Nachweis der Erbfolge durch privatschriftliches Testament im Erbscheinsverfahren
letzte Aktualisierung: 14.10.2022
OLG Köln, Beschl. v. 14.9.2022 – 2 Wx 190/22
FamFG §§ 352 Abs. 2, 352e
Nachweis der Erbfolge durch privatschriftliches Testament im Erbscheinsverfahren
Zum Nachweis der Erbfolge im Erbscheinsverfahren ist die Vorlage beglaubigter
Abstammungsurkunden nicht erforderlich, wenn der Erbe im maßgeblichen privatschriftlichen
Testament durch Angabe seines Namens und Geburtsdatums eindeutig identifizierbar ist.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Am xx.xx.2022 ist A B (im Folgenden: Erblasserin) verstorben. Sie war in einziger Ehe
verheiratet mit dem am xx.xx.2010 vorverstorbenen C B.
Gemeinsam mit ihrem Ehemann hat die Erblasserin am 23.03.1988 ein privatschriftliches
gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig als
Alleinerben eingesetzt, ansonsten aber keine Verfügung getroffen haben.
Am 17.09.2010 hat die Erblasserin ein privatschriftliches Testament errichtet (Bl. 20 d.
Testamentsakte 700G IV 582/22), in dem sie Folgendes verfügt hat:
„Hiermit setze ich meinen Sohn D B geb. x.xx.1957 als meinen Alleinerben ein.“
Mit notarieller Urkunde vom 29.04.2022 – UVZ-Nr. X1/22 des Notars E in F - hat der
Beteiligte die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt (Bl. 2 ff. d.A.). Er hat sich hierbei
auf das Testament vom 17.09.2010 gestützt und ausgeführt, dass die Erblasserin danach
von ihm, ihrem Sohn, als Alleinerbe beerbt worden sei.
Das Nachlassgericht hat den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten daraufhin
aufgefordert, eine beglaubigte Geburtsurkunde des Beteiligten zu übersenden. Dem ist der
Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 22.06.2022 entgegengetreten und hat
ausgeführt, dass der Beteiligte mit Vor- und Nachnamen sowie Geburtsdatum im
Testament genannt worden und im Übrigen durch bereits vorliegende Unterlagen
identifizierbar sei.
Durch am 22.08.2022 erlassenen Beschluss hat das Nachlassgericht den
Erbscheinsantrag des Beteiligten zurückgewiesen, weil er nicht durch Vorlage einer
Abstammungsurkunde oder ähnliches nachgewiesen habe, der Sohn der Erblasserin zu
sein (Bl. 29 ff. d.A.). Die Bezeichnung als Sohn sei ein maßgebliches Kriterium für die
Erbeinsetzung und nicht nur eine ergänzende Angabe zur Identifikation des eingesetzten
Erben.
Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigtem des Beteiligten am 22.08.2022
zugestellten Beschluss hat dieser im Namen des Beteiligten mit am 23.08.2022 beim
Amtsgericht Aachen eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Beschwerde eingelegt (Bl.
33 f. d.A.). Er hat vorgetragen, dass der Beteiligte im Testament durch die Angaben von
Namen und Geburtsdatum eindeutig als Erbe bezeichnet worden sei und es auf das
zusätzliche Merkmal „mein Sohn“ nicht ankomme.
Durch am 07.09.2022 erlassenen Beschluss hat das Nachlassgericht der Beschwerde
nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt
(Bl. 51 f. d.A.).
II.
Die zulässige Beschwerde des Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg.
Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu Unrecht
zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Alleinerbscheins
liegen vor. Dementsprechend hat der Senat die Tatsachen, die zur Begründung des
Antrags erforderlich sind, gem.
Ist der Erbe – wie hier - aufgrund einer Verfügung von Todes wegen berufen, so hat er die
Verfügung von Todes wegen zu bezeichnen, auf der sein Erbrecht beruht (§ 352 Abs. 2 Nr.
1 FamFG), anzugeben, ob weitere Verfügungen von Todes wegen vorhanden sind (§ 352
Abs. 2 Nr. 2 FamFG), und weitere Angaben über den Todeszeitpunkt und letzten
gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zu machen, sowie darüber, ob ein Rechtsstreit
über das Erbrecht anhängig ist, er die Erbschaft angenommen hat und welche Größe sein
Erbteil ausmacht. Zusätzlich hat er Angaben über weggefallene Personen zu machen, die
seinen Erbteil schmälern oder seine Berufung ausschließen würden (§ 352 Abs. 2 Nr. 3
FamFG). Gem.
Erbrecht beruht. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Insbesondere liegt das Testament
vom 17.09.2010 vor, in dem der Beteiligte von der Erblasserin namentlich und unter
Angabe seines Geburtsdatums als Alleinerbe bezeichnet worden ist.
Zwar kann das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen
anstellen, wenn hierfür Anhaltspunkte vorliegen. So genügt insbesondere die bloße
Vorlage einer Verfügung von Todes wegen nicht, wenn testamentarisch bedachte
Personen lediglich über Beschreibungen, z.B. über die Bezeichnung als „Sohn“, und daher
nur unter Berücksichtigung weiterer Umstände identifiziert werden können (MüKo-
FamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, § 352 Rn. 40; BeckOK-FamFG/Schlögel, Stand:
01.07.2022, § 352 Rn. 13; Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, § 2353 Rn. 15). In
einem solchen Fall kann daher auch der gewillkürte Erbe zur Vorlage einer
Abstammungsurkunde verpflichtet sein. Hier hat das Nachlassgericht indes zu Unrecht die
Vorlage einer Abstammungsurkunde vom Beteiligten verlangt. Denn die Identität des
Erben steht aufgrund der Angaben von Namen und Geburtsdatum des Erben im
Testament fest. Auf die Angabe „mein Sohn“ kommt es daher nicht mehr an, zumal diese
Bezeichnung des Beteiligten im Testament nicht als Bedingung für seine Einsetzung
verstanden werden kann. Denn ob der Beteiligte tatsächlich der Sohn der Erblasserin ist
oder von der Erblasserin nur als ihr Sohn bezeichnet worden ist, weil es sich
beispielsweise um ein Pflegekind oder einen Sohn ihres vorverstorbenen Ehemannes
gehandelt hat, wird die Erblasserin selbst am besten gewusst haben. Es kann daher
ausgeschlossen werden, dass die Erblasserin die Alleinerbenstellung des unter Angabe
von vollständigem Namen und Geburtsdatum genannten Beteiligten davon abhängig
machen wollte, dass er ihr Sohn ist. Der Vorlage einer Abstammungsurkunde bedarf es
nicht.
Der Erbschein ist daher vom Nachlassgericht antragsgemäß zu erteilen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Köln
Erscheinungsdatum:14.09.2022
Aktenzeichen:2 Wx 190/22
Rechtsgebiete:
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
FamFG §§ 352 Abs. 2, 352e