Keine Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bei Vertragsänderung und -übernahme
letzte Aktualisierung: 8.4.2021
FG Hamburg, Urt. v. 7.8.2020 – 3 K 171/19
Keine Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs nach
Vertragsänderung und -übernahme
Die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs i. S. des
zivilrechtliche Aufhebung des ursprünglichen Vertrages voraus. Hieran fehlt es, wenn ein Vertrag
über insgesamt sechs Grundstücke formal aufgehoben und im unmittelbaren Anschluss ein neuer
Kaufvertrag mit der bisherigen Erwerberin, einer GmbH, über vier Grundstücke und ein weiterer
Kaufvertrag mit einer z. T. gesellschafteridentischen GbR über zwei Grundstücke geschlossen wird,
wobei ohne weitere inhaltliche Änderungen der ursprüngliche Kaufpreis anteilig aufgeteilt wird und
alle Verträge identische aufschiebende Bedingungen enthalten. Dies ist vielmehr als eine
Vertragsänderung in Bezug auf die GmbH und eine Vertragsübernahme in Bezug auf die GbR
auszulegen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die
Einzelrichterin.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Ablehnungsbescheid vom 23. Mai 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.
Juni 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1
FGO). Der Beklagte ist nicht verpflichtet, die Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 20. Juni
2016 aufzuheben, weil die Voraussetzungen für eine Rückgängigmachung des
Erwerbsvorgangs gemäß
Grundsatz von Treu und Glauben ist der Beklagte hierzu ebenso wenig verpflichtet (3.).
Nach
aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang vor dem Übergang des Eigentums am Grundstück
auf den Erwerber durch Vereinbarung der Vertragspartner innerhalb von zwei Jahren seit
der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird. "Rückgängig gemacht" ist ein
Erwerbsvorgang, wenn über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand
erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus die Vertragspartner sich derart aus ihren vertraglichen
Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht
beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung
wiedererlangt (BFH, Urteile vom 15. Januar 2019, VII R 23/17, BStBl II 2019, 329; vom 5.
September 2013, II R 16/12, BStBl II 2014).
1. Im Streitfall fehlt es bereits an einer zivilrechtlichen Aufhebung des Kaufvertrages vom
30. März 2016.
a) aa) Die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs erfordert zunächst, dass sämtliche
Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang zivilrechtlich aufgehoben und die Vertragsparteien so
gestellt werden, als wäre dieser nicht zustande gekommen (Loose in Boruttau, GrEStG, 19.
Aufl., § 16 Rn. 33).
bb) Ein schwebend unwirksamer Aufhebungsvertrag berührt die Rechtsstellung des
Veräußerers aus dem ursprünglichen Kaufvertrag noch nicht (BFH, Urteil vom 21. Februar
2006, II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700).
cc) Im Falle einer Vertragsübernahme, bei der ein Dritter in die vertragliche Rechtsstellung
des bisherigen Grundstückserwerbers eintritt, wird der Veräußerer trotz seiner Mitwirkung
an der Umschaffung des Vertragsverhältnisses aus seiner ursprünglichen Verpflichtung
bereits rechtlich nicht entlassen und
Boruttau, GrEStG, 19. Aufl., § 16 Rn. 35). Ob eine Vertragsübernahme vorliegt oder aber
eine Aufhebung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs verbunden mit einem Neuabschluss,
ist im Einzelfall durch Vertragsauslegung zu ermitteln, die nicht notwendigerweise an den
Wortlaut der Vereinbarung gebunden ist. Zu berücksichtigen sind die
Entstehungsgeschichte der geschlossenen Verträge, der mit ihnen verfolgte Zweck und die
Interessenlage der Parteien (FG Bremen, Urteil vom 5. Februar 2003, 2 K 224/01, EFG
2003, 1403). So kann, auch wenn der ursprüngliche Vertrag formal aufgehoben und das
Grundstück in derselben Urkunde zu denselben Bedingungen an einen anderen Erwerber
veräußert wird, eine Vertragsübernahme anzunehmen sein (vgl. BFH, Urteil vom 6.
Oktober 1976, II R 131/74, BStBl II 1977, 253; FG Bremen, Urteil vom 5. Februar 2003, 2
K 224/01,
1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 7 GrEStG zwischen dem ursprünglichen Käufer und dem Dritten
kommt (BFH, Urteil vom 22. September 2010, II R 36/09, BFH/NV 2011, 304; Pahlke,
GrEStG, 6. Aufl, § 1 Rn. 99). Eine Vertragsübernahme liegt vor, wenn sich die Beteiligten
im Wesentlichen auf einen Austausch der Käuferseite beschränken (Loose in Boruttau,
GrEStG, 19. Aufl., § 16 Rn. 35; FG Hamburg, Beschluss vom 31. Januar 1996, II 4/95,
Wird ein Kaufvertrag dagegen über diesen Austausch hinaus in weiteren Punkten - etwa
bzgl. Kaufgegenstand oder Kaufpreis - geändert, kann dies dem Neuabschluss eines
Grundstückskaufvertrages zwischen dem ursprünglichen Veräußerer und dem Dritten
gleichkommen (BFH, Urteil vom 22. Januar 2003, II R 32/01, BStBl II 2003, 526; FG
Hamburg, Urteil vom 18. Mai 2010, 3 K 24/10, juris).
dd) Heben die Partner eines Grundstückskaufvertrags diesen zwar auf, schließen jedoch
dieselben Personen im unmittelbaren Anschluss an die Aufhebung einen neuen Vertrag über
dasselbe Grundstück - wenn auch ggf. mit modifizierten Bedingungen (z.B. bezüglich der
Höhe des Kaufpreises) -, so ist damit der ursprüngliche Vertrag in der Regel nicht
"rückgängig gemacht". Zumindest grunderwerbsteuerrechtlich ist dies unabhängig von der
zivilrechtlichen Beurteilung vielmehr regelmäßig als Vertragsänderung zu werten. Aus
einem solchen Geschehensablauf wird jedenfalls die Absicht der Beteiligten deutlich, sich
nicht tatsächlich aus ihren bestehenden vertraglichen Bindungen zu entlassen, sondern diese
nur modifizieren zu wollen (BFH, Beschluss vom 17. Februar 1993, II B 142/92, BFH/NV
1994, 56; Urteil vom 17. Oktober 1990, II R 148/87, BFH/NV 1991, 413; Loose in
Boruttau, GrEStG, 19. Aufl., § 16 Rn. 71).
b) aa) Danach liegt in Bezug auf die Grundstücke, die die Klägerin nach der
Vertragsaufhebung vom 26. März 2018 in der darauffolgenden Urkunde vom selben Tag
erneut erworben hat, schon keine zivilrechtliche Aufhebung vor. Die Vereinbarungen waren
durch identische aufschiebende Bedingungen miteinander verknüpft mit der Folge, dass die
"Vertragsaufhebung" in derselben logischen Sekunde wirksam wurde wie die erneute
"Veräußerung", nämlich mit Zugang der Zustimmungserklärungen der finanzierenden
Banken am 28. März 2018. Daraus wird deutlich, dass der Wille der Vertragspartner nicht
darauf gerichtet war, sich gegenseitig tatsächlich aus den vertraglichen Bindungen zu
entlassen. Der eigentliche Wunsch der Klägerin ging dahin, lediglich die Grundstücke B10
und B11 auf die A-GbR zu übertragen. Nach ihrem Vortrag beruhte der Umstand, dass
stattdessen der Vertrag vom 30. März 2016 insgesamt aufgehoben wurde und zwei neue
Verträge geschlossen wurden, auf der Empfehlung des beurkundenden Notars. Der
Vertragsinhalt wurde lediglich dahingehend geändert, dass der Kaufgegenstand um zwei
Grundstücke reduziert und der Kaufpreis angepasst wurde, indem der im Vertrag vom 30.
März 2016 vereinbarte Gesamtkaufpreis anteilig auf die neuen Verträge mit der Klägerin
und der A-GbR aufgeteilt wurde. Aus Sicht der Vertragsparteien, die in Bezug auf die
Grundstücke B01, B02, B06 und B07 keinerlei erkennbares Interesse an einer Aufhebung
des Vertrages und an einem Neuabschluss zu identischen Bedingungen haben konnten,
kann es sich hierbei nur um eine Formalie ohne rechtlichen oder wirtschaftlichen Gehalt
gehandelt haben.
bb) Hinsichtlich der von der A-GbR erworbenen Grundstücke B10 und B11 liegt ebenso
wenig eine zivilrechtliche Vertragsaufhebung vor. Die Aufhebung des Vertrages vom 30.
März 2016 und der unmittelbar anschließende Abschluss des Kaufvertrages zwischen der
J-GmbH und der A-GbR ist nicht als Vertragsaufhebung verbunden mit einem
Neuabschluss, sondern als Vertragsübernahme durch die A-GbR auszulegen. Auch insoweit
wurde die J-GmbH aufgrund der Verbindung der Verträge durch die aufschiebenden
Bedingungen zu keinem Zeitpunkt aus ihrer Übereignungspflicht entlassen und erlangte die
Verfügungsmöglichkeit über die Grundstücke nicht zurück. Der Vertragsinhalt wurde
ebenfalls nur in der Weise angepasst, dass der im Vertrag vom 30. März 2016 vereinbarte
Gesamtkaufpreis anteilig auf die neuen Verträge mit der Klägerin und der A-GbR aufgeteilt
wurde. Dass die Vertragspartner formal eine Vertragsaufhebung und einen Neuabschluss
vereinbart haben statt der wirtschaftlich gewollten Weiterveräußerung der Grundstücke
durch die Klägerin an die A-GbR, beruhte nach dem Vortrag der Klägerin auf der
Empfehlung des Steuerberaters, der die Annahme einer vGA vermeiden wollte. Daraus
folgt nicht, dass auch der Wille der Vertragsparteien auf eine entsprechende zivilrechtliche
Gestaltung gerichtet gewesen wäre. Dem Interesse der Klägerin wurde vielmehr dadurch
Rechnung getragen, dass sie und die A-GbR formal keine Vertragspartner wurden.
2. Unabhängig davon lägen aber, auch wenn man von einer zivilrechtlichen Aufhebung des
ursprünglichen Kaufvertrages ausginge, die Voraussetzungen für eine tatsächliche
Rückgängigmachung des Vertrages nach
weil der Klägerin aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang eine Rechtsposition verblieben
war (a.), die sie bei der "Weiterveräußerung" an sich selbst und die A-GbR im eigenen
(wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat (b.).
a) aa) (1) Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein
Grundstück dieses weiterveräußert, ist für die Anwendung des
entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz der Vertragsaufhebung die Möglichkeit
der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden
Rechtsposition verblieben und der Verkäufer demzufolge nicht aus seinen Bindungen
entlassen war (BFH, Urteile vom 19. September 2018, II R 10/16, BStBl II 2019, 176; vom
5. September 2013, II R 16/12, BStBl II 2014, 42).
(2) Dem früheren Erwerber verbleibt die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem
"rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition jedenfalls dann,
wenn der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde
zusammengefasst sind. Denn in diesem Fall hat er die rechtliche Möglichkeit, die
Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zum anschließenden Erwerb des Grundstücks
durch eine von ihm ausgewählte dritte Person zu nutzen. Der Veräußerer wird aus seiner
Übereignungsverpflichtung gegenüber dem früheren Erwerber erst mit der Unterzeichnung
des Vertrags durch alle Vertragsbeteiligten und damit erst in dem Augenblick entlassen, in
dem er bereits wieder hinsichtlich der Übereignung des Grundstücks an den Zweiterwerber
gebunden ist (BFH, Urteil vom 19. September 2018, II R 10/16, BStBl II 2019, 176). Zur
Vermeidung von Umgehungen kann für den Abschluss der Verträge in
aufeinanderfolgenden Urkunden nichts Anderes gelten (BFH, Urteile vom 28. März 2012,
II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486; vom 6. Oktober 2010, II R 31/09, BFH/NV 2011, 306).
(3) Des Weiteren verbleibt dem Ersterwerber eine Rechtsposition, wenn der
Aufhebungsvertrag aufschiebend bedingt geschlossen wird und die Bedingung erst nach
Abschluss des neuen Kaufvertrages eintritt, so dass der ursprüngliche Kaufvertrag zu
diesem Zeitpunkt noch wirksam und der Ersterwerber noch Inhaber sämtlicher Rechte
hieraus ist. Ein schwebend unwirksamer Aufhebungsvertrag berührt die Rechtsstellung des
Ersterwerbers aus dem ursprünglichen Kaufvertrag nicht (BFH, Urteil vom 21. Februar
2006, II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700; FG Hamburg, Urteil vom 18. Mai 2010, 3 K 24/10,
juris).
(4) Schließlich ist für eine Rückgängigmachung ein bereits empfangener Kaufpreis
vollständig zurück zu gewähren (BFH, Beschluss vom 10. Juli 1996, II B 139/95, BFH/NV
1997, 61).
bb) Der Klägerin verblieb bereits deshalb eine Rechtsposition aus dem ersten Kaufvertrag
vom 30. März 2016, weil dessen Aufhebung und die neuen Kaufverträge in unmittelbar
aufeinanderfolgenden Urkunden vereinbart wurden. Darüber hinaus wurden die Aufhebung
und die Neuabschlüsse in derselben logischen Sekunde wirksam, nämlich im Zeitpunkt des
Eintritts der aufschiebenden Bedingungen. Schließlich hat die J-GmbH die bereits gezahlte
Kaufpreisrate in Höhe von ... € nicht an die Klägerin zurückgezahlt; sie wurde nach dem
Vortrag der Klägerin vielmehr mit der Kaufpreisschuld verrechnet.
b) Die Klägerin hat die ihr aus dem ursprünglichen Vertrag verbliebenen Rechtspositionen
im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet.
aa) (1) Die Anwendung des
dem ursprünglichen Vertrag eine Rechtsposition verbleibt, nur dann ausgeschlossen, wenn
der er diese Rechtsposition auch in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet
hat. Eine Verwertung in diesem Sinne liegt vor, wenn die Einflussnahme des Ersterwerbers
auf die Weiterveräußerung Ausfluss der ihm verbliebenen Rechtsposition ist (BFH, Urteil
vom 19. September 2018, II R 10/16, BStBl II 2019, 176).
(2) Handelt der Erwerber bei der Weiterveräußerung im ausschließlichen Interesse eines
Dritten oder übt er dabei seine ihm aus dem Erwerbsvorgang verbliebene Rechtsposition
tatsächlich nicht aus, etwa weil der Eigentümer des Grundstücks dieses auf jeden Fall
verkaufen will und daher von dem Käufer die Benennung eines Ersatzkäufers verlangt
(BFH, Urteil vom 6. Oktober 2010, II R 31/09, BFH/NV 2011, 306), handelt er nicht im
eigenen (wirtschaftlichen) Interesse. Ob die Benennung des Ersatzkäufers auf Verlangen
des Verkäufers oder im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse des Ersterwerbers erfolgt ist, ist
im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen festzustellen. Der Steuerschuldner trägt
die Feststellungslast (objektive Beweislast) dafür, dass die tatsächlichen Voraussetzungen
der von ihm begehrten Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung
nach
16/12,
(3) Ist Ersterwerber eine Kapitalgesellschaft, so muss sie sich in diesem Zusammenhang die
Interessen derjenigen Person zurechnen lassen, die bei der Ausübung der Rechtsposition
der Kapitalgesellschaft aus dem ursprünglichen Kaufvertrag gehandelt hat (BFH, Urteil
vom 25. August 2010, II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301). Eine Verwertung in eigenen
wirtschaftlichen Interesse kann daher anzunehmen sein, wenn Ersterwerber und
Zweiterwerber Kapitalgesellschaften sind und beide bei der Aufhebung und dem
Neuabschluss durch denselben Geschäftsführer vertreten werden (FG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 16. Juni 2016, 12 K 4041/12, juris). Ferner ist eine Verwertung im eigenen
(wirtschaftlichen) Interesse anzunehmen, wenn der ursprüngliche Erwerber das Grundstück
einem ihm genehmen anderen Käufer, z.B. einer durch Gesellschafter und Geschäftsführer
verbundenen anderen Gesellschaft oder einer nahestehenden Person, zukommen lassen will
(BFH, Urteil vom 21. Februar 2006, II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700; Loose in Boruttau,
GrEStG, 19. Aufl., § 16 Rn. 68; FG Hamburg, Urteil vom 18. Mai 2010, 3 K 24/10, juris).
(4) Im Rahmen der für die Beurteilung erforderlichen Gesamtwürdigung aller Tatsachen ist
zu berücksichtigen, welche Beziehungen zwischen Erst- und Zweiterwerber bestehen, ob
Gesellschaften durch denselben Bevollmächtigten vertreten wurden, ob eine Anzahlung
geleistet und nicht zurückerstattet wurde, ob die ursprünglich bestehende
Verwendungsabsicht bzgl. des Grundstücks letztlich verwirklicht wird, ob der Ersterwerber
zunächst ernsthaft mit dem Wunsch nach einer Vertragsaufhebung ohne Stellung eines
Ersatzkäufers an den Veräußerer herangetreten ist und erst auf Verlangen des Veräußerers
einen Ersatzkäufer gesucht oder ob er von sich aus den Zweiterwerber als Ersatzkäufer
angeboten hat und ob der Aufhebungsvertrag und der Weiterveräußerungsvertrag auf
Betreiben des Ersterwerbers oder des Verkäufers in einer Urkunde zusammengefasst
wurden (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 5. September 2013, II R 16/12, BStBl II 2014, 42).
bb) Die Klägerin handelte bei der Verwertung der ihr verbliebenen Rechtspositionen durch
Abschluss der neuen Kaufverträge im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse.
(1) Hinsichtlich des erneut mit der Klägerin abgeschlossenen Kaufvertrags ergibt sich dies
aus der Identität der Käuferin. Das eigene (wirtschaftliche) Interesse kann auch darin
bestehen, den eigenen Grundstückserwerb sicherzustellen (vgl. BFH, Urteil vom 28. März
2012, II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486). Dass und warum sie sich von dem ursprünglichen
Erwerbsvorgang insgesamt, d.h. auch bzgl. der von ihr erneut erworbenen Grundstücke,
hätte lösen wollen, hat die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt. Es ist davon
auszugehen, dass sie ihr Vorhaben, die erneut erworbenen Flächen zu bebauen und die
Wohnungen zu veräußern, zu keinem Zeitpunkt aufgegeben hat.
(2) Ein eigenes (wirtschaftliches) Interesse bei der Ausübung der ihr verbliebenen
Rechtsposition ist aber auch in Bezug auf die an die A-GbR veräußerten Grundstücke
anzunehmen. Insoweit fällt ins Gewicht, dass die Klägerin und die A-GbR bei Abschluss
der Vereinbarungen durch dieselbe Person, A, vertreten wurden. Darüber hinaus ist zu
berücksichtigen, dass A und seine drei Brüder gemeinsam die Mehrheitsbeteiligung an der
Klägerin halten und alleinige Gesellschafter der A-GbR sind, die damit als nahestehende
Person zu qualifizieren ist. Über andere Käufer wurde nach dem Vortrag des A im
Erörterungstermin und der Zeugenaussage des Geschäftsführers der J-GmbH nicht
gesprochen. Auch wenn man mit der Klägerin annimmt, dass es für die Grundstücke B10
und B11 wegen der Mehrheit der A-GbR in der Wohnungseigentümergemeinschaft keine
Interessenten gegeben hätte, ist nicht zu verkennen, dass die Gesellschafter der Klägerin
und der A-GbR ein (wirtschaftliches) Interesse am Erwerb und an der Bebauung des
gesamten Areals hatten und ihre Planung durch die gewählte vertragliche Gestaltung im
Ergebnis auch umgesetzt haben. Schließlich ist davon auszugehen, dass wenn die Klägerin
sich tatsächlich von dem gesamten Vorhaben hätte trennen wollen oder müssen, etwa aus
finanziellen Gründen, eine Lösung gefunden worden wäre. Im Ergebnis ist nicht zugunsten
der feststellungsbelasteten Klägerin nachgewiesen, dass die Ersatzkäuferin ausschließlich
auf Verlangen der J-GmbH gestellt worden wäre.
3. Die Klägerin kann die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 20. Juni 2016
auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verlangen, weil der Beklagte mit
Schreiben vom 11. April 2018 nach der Bankverbindung für die Überweisung der
Grunderwerbsteuererstattung gefragt hat.
a) Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann nur
in besonders gelagerten Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des
Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem
Rechtsgefühl in einem so hohen Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze
der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (BFH, Urteil vom 23. Oktober
2013, X R 33/10, BStBl II 2014, 103). In diesem Zusammenhang verlangt der Grundsatz
von Treu und Glauben einen Vertrauenstatbestand, aufgrund dessen der Steuerpflichtige
disponiert hat. Der Vertrauenstatbestand besteht in einer bestimmten Position oder einem
bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver
Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten
konsequent und auf Dauer festhalten (BFH, Urteile vom 23. August 2017, VI R 70/15,
BStBl II 2018, 174; vom 26. April 1995, XI R 81/93, BStBl II 1995, 754).
b) In der bloßen Frage nach einer Bankverbindung liegt jedoch erkennbar keinerlei
rechtlicher Bindungswille. Die Klägerin konnte allein aufgrund dieser Anfrage nicht darauf
vertrauen, dass der Beklagte den Fall umfassend geprüft hätte und verbindlich eine
Entscheidung zugunsten der Klägerin hätte zusagen wollen. Dass die Klägerin hiervon
ausgegangen wäre und wodurch sie aufgrund dieses Vertrauens disponiert hätte, hat sie
nicht dargelegt und unter Beweis gestellt.
II.
1. Dadurch, dass die Entscheidung ergangen ist, obwohl für den Beklagten niemand zur
mündlichen Verhandlung erschienen ist, ist der Anspruch des Beklagten auf rechtliches
Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht verletzt worden. Zum einen ist der
Beklagte zur mündlichen Verhandlung am 7. August 2020 mit der am 5. Mai 2020 per
Empfangsbekenntnis zugestellten Ladung vom 4. Mai 2020 ordnungsgemäß geladen und in
der Ladung darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne
ihn verhandelt und entschieden werden kann (
Beklagte auf telefonische Nachfrage auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung
verzichtet.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf
3. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß
Entscheidung, Urteil
Gericht:FG Hamburg
Erscheinungsdatum:07.08.2020
Aktenzeichen:3 K 171/19
Rechtsgebiete:Grunderwerbsteuer
Normen in Titel:GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1