Umdeutung eines unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament; Testierunfähigkeit eines Ehegatten; Abfassung des Testaments durch den testierunfähigen Ehegatten
letzte Aktualisierung: 17.10.2024
OLG Celle, Beschl. v. 14.3.2024 – 6 W 106/23
BGB §§ 140, 2229 Abs. 4, 2265, 2267 S. 1
Umdeutung eines unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament;
Testierunfähigkeit eines Ehegatten; Abfassung des Testaments durch den testierunfähigen
Ehegatten
1. Ein gemeinschaftliches Testament ist unwirksam, wenn ein Ehegatte bei Testamentserrichtung
testierunfähig war.
2. Eine Umdeutung eines aufgrund Testierunfähigkeit eines Ehegatten unwirksamen gemeinschaftlichen
Testaments in ein Einzeltestament des testierfähigen Ehegatten kommt nicht in Betracht,
wenn nur der testierunfähige Ehegatte den Wortlaut der letztwilligen Verfügungen eigenhändig
geschrieben hat.
Gründe
I.
Der am #. Februar 1938 geborene und am #. Oktober 2020 verstorbene Erblasser war bis zu
seinem Tod mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei gemeinsame Kinder,
die Beteiligten zu 2 und 3.
Am #. Oktober 1993 errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 eine von der Beteiligten
zu 1 eigenhändig geschriebene und von dem Erblasser und ihr unterschriebene letztwillige
Verfügung, die nur noch in Kopie vorliegt (Bl. 6 der Testamentsakten 20 IV ###/20
Amtsgericht Bückeburg). Sie lautet auszugsweise wie folgt:
Unser letzter Wille
Für den Fall unseres Todes vermachen wir unserem Sohn (dem Beteiligten zu 3) unser
Hausgrundstück F. 35 und das daneben liegende Bau- und Waldgebiet laut Erbvertrag vom
12.10.67.
Das vorhandene Barvermögen (Wertpapiere und Bankguthaben) soll unsere Tochter (die
Beteiligte zu 2) erben. Sie hat als vorweggenommene Erbschaft bereits mit Vertrag vom
06.07.1993 Grundvermögen übertragen bekommen.
Das Hausinventar sollen sich (die Beteiligten zu 2 und 3) je zur Hälfte teilen. (Der Beteiligte zu
3) erhält außerdem unseren Pkw und (die Beteiligte zu 2) den gesamten Schmuck.
(...)
P., 10.10.1993.
Es existiert ein weiteres Testament vom 20. Juni 2018 (Bl. 7 der vorgenannten
Testamentsakten), das die Beteiligte zu 1 eigenhändig geschrieben und unterschrieben und der
Erblasser eigenhändig unterschrieben hat. Es hat folgenden Inhalt:
Testament
Wir, die Eheleute H. und W. K., hatten am 10.10.1993 ein eigenhändiges gemeinschaftliches
Testament errichtet. Dieses haben wir durch Zerreißen einvernehmlich vernichtet. Vorsorglich
heben wir dieses Testament hiermit noch einmal seinem ganzen Inhalt nach auf.
Statt (dessen) setzen wir uns auf den Tod des Erstversterbenden wechselseitig als Alleinerben
ein.
Minden, 20. Juni 2018
Schließlich liegt vor eine Ergänzung zum Testament vom 20. Juni 2018 (Bl. 8 der vorgenannten
Testamentsakten), die die Beteiligte zu 1 eigenhändig geschrieben und unterschrieben und der
Erblasser eigenhändig unterschrieben hat, mit folgendem Inhalt:
Ergänzung zum Testament vom 20.06.2018
Wir ergänzen unser Testament vom 20.6.2018 wie folgt:
Auf den Tod des Erstversterbenden setzen wir uns wechselseitig als von allen Beschränkungen
befreite Vorerben ein. Nacherbin ist unsere Tochter (Beteiligte zu 2). Die Nacherbfolge tritt mit
dem Tod des Vorerben ein. Unsere Tochter (Beteiligte zu 2) ist zugleich die alleinige
Schlusserbin nach dem Längstlebenden von uns. Ersatzerben und Ersatznacherben sind die
Abkömmlinge unserer Tochter, unter sich entsprechend den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.
Minden, 6. Juli 2018
Die Beteiligte zu 1 lebte seit dem Jahr 2016 nicht mehr im ehelichen Haushalt, sondern aufgrund
einer Demenzerkrankung in einem Pflegeheim. Am 19. Februar 2017 brachte der Erblasser
seine mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Schwester im Affekt um. Anschließend befand
er sich in der geschlossenen Psychiatrie in L., weil er nach dem Tötungsdelikt versucht hatte,
sich das Leben zu nehmen. Im Februar 2018 begann der Strafprozess gegen den Erblasser, in
dem er wegen Totschlags zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden ist.
Die Beteiligte zu 2 hat vorgetragen, sie habe das bei einer Sichtung im Jahr 2017 im Elternhaus
gefundene gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 1993 dem Vater in die Psychiatrie
gebracht und sich hiervon zuvor eine Kopie gefertigt. Im April oder Mai 2017 habe ihr der
Erblasser mitgeteilt, er habe das Testament aus dem Jahr 1993 zerrissen. Zuvor sei sie bei ihrer
Mutter, der Beteiligten zu 1, im Pflegeheim gewesen, die ihr da schon von der
Testamentsvernichtung berichtet habe. Zu der Testamentsvernichtung habe sich der Erblasser
durch die nach dem Tötungsdelikt völlig veränderten Lebensumstände veranlasst gesehen - die
Ehefrau sei im Pflegeheim gewesen und er selbst habe eine hohe Haftstrafe erwartet. Er habe es
nicht für möglich und sinnvoll gehalten, das im Testament aus dem Jahr 1993 dem Beteiligten
zu 3 vermachte Haus im F. 35 in P. zu behalten. Darüber seien die Ehegatten sich einig
gewesen.
Anlässlich des geplanten Verkaufs des Hauses F. 35 in P. durch den Erblasser als
Alleineigentümer (notarieller Vertrag vom 7. Mai 2018) beantragte der Beteiligte zu 3 am
8. Mai 2018 beim Amtsgericht Minden die Einleitung eines Betreuungsverfahren sowohl für den
Erblasser als auch die Beteiligte zu 1. Die Einrichtung einer Betreuung für den Erblasser wurde
mit Beschluss vom 21. Juni 2018 mit der Begründung abgelehnt, dass der Erblasser noch in der
Lage sei, seine eigenen Angelegenheiten eigenständig zu regeln. Für die Beteiligte zu 1 lehnte das
Amtsgericht die Einrichtung einer Betreuung mit Beschluss vom 19. September 2018 ab, weil
die anstehenden Angelegenheiten durch Vorsorgevollmachten vom 21. April 2015 und
15. Mai 2015 ausreichend geregelt werden könnten.
Die Beteiligte zu 1, vertreten durch die Beteiligte zu 2, hat am 16. Dezember 2020 einen
Erbschein des Inhalts beantragt, dass sie alleinige befreite Vorerbin des Erblassers geworden sei
und die Nacherbfolge der Beteiligten zu 2 nach ihrem Tod als Vorerbin eintrete (Bl. 6 d. A.). Sie
hat sich zur Begründung ihres Antrags auf die Testamente vom 20. Juni und 6. Juli 2018
gestützt.
Der Beteiligte zu 3 hat der Erteilung des beantragten Erbscheins widersprochen und
eingewandt, sowohl der Erblasser als auch die Beteiligte zu 1 seien zum Zeitpunkt der
Testamentserrichtungen nicht mehr geschäftsfähig und damit testierunfähig gewesen.
Das Amtsgericht hat zur Frage der Testierunfähigkeit der Beteiligten zu 1 ein
Sachverständigengutachten eingeholt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat es die zur Erteilung
des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt
erachtet (Bl. 52 f. d. A.). Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es
sei aufgrund der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beteiligte zu 1 bei Errichtung der
beiden Testamente im Jahr 2018 testierunfähig gewesen sei. Bezogen auf den Erblasser habe es
sich hingegen nicht die Überzeugung von einer Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der
Errichtung der vorgenannten Testamente gebildet. Die Testamente vom 20. Juni und
6. Juli 2018 könnten jeweils in ein Einzeltestament des Erblassers umgedeutet werden. Dies sei
auch bei wechselbezüglichen Verfügungen möglich, die das Amtsgericht vorliegend für gegeben
erachtet hat.
Dagegen wendet der Beteiligte zu 3 sich mit seiner Beschwerde, mit der er Zurückweisung des
Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 1 begehrt. Er rügt, dass das Amtsgericht ein
Sachverständigengutachten zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers nicht eingeholt habe.
Ergänzend ist er der Ansicht, die Umdeutung in ein Einzeltestament des Erblassers komme
nicht in Betracht, weil dieser die gemeinschaftlichen Testamente vom 20. Juni und 6. Juli 2018
nicht eigenhändig geschrieben, sondern nur unterschrieben habe.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
Die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen
sind nicht für festgestellt zu erachten (
1. Die letztwilligen Verfügungen des Erblassers und der Beteiligten zu 1 vom 20. Juni 2018 und
6. Juli 2018, auf die die Beteiligte zu 1 ihren Erbscheinsantrag stützt, sind unwirksam.
a) Ein wirksames gemeinschaftliches Testament gemäß
vor, wenn einer der Ehegatten bei Testamentserrichtung testierunfähig war (vgl. BayObLG,
Beschluss vom 2. Februar 1996 zu 1Z BR 146/95 = FamRZ 1996, S. 1036/1037;
Staudinger/Raff (2022) Vorbemerkungen zu §§ 2265 ff. Rn. 71, zitiert nach juris).
Nach
wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung
einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln,
"ein Testament nicht errichten." Die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments ist von
dem Willen beider Eheleute getragen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1953 - IV ZR 131/52 -,
jeden Ehegatten (Burandt/Rojahn/Braun/Schuhmann, 4. Aufl. 2022,
nach beck-online). Kann einer von beiden ein Testament nicht errichten, kommt es auf die
Einhaltung der formalen Voraussetzungen des § 2267 BGB nicht an, sondern kommt ein
gemeinschaftliches Testament nicht zustande (vgl. auch OLG München, Beschluss vom
19. Mai 2010 - 31 Wx 38/10, zitiert nach beck-online, dort II. 2. a), vergleichbar dem Fall, dass
das beabsichtigte gemeinschaftliche Testament nur von einem Ehegatten unterschrieben worden
ist. Die vereinzelt von Zimmer (
gemeinschaftliches Testament, das unter Beachtung von § 2267 Satz 1 BGB errichtet worden ist,
immer auch den Formvorschriften eines Einzeltestaments entspreche, wenn es nur von dem
testierunfähigen Ehegatten geschrieben worden ist, überzeugt nicht. Sie lässt außer Acht, dass
die Formerleichterung des § 2267 Satz 1 BGB nur für die Errichtung eines gemeinschaftlichen
Testaments gilt und ein solches im Falle der Testierunfähigkeit eines Ehegatten, wie zuvor
ausgeführt, nicht wirksam errichtet worden ist. Soweit Zimmer sich für die von ihm vertretene
Auffassung auf die Kommentierung von Kanzleiter [Staudinger 2006, Vorbem. zu § 2265 ff.
Rn. 49] bezogen hat, wird diese Ansicht von Raff [Staudinger 2022, Vorbem. zu § 2265 Rn. 71]
jedenfalls nicht mehr vertreten; selbst die Kommentierungen von Kanzleiter [Staudinger 2006, a.
a. O. sowie in Staudinger 2019, Vorbemerkung
solchen Falle auch die Verfügungen des anderen Ehegatten nichtig sind, richtet sich wiederum
nach allgemeinen Grundsätzen" stützen die Ansicht Zimmers nach Auffassung des Senats nicht
ausdrücklich, da mit "allgemeine Grundsätzen" auch die Vorschriften der § 140, § 2247 BGB
gemeint sein können.
Wegen der Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments als solches stellt sich die Frage,
ob wechselbezügliche Verfügungen der Ehegatten vorliegen, im hier zu entscheidenden Fall
nicht (vgl. auch BayObLG, a. a. O.).
b) Eine Umdeutung (
Einzeltestament des Erblassers kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil der Erblasser die
getroffenen Anordnungen nicht eigenhändig geschrieben, sondern den von der Beteiligten zu 1
geschriebenen Text nur unterschrieben hat (vgl. Burandt/Rojahn/Braun/Schuhmann,
4. Aufl. 2022,
aa) Der erste Schritt bei der Umdeutung ist die Prüfung, ob die umzudeutende Verfügung selbst
den Formerfordernissen des BGB entspricht. Nur wenn dies bejaht werden kann, braucht man
die Frage nach einem Umdeutungswillen überhaupt zu stellen.
Bei gemeinschaftlichen Testamenten gilt: sofern jeder der Beteiligten seine Verfügungen selbst
geschrieben und unterschrieben hat (die Testamente können dabei durchaus auch auf einem
einheitlichen Bogen Papier stehen), sind beide Erklärungen formwirksam. Haben die Beteiligten
jedoch ein gemeinschaftliches Testament unter Rückgriff auf die Formerleichterung in § 2267
BGB errichtet, dann kann die bloße Beitrittserklärung bzw. Mitunterzeichnung eines Beteiligten
nicht als eigenes Testament angesehen werden (Burandt/Rojahn/Braun/Schuhmann, 4.
Aufl. 2022,
Z 87/68,
Umdeutung als Einzeltestament kommt hier nur für den Teil in Betracht, der die Verfügung
eigenhändig niedergelegt hat und somit die in § 2247 BGB genannten Voraussetzungen erfüllt.
bb) Daraus folgt, dass die letztwilligen Verfügungen des Erblassers vom 20. Juni 2018 und
6. Juli 2018 als Einzeltestament gemäß § 2247 Abs. 1, § 125 Satz 1 BGB nichtig sind (vgl. auch
cc) Es bedarf deshalb nicht der Klärung, ob der Erblasser im Juni/Juli 2018 testierunfähig war.
2. Einer Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht. Für
die erfolgreiche Beschwerde werden Gerichtskosten nicht erhoben (§ 25 Abs. 1, § 22 Abs. 1
GNotKG).
Für die Gerichtskosten der ersten Instanz verbleibt es bei der gesetzlich geregelten
Antragstellerhaftung (§ 22 Abs. 1 GNotKG). Es entspricht nicht der Billigkeit, gemäß § 81
Abs. 1 u. 2 FamFG eine Erstattung notwendiger Aufwendungen der Beteiligten für die erste und
zweite Instanz anzuordnen. Die Entscheidung hing von schwierigen Rechtsfragen ab.
Die Rechtsbeschwerde lässt der Senat nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2
FamFG nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist weder zur
Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die
hier wesentlichen Rechtsfragen, dass ein Testierunfähiger ein gemeinschaftliches Testament
nicht errichten kann und eine Umdeutung eines nichtigen Rechtsgeschäfts in ein anderes
Rechtsgeschäft nur dann in Betracht kommt, wenn dessen Formerfordernisse gewahrt sind, sind
geklärt. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung auch nicht von obergerichtlichen
Entscheidungen ab. Eine vereinzelt gebliebene abweichende, wesentliche Aspekte außer Acht
lassende Literaturansicht erfordert nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde (BGH a. a. O.;
BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09,
21. Juni 2010 - II ZR 219/09,
35. Auflage 2024,
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Celle
Erscheinungsdatum:14.03.2024
Aktenzeichen:6 W 106/23
Rechtsgebiete:
Gemeinschaftliches Testament
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testierfähigkeit
Testamentsform
BGB §§ 140, 2229 Abs. 4, 2265, 2267 S. 1