OLG München 11. Mai 2016
34 Wx 61/16
BGB §§ 471, 1094 Abs. 1, 1098 Abs. 1 S. 1; GBO § 22 Abs. 1 S. 1

Löschungsvoraussetzungen für ein Vorkaufsrecht „für den ersten Verkaufsfall, für den es nach den gesetzlichen Bestimmungen überhaupt ausgeübt werden kann“ nach Veräußerung in der Zwangsversteigerung

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Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 13.6.2016
OLG München, Beschl. v. 11.5.2016 - 34 Wx 61/16

BGB §§ 471, 1094 Abs. 1, 1098 Abs. 1 S. 1; GBO § 22 Abs. 1 S. 1
Löschungsvoraussetzungen für ein Vorkaufsrecht „für den ersten Verkaufsfall, für den es
nach den gesetzlichen Bestimmungen überhaupt ausgeübt werden kann“ nach
Veräußerung in der Zwangsversteigerung

Zur Grundbuchunrichtigkeit nach Eigentumserwerb durch Zuschlag im Weg der
Zwangsversteigerung bei einem Vorkaufsrecht „für den ersten Verkaufsfall, für den es nach den
gesetzlichen Bestimmungen überhaupt ausgeübt werden kann“.

Gründe:

I. Die Beteiligte ist Eigentümerin von Grundbesitz, den sie im Wege des Zuschlags am 2.2.2005 erworben
hatte. Im Zuschlagbeschluss ist als nach dem geringsten Gebot bestehenbleibendes Recht auch das in
Abteilung II des Grundbuchs unter lfd. Nr. 5 unter Bezugnahme auf eine Bewilligung vom 12.9.1969 für
Matthias H. eingetragene Vorkaufsrecht genannt.
Ziff. V. der in der Eintragung in Bezug genommenen notariellen Urkunde vom 12.9.1969, die zur Erfüllung
OLG München, Beschluss v. 11.05.2016 – 34 Wx 61/16
von Vermächtnissen Vereinbarungen über einen Nachlass enthält, lautet:
... räumen sie hiermit Matthias H. persönlich an den vorgenannten Grundstücken der Gemarkung ..., auf
deren Übereignung Matthias H. verzichtet hat, diesem für den ersten Verkaufsfall das dingliche
Vorkaufsrecht ein.
Das Vorkaufsrecht gilt jeweils für den ersten Verkaufsfall, für den es nach den gesetzlichen Bestimmungen
überhaupt ausgeübt werden kann, erlischt also nicht bereits bei einem Veräußerungsfall, bei dem es nach
dem Gesetz nicht ausübbar wäre, z. B. bei Erbauseinandersetzung, Tausch oder Schenkung.
Dieses Vorkaufsrecht ist nicht vererblich und nicht übertragbar.
Im Übrigen gelten für das Vorkaufsrecht die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1094 ff BGB.
Am 7.12.2015 beantragte die Beteiligte die Löschung des Vorkaufsrechts. Dem ersten Verkauf stehe die
Zwangsversteigerung im Februar 2005 gleich. Das Vorkaufsrecht sei im Rahmen der Zwangsversteigerung
nicht ausgeübt worden, daher erloschen und aus dem Grundbuch zu löschen.
Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 15.12.2015 hat das Grundbuchamt beanstandet, dass zur
Löschung des Vorkaufsrechts die Bewilligung des Berechtigten erforderlich sei. In der Zwangsversteigerung
könne das Vorkaufsrecht nach den gesetzlichen Bestimmungen nämlich nicht ausgeübt werden.
Dagegen hat die Beteiligte am 29.1.2016 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Meinung, da das Vorkaufsrecht
nur für den ersten Verkaufsfall bestellt gewesen sei, sei es mit Erteilung des Zuschlags hinfällig geworden
und untergegangen.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts (§ 18 Abs. 1 GBO) statthafte und auch im Übrigen
zulässig eingelegte Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG; § 71 Abs. 1, § 73 GBO; § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG) hat
- jedenfalls vorläufig - Erfolg.
1. Die Zwischenverfügung ist aufzuheben, da die Voraussetzungen für ihren Erlass nicht vorlagen. Das
Grundbuchamt nimmt nämlich einen Mangel an, der nicht mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann.
Ist der Nachweis der Unrichtigkeit nicht geführt, ist die beantragte Löschung nur aufgrund einer
Berichtigungsbewilligung oder einer Löschungsbewilligung möglich. Fehlt eine solche Bewilligung, muss das
Grundbuchamt den Antrag sofort zurückweisen (BayObLG FGPrax 1998, 6; Demharter GBO 30. Aufl. § 18
Rn. 32; Wilke in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 18 Rn. 19). Eine Zwischenverfügung ist nicht zulässig,
wenn der Mangel des Antrags nicht rückwirkend beseitigt werden kann, da andernfalls die Eintragung einen
Rang erhielte, der ihr nicht gebührt (BGH NJW 2014, 1002 Rn. 6; BGHZ 27, 310/313; BayObLGZ 1984,
105/106 f.; Demharter § 18 Rn. 8 m. w. N.).
2. Für das weitere Verfahren ist - insofern nicht bindend - festzuhalten, dass die Löschung des Rechts ohne
Bewilligung des Betroffenen nicht infrage kommt.
a) Mit dem Antrag begehrt die Beteiligte die Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 GBO.
Eine Grundbuchberichtigung ist ohne vorgelegte Berichtigungsbewilligung nur möglich, wenn die
Unrichtigkeit nachgewiesen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GBO). An den Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit sind
strenge Anforderungen zu stellen; ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Der Antragsteller
muss - in der Form des § 29 GBO - lückenlos ausräumen, was der begehrten berichtigenden Eintragung,
hier also der Löschung des eingetragenen Vorkaufsrechts, entgegenstehen könnte. Freilich brauchen ganz
entfernt liegende, nur theoretische Möglichkeiten nicht ausgeräumt zu werden (BayObLGZ 1988, 102/107;
1995, 413/416). Keiner Nachweisführung bedarf es dann, wenn sich die materielle Unrichtigkeit aus der
Eintragung im Grundbuch selbst - einschließlich zulässiger Bezugnahmen (vgl. § 874 BGB) - ergibt. Auch
was offenkundig ist, braucht nicht bewiesen zu werden (vgl. Demharter § 22 Rn. 37; Hügel/Holzer GBO 3.
Aufl. § 22 Rn. 59, 61).
Nach diesen Maßstäben ist die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht nachgewiesen. Denn aus dem Inhalt des
Grundbuchs und der in Bezug genommenen Bewilligungsurkunde ergibt sich nicht, dass die
Zwangsversteigerung des Grundbesitzes das materiell-rechtliche Erlöschen des Vorkaufsrechts (vgl. § 1094
Abs. 1 BGB) und damit die Unrichtigkeit des Grundbuchs bewirkt hätte.
b) Der Eintragungsvermerk enthält allein die Bestellung eines Vorkaufsrechts zugunsten einer begünstigten
Person, allerdings ohne nähere Bezeichnung des Inhalts des Rechts. Zur näheren Darlegung des Inhalts ist
jedoch in zulässiger Weise Bezug genommen auf die in der notariellen Urkunde enthaltene
Eintragungsbewilligung vom 12.9.1969 (vgl. § 874 BGB).
aa) Die Bewilligung ist auslegungsbedürftig, da sie einerseits von einem dinglichen Vorkaufsrecht „für den
ersten Verkaufsfall“ spricht, andererseits aber eine Regelung zur Frage enthält, was mit dem ersten
Verkaufsfall gemeint ist. So soll das Vorkaufsrecht nicht bereits bei einem Veräußerungsfall erlöschen, bei
dem es nach dem Gesetz nicht ausübbar wäre. Als Beispielsfälle sind Erbauseinandersetzung, Tausch oder
Schenkung genannt.
Soweit die Bewilligungserklärung von der Bestellung des Rechts für den ersten Verkaufsfall spricht, scheint
sie sich an dem gesetzlichen Regelfall zu orientieren. Nach § 1097 1. Halbsatz BGB beschränkt sich das
Vorkaufsrecht auf den Fall des Verkaufs durch den Eigentümer, welchem das Grundstück zur Zeit der
Bestellung gehört, oder durch dessen Erben. Allerdings kann es auch für mehrere Verkaufsfälle bestellt
werden (§ 1097 2. Halbsatz BGB). Trotz des sachenrechtlichen Typenzwangs für zulässig gehalten wird
daher eine Vereinbarung, die das Vorkaufsrecht nur für einen Verkauf gelten lässt, dies jedoch unabhängig
davon, ob noch der Besteller der Verkäufer ist oder ein Sonderrechtsnachfolger, der das Grundstück anders
als durch rechtsgeschäftliche Veräußerung erworben hat (KG OLGE 41, 21/23; MüKo/Westermann BGB 6.
Aufl. § 1097 Rn. 2). Eine andere Ansicht hält eine derartige Vereinbarung ebenfalls für zulässig, legt sie
jedoch nicht als Vorkaufsrecht nur für einen Verkaufsfall aus, sondern als ein solches, das für mehrere
Verkaufsfälle bestellt ist (Staudinger/Schermaier BGB Bearb. 2009 § 1097 Rn. 13). Letztlich kommen jedoch
beide Auffassungen zu demselben Ergebnis, dass das so verstandene und abweichend von dem
gesetzlichen Regelfall des § 1097 BGB bestellte Vorkaufsrecht bei einer ersten Veräußerung, die keinen
Vorkaufsfall darstellt, nicht erlischt.
bb) Für die Auslegung (§ 133 BGB) ist auf Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus dem
Eintragungsvermerk einschließlich der Eintragungsbewilligung für den unbefangenen Betrachter als
nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt; Umstände, die außerhalb der Bewilligung liegen,
dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für
jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. BGHZ 92, 351/355; 113, 374/378; BGH ZWE 2013, 402/403;
Demharter § 19 Rn. 28).
Die Auslegung der Bewilligungserklärung ergibt hier nach ihrem klaren Wortlaut eine vom gesetzlichen Inhalt
des Vorkaufsrechts gemäß § 1097 BGB abweichende Regelung dahin, dass das Recht nicht erlöschen sollte
und damit auch gegenüber einem späteren Eigentümer ausgeübt werden kann, wenn dieser das Grundstück
auf eine Art erworben hat, die sich nicht als Verkaufsfall darstellt. Die in der Bewilligung genannten Fälle
(„Erbauseinandersetzung, Tausch oder Schenkung“) sind als bloße Beispiele angeführt. Ein unbefangener
Betrachter entnimmt der Bestimmung als nächstliegende Bedeutung daher, dass das Vorkaufsrecht auch in
einer Zwangsversteigerung, sofern es in deren Rahmen nicht ausgeübt werden kann, nicht zum Erlöschen
kommt.
c) Durch Nichtausübung erloschen wäre das Vorkaufsrecht nur, wenn die Zwangsversteigerung zur
Aufhebung einer Gemeinschaft oder auf Erbenantrag erfolgt wäre. In diesen Fällen hätte der Berechtigte
nämlich sein Vorkaufsrecht ausüben können (Stöber ZVG 21. Aufl. § 81 Rn. 10 bei Anm. 10.2 b). Für andere
Fälle der Zwangsversteigerung - wie hier durch einen Grundpfandrechtsgläubiger - ist die Ausübung des
Vorkaufsrechts jedoch nach § 1098 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 471 BGB ausgeschlossen.
Ein Fall des Erlöschens durch den Zuschlag nach § 52 Abs. 1 Satz 2 ZVG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das
Vorkaufsrecht war im geringsten Gebot (§ 44 ZVG) benannt.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Kostenfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt
(§ 22 Abs. 1, § 25 GNotKG).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

11.05.2016

Aktenzeichen:

34 Wx 61/16

Rechtsgebiete:

Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Grundbuchrecht

Erschienen in:

MittBayNot 2017, 376-378

Normen in Titel:

BGB §§ 471, 1094 Abs. 1, 1098 Abs. 1 S. 1; GBO § 22 Abs. 1 S. 1