OLG München 26. Februar 2019
34 Wx 168/18
BGB §§ 1094, 2113; GBO §§ 19, 22

Löschung eines für Vorerben eingetragenen vererblichen Vorkaufsrechts

letzte Aktualisierung: 5.4.2019
OLG München, Beschl. v. 26.2.2019 – 34 Wx 168/18

BGB §§ 1094, 2113; GBO §§ 19, 22
Löschung eines für Vorerben eingetragenen vererblichen Vorkaufsrechts

Zur Löschung eines im Grundbuch für einen Vorerben eingetragenen vererblichen Vorkaufsrechts
genügt neben seiner Bewilligung die des derzeit einzigen Nacherben nicht, wenn laut
testamentarischer Anordnung die leiblichen Abkömmlinge des Vorerben zu Nacherben bestimmt
sind und künftige leibliche Abkömmlinge nicht auszuschließen sind.

Gründe

I.
Vormals waren nach Erbauseinandersetzung vom 14.4.1978 die Brüder L. und J.G. als Eigentümer von
Grundbesitz zu je 14 im Grundbuch eingetragen. Sie hatten sich gegenseitig ein dingliches Vorkaufsrecht für alle
Verkaufsfälle eingeräumt, das vererblich aber sonst nicht übertragbar sein sollte. In Abteilung II wurde daher am
2.10.1978 unter lfd. Nr. 4 ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für Herrn L.G. gemäß Bewilligung vom
14.4.1978 eingetragen.
Herr L.G. ist im Jahr 1982 verstorben. Er wurde beerbt von der Beteiligten zu 3 und Frau H. Letztere wurde nach
Zuschlagbeschluss vom 12.7.1984 im Zwangsversteigerungsverfahren zum Zwecke der Aufhebung der
Gemeinschaft als Alleineigentümerin eingetragen. Das dingliche Vorkaufsrecht zugunsten von L.G. blieb im
Grundbuch eingetragen.
Frau H. verstarb 1992 und wurde beerbt vom Beteiligten zu 2, dem sie zuvor schon einen Miteigentumsanteil am
Grundstück übertragen hatte. Zusammen mit dem Übergang des verbliebenen Miteigentumsanteils aufgrund
Erbfolge wurde diesbezüglich in Abteilung II ein Nacherbenvermerk eingetragen, wonach Nacherben der H. die
Abkömmlinge des Vorerben, derzeit die Beteiligte zu 1 ist. Der Nacherbenvermerk wurde nach Bewilligung durch
die Beteiligte zu 1 und einen als Pfleger für die unbekannten Nacherben nach H. bestellten Rechtsanwalt mit
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts am 15.3.2005 gelöscht.
Der Beteiligte zu 2 ließ das Grundstück seiner Tochter, der Beteiligten zu 1 am 13.12.2002 auf, diese wurde am
6.11.2012 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen.
Mit Urkunden vom 12.3.2018 und 13.3.2018 bewilligten und beantragten die Beteiligten zu 2 und 3 das
Vorkaufsrecht zu löschen, die Beteiligte zu 1 stimmte der Löschung zu und bewilligte diese ebenfalls.
Nach Beiziehung der Akten des Nachlassgerichts zu den Erbfällen erließ das Grundbuchamt am 29.3.2018
fristsetzende Zwischenverfügung. Der Beteiligte zu 2 habe die verstorbene Frau H. als Vorerbe beerbt, als
Nacherben seien die Abkömmlinge des Vorerben, derzeit die Beteiligte zu 1 bestimmt. Da die Nacherben jedoch
nicht abschließend bekannt seien, müsste ein Pfleger für unbekannte Beteiligte die erforderliche Zustimmung zur
Löschung abgeben, die gerichtlich zu genehmigen sei.
Mit Schreiben des Notars vom 26.4.2018 hat er hiergegen „auch für die Eigentümerin“ (Beteiligte zu 1)
Beschwerde eingelegt. Ein Hinzutreten weiterer Nacherben durch Adoption sei ausgeschlossen, da im
Testament als Nacherben die leiblichen Nachkommen des Beteiligten zu 2 bestimmt seien. Zudem sei das
Vorkaufsrecht ohnehin von Amts wegen zu löschen, da es in Folge des Verzichts keine Berechtigten mehr gebe.
Der im Grundbuch eingetragene Nacherbenvermerk sei zudem im Rahmen der Übertragung des Eigentums vom
Beteiligten zu 2 auf die Beteiligte zu 1 gelöscht worden. Die Löschung sei von dem als Pfleger für die
unbekannten Nacherben bestellten Rechtsanwalt bewilligt und dies vormundschaftsgerichtlich genehmigt
worden. Da der Nachlass von Frau H. zudem überschuldet gewesen sei, seien die Rechte der unbekannten
Nacherben wegen Überschuldung des Nachlasses aufgegeben worden.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Erbschein nach H. vom 11.11.1992 beinhalte -
anders als das Testament - keine Angabe, dass Nacherben nur die leiblichen Abkömmlinge des Beteiligten zu 2
sein sollten. Zudem gebe es bei Männern keine Altersgrenze für das Erzeugen von leiblichen Abkömmlingen.
Eine Löschung scheide daher weiterhin aus.

II.
1. Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) ist statthaft (§ 71 Abs. 1, § 73 GBO). Die
Vertretungsbefugnis des Notars im Beschwerdeverfahren folgt schon aus dem Umstand, dass er die
maßgeblichen Grundbucherklärungen beurkundet oder beglaubigt hat (§ 15 Abs. 2 GBO). Er hat bei
Beschwerdeeinlegung alle Beteiligten vertreten; in seinem Beschwerdeschreiben hat der Notar nämlich
angegeben, er lege die Beschwerde „auch für die Eigentümerin“ ein, mithin nicht nur für die Beteiligte zu 1 als
diejenige, zu deren Gunsten die Löschung erfolgen soll, sondern auch die Beteiligten zu 2 und 3 als diejenigen
Antragsberechtigten, deren Recht durch die Löschung betroffen wäre (§ 13 Abs. 2 GBO).

2. Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, denn ein Recht an einem Grundstück kann nur
gelöscht werden, wenn entweder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist (§ 22 Abs. 1, § 29 Abs. 1
GBO), die Unrichtigkeit schlüssig vorgetragen ist und die Betroffenen eine Berichtigungsbewilligung abgegeben
haben (Demharter GBO 31. Aufl. § 22 Rn. 31) oder alle potentiell Betroffenen die Löschung bewilligt haben (§ 19
GBO) und im Falle von Verfügungsbeschränkungen die danach erforderlichen Zustimmungen vorliegen.
Dies ist hier jeweils nicht der Fall.

a) Es obliegt dem Antragsteller, den Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit zu führen (Demharter § 22 Rn. 36;
Hügel/Holzer GBO 3. Aufl. § 22 Rn. 58), hier somit der Beteiligten zu 1 als Eigentümerin des Grundstücks und
den Beteiligten zu 2 und 3 als Inhaber des Vorkaufsrechts (§ 1094 BGB) kraft Erbfolge. Es gilt der
grundbuchrechtliche „Beibringungsgrundsatz“; eine Sachaufklärung von Amts wegen durch das Grundbuchamt
findet nicht statt (BayObLG Rpfleger 1982, 467; Schäfer in Bauer/Schaub GBO 4. Aufl. § 22 Rn. 171 und 174).
An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BayObLGZ 1986, 317/320; Demharter § 22 Rn. 37).
Als ausreichende Grundlage für eine Berichtigung ohne Bewilligung der Betroffenen genügt nicht einmal eine
gewisse Wahrscheinlichkeit der vorgetragenen Umstände (BayObLGZ 1985, 225/228; Hügel/Holzer § 22 Rn. 59
m. w. N.). In der Form des § 29 GBO, somit durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, ist lückenlos
jede Möglichkeit auszuräumen, die der Richtigkeit der vorhandenen Eintragung entgegenstehen könnte (Senat
vom 12.12.2007, 34 Wx 118/07 = FGPrax 2008, 52/53). Zum Nachweis durch Urkunden sind diese im Original,
in Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift vorzulegen (Hügel/Otto § 29 Rn. 137). Nur ganz entfernt liegende,
theoretische Möglichkeiten müssen nicht ausgeräumt werden. Einer Nachweisführung bedarf es zudem dann
nicht, wenn sich die materielle Unrichtigkeit aus der Eintragung im Grundbuch einschließlich ihrer zulässigen
Bezugnahmen (§ 874 BGB) ergibt. Auch was offenkundig ist, braucht nicht bewiesen zu werden (vgl. Demharter
§ 22 Rn. 37; Schäfer in Bauer/Schaub § 22 Rn. 171 f.).
Nach diesen Grundsätzen ist der Unrichtigkeitsnachweis nicht erbracht.

aa) Aus der erfolgten Löschung des Nacherbenvermerks folgt nicht, dass das Nacherbenrecht am Grundstück
und an Grundstücksrechten aus materiellrechtlichen Gründen erloschen wäre (vgl. Demharter § 51 Rn. 26). Die
wohl herrschende Ansicht erachtet einen Verzicht der Eintragung des Nacherbenvermerks (OLG Hamm FGPrax
2015, 13/14; Demharter § 51 Rn. 26; Meikel/Böhringer GBO 11. Aufl. § 51 Rn. 87; KEHE/Munzig GBO 8. Aufl. §
51 Rn. 37), wie auch die Löschung aufgrund einer Bewilligung des Nacherben als Verzicht auf den Schutz des
Nacherbenvermerks für zulässig (BayObLG Rpfleger 1989, 412; Demharter § 51 Rn. 38; Schaub in
Bauer/Schaub § 51 Rn. 84). Die Bewilligung der Löschung eines Nacherbenvermerks ist daher allein als Verzicht
auf den Schutz vor gutgläubigem Erwerb durch den Nacherbenvermerk aufzufassen (Demharer § 51 Rn. 38).
bb) Der gelöschte Nacherbenvermerk in Abteilung II lfd. Nr. 6 bezog sich im Übrigen nur auf die Eintragung des
Eigentums des Beteiligten zu 2, nicht auch auf das in Abteilung II lfd. Nr. 4 eingetragene Vorkaufsrecht für den
Vorerben. Denn insofern wäre ein Nacherbenvermerk in Spalte 5 der Abteilung II einzutragen gewesen
(Demharter § 51 Rn. 22).
Auch begründet das Fehlen eines Nacherbenvermerks nicht schon nach § 891 BGB für das Grundbuchamt die
Vermutung, dass eine solche Verfügungsbeschränkung am Vorkaufsrecht nicht bestehe (Palandt/Bassenge BGB
78. Aufl. § 891 Rn. 4). Hier ergibt sich aus der in den Grundakten befindlichen Bewilligung, dass das
Vorkaufsrecht für den Erblasser vererblich bestellt war. Der Nachweis der Erbfolge und der Anordnung der
Nacherbfolge gegenüber dem Grundbuchamt ist vorliegend in der Form des § 35 Abs. 1 GBO geführt, da der
erste Erbfall durch Bezugnahme auf das in den Nachlassakten befindliche Testament samt
Eröffnungsniederschrift nachgewiesen ist und eine Abschrift des entsprechenden Erbscheins vom 11.11.1992
nach H. sich in den Grundakten befindet.

cc) Der Vortrag der Beschwerdeführer, der Nachlass der Erblasserin H. sei überschuldet gewesen und daher
seien die Rechte der unbekannten Nacherben wegen Überschuldung des Nachlasses aufgegeben worden,
findet in den Erklärungen des als Pfleger der unbekannten Nacherben bestellten Anwalts keine Bestätigung und
ist daher erst recht nicht in der Form des § 29 GBO belegt.

b) Die vorgelegten Bewilligungen der Beteiligten zu 2 und 3 enthalten - was zulässig ist - keine ausdrückliche
Angabe darüber, ob sie als Löschungsbewilligung mit dem Ziel der rechtsändernden Aufhebung des
Vorkaufsrechts (§ 875 BGB) oder als Berichtigungsbewilligung zum Zweck der Grundbuchberichtigung (§ 894
BGB) abgegeben sind (vgl. Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 368). Weder nach dem einen noch
nach dem anderen Verständnis der Erklärung kommt jedoch eine Löschung in Betracht.

aa) Zu einer Unrichtigkeit des Grundbuchs im Hinblick auf das eingetragene Vorkaufsrecht ergibt sich aus den
vorgelegten Löschungsbewilligungen vom 12.3. und 13.3.2018 kein schlüssiger Vortrag. Auch die
Überlassungsurkunde vom 13.12.2002 ergibt dazu nichts.
Soweit die Löschung damit begründet wird, dass der Beteiligte zu 2 als Vorerbe und die Beteiligte zu 1 als
derzeit bekannte Nacherbin verzichtet hätten und es daher keinen Berechtigten gäbe, verkennt die Beschwerde,
dass andere - spätere Abkömmlinge - hier nicht auszuschliessen sind (vgl. Senat vom 26.10.2011, 34 Wx 372/11
nach juris). In dem vom Senat entschiedenen Fall hatte das Grundbuchamt festgestellt, dass sämtliche
Abkömmlinge des schon verstorbenen Berechtigten die Löschung bewilligt hatten. Vorliegend steht jedoch nicht
fest, dass es im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbschaft keine weiteren Abkömmlinge des
Vorerben geben wird. Denn das Grundbuchamt hat zutreffend angeführt, dass selbst bei einer Beschränkung
des Nacherbenrechts auf die leiblichen Abkömmlinge des Vorerben erst mit dessen Ableben feststehen wird, ob
er außer der Beteiligten zu 1 weitere Abkömmlinge gezeugt hat.

bb) Gemäß § 19 GBO kann eine rechtsändernde Löschung erfolgen, wenn derjenige sie bewilligt, dessen
grundbuchmäßiges Recht von ihr betroffen wird (Schöner/Stöber Rn. 100). Das ist bei einem dinglichen
Vorkaufsrecht derjenige, dessen Recht mit der Löschung aufgehoben werden soll.
Vom Grundbuchamt zu prüfen ist jedoch nicht nur die formelle Bewilligungsberechtigung der Betroffenen,
sondern gegebenenfalls auch die Bewilligungsbefugnis (Hügel/Holzer § 19 Rn. 75 und 78). Hat nämlich das
Grundbuchamt auf der Grundlage von konkreten Anhaltspunkten Kenntnis, dass der Bewilligende in seinen
Verfügungen etwa durch angeordnete Nacherbfolge beschränkt ist, muss es zudem entweder die Zustimmung
der Nacherben zu einer Verfügung des Vorerben oder den Nachweis des uneingeschränkten Erbrechts
anfordern (Kössinger in Bauer/Schaub § 19 Rn. 221).
Wie vorstehend ausgeführt, steht fest, dass der Beteiligte zu 2 als Bewilligungsberechtigter der
Verfügungsbeschränkung des § 2113 BGB unterliegt. Zutreffend stellt das Grundbuchamt außerdem darauf ab,
dass noch nicht feststehen kann, dass es außer der Beteiligten zu 1 keine weiteren Abkömmlinge des Beteiligten
zu 2 gibt.
Daher hat es die Löschung des Vorkaufsrechts zutreffend von der Zustimmung eines Pflegers für die
unbekannten Nacherben abhängig gemacht.

III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst; vielmehr ergibt sich die Kostenfolge für die Beschwerdeinstanz
aus dem Gesetz (vgl. § 22 Abs. 1 GNotKG).
Der Senat schätzt den nach § 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG festzusetzenden Geschäftswert nach den für die zur
Hindernisbeseitigung aufzuwendenden Kosten, § 61 Abs. 1, § 36 Abs. 1 GNotKG.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 78 Abs. 2 GBO.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG)

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

26.02.2019

Aktenzeichen:

34 Wx 168/18

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Kostenrecht

Erschienen in:

NotBZ 2019, 312-314
ZEV 2019, 237
Zerb 2019, 215-217

Normen in Titel:

BGB §§ 1094, 2113; GBO §§ 19, 22