Zur Sozialversicherungspflicht eines Kommanditisten bei Darlehensgewährung an die KG
letzte Aktualisierung: 7.7.2021
LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.3.2021 – L 11 BA 2509/20
SGB IV §§ 7, 71;
Zur Sozialversicherungspflicht eines Kommanditisten bei Darlehensgewährung
an die KG
Bei einer GmbH & Co KG sind Kommanditisten, deren Mitarbeit in der KG auf einem
(zivilrechtlichen) Dienstvertrag beruht, selbständig tätig, wenn sie als Mitunternehmer zu betrachten
sind. Dies ist nur der Fall, wenn sie aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Regelungen die Stellung
eines geschäftsführenden (unternehmensleitenden) Kommanditisten innehaben oder über ein
Weisungsrecht gegenüber der Komplementär-GmbH verfügen. Die Darlehensgewährung eines
Kommanditisten begründet kein mit seiner Tätigkeit für die KG verbundenes Unternehmerrisiko.
Der Gesellschafter übernimmt damit nur ein Haftungs- oder Ausfallrisiko, wie es mit jeder
Darlehensgewährung verbunden ist.
Entscheidungsgründe
Die Berufung bleibt ohne Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz
144 SGG) und damit zulässig, sie ist in der Sache aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom
15.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht
in ihren Rechten. Das SG hat deshalb die Klage zu Recht abgewiesen.
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine
Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen DRV Bund (Beklagte) beantragen, ob eine
Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt
der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Antragsberechtigt sind
die Beteiligten eines möglichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Mit dem
rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl I,
2000, 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der
Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks
14/1855, 6). Materiell entscheidet die Beklagte aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des
Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen
3 bis 5 geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen
Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des
Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage
und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1).
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch
Sozialgesetzbuch
gemäß § 7 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in
einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und
eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber
persönlich abhängig ist. Die hierfür vom BSG entwickelten Abgrenzungsmaßstäbe (vgl ua BSG 04.06.2019, B
12 R 11/18R -
abhängigen Beschäftigung in erster Linie danach richtet, ob der Geschäftsführer nach der ihm zukommenden,
sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder
Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (stRspr des BSG, ua BSG 19.09.2019,
B 12 R 25/18 R,
sondern auch für mitarbeitende Kommanditisten einer GmbH & Co KG.
Bei der Beurteilung der Tätigkeit von Gesellschaftern (einer GmbH oder einer KG) sind verschieden
Fallkonstellationen zu unterscheiden. Mitarbeitende Gesellschafter, die allein aufgrund ihrer Stellung als
Gesellschafter in der Gesellschaft tätig sind und die außerhalb des Gesellschaftsvertrages keine
rechtsgeschäftlichen Beziehungen zur Gesellschaft haben, sind nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt,
sondern Mitunternehmer (vgl hierzu LSG Baden-Württemberg 22.07.2020, L 5 BA 4158/19, juris). Insoweit fehlt
es bereits an einer Beschäftigung gegen Entgelt. Die Gewinnanteile, die der Kommanditist einer GmbH & Co
KG erhält, sind kein Arbeitsentgelt, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs 1 Nr 2, Abs 3
Einkommensteuergesetz).
Mitarbeitende Gesellschafter, die - wie der Kläger zu 1) - aufgrund eines zusätzlich zum Gesellschaftsvertrag
geschlossenen Vertrages gegen Entgelt für die Gesellschaft tätig sind, können sowohl abhängig beschäftigt als
auch selbständig tätig sein. Bei einer GmbH & Co KG sind Kommanditisten, deren Mitarbeit in der KG auf
einem (zivilrechtlichen) Dienstvertrag beruht, selbständig tätig, wenn sie als Mitunternehmer zu betrachten sind.
Dies ist nur der Fall, wenn sie aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Regelungen die Stellung eines
geschäftsführenden (unternehmensleitenden) Kommanditisten innehaben oder über ein Weisungsrecht
gegenüber der Komplementär-GmbH verfügen. Weder das eine noch das andere ist hier anzunehmen.
Der Kläger zu 1) hat nicht die Stellung eines geschäftsführenden Kommanditisten inne. Nach
sind die Kommanditisten von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen. Aufgrund des
Umstands, dass
Abschluss des Gesellschaftsvertrags oder durch dessen Änderung die Kommanditisten zu geschäftsführenden
Gesellschaftern machen. Dies kann zur Folge haben, dass die Beschlüsse über die Geschäftsführung auch
gegen den Willen der Komplementäre gefasst werden können (Staake,
enthält derartige Regelungen nicht. Auf den Dienstvertrag, den der Kläger zu 1) mit der der Klägerin zu 2)
geschlossenen hat, können sich die Kläger nicht berufen. Dort ist zwar in § 3 Nr 1 vereinbart, dass der Kläger
zu 1) ausschließlich für die Klägerin zu 2) geschäftsführend tätig sein wird. Maßgebend für die Frage, ob der
Kommanditist unternehmensleitend tätig sein kann und darf, sind aber nicht die Regelungen in einem mit der
KG geschlossenen Anstellungsvertrag, sondern die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen.
Der Kläger zu 1) besitzt auch kein Weisungsrecht gegenüber der Komplementär-GmbH. Die Stellung als
Kommanditist räumt ihm keine Rechtsmacht in Bezug auf die Komplementär-GmbH ein. Kommanditisten einer
GmbH & Co KG steht - anders als den Gesellschaftern einer GmbH - im Bereich der allein der Komplementär-
GmbH obliegenden gewöhnlichen Geschäftsführung kein Weisungsrecht zu (vgl BGH 11.2.1980, II ZR 41/79,
Gesellschaft ausgeschlossen und können einer Handlung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht
widersprechen, es sei denn, dass die Handlung über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der
Gesellschaft hinausgeht. Lediglich solche außergewöhnlichen Handlungen bedürfen der Zustimmung der
Kommanditisten. Selbst daran fehlt es hier. Nach § 6 Nr 4 GV 20.07.2017 steht den Kommanditisten - und
damit auch dem Kläger zu 1) - auch bei Geschäften, die über den Betrieb des Handelsgewerbes der
Gesellschaft hinausgehen, kein Widerspruchsrecht gegenüber der Komplementär-GmbH zu.
Da
von
werden (BSG 08.07.2020, B 12 R 2/19 R mwN) Von dieser Möglichkeit hat die GmbH & Co KG (Klägerin zu 2)
hier keinen Gebrauch gemacht. Die Kläger berufen sich insoweit zu Unrecht auf § 8 Nr 5 des GV 20.07.2017.
Diese Bestimmung lautet: „Die Kommanditisten zu 3) und 4) [Anm.: Das sind der Kläger zu 1) und Herr S.],
gemeinsam und jeder für sich, haben das Recht, innerhalb von 2 Wochen nach Beschlussfassung bzw
Kenntnis vom Beschlussinhalt ihr Veto gegen einzelne Beschlüsse einzulegen (Vetorecht). Das Veto ist
schriftlich gegenüber der Gesellschaft und den anderen Gesellschaftern zu erklären. Wird das Vetorecht
fristgerecht ausgeübt, gilt der entsprechende Beschluss als von vornherein nicht gefasst.“ Diese Regelung
betrifft das Verhältnis der Kommanditisten, also auch des Klägers zu 1), zur KG, also der Klägerin zu 2), und
nicht das Verhältnis der Kommanditisten zur Komplementär-GmbH. Aber darauf kommt es entscheidend an.
Trotz dieser Bestimmung im GV 20.07.2017 bleibt der Kläger zu1) von der Geschäftsführung der Klägerin zu 2)
ausgeschlossen.
Wie das SG zutreffend dargelegt hat, ist der Kläger abhängig beschäftigt, da er trotz seiner weitreichenden
Rechte in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und den Weisungen der geschäftsführenden
Komplementär-GmbH unterliegt. Der Kläger ist zwar kraft Gesellschaftsvertrages als Prokurist bestellt ist (vgl §
6 Nr 5 GV 20.07.2017) und ihm steht ein Vetorecht zu (§ 8 Nr 6 GV 20.07.2017), mit dem er sämtliche ihm nicht
genehme Gesellschafterbeschlüsse (der GmbH & Co KG, nicht der Komplementär-GmbH) verhindern kann.
Dies ermöglicht es ihm aber nicht, Weisungen der geschäftsführenden Komplementär-GmbH zu verhindern.
Diese ist gemäß § 6 Abs 1 GV 20.07.2017 allein zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt und
verpflichtet. Der Kläger zu 1) hingegen ist gemäß § 6 Abs 5 GV 20.07.2017 lediglich Prokurist und gerade kein
Geschäftsführer. Anders als die Kläger meinen, bedarf es keiner Gesellschafterbeschlüsse, um dem Kläger zu
1) gegenüber Weisungen zu erteilen, weshalb ihm an dieser Stelle sein Vetorecht keinen Vorteil verschafft.
Vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das
Weisungsrecht über die Angestellten einer Gesellschaft Sache der laufenden Geschäftsführung, nicht dagegen
der Gesellschafterversammlung (vgl zur GmbH BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R,
4-2400 § 7 Nr 26; BSG 23.06.1994, 12 RK 72/92, juris Rn 15; BSG 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, juris Rn 23;
BSG 19.08.2015, B 12 KR 9/14 R, juris Rn 28; vgl auch LSG Hessen 20.09.2018, L 8 KR 336/15, juris Rn 30 ff).
Die Komplementär-GmbH leitet als alleinige Geschäftsführerin das Tagesgeschäft, nimmt für die KG die
Arbeitgeber- und Unternehmerfunktion wahr, schließt mit den Arbeitern und Angestellten - also auch mit
Prokuristen - Arbeitsverträge ab und übt gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer die Weisungsbefugnisse des
Arbeitgebers aus (LSG Sachsen 05.12.2017, L 9 KR 26/12, Rn 77 - 78, juris mwN).
Die Argumentation des Klägers zu 1), er sei frei in der Ausübung seiner Tätigkeit in Bezug auf Arbeitsort,
Arbeitszeit und auch Arbeitsinhalt (§ 3 Nr 2 und Nr 8 des Dienstvertrages), so dass er keinen Weisungen
unterliege, trifft zum einen nicht zu. Nach § 3 Nr 8 Satz 1 des Dienstvertrages ist der Kläger zu1) lediglich in der
Bestimmung seines Arbeitsortes und der Verteilung seiner Arbeitszeit, nicht aber hinsichtlich des Arbeitsinhalts
und dem Umfang seiner Arbeitszeit (siehe § 3 Nr 2 Satz 1 des Dienstvertrages: Er wird in der Regel in Vollzeit
tätig sein) frei. Zum anderen besteht selbst diese Freiheit nicht uneingeschränkt. Nach §3 Nr 8 Satz 2 des
Dienstvertrages ist der Kläger zu 1) gehalten, soweit es das Wohl der Gesellschaft erfordert, zur Dienstleistung
zur Verfügung zu stehen. Der Dienstvertrag räumt dem Kläger zu 1) keine Rechte gegenüber der
Komplementär-GmbH ein, sondern belegt vielmehr, dass er von seiner vertraglichen
Geschäftsführungsbefugnis nur im Rahmen der von der Komplementär-GmbH gemachten Vorgaben Gebrauch
machen kann.
Es kommt auch nicht darauf an, worauf auch das SG zutreffend hingewiesen hat, ob es tatsächlich jemals zu
Weisungen durch die Komplementär-GmbH gekommen ist. Nach der Rechtsprechung des BSG ist nur eine im
Gesellschaftsvertrag selbst und unmittelbar angelegte Regelung in der Lage, eine sozialversicherungsrechtlich
beachtliche Weisungsfreiheit zu gewährleisten (BSG 14.03.2018, B 12 KR 13/17 R, juris Rn 18; BSG
08.07.2020, B 12 R 2/19 R, juris Rn 20). Die Maßgeblichkeit des rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen
und daher jederzeit änderbaren Verhaltens der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit
sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine "Schönwetter-
Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich
bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG 08.07.2020, B 12 R 2/19
R, juris Rn 17; BSG 19.09.2019, B 12 R 25/18 R,
Die Darlehensgewährung eines Kommanditisten begründet kein mit seiner Tätigkeit für die KG verbundenes
Unternehmerrisiko. Der Gesellschafter übernimmt damit vielmehr nur ein Haftungs- oder Ausfallrisiko, wie es
mit jeder Darlehensgewährung verbunden ist. In Bezug auf die Tätigkeit Klägers zu 1) für die Klägerin zu 2)
ergeben sich aus der Darlehensgewährung keine erkennbaren finanziellen Auswirkungen, vielmehr erhält er
insoweit als Gegenleistung nach wie vor und weiterhin eine feste monatliche Vergütung (vgl BSG 19.08.2015, B
12 KR 9/14 R, Die Beiträge Beilage 2016, 59 zu einer bei der GmbH angestellten Minderheitsgesellschafterin).
Dass der Kläger zu 1) am Gewinn der Gesellschaft beteiligt ist, folgt nicht aus seinem Dienstvertrag, sondern
aus seiner Stellung als Anteilseigner an der Klägerin zu 2). Gleiches gilt für das Verlustrisiko in Bezug auf das
von ihm eingesetzte Kapital.
Die Kostenentscheidung beruht auf
einheitlichen Streitgegenstandes die sich zugunsten des einen Klägers gem
Kostenfreiheit auf den anderen, nicht privilegierten Kläger erstreckt (vgl hierzu BSG 29.05.2006, B 2 U 391/05
B, SozR 4-1500 § 193 Nr 3).
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Entscheidung, Urteil
Gericht:LSG Baden-Württemberg
Erscheinungsdatum:30.03.2021
Aktenzeichen:L 11 BA 2509/20
Rechtsgebiete:
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Kommanditgesellschaft (KG)
Sozialrecht
SGB IV §§ 7, 71; HGB § 164 S. 1