OLG München 20. Januar 2014
34 Wx 516/13
BGB §§ 133, 738, 2033, 2042; GBO §§ 19, 22 Abs. 1; InsO § 32 Abs. 2

Grundbuchberichtigung aufgrund Abschichtungsvereinbarung unter Miterben

DNotI
Deutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 34wx516_13
letzte Aktualisierung: 28.4.2014
OLG München, 20.1.2014 - 34 Wx 516/13
BGB §§ 133, 738, 2033, 2042; GBO §§ 19, 22 Abs. 1; InsO § 32 Abs. 2
Grundbuchberichtigung aufgrund Abschichtungsvereinbarung unter Miterben
1. Berichtigung des Grundbuchs aufgrund Bewilligung im Weg der (formfreien)
Abschichtungsvereinbarung unter Miterben.
2. Wird im Rahmen der Abschichtungsvereinbarung bewilligt, im Weg der
Grundbuchberichtigung den Insolvenzverwalter des einzig verbleibenden Erben als Gläubiger
des Rechts im Grundbuch einzutragen, kann die Bewilligung dahin auszulegen sein, dass der
Insolvenzschuldner als Gläubiger mit einem Insolvenzvermerk am Recht eingetragen werden
solle.

Oberlandesgericht München
Az.: 34 Wx 516/13
Prutting Blatt 833-26 AG Rosenheim - Grundbuchamt
In der Grundbuchsache
Beteiligte:
wegen Berichtigung des Grundbuchs
erlässt das Oberlandesgericht München - 34. Zivilsenat - am 20. Januar 2014 folgenden
Beschluss
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts
Rosenheim - Grundbuchamt - vom 26. Juni 2013 aufgehoben.
II. Das Amtsgericht Rosenheim - Grundbuchamt - wird angewiesen, das Grundbuch
von Prutting Bl. 833 hinsichtlich des Berechtigten der in Abteilung III unter laufender
Nr. 4 eingetragenen Sicherungshypothek dahingehend zu berichtigen, dass
die Sicherungshypothek eingetragen ist
für Ludwig Eder, geb. 3.5.1953,
sowie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen (Az.:
IN 37/08 Amtsgericht Rosenheim) in der Veränderungsspalte zu vermerken.

Gründe:

I.

Im Grundbuch (Abt. III Nr. 4) eingetragen ist zugunsten des am 2.11.2011 verstorbenen
Ludwig E. (senior) eine Sicherungshypothek bis zum Höchstbetrag von 120.000 €. Erben
von Ludwig E. sind laut Erbschein vom 17.12.2012 Ludwig E. (junior) sowie die Beteiligten
zu 2 und 3, Roswitha E. und Simone R., je zu 1/3. Über das Vermögen von Ludwig
E. (junior) wurde am 1.3.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beteiligte
zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt. In die Insolvenzmasse fällt der Miterbenanteil der
noch nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft. Der Aktivnachlass besteht aus
einem Restkaufpreisanspruch gegen die Käufer des Grundstücks, der durch die Hypothek
gesichert ist.
Am 21.12.2012 trafen die Beteiligten zu 1 bis 3 folgende privatschriftliche Abschichtungsvereinbarung:
1. Die Miterbinnen Roswitha E. und Simone R. scheiden mit sofortiger Wirkung aus der
Erbengemeinschaft aus.
2. Der Insolvenzverwalter des Miterben Ludwig E. (junior) schuldet als Gegenleistung
Freistellung von im Einzelnen bezeichneten Verbindlichkeiten und die Übernahme noch
offener restlicher Anwaltskosten.
3. Der Insolvenzverwalter soll allein berechtigt sein, die restliche Kaufpreisforderung aus
dem Grundstücksgeschäft einzuziehen.
Weiter bewilligten die Beteiligten zu 1 bis 3 die Grundbuchberichtigung bezüglich der
Sicherungshypothek in der Weise,
dass als Berechtigter nunmehr Rechtsanwalt Dr. M. als Insolvenzverwalter über das
Vermögen des Ludwig E. jun. eingetragen wird.
Am 11.4.2013 legte die Notarin gemäß § 15 GBO die beglaubigte Abschrift der Abschichtungsvereinbarung
gemeinsam mit Erbschein und Insolvenzverwalterbescheinigung
dem Grundbuchamt zum Vollzug vor.
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 26.6.2013 den Berichtigungsantrag zurückgewiesen.
Es vertritt die Auffassung, dass Grundbuchberichtigung aufgrund Antrag und
Unrichtigkeitsnachweis nicht in Betracht komme. Als Verfügungsgeschäft über den Miterbenanteil
bedürfe das Einvernehmen aller Erben über das Ausscheiden eines Miterben
aus der Erbengemeinschaft der notariellen Beurkundung. Die Abschichtungsvereinbarung
sei formunwirksam, der Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit damit nicht erbracht.
Berichtigung aufgrund Bewilligung könne ebenfalls nicht vorgenommen werden.
Denn aus den vorgelegten Urkunden ergebe sich, dass das Grundbuch durch die der
Bewilligung entsprechende Eintragung unrichtig werden würde.
Schließlich sei auf den Antrag, den Insolvenzverwalter als Berechtigten einzutragen,
noch darauf hinzuweisen, dass im Falle des Nachweises einer wirksamen Verfügung
über den Miterbenanteil und der Vereinigung aller Erbteile in der Hand des Erben Ludwig
E. (junior) dieser als Berechtigter - mitsamt dem Vermerk über die eröffnete Insolvenz
- einzutragen wäre.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 18.11.2013, der seinen
Antrag geändert und nun dahingehend gestellt hat, dass der Insolvenzschuldner als
Berechtigter der Sicherungshypothek und am eingetragenen Recht der Insolvenzvermerk
eingetragen werden solle. Das Grundbuchamt beachte nicht die einschlägige
Rechtsprechung zur formfreien Abschichtung mit der Folge des Ausscheidens aus der
Erbengemeinschaft und der kraft Gesetzes eintretenden Anwachsung zu Alleineigentum,
wenn nur ein Erbe verbleibe. Für Berechtigungen an einer Grundstücksbelastung
könne nichts anderes gelten wie für das Grundstückseigentum selbst.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist zulässig (§ 71 Abs. 1, § 73 GBO). Als Insolvenzverwalter
ist dieser anstelle des Schuldners verfügungsbefugt (§ 80 Abs. 1 InsO).
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der erforderliche Antrag nach § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 2 GBO ist gestellt; er kann auf
die Berichtigungsbewilligung - als Unterfall der allgemeinen Bewilligung (§ 19 GBO)
– der aus der Erbengemeinschaft ausgeschiedenen Beteiligten zu 2 und 3 gestützt werden.
Notwendig, aber auch außerhalb des § 20 GBO ausreichend ist, dass die Bewilligung
erkennen lässt, inwieweit das Grundbuch unrichtig ist und dass es berichtigt werden
soll (vgl. Hügel/Holzer GBO 2. Aufl. § 22 Rn. 69 f.).
Die Beteiligten zu 2 und 3 sind zwar nicht im Grundbuch als Berechtigte der Sicherungshypothek
verlautbart. Ihre Rechtsstellung folgt – ohne Voreintragung im Grundbuch
(vgl. § 40 Abs. 1 GBO) - indessen aus dem vorliegenden Erbschein (§ 29 Abs. 1, § 35
Abs. 1 Satz 1 GBO). Ob es auch der Bewilligung (Zustimmung) des gewinnenden Teils,
nämlich des verbleibenden Miterben bzw. des an dessen Stelle allein bewilligungsbefugten
Insolvenzverwalters (vgl. Demharter GBO 28. Aufl. § 19 Rn. 56) bedarf (verneinend
OLG Zweibrücken ZEV 2012, 264 mit zust. Anm. Böhringer), braucht nicht entschieden
zu werden; denn der Beteiligte zu 1 hat ebenfalls in der Form des § 29 Abs. 1
Satz 1 GBO bewilligt.

2. Liegen Berichtigungsbewilligungen vor, so kann nicht noch der Nachweis der Unrichtigkeit
verlangt werden (BayObLGZ 1976, 190/193; Hügel/Holzer § 22 Rn. 20; Demharter
§ 22 Rn. 28). Der Berichtigungsantrag ist indessen zurückzuweisen, wenn sich aus den
mit der Bewilligung vorgelegten Urkunden oder aus anderen dem Grundbuchamt bekannten
Umständen ergibt, dass das Grundbuch durch die der Bewilligung entsprechende
Eintragung unrichtig werden würde (BayObLGZ 1980, 299/303; Demharter § 22
Rn. 28); bloße Zweifel an der Richtigkeit der Angaben rechtfertigen die Zurückweisung
hingegen nicht.
Nach diesen Grundsätzen ist von der außerhalb des Grundbuchs bewirkten Rechtsänderung
auszugehen; ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die dazu gemachten
Parteiangaben unrichtig sind, fehlen.

a) Der Nachlass kann nicht nur durch Erbteilsübertragung (§ 2033 BGB) oder Vertrag
nach § 2042 BGB auseinandergesetzt bzw. geteilt werden. Vielmehr ist auch der Weg
der sogenannten Abschichtung anerkannt (vgl. BGHZ 138, 8; BGH NJW 2005, 284;
2011, 525/527; OLG Zweibrücken ZEV 2012, 264). Hiernach kann ein Miterbe durch
Vertrag mit den anderen Miterben aus der Erbengemeinschaft ausscheiden, indem er
seine Mitgliedschaftsrechte an der Erbengemeinschaft aufgibt, so dass sein Erbteil den
verbleibenden Miterben kraft Gesetzes anwächst (BGHZ 138, 8). Gehört ein im Grundbuch
eingetragenes Recht zum Erbe, so vollzieht sich der Wechsel des Berechtigten
nach Abschluss eines derartigen Vertrags außerhalb des Grundbuchs; dieses ist dann
entsprechend zu berichtigen. Bleibt nur ein Miterbe übrig, so führt die Anwachsung zum
Alleineigentum am Nachlass und damit zur Beendigung der Erbengemeinschaft (BGHZ
138, 8/11).

b) Die Vereinbarung ist – weil es sich um keinen Fall des § 2033 BGB handelt, sondern
als mit § 738 BGB vergleichbar zu behandeln ist (siehe dazu OLG Köln NJW 1995,
2232; Palandt/Sprau BGB 73. Aufl. § 738 Rn. 1a) – formfrei, auch wenn ein Grundstück
oder ein grundstücksgleiches Recht zum Nachlass gehört, es sei denn, als Abfindung
soll ein solches Recht übertragen werden oder die Formbedürftigkeit ergibt sich aus anderen
Gründen (siehe Palandt/Weidlich BGB § 2042 Rn. 12; Böhringer ZEV 2012, 265).
Diese Meinung ist zwar nicht unstreitig (vgl. Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl.
Rn. 976b; Kanzleiter ZEV 2012, 447), aber zwischenzeitlich verfestigte Praxis (siehe
Kanzleiter ZEV 2012, 447/449 bei Rn. 13; Flechtner in Burandt/Rojahn Erbrecht § 2042
BGB Rn. 34; Palandt/ Weidlich § 2042 Rn. 12). An ihr ist – trotz dogmatischer Bedenken
(siehe etwa Venrooy DNotZ 2012, 119; Kanzleiter ZEV 2012, 447/449) – aus praktischen,
aber auch aus Gründen des Vertrauensschutzes festzuhalten.

c) Zweifel an der Wirksamkeit der von den Beteiligten getroffenen, in Schriftform niedergelegten
Abschichtungs- bzw. Ausscheidensvereinbarung bestehen nicht. Ziff. I.1. enthält
die Abrede, dass die Beteiligten zu 2 und 3 – bedingungslos – aus der Erbengemeinschaft
ausscheiden. Ziff. I.2. regelt die formfreien Gegenleistungen wie Freistellung
von Verbindlichkeiten und die Übernahme noch offener restlicher Anwaltskosten aus einem
bestimmten Verfahren. Materielle Folge der Vereinbarung ist die Anwachsung des
Erbanteils kraft Gesetzes beim Insolvenzschuldner. Dieser wird damit anstelle der Erbengemeinschaft
alleiniger Gläubiger des Kaufpreisanspruchs und alleiniger Inhaber der
Sicherungshypothek.

3. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben in der Urkunde vom 21.12.2012 in wörtlicher Interpretation
die Eintragung des Insolvenzverwalters als Berechtigten der Sicherungshypothek
bewilligt. Im Beschwerdeverfahren hat der Beteiligte zu 1 im Hinblick auf die Bedenken
des Grundbuchamts den Antrag (§ 13 Abs. 1 GBO) dahingehend gefasst, dass
als Berechtigter der Insolvenzschuldner in Verbindung mit einem Vermerk über die Eröffnung
des Insolvenzverfahrens (Abs. III Spalte 7: Veränderungen; siehe § 11 Abs. 6
GBV) eingetragen werden solle. Eintragungsbewilligungen (§ 19 GBO) müssen den Berechtigten
bezeichnen, und zwar so, wie dieser in das Grundbuch einzutragen ist (Demharter
§ 19 Rn. 35; § 44 Rn. 47). Indessen sind Grundbuchamt und Beschwerdegericht
(vgl. § 74 GBO) gehalten, die Bewilligung in entsprechender Anwendung von § 133 BGB
auszulegen, freilich unter Beachtung der Besonderheiten des Grundbuchverkehrs (siehe
Kössinger in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 19 Rn. 84; etwa OLG Zweibrücken DNotZ
1997, 325/326 und Wulf DNotZ 1997, 331 ff.). Das gilt beispielsweise für die unrichtige
Bezeichnung Vertretungsberechtigter in Grundbuchvollmachten (BGH Z 189, 274/283,
bei Rz. 28), ferner für ungenaue oder unrichtige Parteibezeichnungen (siehe BayObLG
Rpfleger 1976, 250), wenn auch bei klarem und unzweideutigem Text eine Auslegung
nicht in Betracht kommen dürfte (BayObLGZ 1990, 51/55).
Der Senat legt die Bewilligung hier dahin aus, dass als Berechtigter der Insolvenzschuldner
in Person, verbunden mit einem Vermerk über die Insolvenz, eingetragen
werden solle. Aus der für die Auslegung heranziehbaren (Wulf DNotZ 1997, 331/332 f.)
Präambel der schriftlichen Vereinbarung ergibt sich die Zuordnung des Erbanteils von
Ludwig E. (junior) zur Insolvenzmasse. Im Folgenden wird das Ausscheiden der Beteiligten
zu 2 und 3 aus der Erbengemeinschaft vereinbart mit der - gesetzlichen - Folge,
dass der verbliebene Miterbe durch Anwachsung Alleinberechtigter am Nachlass wird.
Die vorgelegte Vereinbarung hat auch nach den Vorstellungen der Beteiligten keinen
Wechsel in der Berechtigung des verbliebenen Miterben herbeigeführt oder herbeiführen
sollen. Bei der Benennung des Insolvenzverwalters wurde deshalb erkennbar dem Umstand
nicht Rechnung getragen, dass die materielle Berechtigung und die Verfügungsbzw.
Bewilligungsbefugnis auseinanderfallen (Demharter § 19 Rn. 56). Das hat aber nur
zur Folge, dass der Insolvenzvermerk einzutragen ist (§ 32 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2
InsO), nicht aber die Person des Verfügungsbefugten als Rechtsinhabers. Dieses – eindeutige
– Auslegungsergebnis erlaubt es, dass der in der Beschwerdeinstanz neu gefasste
Eintragungsantrag des Insolvenzverwalters nicht wegen fehlender Bewilligung
zurückgewiesen werden muss. Vielmehr kann der Antrag, weil sonstige Eintragungshindernisse
nicht erkennbar sind, auf dieser Grundlage vollzogen werden.
Ergänzend merkt der Senat an, dass er auch auf der Grundlage einer hier ausnahmsweise
zulässigen Umdeutung (vgl. BayObLGZ 1983, 118/123; Schöner/Stöber Grundbuchrecht
15. Aufl. Rn. 173) zum selben Ergebnis gelangen würde. Denn das wirtschaftlich
mit der Grundbucherklärung Gewollte ist eindeutig.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

20.01.2014

Aktenzeichen:

34 Wx 516/13

Rechtsgebiete:

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Grundbuchrecht
Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung
Erbteilsveräußerung
Insolvenzrecht

Normen in Titel:

BGB §§ 133, 738, 2033, 2042; GBO §§ 19, 22 Abs. 1; InsO § 32 Abs. 2