Voraussetzungen für die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins
letzte Aktualisierung: 10.12.2020
OLG Bremen, Urt. v. 28.10.2020 – 5 W 15/20
Voraussetzungen für die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins
Der Erlass eines sog. quotenlosen gemeinschaftlichen Erbscheins setzt voraus, dass alle Miterben
dem Verzicht auf die Angabe der Erbteilsquoten zustimmen müssen (Anschluss an OLG München,
Beschl. v. 10. Juli 2019 – 31 Wx 242/19; entgegen OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17. Dezember 2019
– 25 Wx 55/19).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Erteilung eines sog. quotenlosen Erbscheins.
Am […] 2019 verstarb in Bremerhaven die am […] 1930 geborene X. Diese war die
Witwe ihres am […] 2008 vorverstorbenen Ehemannes Y. Aus der Ehe sind zwei Kinder
hervorgegangen, nämlich der Antragsteller und seine Schwester, die Beteiligte zu 2.),
die die Mutter der Beteiligten zu 3.) und 4.) ist. Die Eheleute X und Y waren zu je ½
Miteigentümer des Grundstücks […] in Bremerhaven. Der verstorbene Ehemann wurde
ausweislich des Erbscheins des AG Bremerhaven vom 16.04.2009 von der Erblasserin
zu ½ sowie dem Antragsteller und der Beteiligten zu 2) zu je ¼ beerbt. Die Erblasserin
hatte am 6.08.2012 ein eigenhändiges handschriftliches Testament errichtet. Darin hat
sie ihren Anteil an der Immobilie zu je ½ dem Antragsteller und dem Beteiligten zu 3)
vererbt. Ihr Bargeld, ihre Kontoguthaben sowie ihren Schmuck sollte die Beteiligte zu
2) erhalten, während sie das von ihrem verstorbenen Ehemann hinterlassene Vermögen,
soweit es sich bei der Sparkasse in A befand, dem Beteiligten zu 4) zugewendet
hat. Über die Verteilung weiterer Nachlassgegenstände sollte der Antragsteller entscheiden,
dem auch die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten obliegen sollte.
Gestützt auf diese letztwillige Verfügung beantragte der Beteiligte zu 1) in notarieller
Urkunde am 6.08.2019 den Erlass eines Erbscheins ohne Erbteilsquoten, weil diese
erst nach Aufklärung der Wertverhältnisse des Nachlasses sicher festgestellt werden
könnten. Die hierzu angehörte Beteiligte zu 2) hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten
vom 9.09.2019 dem Erlass eines quotenlosen Erbscheins widersprochen,
weil die Auslegung des Testaments ergebe, dass sie Alleinerbin nach der Erblasserin
geworden sei. Das ihr zugewandte Geldvermögen überwiege mit rd. 353.207,26
€ den Wert des vermachten Immobilienvermögens (rd. 100.000,00 €) deutlich. Dementsprechend
hat sie den Erlass eines entsprechenden Erbscheins beantragt. Die Beteiligten
zu 3) und 4) haben dem Antrag der Beteiligten zu 2) zugestimmt und dem des
Antragstellers widersprochen.
Das Amtsgericht – Nachlassgericht - hat mit Verfügung vom 11.05.2020 darauf hingewiesen,
dass ein gemeinschaftlicher quotenloser Erbschein wegen des Widerspruchs
der Beteiligten zu 2) und 4) nicht in Betracht komme. Dem Erbscheinsantrag der Beteiligten
zu 2) könne ebenfalls nicht entsprochen werden, weil dieser nicht der Form des
des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 17.12.2019, 25 Wx 55/19) an seinem Antrag festgehalten;
eine Mitwirkung aller Miterben sei in Anbetracht des Wortlautes des § 352 a
Abs. 2 S. 2 FamFG nicht notwendig.
Durch Beschluss vom 8.07.2020 hat das Nachlassgericht die beiden Erbscheinsanträge
zurückgewiesen. Dem Antrag der Beteiligten zu 2) fehle es an der gebotenen
Form; dem Antrag des Antragstellers fehle die Zustimmung der übrigen Beteiligten. Dabei
komme es auf den Meinungsstreit zur Frage der Mitwirkung der übrigen Miterben
beim Antrag auf Erlass des quotenlosen Erbscheins nicht an, denn auch nach der Entscheidung
des OLG Düsseldorf habe bei einem Widerspruch der Miterben der Erlass
zu unterbleiben.
Gegen diese, dem Antragsteller am 21.07.2020 zu Händen seiner Verfahrensbevollmächtigten
zugestellte Entscheidung haben diese für den Antragsteller am 21.08.2020
Beschwerde eingelegt. Das Gericht verkenne, dass der Beteiligte zu 1) Antragsteller
sei und es nach dem Wortlaut der Norm ausreichend sei, wenn dieser einen quotenlosen
Erbschein beantrage. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde unter Hinweis auf
seine vorangegangene Entscheidung mit Beschluss vom 17.09.2020 nicht abgeholfen
und das Verfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Das gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und gem. §§ 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1
FamFG zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
Nach
wenn mehrere Erben vorhanden sind. Dieser Antrag kann nach
§ 352 a Abs. 2 S. 1 FamFG sind in dem Antrag die Erben und ihre Erbteile anzugeben.
Nach Abs. 2 S. 2 ist die Angabe der Erbteile nicht erforderlich, wenn alle Antragsteller
in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten. In Rechtsprechung
und Literatur ist dabei umstritten, ob in Fällen wie dem hier vorliegenden der
Antrag eines einzelnen Miterben für die Ausstellung eines quotenlosen Erbscheins ausreicht
(so OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.2019, I-25 Wx 55/19 =
Fröhler in: Prütting/Helms FamFG, 5. Aufl. 2020, § 352a Rn. 26; Rellermeyer in: Bork,
Jacoby/Schwab FamFG, 3. Aufl. 2018, § 352a Rn. 3; Bumiller/Harders/Harders, 12.
Aufl. 2019,
Antrag stellen (so Grziwotz in: Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2019, §
352a Rn. 18) oder jedenfalls dem Verzicht auf die Quoten zustimmen müssen (OLG
München Beschl. v. 10.07.2019, 31 Wx 242/19 =
FamFG, 20. Aufl. 2020, § 352 a Rn. 14; Gierl in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl.
2019, § 352 a Rn. 10; Schlögel in: BeckOK FamFG, 36. Ed., Stand: 1.10.2020, § 352 a
Rn. 3).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Entgegen der Annahme der
Beschwerde spricht nicht der Wortlaut der Norm für die dort vertretene Annahme, der
Antrag eines einzelnen Miterben ermögliche den Erlass eines quotenlosen gemeinschaftlichen
Erbscheins, denn der Gesetzgeber hat – in Kenntnis der Regelung in Abs.
1 S. 1 des § 352a FamFG – den Plural („die Antragsteller“) verwendet. Dementsprechend
heißt es auch in der Gesetzesbegründung, dass die Angabe der Erbteile der
Miterben nicht mehr erforderlich ist, wenn alle Antragsteller im Antrag auf die Angabe
der Erbteile verzichten (BT Drucksache 18/4201 S. 60). Wenn der Gesetzgeber die
Vorstellung gehabt haben sollte, dass auch der Antrag eines einzelnen Antragstellers
zum Erlass eines quotenlosen Erbscheins führen können soll, hätte nichts dagegengesprochen,
in
Gegenmeinung nicht befriedigend erklären, wie die übrigen Anforderungen, die in Fällen
wie dem vorliegenden vom Einzelantragsteller zu erfüllen sind, bewältigt werden
können: so muss der Antrag des Einzelantragstellers gem. § 352a Abs. 3 S. 1 FamFG
die Angabe enthalten, dass die übrigen Erben die Erbschaft angenommen haben, was
gem. §§ 352a Absatz 3 S. 2 i.V.m. § 325 Abs. 3 FamFG vom Antragsteller an Eides
Statt genauso zu versichern ist wie deren Verzicht auf die Angabe der Erbquoten (vgl.
Zimmermann in: Keidel, FamFG - Familienverfahren, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 20.
Auflage 2020, Rn. 14).
Im Übrigen könnte, worauf das Nachlassgericht bereits hingewiesen hat, der Antrag
auch vor dem Hintergrund der vom OLG Düsseldorf vertretenen Rechtsauffassung wohl
keinen Erfolg haben. Das OLG Düsseldorf lässt nämlich einen Einzelantrag dann nicht
zu, wenn gleichzeitig ein anderer Miterbe seinerseits einen Erschein mit Erbquote beantragt
hat, weil es dann einen weiteren „Antragsteller“ gibt und dann nicht mehr „die
Antragsteller“ übereinstimmend den quotenlosen Erbschein begehren. Auch wenn
diese Auffassung den Senat nicht überzeugt, hätte sie vorliegend im Hinblick auf den
entgegenstehenden Antrag der Beteiligten zu 2) jedenfalls ebenso zur Versagung des
vom Antragsteller verfolgten Antrages führen können, wenn man annimmt, die Ansicht
des OLG Düsseldorf umfasse auch formunwirksame Anträge.
Im Hinblick auf die divergierenden Auffassungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung
lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zu (
Die Kostenentscheidung folgt aus
Abs. 1 GNotKG.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Bremen
Erscheinungsdatum:28.10.2020
Aktenzeichen:5 W 15/20
Rechtsgebiete:
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
RNotZ 2021, 109-111
BWNotZ 2020, 405-406
NJW 2021, 1171-1172
FamFG § 352a