c Rn. 9). Hieraus folgt, dass etwaige Fehler in einer
Aktualisierungserklärung nicht dazu führen können, dass der Übertragungsbericht die
gesetzlichen Voraussetzungen nicht (mehr) wahrt. Zum anderen greift hinsichtlich der
Aktualisierungserklärung von K der Anfechtungsausschluss nach § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG
direkt ein, da die Aktualisierungserklärung erstmals in der Hauptversammlung am 24. März
2017 ausgelegt wurde (vgl. GA 512).
Die Rüge, das K-Gutachten habe die vom besonderen Vertreter geltend gemachten
Schadensersatzansprüche im Rahmen der Unternehmensbewertung zu Unrecht nicht
berücksichtigt, ist unerheblich. Hierbei handelt es sich nicht um eine Frage, die die
Nachvollziehbarkeit der Festlegung der Barabfindung in Zweifel zieht, sondern um den
Einwand, dass eine Einzelposition zu Unrecht nicht in die Bewertung einbezogen worden
sei. Dies ist jedoch – wie bereits ausgeführt – dem Anfechtungsprozess entzogen und dem
Spruchverfahren zugeordnet. Entsprechend verhält es sich für den Einwand, auch die
Aktualisierungserklärung habe die geltend gemachten Schadensersatzansprüchen in Höhe
von zuletzt 217 Mio. € nicht in die Berechnung eingestellt; auch dies trägt nicht den
Schluss, dass der Übertragungsbericht insgesamt keine sachgerechte
Entscheidungsgrundlage bieten könnte.
ee) Auch soweit die Kläger die Anfechtbarkeit des Übertragungsbeschlusses mit
der Erwägung herzuleiten suchen, dass in der Hauptversammlung Fragen der Aktionäre
inhaltlich unbeantwortet geblieben seien, verhilft dies ihren Berufungen nicht zum Erfolg.
aaa) Hinsichtlich der als angeblich nicht beantwortet gerügten Fragen Nr. 165,
168, 172 und 173 (GA 440 f.) bedarf es bereits keiner Entscheidung, ob die
Voraussetzungen des vom Landgericht angenommenen Anfechtungsausschlusses nach
§ 243 Abs. 4 Satz 2 AktG erfüllt sind. Diese Fragen wurden ausweislich des
Versammlungsprotokolls (dort ab S. 22 i.V.m. den Protokoll-Anlagen 4 und 5 – Anlage K 20
zu 91 O 18/17) trotz ausdrücklicher Aufforderung des Versammlungsleiters, solche Fragen
anzugeben, die nicht vollständig beantwortet seien, nicht zu Protokoll des Notars gegeben
(GA 557 f.). Daher ist es – nachdem der Versammlungsleiter sich ersichtlich um eine
Erfassung und Prüfung aller noch als ungeklärt bezeichneter Fragen und um deren
ordnungsgemäße Beantwortung bemüht hat – den Klägern insoweit wegen
widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) verwehrt, sich gegenüber der Beklagten im
Anfechtungsprozess auf eine angebliche Verletzung des Auskunftsanspruchs zu berufen
(vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Dezember 2008 – 20 W 12/08, juris Rn. 221; OLG
Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7. Oktober 2019 – 20 U 2/18, NZG 2020, 309, 313; OLG
Frankfurt a.M., Urteil vom 20. Oktober 2009 – 5 U 22/09, juris Rn. 148; Koch, AktG,
16. Aufl., § 131 Rn. 69; Kubis, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., § 131 Rn. 83; jeweils
m.w.N.).
bbb) Im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg bleiben die Berufungen (der Kläger zu 8
bis 10), soweit diese eine unzureichende Beantwortung der Fragen (Nr. 86, 87, 88, 90, 91,
92, 93, 95, 96, 98, 99 und 166 [vgl. Anlage K 20 zu 91 O 18/17 bzw. Anlage KE 2/AnlH III
Bl. 557 ff.]), die unmittelbar bzw. – soweit auf die sich im Zusammenhang mit dem Einsturz
des Kölner Stadtarchivs für die Tochtergesellschaft der D AG, die M AG, ergebenden
Risiken bezogen – mittelbar die Solvenz der Abfindungsschuldnerin – der D AG als
übernehmende Hauptaktionärin – betreffen, als Anfechtungsgrund anführen.
Zwar hat das Landgericht insoweit zu Unrecht einen Anfechtungsausschluss nach § 243
Abs. 4 Satz 2 AktG angenommen, weil auch hier die Abfindung betroffen sei. Damit trägt
es allerdings dem Wortlaut der Norm nicht Rechnung, denn dieser sieht einen Ausschluss
der Anfechtbarkeit nur hinsichtlich Informationen über die Ermittlung, Höhe oder
Angemessenheit der Abfindung vor. Fragen zur Solvenz der Abfindungsschuldnerin haben
indes weder die Ermittlung, die Höhe oder die Angemessenheit der Barabfindung im
Rahmen des Squeeze-out zum Gegenstand, sondern betreffen – wie die Kläger zu 8
bis 10 mit ihren Berufungen (auf Bl. 300 eA) zutreffend anmerken – die Realisierbarkeit der
Abfindungsforderung, die jedoch vom Anfechtungsausschluss nicht erfasst wird und auch
nicht Gegenstand des Spruchverfahrens ist.
Allerdings bleiben die diesbezüglichen Berufungsrügen ohne Erfolg, weil die vorgenannten
Fragen nicht im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG „zur sachgemäßen Beurteilung des
Gegenstands der Tagesordnung erforderlich“ sind.
Dabei kann offen bleiben, ob die Fragen die wirtschaftliche Lage der Hauptaktionärin (der
A AG [alt]) als Abfindungsschuldnerin, der auch die Fragen zu einer etwaigen Haftung der
M AG zuzurechnen sind, zum Gegenstand haben, eine Angelegenheit der Gesellschaft im
Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG betreffen. Zwar ist dieser Begriff grundsätzlich weit
auszulegen und umfasst alles, was sich auf die Gesellschaft und ihre Tätigkeit bezieht,
also alle Tatsachen und Umstände mit Bezug zur Finanz-, Ertrags- und Vermögenslage, zu
ihrer inneren Struktur in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, zur Geschäftspolitik und
Außendarstellung sowie Beziehungen zu Kunden, Lieferanten als Vertragspartner (vgl.
Spindler, in: K. Schmidt./Lutter, AktG, 4. Aufl., § 131 Rn. 28). Dementsprechend erstreckt
sich die Auskunftspflicht gemäß § 131 Abs. 1 Satz 2 AktG auch auf die rechtlichen und
geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen, so
dass es grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist, dass auch die wirtschaftliche Situation des
verbundenen Unternehmens Gegenstand des Auskunftsrechts ist. Möglich ist vielmehr,
dass ein Vorgang bei dem verbundenen Unternehmen von solcher Maßgeblichkeit ist,
dass er auch zu einer Angelegenheit der „Obergesellschaft“ wird und diesbezüglich ein
Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG besteht (Spindler a.a.O. § 131 Rn. 40).
Allerdings ist auch in diesem Fall das Auskunftsrecht nur begründet, wenn ein inhaltlicher
Zusammenhang der Auskunft mit dem konkreten Tagesordnungspunkt besteht (vgl. etwa
Decher, in: GroßkommAktG, 5. Aufl., § 131 Rn. 121, 129, 132; Kubis, in:
MünchKommAktG, 5. Aufl., § 131 Rn. 39, 71; Poelzig, in: BeckOGK-AktG, Stand:
1. Februar 2022, § 131 Rn. 87); das Auskunftsrecht ist kein allgemeines Informationsrecht
(Decher a.a.O. § 131 Rn. 129; Poelzig a.a.O. § 131 Rn. 87).
Unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei gegenständlich überhaupt um eine
„Angelegenheit der Gesellschaft“ handelt (vgl. dazu Decher a.a.O. § 131 Rn. 103), fehlt es
jedenfalls an dem vorbezeichneten inhaltlichen Zusammenhang und damit an der
Erforderlichkeit der Beantwortung von Fragen zur Solvenz des Hauptaktionärs, wenn diese
– wie hier – zu dem TOP „Squeeze-out“ gestellt werden (Decher a.a.O. Rn. 244; Spindler,
in: K. Schmidt./Lutter, AktG, 4. Aufl., § 131 Rn. 28a). Unter diesem Tagesordnungspunkt,
dessen Rahmen durch § 62 Abs. 5 UmwG, § 327a Abs. 1, § 327d AktG vorgegeben wird
(OLG München, Urteil vom 28. September 2011 – 7 U 711/11, WM 2011, 2048, 2055 f.),
kommen Fragen zum Verhältnis zwischen Gesellschaft und Hauptaktionär in Betracht,
soweit sie für die Voraussetzungen des Squeeze-out oder die Bewertung der Abfindung
relevant sind (vgl. Schorbus, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 327d Rn. 10). Die
Solvenz des Hauptaktionärs zählt hierzu wegen der gemäß § 327a Abs. 3 AktG zu
stellenden Bankgarantie grundsätzlich nicht (Decher a.a.O. § 131 Rn. 244). Indem der
Gesetzgeber in § 327c Abs. 3, § 327d AktG im Einzelnen festgelegt hat, welche
Unterlagen für die Hauptverhandlung bereit zu halten sind, und er Jahresabschlüsse oder
sonstige wirtschaftliche Daten der Hauptaktionärin unerwähnt gelassen hat, hat er zum
Ausdruck gebracht, dass diese Informationen für die Entscheidung über die Ausübung des
Stimmrechts nicht wesentlich sind (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Dezember
2008 – I-17 U 63/08, juris Rn. 69; LG Bonn, Urteil vom 9. März 2004 – 11 O 35/03, juris
Rn. 38). Dass die D AG als Hauptaktionärin dazu bereit gewesen wäre, weitergehende
Informationen zu liefern, die gegebenenfalls Gegenstand des Auskunftsrechts wären (vgl.
hierzu Grunewald, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., § 327d Rn. 6), ist vorliegend nicht
ersichtlich. Ohne Erfolg bleibt in diesem Zusammenhang auch der von den Klägern (auf
GA 436 ff.) erhobene Einwand, die Relevanz der Solvenz der Hauptaktionärin für die
Ausübung des Stimmrechts folge daraus, dass es im Spruchverfahren zu einer
nachträglichen Erhöhung der Barabfindung kommen könne, die nicht durch eine
Gewährleistungserklärung gemäß § 327b Abs. 3 AktG abgesichert sei. Dass sich die
Bankgewährleistung nicht auf den Differenzbetrag erstreckt, hat der Gesetzgeber bei der
Ausgestaltung des § 327b AktG hingenommen und insoweit den Minderheitsaktionären
das allgemeine Insolvenzrisiko der Hauptaktionärin überbürdet, so dass sich daraus eine
Erforderlichkeit der Auskunft nicht herleiten lässt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom
19. Dezember 2008 – I-17 U 63/08, juris Rn. 68 f.; LG Krefeld, Urteil vom 20. August 2008
– 11 O 14/08, juris Rn. 65); diese gesetzgeberische Entscheidung hat das
Bundesverfassungsgericht unter Hinweis darauf, dass die Gefahr einer signifikanten
Fehlbewertung „eher gering“ sei, als verfassungsrechtlich hinnehmbar eingestuft (vgl.
BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. Mai 2007 – 1 BvR 390/04,
WM 2007, 1329, 1331).
ccc) Hinsichtlich der übrigen von den Klägern als unzureichend bzw. nicht
beantwortet gerügten Fragen ist der vom Landgericht angenommene
Anfechtungsausschluss nach § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht zu beanstanden, denn diese
Fragen bezogen sich auf die Ordnungsgemäßheit der Barabfindung.
(1) Hinsichtlich der gerügten Fragen bezüglich der Jahresabschlüsse der D AG
und der A AG (alt) (vgl. Anlage K 20 zu 91 O 18/17 [Protokoll-Anlage 4: Fragen Nr. 85, 87,
89; Protokoll-Anlage 5: Frage Nr. 103]) ist dieser Bezug zur Abfindung erkennbar.
Entsprechend verhält es sich für die an der Geltendmachung der
Schadensersatzansprüche ansetzenden Frage nach der Vertagung der
Hauptversammlung (Anlage K 20 zu 91 O 18/17 [Protokoll-Anlage 5: Frage Nr. 68]), die
überdies – wenn auch nicht im Sinne der Klägerseite – ablehnend beantwortet wurde.
Auch die Frage nach der Sensitivitätsanalyse bei der Unternehmensbewertung stellt
darauf ab, ob letztlich die Unternehmensbewertung für die Bestimmung der Abfindung
ordnungsgemäß erfolgt ist (Anlage K 20 zu 91 O 18/17 [Protokoll-Anlage 3: Fragen Nr. 36,
37]).
Soweit im Rahmen der Berufungsbegründung des Klägers zu 4) darauf abgestellt wird,
dass die Fragestellungen vielschichtig gewesen seien (vgl. Bl. 271 eA), beseitigt dies nicht
den Abfindungsbezug der vorgenannten Fragen. Dies gilt auch für den (a.a.O.) erhobenen
Einwand, dass Fragen zu den geltend gemachten Schadensersatzansprüchen nicht dem
Beschlussanfechtungsverfahren entzogen gewesen seien, weil sie nicht Gegenstand des
Spruchverfahrens seien. Auch dies nimmt den Fragen nicht ihren Abfindungsbezug, denn
die Berücksichtigung der Schadensersatzansprüche beeinflusst – unabhängig von ihrer
tatsächlichen Berücksichtigung (im Spruchverfahren) – den Unternehmenswert und damit
die Bemessung der Barabfindung, deren Überprüfung Gegenstand des Spruchverfahrens
ist.
(2) Anhaltspunkte, die dem Anfechtungsausschluss im vorliegenden Fall
entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar ist anerkannt, dass der
Anfechtungsausschluss bei einer Totalverweigerung der Informationen keine Anwendung
findet (vgl. BT-Drucks. 15/5092 S. 26). Jedoch ist diese Einschränkung formal zu
handhaben; sie setzt eine buchstäbliche und in der Sache unberechtigte Verweigerung
voraus (vgl. Koch, AktG, 16. Aufl., § 243 Rn. 47c). Eine solche Totalverweigerung kann
daher nur angenommen werden, wenn der Bericht des Vorstands bezüglich der Höhe der
Kompensationsleistung Anlass zu Rückfragen von erheblichem Gewicht in der
Hauptversammlung gegeben hat und diese Rückfragen vom Vorstand zu einem weit
überwiegenden Teil nicht befriedigend geklärt werden. Entscheidend ist eine Gesamtschau
des Antwortverhaltens, das der Vorstand im Angesicht von Rückfragen an den Tag legt.
Wird die überwiegende Zahl der Verständnisfragen zur Unternehmensbewertung
beantwortet, einzelne Detailfragen aber nicht, kann von Totalverweigerung keine Rede
sein (vgl. Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 243 Rn. 46).
Nach dieser Maßgabe bietet das Klagevorbringen vorliegend keine tragfähige Grundlage
für die Annahme einer Totalverweigerung; es erschließt sich insbesondere nicht, inwieweit
trotz der Beantwortung der Fragen zur Sensitivitätsanalyse durch die Beklagte
(Anlage K 20 zu 91 O 18/17 [Protokoll-Anlage 3: Fragen Nr. 36, 37] Bl. 549 eA.) eine
Totalverweigerung angenommen werden könnte. Auch der Versuch (auf GA 58), eine
Totalverweigerung daraus herzuleiten, dass kein Zahlenmaterial vorgelegt wurde, um die
Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft aktualisiert zu beleuchten, verfängt nicht.
Abgesehen davon, dass es sich hierbei um eine bloße Detailfrage gehandelt hat, die
angesichts der Beantwortung der anderen Fragen keine Totalverweigerung begründen
kann, wäre eine etwaige Antwortverweigerung nicht unberechtigt. Denn da eine Pflicht zur
Vorlage nicht testierter oder festgestellter Jahresabschlüsse nicht besteht (vgl.
Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003 – 11 U 215/02, WM 2003, 1271,
1275), war die Gesellschaft auch nicht verpflichtet, Auskunft über vorläufige Zahlen zu
erteilen.
ff) Ohne Erfolg bleiben die Berufungen, soweit sie – ohnedies nur durch die Kläger
zu 8) bis 10) (vgl. Bl. 301 eA) – beiläufig die Annahme des Landgerichts in Zweifel ziehen,
die in der Hauptversammlung erfolgte Beschränkung der Rede- und Fragezeit lasse keine
Ermessensfehler erkennen. Die Berufungsbegründung wird bereits den an eine
Berufungsbegründung zu stellenden Anforderungen nicht gerecht, indem sie sich auf die
Rüge beschränkt, das Landgericht habe die Anfechtung nicht ohne eigene
Ermessensabwägung abweisen dürfen, ohne zugleich die Erheblichkeit des angeblichen
Rechtsfehlers darzulegen und aufzuzeigen, inwiefern eine eigene Ermessenabwägung des
Landgerichts eine andere Entscheidung bedingt hätte. Im Übrigen tritt der Senat tritt der
Beurteilung des Landgerichts nach eigener Prüfung auch in der Sache bei.
gg) Ohne Erfolg bleiben die Berufungen der Kläger zu 8) bis 10) mit der aufrecht
erhaltenen Rüge, die Hauptaktionärin (D AG) habe in der Hauptversammlung gemäß § 28
WpHG aF ihr Stimmrecht nicht ausüben dürfen, weshalb der zu TOP 1 zur Abstimmung
gestellte Beschluss nicht mit der erforderlichen Mehrheit von 75 % gefasst, sondern
vielmehr abgelehnt worden sei.
aaa) Der von den Klägern erhobene Einwand, die D AG selbst sei ihrer
Meldepflicht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF nicht nachgekommen, greift nicht durch.
(1) Soweit sie einen Verstoß gegen die Meldepflicht daraus herzuleiten suchen,
dass sie eine Meldung über die veränderten Beteiligung der D AG an der A AG (alt)
gegenüber der zuständigen Behörde mit Nichtwissen bestreiten, geht das schon deshalb
fehl, weil die Kläger hierbei verkennen, dass die Darlegungs- und Beweislast für das
Vorliegen von Pflichtverstößen eines Hauptaktionärs gegen ihm obliegende Meldepflichten
und einen dadurch eingetretenen Rechtsverlust im Zeitpunkt der Hauptversammlung vom
24. März 2017 bei den Anfechtungsklägern liegt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom
10. September 2008 – 6 W 30/08, ZIP 2009, 170, 173).
Im Übrigen tritt der Senat dem Standpunkt des Landgerichts, es sei nachgewiesen, dass
die D AG die entsprechende Meldung an die zuständige Behörde vollzogen habe, bei.
Dies ist belegt durch den Ausdruck aus dem Unternehmensregister über die
Pflichtveröffentlichungen der Beklagten (vgl. Anlage KE 7 – AnlH III 582 ff.). Darüber
hinaus hat die BaFin mit Schreiben vom 25. April 2017 den Eingang der erforderlichen
Stimmrechtsmitteilung vom 7. Oktober 2016 und deren Korrektur vom 10. Oktober 2016
bestätigt (vgl. Anlage KE 8 – AnlH III 586).
(2) Ebenfalls frei von Rechtsfehlern ist die Annahme des Landgerichts, dass die
vorgenannten Stimmrechtsmitteilungen keine durchgreifenden inhaltlichen Fehler
enthalten hätten.
(a) Soweit die Kläger einen inhaltlichen Fehler daraus herzuleiten suchen, dass
der in der Mitteilung mit 93,63 % angegebene Anteil der D AG von deren sich nach dem
Inhalt der Klageerwiderung ergebenden Anteil (94,75 %) abweiche, greift das nicht durch.
Die Berechnung der Kläger beruht auf einem von der Beklagten auf Seite 6 der Duplik vom
9. Oktober 2017 (GA 965) plausibel dargelegten und berichtigten Zahlendreher bei der
Angabe der Anzahl der von der D AG zuvor gehaltenen Stückaktien (mit 683.813 statt
richtig 638.813).
(b) Ein inhaltlicher Fehler lässt sich auch nicht damit begründen, die D AG habe in
ihrer Stimmrechtsmitteilung zu Unrecht nicht angegeben, dass sie beherrscht werde.
(aa) Der (auf GA 421) erhobene Vorwurf, die D AG habe unter Ziffer 8 des
Formulars zur Stimmrechtsmitteilung angegeben, nicht beherrscht zu sein, trifft nicht zu
und wird schon durch das von den Klägern als Anlage K 5 vorgelegte Formular
(AnlH II 527 ff.) widerlegt (vgl. auch Anlage KE 29 – AnlH III 737 ff. [740]).
(bb) Der weiter erhobene Einwand, die Fehlerhaftigkeit der Mitteilung folge daraus,
dass in der als Anlage zur Stimmrechtsmeldung vom 7. Oktober 2016 beigefügten Tabelle,
die Summe Prozent nicht angegeben sei, vermag ebenfalls nicht die Anfechtbarkeit des
Übertragungsbeschlusses zu begründen. Dabei kann offengelassen werden, ob die
entsprechende prozentuale Ausweisung der Summe der Stimmrechte und Instrumente im
Rahmen der Anlage dazu führt, dass die Stimmrechtsmitteilung als solche unwirksam ist
und die Unwirksamkeit des Übertragungsverlangens bedingt. Die Annahme der Kläger, die
Anfechtbarkeit des Übertragungsbeschlusses folge aus einem unwirksamen
Übertragungsverlangen verfängt aus mehreren Gründen nicht.
Zum einen vermag die in der Anlage zur Stimmrechtsmeldung fehlende prozentuale
Angabe der Summe der Stimmrechte und Instrumente in % keinen Fehler zu begründen,
der geeignet ist, den Rechtsverlust nach § 28 WpHG aF zu begründen. Zwar kann auch
die Abgabe einer unvollständigen oder inhaltlich falschen Mitteilung (sog.
Schlechterfüllung) einen Rechtsverlust zur Folge haben (Bayer, in: MünchKommAktG,
Band 1, 5. Aufl., WpHG § 44 Rn. 9). Allerdings bleiben hierbei unwesentliche Fehler außer
Betracht (vgl. Bayer a.a.O.). Ob ein Fehler unwesentlich ist, hat sich am Zweck der
Mitteilung zu orientieren. Dabei ist zu beachten, dass die inhaltlichen Anforderungen an die
Meldungen gemäß § 21 WpHG aF nicht deshalb bestehen, um möglichst hohe Hürden für
ihre Erfüllung aufzustellen, um sie so möglichst fehleranfällig zu machen. Vielmehr
bestehen die inhaltlichen Anforderungen, weil – und soweit – diese Angaben für den
Kapitalmarkt von Bedeutung sein können (Senatsbeschluss vom 1. April 2009 – 18 U
134/08, juris Rn. 4). Der bloße Umstand, dass die Summe der Stimmrechte und der
Instrumente in Prozent in der Tabelle nicht ausgewiesen ist, ist nicht geeignet, falsche
Vorstellungen über die Zusammensetzung der Stimmrechte zu begründen. Da die
Instrumente mit 0 bezeichnet sind, wird auch ohne die Angabe der Summe dieser bereits
aus der Ausweisung der Stimmrechte in der ersten Spalte die Zusammensetzung deutlich
(vgl. Anlage KE 29 – AnlH III 742).
Zum anderen führt selbst die Annahme eines Rechtsverlustes nach § 28 WpHG aF nicht
zur Anfechtbarkeit des Übertragungsbeschlusses. Der von den Klägern reklamierte Fehler
ist jedenfalls durch die Korrektur der Stimmrechtsmitteilung vom 10. Oktober 2016, die die
entsprechende Summe in der Anlage ausweist (vgl. Anlage KE 29 – AnlH III 746 ff.),
behoben worden. Die einzige Handlung der D AG in dem Zeitraum zwischen dem
7. Oktober 2016 und 10. Oktober 2017 ist das an die A AG (alt) gerichtete
Übertragungsverlangen. Dessen etwaige Fehlerhaftigkeit vermag indes die Anfechtbarkeit
des Übertragungsbeschlusses nicht zu rechtfertigen. Im Rahmen des
verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out bedarf es eines gesonderten
Übertragungsverlangens im Sinne von § 327a Abs. 1 AktG der übernehmenden
Gesellschaft schon gar nicht, denn ein solches ergibt sich aus dem
Verschmelzungsvertrag, der den Squeeze-out vorsieht (vgl. Grunewald, in: Lutter, UmwG,
6. Aufl., § 62 Rn. 36). Vorliegend ist der Verschmelzungsvertrag erst am 30. Dezember
2016 und somit nach der unter dem 10. Oktober 2016 erfolgten Korrektur zustande
gekommen. Es kann daher offen bleiben, ob die Fehlerhaftigkeit eines – wie hier – nicht
erforderlichen gesonderten Übertragungsverlangens auf den Übertragungsbeschluss
überhaupt durchschlägt, zumal vorliegend die D AG mit Schreiben vom 10. Oktober 2016
gegenüber der A AG (alt) ihr Übertragungsverlangen vom 7. Oktober 2016 bestätigt bzw.
hilfsweise erneut gestellt hat (vgl. Anlage KE 31 – AnlH III 751 ff.).
(c) Schließlich verfängt der Vorwurf, die D AG habe den Grund der Mitteilung in
der Stimmrechtsmitteilung fehlerhaft angegeben, aus den zutreffenden Erwägungen des
Landgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, nicht.
bbb) Entsprechend verhält es sich für den zur Begründung eines Rechtsverlustes
nach § 28 WpHG aF erhobenen Vorwurf der Kläger, die A SE sei ihren Meldepflichten
nicht nachgekommen, weil sie infolge der Übertragung der Aktien auf die D AG das
Unterschreiten sämtlicher Meldeschwellen des § 21 Abs. 1 WpHG aF habe melden
müssen.
Entgegen der Annahme der Kläger stellt die Übertragung der Aktien auf die D AG für die A
SE keinen meldepflichtigen Vorgang dar. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF ist zwar
derjenige meldepflichtig, der die jeweiligen Prozentwerte der Stimmwerte aus ihm
gehörenden Aktien unterschreitet, so dass die Veräußerung der Aktien an die D AG die
Meldepflicht auslösen könnte. Allerdings bemisst sich gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF
das Bestehen einer Meldepflicht nicht allein nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF, sondern
sind auch die Tatbestände des § 22 Abs. 1 und Abs. 2 WpHG aF zu beachten. Nach § 22
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG aF stehen den Stimmrechten des Meldepflichtigen solche
gleich, die einem Tochterunternehmen des Meldepflichtigen gehören. Da die D AG eine
100-prozentige Tochter der A SE war, waren deren Stimmrechte auch nach Übertragung
der Aktien weiterhin der A SE zuzurechnen, sodass sie zu keiner Zeit die Prozentschwelle
hinsichtlich der Stimmrechte unterschritten hatte.
ccc) Ohne Erfolg bleiben die Berufungen auch, soweit sie weiterhin rügen, dass
die Meldelage hinsichtlich der die A SE beherrschenden Unternehmensgruppen fehlerhaft
sei.
(1) Allerdings ist dem Landgericht nicht zu folgen, soweit es in diesem
Zusammenhang unter Hinweis auf den Syndikatsvertrag aus dem Jahr 2007 die
Voraussetzungen für eine Stimmrechtszurechnung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WpHG aF
angenommen hat. § 22 Abs. 2 Satz 1 WpHG aF sieht vor, dass das Verhalten des
Meldepflichtigen „in Bezug auf diesen Emittenten“ abgestimmt sein muss. Das ist hier nicht
der Fall, denn der Syndikatsvertrag zwischen den Unternehmensgruppen bezieht sich auf
die A SE mit Sitz in S (vgl. Anlagen KE 13 und KE 14 – AnlH III 600 ff. bzw. III 603 f.), nicht
aber die A AG (alt) mit Sitz in B, bei der es sich um die Emittentin der zu übertragenden
Aktien handelte nach § 21 Abs. 1 WpHG.
Stattdessen beurteilt sich die Stimmzurechnung im Verhältnis der die A SE
beherrschenden Unternehmensgruppen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22a Abs. 1
WpHG aF (entspricht § 22 Abs. 3 WpHG in der bis zum 25. November 2015 geltenden
Fassung), weil die A SE Tochterunternehmen der beherrschenden Unternehmensgruppen
ist. Der Umstand, dass es nicht nur eine Muttergesellschaft gibt, ist unschädlich. Denn ein
Tochterunternehmen kann von mehreren Mutterunternehmen abhängig sein und von
diesen gemeinsam beherrscht werden (vgl. nur Schneider, in: Assmann/Schneider
/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., WpHG § 34 Rn. 38). Der Syndikatsvertrag
dokumentiert, dass die Unternehmensgruppen auf die A SE einen beherrschenden
Einfluss im Sinne von § 22a Abs. 1 Nr. 2 WpHG aF ausüben, da sie koordiniert in der
Hauptversammlung der A SE vorgehen können (vgl. Vetter, in K. Schmidt/Lutter, AktG,
4. Aufl., § 17 Rn. 46). Dieses Prinzip der sog. Mehrmütterschaft ist auch seitens der BaFin
anerkannt (vgl. den auf www.bafin.de abrufbaren BaFin-Emittentenleitfaden vom
17. Dezember 2018, Modul B, Stand 9. Mai 2022, Modul B, S. 21 f.). Dass der A SE
wiederum die Stimmrechte der D AG nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG aF zugerechnet
werden, schadet nicht, da entsprechende Kettenzurechnungen anerkannt sind (vgl. Bayer,
in: MünchKommAktG, Band 1, 5. Aufl., WpHG § 34 Rn. 6 ff.; Schneider, in:
Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., WpHG § 34 Rn. 21 ff.), so
dass dem Mutterunternehmen die Stimmrechte des Tochterunternehmens in voller Höhe
zugerechnet werden (Schneider a.a.O. § 34 Rn. 40).
Vor diesem Hintergrund geht der von den Klägern zu 8) bis 10) mit ihren Berufungen (auf
Bl. 302 f. eA) wiederholt erhobene Einwand ins Leere, die Aktionärsgruppen hätten
unzulässigerweise nicht nach § 22 Abs. 2 WpHG aF gemeldet.
Vielmehr sind die Aktionärsgruppen durch Stimmrechtsmitteilungen im August 2008
– unter Nennung des Zurechnungstatbestandes nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3
WpHG aF – ihrer Meldepflicht nachgekommen (GA 575; vgl. Anlagen KE 15 und K 16
– AnlH III 605 ff. bzw. 610 ff.).
(2) Auch die Rügen der Kläger hinsichtlich der – aus ihrer Sicht fehlerhaften –
Mitteilungen in Bezug auf die Aktionärsgruppe O greifen nicht durch.
(a) Soweit die Kläger (auf GA 424) eine Meldepflichtverletzung daraus herzuleiten
suchen, dass die E Ltd. das zwischenzeitliche Unterschreiten der Meldeschwelle von 20 %
an der A SE nach dem 4. August 2008 und die Wiederaufstockung auf über 25 % im Juli
2014 nicht gemeldet hat, fehlt es an den Voraussetzungen der Meldepflicht, weil der
Syndikatsvertrag sowie die Syndikatsmitgliedschaft der E Ltd. und damit die
beherrschende Stellung mit der Folge der Stimmzurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
WpHG aF fortbestanden.
(b) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der Einwand der Kläger (auf GA 425, 645),
sämtliche Meldungen des Herrn O seien unzutreffend gewesen, weil er die T Holdings Ltd.,
an der er nur 13,18 % der Anteile halte, gar nicht kontrolliere.
Dass Herr O die T Holdings Ltd. kontrollierte, ergibt sich daraus, dass nach dem
unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten die durch Herrn O kontrollierte Firma U
Ltd. 40,01 % an der T hält. Zusammen mit seiner unmittelbaren Beteiligung, die die Kläger
mit 13,18 % und die Beklagte mit 15,05 % angegeben haben, ergibt sich – wie das
Landgericht zutreffend angenommen hat – die weitere Beherrschung der E Ltd. durch
Herrn O.
Diese durch die T Ltd. vermittelte Beherrschung der E Ltd. (durch Herrn O), die wiederum
die Zurechnung über die Beherrschung der A SE begründet, wird nicht dadurch
unterbrochen, dass die T Ltd. die E Ltd. nicht kontrolliere. Der von den Klägern zu 8)
bis 10) (auf GA 425) angeführte Umstand, dass die T Ltd. nicht 100 %, sondern nur
82,79 % an der E Ltd. halte, ändert nichts an der bestehenden Mehrheitsbeteiligung und
der daraus folgenden Beherrschung.
Vor diesem Hintergrund ist die im August 2008 erfolgte Stimmrechtsmitteilung des Herrn
O, dass sein Stimmrechtsanteil an der A AG (alt) die Schwelle von 75 % überschritten
habe, zutreffend. Entgegen der mit der Berufung (auf Bl. 302 eA) dokumentierten
Annahme der Kläger zu 8) bis 10) ergibt sich nichts anderes daraus, dass keine Mitteilung
hinsichtlich „U“ erfolgt sei. Die U ist/war nicht meldepflichtig, da sie allein als
Minderheitsaktionärin der T Ltd. keine beherrschende Stellung inne hat(te). Sie musste
daher in den Mitteilungen vom 7. Oktober 2016 und 10. Oktober 2016 nicht genannt
werden.
(3) Auch die Rügen der Kläger hinsichtlich der Mitteilung der Aktionärsgruppe F
greifen nicht durch.
(a) Soweit die Kläger die Fehlerhaftigkeit der Stimmrechtsmeldung darauf stützen,
dass – anders als in der Stimmrechtsmitteilung vom 4. August 2008 (Anlage KE 15 – AnlH
III 605 ff.) – in der Stimmrechtsmitteilung vom 7. Oktober 2016 oberhalb der Familien-
Privatstiftung Herr F nicht mehr erwähnt sei, vermögen sie damit nicht durchzudringen.
Die Stimmrechtsmitteilung vom 7. Oktober 2016 war ordnungsgemäß, obwohl sie Herrn F
nicht oberhalb der Familien-Privatstiftung auswies. Die Kläger haben nicht hinreichend
dargetan, dass Herr F die Stiftung im Jahr 2016 noch tatsächlich kontrolliert hat. Zwar
genügt es für die Erfüllung der Darlegungsanforderungen, dass die Kläger behaupten, Herr
F habe die Familienstiftung auch im Jahr 2016 weitergehend beherrscht. Die Angabe von
Einzelheiten zu einem bestimmten Umstand ist grundsätzlich nicht erforderlich, wenn diese
für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind. Doch kann eine Partei zu einer näheren
Darlegung angehalten sein, wenn die Gegenpartei ihre Darstellung substanziiert angreift.
Denn der Umfang der jeweils erforderlichen Substantiierung bestimmt sich aus dem
Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020
– VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 36, und vom 19. Mai 2011 – VII ZR 24/08, WM 2011,
2001 Rn. 14).
So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat (auf GA 1006) vorgetragen, dass die
Stimmrechtsmitteilung aus 2008 Herrn F über der Familien-Privatstiftung ausgewiesen
habe, da er zu jenem Zeitpunkt einzelvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der
Familien-Privatstiftung gewesen sei, er also allein über die Stimmrechtsausübung der
Familien-Privatstiftung habe entscheiden können. Diese Tätigkeit habe er jedoch im Jahr
2010 beendet und er sei seitdem nicht mehr Mitglied des Vorstandes der Familien-
Privatstiftung. Diesen Vortrag haben die Kläger nicht bestritten, sodass er nach § 138
Abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln ist. Danach wären die Kläger gehalten
gewesen, darzulegen, warum Herr F trotz Aufgabe seines Vorstandspostens bei der
Familien-Privatstiftung weiterhin eine kontrollierende Stellung einnimmt. Dem sind die
Kläger nicht nachgekommen. Der Verweis auf die Stimmrechtsmitteilung vom 4. August
2008 führt nicht weiter, da diese über den Fortbestand der Beherrschungslage in der
Folgezeit keine Auskunft gibt. Auch die Behauptung, Herr F sei Begünstigter der Familien-
Privatstiftung, greift nicht durch. Allein die Stellung als Begünstigter der Privatstiftung sagt
nichts über die Kontrolle der Stiftung als solche aus. Entsprechend verhält es sich, soweit
die Kläger zu 8) bis 10) (auf GA 648) darauf verweisen, dass im „Directors‘ dealing“ Herr F
hinsichtlich der Veränderung des Aktienbesitzes der Familien-Privatstiftung angeführt
würde (vgl. Anlage RE 38 – AnlH IV 106 ff.). Denn die Nennung als
Generalbevollmächtigter im „Directors‘ dealing“ sagt nichts über die Beherrschung durch
Herrn F aus. Nach Art. 19 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch
(„Marktmissbrauchsverordnung“ – im Folgenden: MAR) besteht für die A SE die
Verpflichtung, Eigengeschäfte von Führungskräften und von Personen, die mit den
Führungskräften in enger Beziehung stehen, zu melden. Die Annahme der für
Führungspersonen bzw. „einer eng verbundenen Person“ (in Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 bzw. in
Art. 3 Abs. 1 lit. 26 lit. d MAR) geregelten Voraussetzungen besagt jedoch nichts über
Beherrschung oder Kontrolle.
Schließlich kann eine Verletzung der Meldepflicht auch nicht darauf gestützt werden, dass
die Stimmrechtsmitteilung vom 4. August 2008 Herrn F weiterhin oberhalb der Familien-
Privatstiftung ausweist. Herr F war während des ganzen Zeitraums von 2008 bis zur
Stimmrechtsmitteilung vom 7. Oktober 2016 (bzw. vom 10. Oktober 2016) Mitglied des
Syndikats, woraus sich entsprechend dem oben Ausgeführten eine durchgehend
fortbestehende Überschreitung der 75 %-Meldeschwelle ergab. Der bloße Wegfall eines
Zurechnungstatbestandes ist für sich genommen nicht meldepflichtig (Schneider, in:
Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., WpHG § 33 Rn. 80;
Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl., § 21 Rn. 37).
(b) Der erstmals mit der Berufungsbegründung (auf Bl. 302 eA) erfolgte Vortrag
der Kläger zu 8) bis 10), die „Gruppe F“ sei eine „BGB-Gesellschaft“ und sei als solche
meldepflichtig gewesen, ist – unbeschadet des Umstands, dass die Beklagte diesem (auf
Bl. 380 f. eA) entgegengetreten ist – ohne jede Substanz und daher unbeachtlich.
(4) Ebenfalls ohne Erfolg bleiben die Berufungen, soweit sie hinsichtlich der
Aktionärsgruppe G ihre Rügen aufrechterhalten.
Der von den Klägern (auf GA 426) erhobene Einwand, die P Holding GmbH habe wegen
einer am 20. Juni 2015 erfolgten Übertragung von Geschäftsanteilen an der
W-Baubeteiligungs-GmbH auf die Q Beteiligungs-GmbH eine entsprechende Mitteilung
des Unterschreitens der Mitteilungsschwelle auf Null nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF
machen müssen, greift nicht durch. Die P Holding GmbH hat trotz der vorgenannten
Geschäftsanteilsübertragung keine Meldeschwelle unterschritten, weil aufgrund ihrer
Mitgliedschaft im Syndikat eine entsprechende Stimmrechtszurechnung erfolgt (vgl. § 22
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22a Abs. 1 WpHG aF).
Dass die P Holding GmbH nach Übertragung der Geschäftsanteile nicht mehr Mitglied des
Syndikats gewesen ist, haben die für die Voraussetzung des von ihnen reklamierten
Rechtsverlusts nach § 28 Abs. 1 WpHG aF beweisbelasteten Kläger jedenfalls nicht
nachgewiesen. Einen unmittelbaren Beweis für den Verlust der Syndikatsmitgliedschaft
haben sie nicht angeboten. Auch haben sie über eine Gesamtschau aus Indizien den
ihnen obliegenden Nachweis nicht erbracht. Zwar führen sie (auf GA 650) an, dass eine
Mitgliedschaft im Syndikat ausgeschlossen sei, da der P Holding GmbH keine Beteiligung
an der W-Baubeteiligungs-GmbH mehr gehöre und sie deswegen die Voraussetzung der
Mindestbeteiligung nicht mehr erfülle. Allerdings steht es zwischen den Parteien im Streit,
ob der P Holding GmbH auch nach der im Juni 2015 erfolgten Übertragung der
Geschäftsanteile eine Restbeteiligung an der W-Baubeteiligungs-GmbH verblieben ist. Die
Beklagte hat (auf GA 1008) behauptet, dass nur 80 % der Beteiligung an der
W-Baubeteiligungs-GmbH von der P Holding GmbH auf die Q Beteiligungs-GmbH
übertragen worden und die restlichen 20 % bei ihr verblieben seien, ohne dass die Kläger
dies zum Anlass genommen haben, für ihre gegenteilige Behauptung Beweis anzutreten.
Tatsächlich wird die Richtigkeit des Beklagtenvorbringens durch die von den Klägern
vorgelegte Veröffentlichung einer Mitteilung gemäß § 93 östBörseG (vgl. Anlage K 10 –
AnlH II 536) gestützt, in der ausgewiesen ist, dass die P Holding GmbH nur „einen Teil
ihres Geschäftsanteils an der W-Baubeteiligungs GmbH“ an die Q Beteiligungs-GmbH
übertragen habe. Soweit die Kläger zu 8) bis 10) (auf GA 1109) als weiteres Indiz für die
fehlende Syndikatsmitgliedschaft den Geschäftsbericht für das Jahr 2016 anführen, aus
dem sich ergibt, dass die P Holding GmbH nicht mehr als Syndikatsmitglied ausgewiesen
ist, verhilft ihnen auch das nicht zum Erfolg. Denn hieraus folgt kein Indiz hinsichtlich der
fehlenden Mitgliedschaft für den Zeitraum vom 20. Juni 2015 bis 4. Juli 2015.
Die unter dem 4. Juli 2015 erfolgte Verschmelzung der P Holding GmbH auf die G-Holding
Niederösterreich-S Genossenschaft mbH (nachstehend: G-Holding) vom 4. Juli 2015 und
die damit entfallende Syndikatsmitgliedschaft konnte für die P Holding GmbH keine
Mitteilungspflicht mehr auslösen, denn mit der Verschmelzung war diese nicht mehr
rechtlich existent, war ihr mithin eine Meldung nicht mehr möglich. Der in diesem
Zusammenhang stehende Einwand der Kläger (auf GA 426), es habe jedenfalls die
G-Holding nach der Verschmelzung eine entsprechende Mitteilung des Unterschreitens
der Meldeschwelle machen müssen, greift ebenfalls nicht durch. Da schon für die P
Holding GmbH keine Meldepflicht begründet war, konnte eine solche auch nicht auf die
G-Holding übergehen. Auch ist der G-Holding aus der Verschmelzung vom 4. Juli 2015
eine Meldepflicht im Sinne einer Null-Meldung für die (erloschene) P Holding GmbH nicht
erwachsen. Die in § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF statuierte Meldepflicht stellt vielmehr
darauf ab, ob die dort genannten Schwellenwerte beim Meldepflichtigen überschritten oder
unterschritten würden. Da die G-Holding die Rolle des Meldepflichtigen einnehmen
müsste, kommt es auf ihre Schwellenwerte an. Diese lagen jedoch gerade nicht bei Null,
sondern galten auch nach der Verschmelzung unverändert fort; insbesondere hat die
Verschmelzung nicht zu einer Überschreitung eines die Meldepflicht auslösenden
Schwellenwerts geführt, hatte doch die G-Holding bereits in der Stimmrechtsmitteilung
vom 4. August 2008 (vgl. Anlage KE 15 – AnlH III 605 ff.) die Überschreitung der
(höchsten) 75 %-Schwelle angezeigt, weshalb ein weiterer Zuerwerb melderechtlich
irrelevant war.
(5) Die Kläger können ferner einen Rechtsverlust nach § 28 WpHG aF nicht darauf
stützen, dass – wie sie behaupten – im Rahmen der Gruppe H fehlerhafte Meldungen
gemacht worden seien. Ihre Rüge (auf GA 427), in der zum Zeitpunkt der
Hauptversammlung vom 24. März 2017 vorliegenden Stimmrechtsmitteilung vom
7./10. Oktober 2016 sei lediglich die Konzernmutter (H Insurance Group AG) angegeben,
nicht aber deren Hauptaktionäre, greift nicht durch.
(a) Der (auf GA 427) zur Begründung angeführte Einwand, die H
Versicherungsverein Privatstiftung sei meldepflichtig gewesen, da sie im Zeitpunkt der
Hauptversammlung 49 % der Aktien der H Insurance Group AG gehalten und aufgrund der
unter 100 % liegenden Hauptversammlungspräsenz von einer Beherrschung durch die H
Versicherungsverein Privatstiftung auszugehen sei, greift nicht durch. Auf Grundlage des
vorgenannten Klagevorbringens kann eine Meldepflicht der H Versicherungsverein
Privatstiftung nicht angenommen werden.
Eine Meldepflicht folgt nicht aus § 21 Abs. 1 Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22a Abs. 1
WpHG aF. Es kann nicht angenommen werden, dass die H Insurance Group AG
Tochterunternehmen der H Versicherungsverein Privatstiftung im Sinne von § 22a Abs. 1
WpHG aF ist. Zu den Voraussetzungen des § 22a Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF in Verbindung
mit § 290 HGB haben die Kläger auch in der Berufungsbegründung keine Ausführungen
gemacht. Auch ein beherrschender Einfluss durch die H Versicherungsverein Privatstiftung
nach § 22a Abs. 1 Nr. 2 WpHG aF kann nicht angenommen werden. Dem Landgericht ist
darin beizutreten, dass die von den Klägern (auf GA 427) zur Begründung eines
beherrschenden Einflusses allein angeführte Aktienbeteiligung von 49 % ab 2017 bei
gleichzeitig unter 100 % liegender Hauptversammlungsbeteiligung die Annahme eines
beherrschenden Einflusses nicht trägt. Ein beherrschender Einfluss besteht, wenn der
Meldepflichtige die Geschäftspolitik des Tochterunternehmens, insbesondere aber die
Bestellung, Abberufung, Anstellung und Vergütung der geschäftsführenden
Organmitglieder wesentlich bestimmen kann (Schneider, in: Assmann/Schneider/Mülbert,
Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., WpHG § 35 Rn. 9). Hierbei können die Grundsätze des
§ 17 AktG für die Bestimmung des beherrschenden Einflusses herangezogen werden
(Bayer, in: MünchKommAktG, Band 1, 5. Aufl., WpHG § 35 Rn. 4). Dementsprechend kann
auch eine unter 50 % liegende Beteiligung in Verbindung mit weiteren verlässlichen
Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art eine Abhängigkeit im Sinne von § 17 AktG
begründen, wenn die abstrakte Möglichkeit einer beständigen und umfassenden
gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussnahme besteht (vgl. BGH, Urteil vom
15. Dezember 2011 – I ZR 129/10, WM 2012, 1121 Rn. 16). Dies kann etwa der Fall sein,
wenn die Hauptversammlungen einer Aktiengesellschaft aufgrund von Streubesitz
erfahrungsgemäß so schlecht besucht sind, dass die unter 50 % liegende Beteiligung
eines Großaktionärs regelmäßig ausreicht, um für einen längeren Zeitraum Beschlüsse mit
einfacher Mehrheit durchzusetzen (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 – I ZR 129/10,
WM 2012, 1121 Rn. 16).
Dass die abstrakte Möglichkeit einer solchermaßen beständigen und umfassenden
gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussnahme für die H Versicherungsverein
Privatstiftung besteht, haben die Kläger mit der bloßen Angabe der
Hauptverhandlungsbeteiligungen für die Jahre 2012 bis 2016 nicht dargetan. Auch haben
sie nicht dargelegt, dass auch schon zu jener Zeit der Anteil des Aktienbesitzes der H
Versicherungsverein Privatstiftung bei 49 % gelegen hat. Diesbezüglich hat die Beklagte
(auf GA 568) behauptet, dass erst im Dezember 2016 der entsprechende Erwerb auf 49 %
stattgefunden habe und vorher nur ein Anteil in Höhe von 30,9 % bestanden habe. Soweit
die Kläger sich darauf beschränkt haben, dieses Beklagtenvorbringen mit Nichtwissen zu
bestreiten, bleiben sie darlegungsfällig, denn als Anfechtungskläger tragen sie für den auf
§ 28 WpHG aF gestützten Rechtsverlust die Darlegungs- und Beweislast, weshalb sie
konkret und unter Beweisantritt hätten darlegen müssen, wie lange der Anteil in Höhe von
49 % bestanden hatte. Ohne eine solche Darlegung bleibt ungewiss, ob die unter 50 %
liegende Beteiligung ausreicht, um für einen längeren Zeitraum Beschlüsse mit einfacher
Mehrheit durchzusetzen. Vor 2017 bestand diese Möglichkeit für die H
Versicherungsverein Privatstiftung mit einem Stimmrechtsanteil in Höhe von 30,9 % bei
einer Mindestbeteiligung an der Hauptversammlung von 77,5 % nicht. Bis zu der dem
vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden Hauptversammlung der A AG (alt) am
24. März 2017 war eine erneute Hauptversammlung der H Insurance Group AG nicht
durchgeführt worden, so dass am 24. März 2017 nicht feststand, ob auch bei einem neuen
Stimmrechtsanteil der H Versicherungsverein Privatstiftung in Höhe von 49 % die
Hauptversammlung weitergehend so schlecht besetzt sein würde, dass dies zur
Durchsetzung der Forderungen ausreichen würde und insoweit eine beständige
Durchsetzungsmöglichkeit begründen würde. Es blieb mithin offen, ob die
Hauptversammlung angesichts der insoweit drohenden Beherrschung durch die H
Versicherungsverein Privatstiftung eine höhere Hauptversammlungspräsenz aufweisen
würde.
(b) Ein derartig beherrschender Einfluss ergibt sich – entgegen der Annahme der
Kläger (auf GA 427) – auch nicht aus der Syndikatsstruktur zwischen der H
Versicherungsverein Privatstiftung, der Y Versicherungsverein Privatstiftung und der Z
Versicherungsbeteiligung GmbH, die gemeinsam 64,37 % der Stimmrechte gehalten
haben.
Für eine Beherrschung (in Form der sog. Mehrmütterschaft) der H Insurance Group AG
durch das Syndikat aus H Versicherungsverein Privatstiftung, der Y Versicherungsverein
Privatstiftung und der Z Versicherungsbeteiligung GmbH sind die Kläger jedenfalls
beweisfällig geblieben. Eine solche Mehrmütterschaft ist nur dann gegeben, wenn mehrere
Gesellschafter in einer koordinierten Weise gemeinsam einen beherrschenden Einfluss
ausüben können. Voraussetzung ist dafür, dass eine echte Stimmbindung besteht (vgl.
Vetter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 17 Rn. 46). Für den vorliegend relevanten
Fall der Kettenzurechnung müsste sich eine solche Stimmbindung jedoch auch auf die
Ausübung des Stimmrechts im Hinblick auf die der H Insurance Group AG zustehenden
Stimmrechte in der A SE beziehen. Eine Kettenzurechnung ist nur möglich, soweit der
Meldepflichtige Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte hat (vgl. Schneider, in:
Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., WpHG § 34 Rn. 24). Dieser
Einfluss des Syndikats aus H Versicherungsverein Privatstiftung, der Y
Versicherungsverein Privatstiftung und der Z Versicherungsbeteiligung GmbH kann im
Hinblick auf die Stimmrechte in der Hauptversammlung der A AG (alt) aber nur
angenommen werden, wenn die Koordinierungsvereinbarung auch die Stimmrechte der H
Insurance Group AG in der Hauptversammlung der A SE betraf, da nur dadurch der
mittelbare Einfluss auf die A AG (alt) vermittelt würde.
Dass der Syndikatsvertrag auch diese Stimmrechte der H Insurance Group AG betrifft,
haben die Kläger nicht bewiesen. Ein entsprechender Nachweis war aber erforderlich, weil
die Beklagte (auf GA 587) behauptet hat, dass die Syndikatsvereinbarung inhaltlich nur auf
das Versicherungsgeschäft beschränkt gewesen sei und Finanzbeteiligungen der H
Insurance Group AG, auch diejenige an der A SE, nicht erfasst habe. Zur Substanziierung
ihres Vorbringens hat die Beklagte ein Schreiben der H Insurance Group AG angefügt, das
den von der Beklagten behaupteten Inhalt der Syndikatsvereinbarung bestätigt (vgl.
Anlage KE 22 – AnlH III 621 ff.). Dessen ungeachtet haben die Kläger keinen Beweis für
den Inhalt der Syndikatsvereinbarung angeboten; auch der von den Klägern (auf GA 652)
auszugsweise zitierte Geschäftsbericht für das Jahr 2016 gibt keinen Aufschluss über den
Inhalt der Vereinbarung.
(6) Schließlich lässt sich eine Rechtsverlust nach § 28 WpHG aF auch nicht darauf
stützen, dass – wie die Kläger (auf GA 428, 1113 f.) meinen – das A SE-Syndikat
seinerseits eine BGB-Gesellschaft darstelle, die ihrerseits wiederum meldepflichtig
gewesen sei.
(a) Die Kläger tragen keine Umstände dafür vor, dass das Syndikat als solches
überhaupt Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Im Ansatz fehl geht die von ihnen
mit der Bezeichnung „BGB-Gesellschaft“ suggerierte Annahme, dass insoweit deutsches
Recht zur Anwendung gelangt. Da nach dem Klagevorbringen nichts ersichtlich ist, was
auf eine über den Syndikatsvertrag aus 2007 hinaus gehende körperschaftliche Struktur,
einen „Sitz“ oder ein Handeln mit Außenwirkung des Syndikats hindeuten könnte, beurteilt
sich die Frage nach dem Vertragsstatut gemäß Artt. 27 f. EGBGB aF, da die Verordnung
(EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) vom 17. Juni 2008 (ABl. EU
Nr. L 177 S. 6, ber. in ABl. EU 2009 Nr. L 309 S. 87) nach ihrem Art. 28 nur auf Verträge
Anwendung findet, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen werden. Da die
gesellschaftsrechtliche Bereichsausnahme in Art. 37 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB aF insoweit
keine Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – IV ZR 69/14, NJW 2015,
2581 Rn. 12; ebenso für die Rom I-VO: Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Internationales
Vertragsrecht, 9. Aufl., Rn. 6.156; Thorn, in: Grüneberg, BGB, Rom I Art. 1 Rn. 12) und
weder dargetan noch ersichtlich ist, dass die am Syndikatsvertrag beteiligten Parteien eine
Rechtswahl getroffen haben, findet das Sachrecht des Staates Anwendung, zu dem der
Syndikatsvertrag die engste Verbindung aufweist (Art. 28 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1
EGBGB aF). Das ist hier – da mit Ausnahme der E-Gruppe alle anderen
Syndikatsvertragsparteien ihren Sitz in Österreich haben und Zielobjekt der
Syndikatsvereinbarung mit der A SE eine Gesellschaft mit Sitz in Österreich ist – die
Republik Österreich, nach deren Sachrecht die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht
rechtsfähig ist (Art. 1175 Abs. 2 ABGB). Diese Beurteilung des österreichischen Rechts ist
auch im Rahmen des § 21 WpHG zu berücksichtigen (vgl. Zimmermann, in: Fuchs,
WpHG, 2. Aufl., § 21 Rn. 4 aE; Schneider, Assmann/Schneider/Mülbert,
Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., WpHG § 33 Rn. 18; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG,
4. Aufl., Anh zu § 22: WpHG § 33 Rn. 8).
Dies führt vorliegend dazu, dass das Syndikat nicht meldepflichtig war/ist, selbst wenn
man im Sinne der Kläger im Ausgangspunkt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts
annimmt. Denn die in § 21 WpHG statuierte Meldepflicht setzt voraus, dass der
Meldepflichtige selbst rechtsfähig ist (vgl. Bayer, in: MünchKommAktG, Band 1, 5. Aufl.,
WpHG § 33 Rn. 3; Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl., § 21 Rn. 4 f.; jeweils m.w.N.),
woran es hier fehlt.
(b) Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf
an, dass selbst bei Annahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach deutschem
Recht eine Meldepflicht zu verneinen wäre. Insoweit ist anerkannt, dass unter den
Gesellschaften bürgerlichen Rechts allenfalls die Außen-GbR selbst meldepflichtig ist, da
nur diese Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann (vgl. Fuchs a.a.O. Rn. 4; von Hein,
in: Schwark/Zimmer, KMRK, 5. Aufl., WpHG § 33 Rn. 11; Heinrich, in: Heidel, Aktienrecht
und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., WpHG § 33 Rn. 5; Schneider, Assmann/Schneider/Mülbert,
Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., WpHG § 33 Rn. 10; Veil a.a.O. Rn. 6). Es ist jedoch
weder dargetan noch ersichtlich, dass eine solche Außen-GbR begründet sein könnte. Die
Kläger sind substanziierten Vortrag dazu, dass das Syndikat nach außen tätig gewesen
sein könnte, schuldig geblieben. Soweit sie sich darauf zurückziehen, die Annahme einer
bloßen Innen-GbR mit Nichtwissen zu bestreiten und eine fehlende Vorlage der
Syndikatsverträge durch die Beklagte anzumerken, verkennen sie, dass sie selbst
darlegungsbelastet sind und daher zumindest ansatzweise hätten darlegen müssen, dass
überhaupt ein Handeln nach außen vorgelegen habe. Daran fehlt es.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711
ZPO.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 543
Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Verneinung des Rechtsmissbrauchs, dessen
Annahme der Senat im Ausgangspunkt im Sinne der Kläger in den Raum gestellt hat,
beruht auf einer Würdigung der den vorliegenden Fall prägenden Umstände.
III.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird – nach Maßgabe der nachstehenden
Ziffer 4. – auf bis zu 110.000 € festgesetzt
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG. Den Streitwert für
Anfechtungsklagen bemisst das Prozessgericht nach billigem Ermessen. Maßgeblich ist
die Bedeutung der Sache für beide Parteien (BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 1999 – II ZR
313/97, NJW-RR 1999, 1485, und vom 10. November 2009 – II ZR 196/08, NZG 2009,
1438 Rn. 3). Die Bedeutung der Anfechtung der streitgegenständlichen
Hauptversammlungsbeschlusses orientiert sich einerseits am Interesse der Kläger, die
zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlusses vom 24. März
2017 als Aktionäre an der A AG (alt) beteiligt waren, andererseits an dem Interesse der
Beklagten an der Aufrechterhaltung des Beschlusses.
1. Der Wert der von den Klägern zu Verfahrensbeginn (im April 2017) gehaltenen
Aktien ist dabei nicht maßgeblich, weil die Kläger ihren Aktienbesitz nicht
entschädigungslos einbüßen sollten, mithin mit den Anfechtungsklagen nicht deren voller
Wertverlust abgewendet werden sollte (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Januar 2021 – 18 U
161/17, NZG 2021, 469, 470). Auch kann für das Interesse der Kläger nicht auf die
Differenz zwischen der von ihnen erstrebten Barabfindung und der im
Übertragungsbeschluss vorgesehenen Barabfindung abgestellt werden. Das Ziel, eine
höhere Abfindung zu erhalten, konnten die Kläger mit ihren gegen den
Übertragungsbeschluss gerichteten Anfechtungsklagen, die im Erfolgsfall den Erhalt der
Aktien zur Folge gehabt hätten, nicht erreichen (Senatsbeschluss vom 4. Januar 2021
a.a.O.).
2. Für die Zeit nach der Freigabeentscheidung des Senates vom 14. Dezember
2017 und der am 29. Dezember 2017 erfolgten Eintragung der Verschmelzung in das
Handelsregister und der damit einhergehenden Auflösung der A AG (alt) kommt es für die
Bemessung des Streitwertes nur noch auf den Schadensersatzanspruch an, der den
Klägern nach § 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG in Verbindung mit § 327e Abs. 1, § 319 Abs. 6
Satz 10 AktG zustehen könnte (Senatsbeschluss vom 4. Januar 2021 a.a.O.).
a) Hierbei sind – allerdings nur für die von der im Freigabeverfahren abgegebenen
Kostenübernahmeerklärung der Beklagten vom 22. November 2017 nicht erfassten Kläger
zu 2), zu 3) und zu 8) – zunächst die im Freigabeverfahren (bei einem Streitwert von
500.000 €) entstandenen Verfahrenskosten anzusetzen. Dabei handelt es sich in erster
Linie um die eigenen Rechtsanwaltskosten; diese belaufen sich (auf Grundlage der in
2017 maßgeblichen Gebührentabelle) auf
0,75 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3325 VV RVG 2.409,75 €
0,50 Terminsgebühr gem. Nr. 3332 VV RVG 1.606,50 €
Postpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
USt. (19 %) gem. Nr. 7008 VV RVG 766,89 €
4.803,14 €
Berücksichtigt man die gemäß Nr. 1641 KV GKG angefallenen Gerichtskosten (5.304 €)
und legt man diesbezüglich und hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten
der Antragstellerin des Freigabeverfahrens (4.803,14 €) eine anteilige Tragung durch die
Kläger in Höhe von jeweils 10 % (= 1.010,71 €) zugrunde, beläuft sich die aus dem
Freigabeverfahren für die vorgenannten drei Kläger resultierende Kostenlast auf jeweils
rund 5.814 €.
b) Im Übrigen sind die im Spruchverfahren für die Kläger angefallenen und
potenziell anfallenden Verfahrenskosten zu berücksichtigen, wobei mit Blick auf die für die
Gerichtskosten gegebene grundsätzliche Kostenschuldnerschaft des Antragsgegners des
Spruchverfahrens (vgl. § 23 Nr. 14 GNotKG, § 15 Abs. 1 SpruchG), die auch für das
Beschwerdeverfahren gilt (Kubis, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., SpruchG § 15 Rn. 16),
lediglich die eigenen Rechtsanwaltskosten zu berücksichtigen sind. Diese bemessen sich
– unter Berücksichtigung des in § 74 Satz 1 GNotKG eröffneten Geschäftswertrahmens
(200.000 € bis 7,5 Mio €) – nach dem für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren
maßgeblichen Geschäftswert nach § 31 RVG. Im Hinblick darauf, dass von Klägerseite
(etwa auf Bl. 270 eA) moniert wird, die D AG habe eine Erhöhung der Abfindung nur um
13,24 € statt um 54 € (Differenz: 40,76 €/Aktie) für berechtigt erachtet, und eingedenk des
Umstandes, dass alleine die Berufungskläger rund 165.144 Aktien repräsentieren – das
sind, bezogen auf den früher auf Minderaktionäre entfallenden Aktienanteil von 6,37 % von
4.030.00 Aktien (= 256.711 Aktien), rund 65 % –, wird im Folgenden unterstellt, dass im
Spruchverfahren 95 % der (früheren) Minderheitsaktionäre vertreten sind; das entspricht
einer im Spruchverfahren vertretenen Gesamtzahl von 243.875 Aktien, weshalb der Senat
für die Berechnung der Gebühren einen Geschäftswert von 7,5 Mio. € zugrunde legt.
aa) Für die Klägerin zu 1), die 10.005 Aktien gehalten hatte (GA 35), ist das
Spruchverfahren mit (potenziellen) Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 17.372,93 €
verbunden, die sich – wie folgt – zusammensetzen:
Verfahren erster Instanz:
StW: 7,5 Mio. €
anteiliger Streitwert (§ 31 Abs. 1 RVG) 307.688,24 €
1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG 3.571,10 €
1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG 3.296,40 €
Postpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
USt. (19 %) gem. Nr. 7008 VV RVG 1.308,63 €
Gesamt: 8.196,13 €
Beschwerdeverfahren:
StW: 7,5 Mio. €
anteiliger Streitwert (§ 31 Abs. 1 RVG) 307.688,24 €
RVG Anl 1 Vorbem. 3.2.1 Ziffer 2 lit. i):
1,6-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV RVG 4.395,20 €
1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3202 VV RVG 3.296,40 €
Postpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
USt. (19 %) gem. Nr. 7008 VV RVG 1.465,20 €
Gesamt: 9.176,80 €
bb) Für den Kläger zu 2), der eine Aktie gehalten hatte (vgl. AnlH I 85), ist das
Spruchverfahren mit (potenziellen) Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 2.154,14 €
verbunden, die sich – wie folgt – zusammensetzen:
Verfahren erster Instanz:
StW: 7,5 Mio. €
anteiliger Streitwert (§ 31 Abs. 1 Satz 4 RVG) 5.000 €
1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG 434,20 €
1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG 400,80 €
Postpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
USt. (19 %) gem. Nr. 7008 VV RVG 162,45 €
1.017,45 €
Beschwerdeverfahren:
StW: 7,5 Mio. €
anteiliger Streitwert (§ 31 Abs. 1 Satz 4 RVG) 5.000 €
RVG Anl 1 Vorbem. 3.2.1 Ziffer 2 lit. i):
1,6-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV RVG 534,40 €
1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3202 VV RVG 400,80 €
Postpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
USt. (19 %) gem. Nr. 7008 VV RVG 181,49 €
1.136,69 €
cc) Entsprechend, mithin ebenfalls mit (potenziellen) Verfahrenskosten in Höhe
von jeweils insgesamt 2.154,14 € verbunden, verhält es sich für die Kläger zu 8) (vgl. AnlH
I 85) und zu 9), die – die Klägerin zu 9) vermutet gemäß § 31 Abs. 1 Satz 3 RVG – jeweils
eine Aktie gehalten hatten, sowie für die Klägerin zu 3), die drei Aktien gehalten hatte (vgl.
AnlH I 85) und die Klägerin zu 10), die 40 Aktien gehalten hatte (vgl. AnlH I 85).
dd) Für die Erben nach dem Kläger zu 4), der 136.574 Aktien gehalten hatte (vgl.
AnlH I 83), ist das Spruchverfahren mit (potenziell) Verfahrenskosten in Höhe von
insgesamt 99.376,55 € verbunden, die sich – wie folgt – zusammensetzen:
Verfahren erster Instanz:
StW: 7,5 Mio. €
anteiliger Streitwert (§ 31 Abs. 1RVG) 4,2 Mio. €
1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG 20.473,70 €
1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG 18.898,80 €
Postpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
USt. (19 %) gem. Nr. 7008 VV RVG 7.484,58 €
46.877,08 €
Beschwerdeverfahren:
StW: 7,5 Mio. €
anteiliger Streitwert (§ 31 Abs. 1RVG) 4,2 Mio. €
RVG Anl 1 Vorbem. 3.2.1 Ziffer 2 lit. i):
1,6-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV RVG 25.198,40 €
1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3202 VV RVG 18.898,80 €
Postpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
USt. (19 %) gem. Nr. 7008 VV RVG 8.382,27 €
52.499,47 €
ee) Für die Klägerin zu 5), die 18.519 Aktien gehalten hatte (vgl. GA 218), ist das
Spruchverfahren mit (potenziell) Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 24.449,39 €
verbunden, die sich – wie folgt – zusammensetzen:
Verfahren erster Instanz:
StW: 7,5 Mio. €
anteiliger Streitwert (§ 31 Abs. 1RVG) 569.523 €
1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG 5.029,70 €
1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG 4.642,80 €
Postpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
USt. (19 %) gem. Nr. 7008 VV RVG 1.841,58 €
Gesamt: 11.534,08 €
Beschwerdeverfahren:
StW: 7,5 Mio. €
anteiliger Streitwert (§ 31 Abs. 1RVG) 569.523 €
RVG Anl 1 Vorbem. 3.2.1 Ziffer 2 lit. i):
1,6-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV RVG 6.190,40 €
1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3202 VV RVG 4.642,80 €
Postpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
USt. (19 %) gem. Nr. 7008 VV RVG 2.062,11 €
Gesamt: 12.915,31 €
c) Ein darüber hinaus gehender Schaden ist weder dargelegt noch ersichtlich. Ein
solcher liegt insbesondere nicht im Wert der Aktien, denn soweit dieser über den im
Übertragungsbeschluss vorgesehenen Abfindungsbetrag hinausgeht, ist dies nach § 327f
Satz 2 AktG der Feststellung im Spruchverfahren vorbehalten (Senatsbeschluss vom
4. Januar 2021 a.a.O.).
4. Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, den Streitwert für die Zeit
nach der Freigabe und somit für das Berufungsverfahren auf bis zu 110.000 €
festzusetzen (Berufung der Erben nach den Kläger zu 4: bis 110.000 €; Berufung der
Klägerin zu 1: bis 19.000 €; Berufungen der Kläger zu 2, zu 3 und zu 8: jeweils bis zu
8.000 €; Berufung der Klägerin zu 5: bis 25.000 €; Berufungen der Klägerinnen zu 9 und
zu 10: jeweils bis zu 4.000 €).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Köln
Erscheinungsdatum:23.06.2022
Aktenzeichen:18 U 213/20
Rechtsgebiete:
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Umwandlungsrecht
Aktiengesellschaft (AG)
Konzernrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
UmwG § 62 Abs. 5; AktG §§ 17, 67 Abs. 2, 131 Abs. 1 S. 1, 147, 243 Abs. 4 S. 2, 305, 311, 317, 319 Abs. 6, 327 ff.; EGBGB a. F. Art. 27 f., 35 Abs. 1, 37 Abs. 1 Nr. 2; FamFG § 26; GG Art. 12, 14, 20 Abs. 3; HGB § 290; öABGB § 1175 Abs. 2; SpruchG §§ 7 Abs. 7, 8 Abs. 3, 15, 17 Abs. 1; WpHG a. F. §§ 21, 22, 22a, 28