Vermietungsrecht bei Umzug des Wohnungsberechtigten in ein Pflegeheim
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Deutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 773
letzte Aktualisierung: 12. Februar 1999
Wohnungsberechtigten, insbesondere dessen Umzug in ein Pflegeheim, stehen die
durch Vermietung oder sonstige Nutzung zu erzielenden Erträge nach
dem Wohnungsberechtigten zu, w enn sich dieser in einer existenzbedrohenden
Notlage befindet und nach Lage und Art der Räume eine Nutzung durch andere
Personen ohne Beeinträchtigung des Verpflichteten möglich ist.
G r ü n d e :
I.
Der Antragstellerin ist von ihrem Sohn ein unentgeltliches und lebenslängliches dingliches Wohnrecht an
Räumen im Obergeschoß einer Wohnung in ... eingeräumt worden. Die Antragsgegner haben das
Hausgrundstück vom Sohn der Antragstellerin gekauft und in diesem Vertrag das Wohnrecht übernommen.
Die Antragstellerin ist inzwischen pflegebedürftig und wohnt in einem Heim. Sie verlangt eine monatliche
Nutzungsentschädigung von 300 DM, hilfsweise Herausgabe der Wohnung. Anläßlich des Umzuges der
Antragstellerin in das Pflegeheim ist den Antragsgegnerin ein Schlüssel zu der Wohnung übergeben
worden, zu dessen Rückgabe die Antragsgegner mit Fristsetzung bis zum 22. Oktober 1997 erfolglos
aufgefordert worden sind.
Die Parteien streiten u. a. darüber, ob die Antragsgegner die leerstehenden Räume selbst nutzen und ob die
Wohnung vermietbar ist. Nach dem bisher unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin handelte es sich
ursprünglich um eine abgeschlossene Wohnung, weil eine gesonderte Wohnungseingangstür eingebaut
worden ist. Die Antragstellerin hält es für möglich, daß die Antragsgegner nach ihrem Auszug diese Tür
entfernt haben und die Räume nunmehr nicht mehr in sich abgeschlossen sind.
Das Landgericht hat der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe nur für das Herausgabeverlangen zugebilligt und
im übrigen die Auffassung vertreten, für das Zahlungsbegehren fehle es an einer Anspruchsgrundlage.
II.
Die gemäß
1. Die Rechtsprechung (OLG Köln,
ausführliche Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB, 57. Aufl. 1998, Rdn. 154 zu § 242) hat sich schon
mehrfach mit der Frage beschäftigt, ob und unter welchen Voraussetzungen der Inhaber eines
Wohnungsrechtes einen Ausgleich in Geld für den Fall verlangen darf, daß ihm die Ausübung seines Rechts
infolge Pflegebedürftigkeit voraussichtlich auf Dauer nicht mehr möglich ist.
a) Das als beschränkt persönliche Dienstbarkeit begründete und in
erlischt grundsätzlich, wenn infolge von Veränderungen die Ausübung des Rechts aus tatsächlichen oder
rechtlichen Gründen dauernd ausgeschlossen ist oder wenn der Vorteil für die Benutzung des herrschenden
Grundstücks infolge grundlegender Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen
Grundlagen objektiv und endgültig wegfällt (BGH
Zweibrücken,
subjektives Ausübungshindernis - wie der Umzug in ein Altenheim - grundsätzlich noch nicht zum Erlöschen
des Rechts, zumal nicht sicher vorherzusehen ist, ob sich der gesundheitliche Zustand des Berechtigten
bessert.
b) Unabhängig von der noch unter Ziffer 2. zu erörternden Frage der Umwandlung in einen
Zahlungsanspruch oder der Verpflichtung zur Vermietung sind die Antragsgegner jedenfalls unter keinem
denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt befugt, die zur Zeit leerstehenden Räume selbst zu nutzen. Da sie
trotz entsprechender Aufforderung und Fristsetzung seit Ende Oktober 1997 die Schlüssel nicht
herausgegeben und möglicherweise sogar die ursprünglich vorhandene Wohnungseingangstür abgerissen
haben, bestehen jedenfalls ausreichende Anhaltspunkte dafür, daß die Antragsgegner trotz ihrer
entgegenstehenden Behauptung die Räume in der Vergangenheit selbst genutzt haben und
dementsprechend ein Schadensersatzanspruch analog den
2. Zur Frage der Umwandlung in Geldleistungen bzw. zum Vermietungsrecht gilt folgendes:
Die Rechtsprechung (Senat 4 U 266/94; 01G Düsseldorf
OLG Köln,
Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein nicht mehr ausübbares Wohnungsrecht auch
Geldzahlungsansprüche auslösen kann. Geregelt ist dieser Fall ausdrücklich in Art. 16 des
Niedersächsischen AGBGB, der bestimmt, daß bei einem Auszug des Altenteilers, der von keiner der
Parteien zu vertreten ist, der Verpflichtete zum Ersatz der ihm aus der Nichtausübung des Altenteilsrechts
erwachsenden Vorteile verpflichtet ist. Obwohl es sich im vorliegenden Fall nicht um ein Altenteil handelt,
hat die Rechtsprechung in den zitierten Entscheidungen die für das Altenteil entwickelten Grundsätze auf
andere Wohnungsrechte entsprechend angewendet. Ob der Antragstellerin in diesem Zusammenhang ein
Anspruch zusteht, läßt sich indessen noch nicht abschließend beurteilen, weil die Antragstellerin
Ausgleichszahlungen auch für die Zukunft verlangt und zur Zeit noch nicht übersehen werden kann, ob die
Antragsgegner die Räume in Zukunft tatsächlich nutzen und insoweit Vorteile haben.
3. Was die Befugnis zur Vermietung an Dritte im Fall des Umzuges in ein Pflegeheim anbetrifft, so hat das
OLG Oldenburg (Nds.Rpfl. 1994, 305) ein derartiges Recht im Hinblick auf
verneint, weil nach dieser Bestimmung der Berechtigte lediglich Familienangehörige in die dem Wohnrecht
unterliegenden Räume aufnehmen darf, sofern im Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.
Demgegenüber hat das OLG Köln (
Beschränkung auf eine höchstpersönliche Nutzung je nach den Umständen bei Existenzgefährdung des
Berechtigten wegfallen und die erforderliche Anpassung es gebieten kann, dem Berechtigten bei
notwendiger auswärtiger Pflegeunterbringung die durch Vermietung oder sonstige Nutzung zu erzielenden
Erträge zukommen zu lassen.
Das Oberlandesgericht Köln führt in diesem Zusammenhang aus, die Wortwahl des
spiegele die sozialen Verhältnisse beim Inkrafttreten des BGB vor fast 100 Jahren wieder und zeige den
Willen des Gesetzgebers, dem Wohnungsberechtigten die Nutzung auch im Pflegefall zu ermöglichen. Da
die Aufnahme von Pflegepersonal in die Wohnung heute wegen der veränderten wirtschaftlichen
Verhältnisse so gut wie ausgeschlossen sei, könne es dem Verpflichteten in Ausnahmefällen nach § 242
BGB zumutbar sein, bei unvorhergesehener persönlicher Verhinderung die Nutzungen dem
Wohnungsberechtigten zukommen anstatt die Wohnung leerstehen zu lassen. Eine solche Pflicht bestehe
jedenfalls dann, wenn nach Lage und Art der Räume eine Nutzung durch andere Personen ohne
Beeinträchtigung der Verpflichteten möglich sei und der Berechtigte sich in einer existenzbedrohenden
Notlage befinde, ohne daß es in diesem Zusammenhang auf die Frage ankomme, ob Sozialhilfeleistungen
gewährt würden.
Der Senat tritt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln im Hinblick auf dessen überzeugende
Begründung bei, denn es ist in der Tat nicht einzusehen, daß der Verpflichtete die Wohnung selbst nicht
nutzen darf und leerstehen läßt, unter Berufung auf
Vermietung ablehnt. Nach dem - wenn auch bestrittenen - Vorbringen der Antragstellerin war die Wohnung
abgeschlossen und vermietbar. Dafür hat sie Beweis angetreten (Zeugnis ... Augenscheineinnahme der
Linie mit prozessualen Fragen und nimmt zu dem konkreten Problem dieses Falles nicht detailliert Stellung.
4. Im übrigen ist Prozeßkostenhilfe nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH
bereits dann zu bewilligen, wenn eine Rechtsfrage in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht
eindeutig geklärt ist; diese Voraussetzungen liegen aber im Hinblick auf die einander widersprechenden
Entscheidungen der Oberlandesgerichte Oldenburg und Köln vor, so daß auch die Zulassung der Revision
in Betracht kommt (
5. Ob die von der Antragstellerin geräumte Wohnung nach den erwähnten Maßstäben vermietet werden
kann, wird das Landgericht erforderlichenfalls durch einen Ortstermin oder ein Gutachten klären müssen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Celle
Erscheinungsdatum:13.07.1998
Aktenzeichen:4 W 129/98
Erschienen in:
DNotI-Report 1999, 104-105
NJW-RR 1999, 10-11
BGB §§ 1093 Abs. 2, 242