OLG Schleswig 22. Februar 2011
5 W 8/11
BGB § 242; BGB § 280

Nebenpflichten aus dem Sicherungsvertrag; Schadensersatzpflicht einer nachrangigen Gläubigerin bei Forderung einer „Lästigkeitsprämie zur Ermöglichung des freihändigen Verkaufs

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 5w8_11
letzte Aktualisierung: 01.09.2011
OLG Schleswig, 23.02.2011 - 5 W 8/11
BGB §§ 280, 242
Nebenpflichten aus dem Sicherheitsvertrag; Schadensersatzpflicht einer nachrangigen
Gläubigerin bei Forderung einer „Lästigkeitsprämie zur Ermöglichung des freihändigen
Verkaufs
1. Unter besonderen Umständen kann eine Bank wegen des Verbots übermäßiger Schädigung nach
Treu und Glauben kraft einer sicherungsvertraglichen Nebenpflicht verpflichtet sein, Sicherheiten
freizugeben und eine auflagenfreie Löschungsbewilligung zu erteilen, wenn die Notwendigkeit
dieses Verhaltens überdeutlich und augenscheinlich gewesen ist, die Bank aber die Augen davor
verschlossen hat.
2. Eine Pflicht zur auflagenfreien Freigabe einer Sicherheit kommt insbesondere in Betracht, wenn
das Grundpfandrecht einer Bank in Folge einer wertausschöpfenden vorrangigen Belastung
lediglich eine formelle Rechtsposition darstellt und die Bank gleichwohl eine „Lästigkeitsprämie“
von der vorrangigen Gläubigerin verlangt. Sie verletzt damit ihre Pflicht zur auflagenfreien
Erteilung einer Löschungsbewilligung, wenn eine bessere Verwertung als die freihändige
Veräußerung nicht möglich erscheint, aber eine Verschlechterung des möglichen Ertrags (im
Zwangsversteigerungsverfahren) sicher zu erwarten ist.
3. Eine Pflichtverletzung der handelnden Bank entfällt nicht deshalb, weil der Insolvenzverwalter
sie auf Erteilung einer auflagenfreien Löschungsbewilligung hätte verklagen können.
4. Eine vertragliche Nebenpflicht der vorrangigen Gläubigerin zur Zahlung einer
„Lästigkeitsprämie“ an die nachrangige Gläubigerin scheidet aus, wenn es der vorrangigen
Gläubigerin nicht zumutbar ist, die Lästigkeitsprämie auch ggf. „unter Vorbehalt“ zu zahlen.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
5 W 8/11
Beschluss
2 O 157/10 Landgericht Flensburg
In dem Prozesskostenhilfeverfahren
...
hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig
am 23. Februar 2011
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 12.11.2010 werden der
Prozesskostenhilfe versagende Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg
vom 14.10.2010 sowie der Nichtabhilfebeschluss vom 04.02.2011 geändert und wie folgt neu
gefasst:
Der Antragstellerin wird auf ihren Antrag vom 14.05.2010 Prozesskostenhilfe ohne
Ratenzahlung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Dr. H. insoweit bewilligt, als sie zu
beantragen beabsichtigt, die Antragsgegnerin zu 1. zu verurteilen, an sie bis zu 33.000 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt 50% der Gerichtskosten; außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Prozesskostenhilfe versagenden
Beschluss der Kammer ist zulässig und in der Sache teilweise auch begründet (§§ 127 Abs. 2,
114 ff. ZPO).
I.
Die Antragstellerin (geboren am 07.07.1960) beabsichtigt, die Antragsgegner als
Gesamtschuldner wegen schuldhafter Verletzung nebenvertraglicher Treuepflichten aus
Darlehens- bzw. Sicherungsverträgen auf Schadensersatz in Höhe von 48.000 € in Anspruch
zu nehmen.
Die Antragstellerin betrieb bis April 2006 auf ihrem Grundstück H. in R. ein
Lebensmittelgeschäft unter der Firma „R. B.“. Infolge einer Verringerung der Handelsspanne
zwischen An- und Verkaufspreisen im Jahr 2004 sowie der Scheidung von ihrem Ehemann im
Jahr 2005, der sich bis dahin um die Buchführung der Firma gekümmert hatte, geriet die
Antragstellerin in Vermögensverfall. Am 17.05.2006 wurde über ihr Vermögen das
Insolvenzverfahren eröffnet (Amtsgericht H., Aktenzeichen).
Bereits vor und während des Insolvenzverfahrens hatte die Antragstellerin einen Makler
(Firma J. Immobilien) mit dem Verkauf ihrer Immobilie beauftragt.
Das Grundstück der Antragstellerin (Grundbuch von R., Blatt 635) war in Abteilung III
laufende Nr. 2 mit einer Grundschuld über 69.024,40 € zugunsten der Antragsgegnerin zu 2.
(davon rangletzter Teilbetrag in Höhe von 8.200 € seit dem 09.11.1994 abgetreten an die
Antragsgegnerin zu 1.) und in Abteilung III laufende Nr. 4 mit einer Grundschuld über
51.129,19 € zugunsten der Antragsgegnerin zu 1. belastet. Zum Zeitpunkt der
Insolvenzeröffnung beliefen sich die Verbindlichkeiten der Antragstellerin bei der erstrangig
gesicherten Antragsgegnerin zu 2. (bzw. der LBS Bausparkasse H. AG) auf ca. 55.000 € und
die Verbindlichkeiten gegenüber der nachrangig gesicherten Antragsgegnerin zu 1. (bzw. der
Bausparkasse S) auf ca. 25.000 €.
Im Laufe des Insolvenzverfahrens erreichte den Insolvenzverwalter B. B. über den
eingeschalteten Makler J. ein Angebot des Kaufinteressenten C. aus R. vom 31.01.2007 über
60.000 € (inkl. Mehrwertsteuer, vgl. Anlage K3, Bl. 17 GA).
Die Antragstellerin behauptet, der Zeuge C. sei - nach Besichtigung der Immobilie im April
2007 - fest zum Kauf entschlossen gewesen. Es habe sich wohl um die letzte Möglichkeit
einer freibleibenden Veräußerung gehandelt. Während die Antragsgegnerin zu 2. bereit
gewesen sei, der freihändigen Veräußerung des Objekts zu einem Kaufpreis in Höhe von
60.000 € zuzustimmen, habe die nachrangig gesicherte Antragsgegnerin zu 1. im April 2007
von der Antragsgegnerin zu 2. die Zahlung einer sog. „Lästigkeitsprämie“ in Höhe von 5.000
beabsichtigte freihändige Verkauf nicht mehr realisieren ließ.
Im Zuge des im Juni 2007 eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahrens (Amtsgericht H.,
Aktenzeichen) wurde lediglich ein Erlös von 12.000 € (gemäß Zuschlagsbeschluss vom
04.11.2009, Anlage K6) erzielt.
Die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin zu 1) sei verpflichtet gewesen, ihre dinglichen
Sicherheiten auch ohne Zahlung freizugeben. Auch die Antragsgegnerin zu 2. habe die
Nebenpflicht gehabt, die geforderte Lästigkeitsprämie unter Vorbehalt zu zahlen, um die sich
zum damaligen Zeitpunkt bietende, sehr günstige Möglichkeit einer freihändigen
Veräußerung an den Kaufinteressenten C. zu realisieren.
Durch das Verhalten der Antragsgegner sei der Antragstellerin ein Schaden in Höhe der
Differenz zwischen dem freihändigen Kaufangebot in Höhe von 60.000 € und dem im
Zwangsversteigerungsverfahren schließlich erzielten Erlös von nur 12.000 €, mithin in Höhe
von 48.000 € entstanden.
Die Antragsgegner haben hilfsweise die Aufrechnung mit Gegenansprüchen aus ihren im
Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen erklärt.
II.
1. Die Rechtsverfolgung hat i. S. v. § 114 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit die
Antragstellerin von der Antragsgegnerin zu 1. gemäß §§ 280, 488 ff. BGB Schadenersatz in
Höhe von bis zu 33.000 € nebst Rechtshängigkeitszinsen beansprucht. Darüber hinaus ist der
beabsichtigten Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1. die Erfolgsaussicht zu versagen.
a) Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist eine hinreichende Aussicht
auf Erfolg sowie fehlende Mutwilligkeit. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine
verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde
(Zöller-Geimer, ZPO, 28. Auflage § 114 Rdnr. 30 m. w. N.). Hier hat die Antragsgegnerin zu
2. der vermögenslosen Antragstellerin mit Schreiben vom 27.04.2010 (Anlage K9, Bl. 59, 60
GA) angeboten, die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche für sie im Wege der
Abtretung gegenüber der Antragsgegnerin zu 1. geltend zu machen. Dies wäre sicherlich ein
kostengünstiger Weg, die Rechte der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin zu 1.
durchzusetzen. Andererseits darf es einem hilfsbedürftigen nicht verwehrt werden, den
sichersten Weg bzw. den weitestgehenden Rechtsschutz zu wählen (Zöller-Geimer, a. a. O. §
114 Rdnr. 33). Die Antragstellerin hat das Recht, den von ihr geltend gemachten
Schadensersatzanspruch sowie ggf. auch das Erlöschen der hilfsweise zur Aufrechnung
gestellten Gegenansprüche gerichtlich feststellen zu lassen.
b) Die Antragsgegnerin zu 1. hat sich durch die von der Antragstellerin behauptete Forderung
auf Zahlung einer sog. „Lästigkeitsprämie“ in Höhe von 5.000 € im April 2007 gemäß § 280
BGB schadensersatzpflichtig gemacht. Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass die
Antragsgegnerin zu 1. durch ihren Mitarbeiter H. im Rahmen von Telefonaten am
in Höhe von 5.000 € gefordert haben soll (Beweis: Herr He. vom Büro des
Insolvenzverwalters B. und Partner sowie die Mitarbeiter der Antragsgegnerin zu 2. P. und
D.; Vorlage einer Gesprächsnotiz vom 17.04.2007; Bl. 104, 105 GA).
Unter besonderen Umständen kann eine Bank verpflichtet sein, Sicherheiten freizugeben,
wenn die Notwendigkeit dieses Verhaltens überdeutlich und augenscheinlich gewesen ist, die
Bank aber die Augen davor verschlossen hat (vgl. OLG Köln vom 12.06.1995, WM 1995,
1801-1804, juris Rdziff. 10 mit Hinweis auf BGH NJW RR 1990, 623; 1992, 879). Sowohl
aus dem Darlehensvertrag als auch aus dem der jeweiligen Grundschuldbestellung zugrunde
liegenden Sicherungsvertrag ergeben sich nebenvertragliche Schutz- und Treuepflichten.
Solche letztlich nicht normierten Nebenpflichten kommen nach dem Grundsatz von Treu und
Glauben für alle Verträge zur Anwendung und gelten insbesondere für Kreditverträge, in
denen die Vertragspartner zu einem dauerhaften und vertrauensvollen Zusammenwirken
verbunden sind und sich aus dieser Verbundenheit die verstärkte Verpflichtung zur
wechselseitigen Beachtung der beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen aufdrängen muss
(OLG Köln, a. a. O., juris Rdziff. 9). Gerade die Geschäftsbeziehung zu einem Kreditinstitut
beruht auf gegenseitigem Vertrauen und beiderseitiger Abhängigkeit, so dass eine gesteigerte
Sorgfaltspflicht der daran Beteiligten besteht. Dies gilt für eine Bank oder Sparkasse
namentlich für den Bereich der Sicherheitenverwertung und der Zwangsvollstreckung. In
diesen Tätigkeitsfeldern greift das Verbot einer übermäßigen Schädigung des
Vertragspartners ebenso ein, wie das Verbot rücksichtslosen Vorgehens. Ein rücksichtsloses
Vorgehen kann das Bemühen um einen freihändigen Verkauf zunichte machen und eine
Ersatzpflicht der handelnden Bank auslösen (OLG Köln, a. a. O., juris Rdziff. 9 m.w.N.). Das
OLG Schleswig hat mit Hinweisbeschluss vom 10.9.2010 (Az. 5 U 75/10) ferner ausgeführt,
dass sich auch aus dem Sicherungsvertrag und der zugrunde liegenden Zweckerklärung
grundsätzlich Rücksichtnahmepflichten des Gläubigers auf die Interessen des
Sicherungsgebers ergeben. Bei einer Sicherungsgrundschuld ist der schuldrechtliche
Sicherungsvertrag der Rechtsgrund der dinglichen Grundschuldbestellung. Der
Sicherungsvertrag begründet - auch ohne ausdrückliche Vereinbarung - kraft seiner
Rechtsnatur zwischen den Vertragspartnern ein Treuhandverhältnis. Deshalb ist der
Sicherungsnehmer (hier die Bank) als Treuhänder grundsätzlich verpflichtet, auch die
Interessen des Treugebers zu wahren (OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 10.9.2010 Az.
5 U 75/10).
Entsprechend dem Vortrag der Antragstellerin ist die beabsichtigte freihändige Veräußerung
des Objekts im April 2007 daran gescheitert, dass die Antragsgegnerin zu 1. die Erteilung von
Löschungsbewilligungen für die zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschulden (Abteilung
III Nr. 2 a über 8.200 € und Abteilung III Nr. 4 über 51.129,19 €) von der Zahlung einer sog.
„Lästigkeitsprämie“ in Höhe von 5.000 € durch die Antragsgegnerin zu 2. abhängig gemacht
hat. Der Antragsgegnerin zu 1. dürfte bekannt gewesen sein, dass das Objekt durch die
vorrangig zugunsten der Antragsgegnerin zu 2. eingetragene Grundschuld in Höhe von
60.824,40 € (69.024,40 € abzüglich Abtretung in Höhe von 8.200 €) wertausschöpfend
belastet war. Die Maklerfirma J. hatte sich zuvor monatelang bereits vergeblich bemüht, den
Verkauf der Immobilie zu einem Preis von anfänglich 80.000 € (später 65.000 €) zu
eröffnet und sowohl der Insolvenzverwalter als auch die erstrangig gesicherte
Antragsgegnerin zu 2. waren mit einer freihändigen Veräußerung an den Kaufinteressenten
Carstens einverstanden. Die Antragsgegnerin zu 1. musste aufgrund ihrer entsprechenden
Sachkunde - das Objekt liegt im unmittelbaren Geschäftsbereich der Bank - erkannt haben,
dass der im Zuge des freihändigen Verkaufs zu erwartende Erlös (60.000 € brutto) bei einer
späteren Zwangsversteigerung keinesfalls erzielt werden konnte. Aufgrund der bestehenden
schlechten Marktlage (vgl. das Marktwertgutachten Dipl.-Ing. B. vom 05.10.2007, Anlage
K4, Seite 17 und 18) wird für Nordfriesland ein sog. Anpassungsfaktor von 0,70 (=
marktbedingter Korrekturbetrag für den ermittelten Sachwert) zugrunde gelegt. Es ist
gerichtsbekannt, dass selbst der im Zwangsversteigerungsverfahren festgesetzte Verkehrswert
(hier 49.000 €) bei Versteigerungen in aller Regel noch unterschritten wird und vielfach selbst
die Beleihungswerte nicht erreicht werden. Diese Entwicklung dürfte auch der
Antragsgegnerin zu 1. bekannt gewesen sein, zumal davon auszugehen ist, dass sie als
Kreditinstitut vor Ort eine Vielzahl von Einfamilienhäusern in Nordfriesland finanziert und
beliehen hat. Damit dürfte es aus Sicht der Beteiligten im April 2007 nahezu sicher gewesen
sein, dass ein anderweitiger, freihändiger Verkauf des Objekts zu dem bzw. über dem von
dem Interessenten C. gebotenen Preis unwahrscheinlich war.
Diese Umstände rechtfertigen den Schluss, dass die Antragsgegnerin zu 1. wegen des Verbots
der übermäßigen Schädigung nach Treu und Glauben verpflichtet war, eine auflagenfreie
Löschungsbewilligung zu erteilen, um den beabsichtigten freihändigen Verkauf an den
Interessenten C. zu ermöglichen. Durch die Forderung einer „Lästigkeitsprämie“ gegen
Erteilung einer Löschungsbewilligung hat die Antragsgegnerin zu 1. eine formale
Rechtsposition (im Hinblick auf die zu ihren Gunsten bestellten Grundpfandrechte)
ausgenutzt, weil sie ansonsten höchstwahrscheinlich ihre dinglichen Sicherungsrechte nicht
wirtschaftlich sinnvoll hätte verwerten können. Mit der auflagenfreien Freigabe der
bestehenden Sicherheiten durch die Antragsgegnerin zu 1. war kein Forderungsverzicht
verbunden. Einer Bank wird - als nebenvertragliche Treuepflicht - lediglich auferlegt,
bestehende Sicherheiten freizugeben, wenn eine bessere Verwertung - wie hier - nicht
möglich erscheint, aber eine Verschlechterung des jetzt möglichen Ertrages sicher zu erwarten
ist. Es bleibt der Antragsgegnerin zu 1. unbenommen, die offen gebliebene Forderung auch
ohne Sicherheiten zu realisieren.
Entgegen der Auffassung der Kammer entfällt die Pflichtverletzung der Antragsgegnerin zu 1.
nicht deshalb, weil der Insolvenzverwalter seinerzeit die Herstellung der Lastenfreiheit durch
Klage auf Erteilung einer (auflagenfreien) Löschungsbewilligung gegen die Antragsgegnerin
zu 1. hätte durchzusetzen können, um anschließend den freihändigen Verkauf zu ermöglichen.
Zum einen steht nicht fest, ob der Interessent C. auch noch bis zu einer rechtskräftigen
Entscheidung über die Klage an seinem Angebot festgehalten hätte (vielmehr spricht der
Umstand, dass sich der Interessent C. offenbar an der Zwangsversteigerung im Oktober 2009
nicht mehr beteiligt hat, dagegen), außerdem ist es der Antragsgegnerin zu 1. wegen der
eigenen Pflichtverletzung verwehrt, die Antragstellerin (bzw. den Insolvenzverwalter) auf den
Klageweg zu verweisen.
der zur Insolvenztabelle festgestellten Kontokorrentforderung (11.898,98 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.07.2006) wäre die geltend
gemachte Schadensersatzforderung gemäß §§ 387, 389 BGB teilweise erloschen. Die
Antragstellerin hat hinsichtlich der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung
keine substantiierten Einwendungen erhoben. Den Wert der Gegenforderung beziffert der
Senat auf ca. 15.000 € (11.898,98 € + Zinsen). Prozesskostenhilfe ist deshalb nur in dem
zuerkannten Umfang zu bewilligen.
2. Soweit die Antragstellerin auch die Antragsgegnerin zu 2. gesamtschuldnerisch auf
Schadensersatz in Höhe von 48.000 € in Anspruch zu nehmen beabsichtigt, hat die
Rechtsverfolgung hingegen i. S. v. § 114 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auf
die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Ergänzend
wird auf folgendes hingewiesen:
Unabhängig von der streitigen Frage der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Flensburg
gem. §§ 29, 36 ZPO (Antragstellerin hatte zum Zeitpunkt der Darlehensbewilligung im Jahr
1993 ihren Wohnsitz in M.; vgl. Anlage AG1, Bl. 74 GA) fehlt es an einer entsprechenden
Nebenpflichtverletzung i. S. v. §§ 280, 488 ff. BGB. Entgegen der Auffassung der
Antragstellerin war die Antragsgegnerin zu 2. nebenvertraglich nicht verpflichtet, zunächst
„unter Vorbehalt die von der Antragsgegnerin zu 1. geforderte Lästigkeitsprämie zu zahlen“,
um die bestmögliche Verwertung des Objektes durch freihändigen Verkauf im April 2007 zu
ermöglichen. Die Antragsgegnerin zu 2. hat mit Schriftsatz vom 08. Juni 2010 (Bl. 68 ff. GA)
hinreichend deutlich gemacht, dass sie selbst bei einer Erlöserzielung aus freihändigem
Verkauf in Höhe von brutto 60.000 € hinsichtlich ihrer Forderungen nicht in vollem Umfang
befriedigt worden wäre. Die Zahlung einer Lästigkeitsprämie von 5.000 € hätte ihren
Forderungsausfall noch zusätzlich erhöht. Eine Zahlung - auch unter Vorbehalt - war ihr nicht
zuzumuten.
Im Übrigen hat die Kammer zu Recht ausgeführt, dass eventuelle Rückforderungsansprüche
der Antragsgegnerin zu 2. an §§ 812, 814 BGB scheitern würden. Danach ist die
Rückforderung der zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleisteten
ausgeschlossen, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war.
Der Antragsgegnerin zu 2. war bekannt, dass der Antragsgegnerin zu 1. als nachrangiger
Grundpfandgläubigerin weder rechtlich noch wirtschaftlich ein Anspruch auf Zahlung der
geforderten „Lästigkeitsprämie“ zustand. Die Antragsgegnerin zu 2. hätte insoweit auch nicht
unter Druck oder Zwang gehandelt, weil sie sich als erstrangige Grundpfandgläubigerin in
dem anschließenden Zwangsversteigerungsverfahren zumindest eine teilweise Befriedigung
ihrer Forderungen erhoffen durfte.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nur zur Hälfte erhoben (vgl. Anmerkung
zu Nr. 1812 der Anlage 1 GKG). Danach kann das Gericht die Gebühr nach billigem
Ermessen auf die Hälfte ermäßigen, wenn die Beschwerde teilweise zurückgewiesen wird.
Das ist hier der Fall. Außergerichtliche Kosten werden nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Schleswig

Erscheinungsdatum:

22.02.2011

Aktenzeichen:

5 W 8/11

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht

Erschienen in:

NJW-RR 2011, 1631-1632

Normen in Titel:

BGB § 242; BGB § 280