OLG Bamberg 25. März 2020
4 W 21/20
GenG § 25 Abs. 3 S. 1

Ermächtigung einzelner Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft zur Alleinvertretung; Mitwirkung des zu Ermächtigenden

letzte Aktualisierung: 14.1.2021
OLG Bamberg, Beschl. v. 25.3.2020 – 4 W 21/20

GenG § 25 Abs. 3 S. 1
Ermächtigung einzelner Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft zur Alleinvertretung; Mitwirkung
des zu Ermächtigenden

1. Ermächtigen zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder einer eingetragenen
Genossenschaft einzelne Mitglieder gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 GenG zur Vornahme bestimmter
Geschäfte, so können diese an der Beschlussfassung mitwirken.
2. Das zu ermächtigende Vorstandsmitglied muss an seiner eigenen Ermächtigung mitwirken, wenn
der Vorstand nur aus zwei Mitgliedern besteht und das weitere Mitglied allein nicht
vertretungsbefugt ist.

Gründe

I.
Mit Schreiben vom 04.02.2020 legte die Beteiligte zu 3) (künftig auch: Notarin) dem Amtsgericht -
Grundbuchamt - Würzburg gemäß § 15 GBO die Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 1) vom
04.02.2020 (URNr. …/2020) und die Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 2) vom 16.01.2020 (URNr.
zz/2020) vor und beantragte den grundbuchlichen Vollzug dieser Urkunden.

Bei der Beteiligten zu 2) handelt es sich um eine eingetragene Genossenschaft. Nach dem Eintrag im
Genossenschaftsregister wird die Genossenschaft vertreten durch zwei Vorstandsmitglieder oder einem
Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen. Vorstandsmitglieder sind A. und B.. Die
Löschungsbewilligung vom 16.01.2020 war von B. unterzeichnet worden. Dieser handelte aufgrund einer
Vollmacht vom 27.09.2019 für die Beteiligte zu 2) (URNr. ccc/2019 der Beteiligten zu 3). In der
Vollmachtsurkunde vom 27.09.2019 ermächtigt A. gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 GenG B. zur Vertretung der
Beteiligten zu 2) in bestimmten Grundbuchsachen.

Mit Zwischenverfügung vom 10.02.2020 teilte die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts Würzburg
der Notarin mit, dass ein Eintragungshindernis bestehe, weil die Löschung des Grundpfandrechts nur durch
ein Vorstandsmitglied bewilligt und die vorgelegte Vollmacht nur durch ein Vorstandsmitglied erteilt worden
sei. Sie setzte eine Frist zur Behebung des Hindernisses bis 10.03.2020.
Mit Schreiben vom 13.02.2020 legte die Notarin gegen die Zwischenverfügung Erinnerung ein. Eine
ordnungsgemäße Bevollmächtigung sei gegeben. Herr B. könne und müsse sich nicht selbst ermächtigen,
so dass die Bevollmächtigung durch Herrn A. ausreichend sei.
Das Amtsgericht Würzburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren gemäß Beschluss vom
09.03.2020 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.
Die als Beschwerde auszulegende Erinnerung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Gegen eine Zwischenverfügung ist die unbeschränkte Beschwerde nach § 71 GBO statthaft (Kramer in
BeckOK GBO, Stand 15.12.2019, § 71, Rn. 112).

b) Der Notar ist selbst zwar nicht beschwerdeberechtigt. Hat er jedoch bereits den Vollzugsantrag gemäß §
15 GBO gestellt, wird entsprechend § 15 Abs. 2 GBO bei Ablehnung des Antrags oder Erlass einer
Zwischenverfügung eine Vollmacht des Notars auch für das Beschwerdeverfahren vermutet (Reetz in
BeckOK GBO, Stand 15.12.2019, § 15 GBO, Rn. 62). Stellt der Notar - wie hier - nicht klar, für welchen
Antragsberechtigten die Einlegung des Rechtsmittels erfolgt, wird angenommen, dass er die Beschwerde für
alle Antragsberechtigten einlegt (Kramer in BeckOK GBO, Stand 15.12.2019, § 71, Rn. 227). Als
Beschwerdeführer sind daher die Beteiligten zu 1) und 2) anzusehen, § 13 Abs. 1 S. 2 GBO.

2. Die Beschwerde ist unbegründet.
Es fehlt an einer wirksamen Ermächtigung des B. für die Erteilung der Löschungsbewilligung. Denn die
Ermächtigung des B. wäre von beiden Vorstandsmitgliedern gemeinsam zu erteilen gewesen, § 25 Abs. 3 S.
1 GenG.

a) Gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 GenG können zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder einzelne von
ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Es besteht
Einigkeit, dass die Vorstandsmitglieder die Ermächtigung in jeweils vertretungsberechtigter Anzahl
aussprechen müssen (Geibel in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Rn. 3; Fandrich in Pöhlmann/
Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., Rn. 9). Daraus folgt, dass bei einem mit mehr als zwei Personen besetzten
Vorstand die Ermächtigung zwar nicht zwingend durch alle, aber immer durch so viele Mitglieder zu erfolgen
hat, wie für eine wirksame Vertretung erforderlich sind, wobei nach überwiegender Meinung der zu
Ermächtigende selbst mitwirken kann (Fandrich in Pöhlmann/ Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., Rn. 10; für
den gleichlautenden § 78 Abs. 4 AktG: Spindler in MüKo AktG, 5. Aufl., § 78, Rn. 65; Koch in Hüffer/Koch,
AktG, 14. Aufl., § 78, Rn. 19). Im Falle einer echten Gesamtvertretung muss das zu ermächtigende
Vorstandsmitglied daher mitwirken, wenn der Vorstand ohne es nicht vertretungsbefugt ist, insbesondere
dann, wenn der Vorstand nur aus zwei Mitgliedern besteht (RGZ 80, 180, 183; Spindler a.a.O., Rn. 65).
Die Gegenauffassung argumentiert, dass niemand sich selbst ermächtigen könne und dass nicht die
Genossenschaft oder ihr Gesamtvorstand ermächtige. Vielmehr würden die einzelnen Vorstandsmitglieder
dadurch ermächtigen, dass sie dem zu Ermächtigenden die ihnen jeweils zustehende organschaftliche
Befugnis zur Ausübung überließen. Es müssten daher nur so viele Vorstandsmitglieder ermächtigen, dass
der Ermächtigte neben seiner eigenen (bereits vorhandenen) Vertretungsmacht so viel abgeleitete
Vertretungsmacht auf sich vereinigt, wie im Normalfall der Gesamtvertretung vertretungsberechtigter
Vorstandsmitglieder tätig werden müssten (Beuthien, GenG, 16. Aufl., § 25, Rn. 11).

Dem ist nicht zu folgen. Aus dem Wortlaut der Regelung des § 25 Abs. 3 Satz 1 Genossenschaftsgesetz
lässt sich kein Hinderungsgrund für eine Mitwirkung des zu Ermächtigenden ableiten. Zudem ist zu sehen,
dass die Regelung zu einer Abschwächung des Grundsatzes der Gesamtvertretung zugunsten des Verkehrs
führt. Ursprünglich war daher im Aktienrecht, das eine identische Regelung kennt, die Ermächtigung durch
den „Vorstand“ zu erteilen (§ 232 Abs. 1 S. 2 HGB 1900). Nachdem es aber von der herrschenden Meinung
als ausreichend angesehen wurde, wenn eine zur Vertretung genügende Zahl von Vorstandsmitgliedern die
Ermächtigung erteilte, fasste der Gesetzgeber die Vorschrift entsprechend der heute gültigen Fassung des §
78 Abs. 4 AktG bzw. des § 25 Abs. 3 GenG neu und bestätigte die bisherige Auslegung (Spindler in MüKo
AktG, 5. Aufl., § 78, Rn. 63).

b) Im vorliegenden Fall gibt es neben dem Vorstandsvorsitzenden A. nur ein weiteres Vorstandsmitglied. Der
Vorsitzende kann laut Registereintrag entweder gemeinsam mit diesem oder mit dem Prokuristen die
Genossenschaft nach außen vertreten. Es ist ein Fall der Gesamtvertretung gegeben, der eine Mitwirkung
des B. an der Ermächtigung erforderlich macht. Die Vollmachtsurkunde vom 27.09.2018 war daher nicht
geeignet, eine wirksame Vertretungsberechtigung des B. nachzuweisen.
Die Beschwerde ist somit unbegründet.

III.
Ein Ausspruch über die Kostentragungspflicht ist nicht erforderlich (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15.
Aufl., Rn. 510).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 78 Abs. 2 GBO.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 61, 53 Abs. 1 GNotKG. Demnach ist der Nennwert der
zu löschenden Grundschuld maßgeblich (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.07.2019, 3 Wx 77/17, Rn. 18;
Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 3. Aufl., § 53, Rn. 3; Becker in BeckOK Kostenrecht, § 53
GNotKG, Rn. 5)

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Bamberg

Erscheinungsdatum:

25.03.2020

Aktenzeichen:

4 W 21/20

Rechtsgebiete:

Stille Gesellschaft
Genossenschaft
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Aktiengesellschaft (AG)

Erschienen in:

RNotZ 2020, 477-479
FGPrax 2020, 122-123

Normen in Titel:

GenG § 25 Abs. 3 S. 1