OLG München 10. September 2013
34 SchH 10/13
ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 311b Abs. 1 S. 1; GmbHG § 15 Abs. 4 S. 1; BeurkG § 17 Abs. 1; ZPO § 1040 Abs. 3 S. 2; ZPO § 1031; ZPO § 1029

Schiedsvereinbarung; unzulässige Klausel zur Selbstbestimmung der eigenen Zuständigkeit; grds. keine Beurkundungsbedürftigkeit der in Bezug genommen Schiedsgerichtsordnung

ZPO §§ 1029, 1031, 1040 Abs. 3 S. 2, 1062 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 311b Abs. 1 S. 1; GmbHG § 15 Abs. 4 S. 1; BeurkG § 17 Abs. 1

Schiedsvereinbarung; unzulässige Klausel zur Selbstbestimmung der eigenen Zuständigkeit; grds. keine Beurkundungsbedürftigkeit der in Bezug genommen Schiedsgerichtsordnung

1. Zur Gültigkeit einer Schiedsklausel im Übrigen, die über die Zuweisung von Streitigkeiten an ein (DIS-) Schiedsgericht hinaus eine unzulässige Kompetenz-Kompetenz-Zuweisung enthält.
2. Auch wenn die Schiedsvereinbarung als Teil eines einheitlichen, formbedürftigen Vertragswerks mitzubeurkunden ist, bedarf die maßgebliche Schiedsgerichtsordnung (hier: die der DIS) regelmäßig nicht der Mitbeurkundung.

OLG München, Beschl. v. 10.9.2013 – 34 SchH 10/13
Abruf-Nr.: 11104R

Problem
Eine Schweizer AG (S. A.) und drei Gesellschaften mbH schlossen mit einem Unternehmen der Sportartikelindustrie und deren 100%iger Tochter, die zugleich Eigentümerin mehrerer Immobilien auf einem ehemaligen Kasernengelände war, mit notarieller Urkunde vom 22.12.2010 einen
Rahmenvertrag über den Verkauf und die Übertragung von Grundstücken und Gesellschaftsanteilen. In den Anlagen zu diesem Rahmenvertrag waren u. a. entsprechende Einzelverträge enthalten. Der Rahmenvertrag enthielt unter Nummer 16 ferner folgende Regelung:

16. Schiedsgericht
16.1 Jede Streitigkeit, die aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder seinen Anlagen entsteht, einschließlich jeder Streitigkeit über die Wirksamkeit oder das Bestehen dieses Vertrags, mit Ausnahme derjenigen Streitigkeiten, die von Gesetzes wegen einem Schiedsgericht nicht zur Entscheidung zugewiesen werden können, wird entsprechend der Schiedsgerichtsordnung des Deutschen Instituts für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) endgültig entschieden, ohne dass die Möglichkeit der Anrufung der ordentlichen Gerichtsbarkeit besteht. Das Schiedsgericht kann auch über die Gültigkeit dieser Schiedsvereinbarung bindend entscheiden.
16.2 Sitz des Schiedsgerichts ist Nürnberg. ...

Im Rahmen eines am 14.3.2012 eingeleiteten Schiedsverfahrens wurde die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt. Mit Zwischenentscheid vom 5.3.2013 stellte das Schiedsgericht seine Zuständigkeit fest. Gegen diesen Zwischenentscheid wurde Antrag beim OLG München auf Feststellung der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts gestellt. Dabei wird die inhaltliche Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung in § 16.1 des Rahmenvertrages und deren Formunwirksamkeit gem. § 125 S. 1 BGB gerügt. Letzteres wird darauf gestützt, dass das Formgebot von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB, § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG, insbesondere der Vollständigkeitsgrundsatz, verletzt sei, da die Schiedsgerichtsordnung (im Folgenden DIS-SGO) nicht beurkundet wurde.

Entscheidung
1. Nach Ansicht des OLG München ist die Schiedsvereinbarung in Ziff. 16.1 nicht wegen ihres Inhaltes unwirksam. Allerdings sei die Bestimmung in Ziff. 16.1 S. 2 des Rahmenvertrages unwirksam, da dem Schiedsgericht darin die Befugnis eingeräumt werde, letztinstanzlich über die Gültigkeit der Schiedsklausel zu entscheiden. Nach dem Wortlaut der Regelung soll die Entscheidung des Schiedsgerichts über § 1040 Abs. 1 S. 1 BGB hinausgehend bindend sein. Demgemäß könnte die Entscheidung des Schiedsgerichts über seine eigene Zuständigkeit sachlich nicht überprüft werden. Zwar sei die Entscheidung des Schiedsgerichts über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung auch nach § 1040 ZPO bindend, sofern kein Antrag nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO gestellt werde. Die Regelung in Ziff. 16.1 S. 2 gehe aber darüber hinaus, indem sie den Vertragsparteien die Möglichkeit nehmen möchte, gegen die (Zuständigkeits-)Entscheidung des Schiedsgerichts eine Entscheidung des staatlichen Gerichts herbeizuführen (§ 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO). Dieser Rechtsbehelf sei indes nicht abdingbar. Ungeachtet dessen sei die Regelung in Ziff. 16.1 S. 1 des Rahmenvertrages – jedenfalls nach ihrem Inhalt – für sich genommen wirksam.
2. Die angegriffene Klausel sei auch nicht wegen Formmangels nach § 125 S. 1 BGB nichtig. Denn die Mitbeurkundung der DIS-SGO war nach Ansicht des OLG München für den formwirksamen Abschluss der Schiedsvereinbarung nicht erforderlich. Ein dahin gehender Form-zwang ergebe sich weder aus § 311b Abs. 1 S. 1 BGB noch aus § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG oder aus § 17 Abs. 1 BeurkG.
Grundsätzlich sei auch die Schiedsvereinbarung selbst nicht beurkundungsbedürftig. Die Form der Schiedsvereinbarung sei vielmehr in § 1031 ZPO abschließend geregelt. Hätten die Parteien also in einer separaten Urkunde eine Schiedsvereinbarung geschlossen, wäre diese - vorbehaltlich einer „erschwerenden“ Formmodifikation durch die Parteien – nur an § 1031 ZPO zu messen gewesen. Anders liege der Fall jedoch, wenn die Schiedsvereinbarung Teil eines einheitlichen, nach § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG oder § 311b Abs. 1 S. 1 BGB formbedürftigen Vertragswerks sei. Sämtliche Vereinbarungen, aus denen sich der schuldrechtliche Vertrag nach dem Willen der Beteiligten zusammensetzt, unterliegen dann dem Formzwang (Vollständigkeitsgrundsatz). Die Vereinbarung ist nur dann vollständig beurkundet, wenn sie alles verlautbart, was die Parteien als regelungsbedürftig angesehen haben. Formbedürftig seien in jedem Fall die rechtlich wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii). Teilweise soll sich der Formzwang auch auf Bestimmungen erstrecken, von deren Wirksamkeit die Beteiligten den Bestand des Vertrages nicht abhängig gemacht haben (Verweis auf Staudinger/Schumacher, BGB, Neubearb. 2011, § 311b Rn. 156 m. w. N.).
Es stehe den Parteien indes frei, die Bestimmung von Leistung und Gegenleistung und sogar die Bezeichnung etwa des Erwerbers eines Grundstücks einem Beteiligten oder einem Dritten zu überlassen, unabhängig davon, ob das Bestimmungsrecht wesentliche oder nicht wesentliche Abreden betrifft. Das Bestimmungsrecht selbst müsse zwar in der Urkunde zum Ausdruck kommen. Allerdings sei auch eine konkludente Einräumung möglich. Wenn sogar hinsichtlich der essentialia negotii das Bestimmungsrecht eines Dritten begründet werden könne, spreche nichts dagegen, im Rahmen einer mitbeurkundeten Schiedsvereinbarung einem Dritten die Bestimmung des Verfahrens zu überlassen. Nichts anderes bedeute aber die Vereinbarung, dass sich das Verfahren nach der DIS-SGO richte. Dadurch werde dieser Institution die Bestimmung des Verfahrens übertragen. Eine Pflicht zur Beurkundung der Verfahrensordnung könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn es den Parteien auf ganz bestimmte Verfahrensregeln angekommen wäre und weder Schiedsvereinbarung noch Hauptvertrag ohne diese Regelungen geschlossen worden wären. Denn das Beurkundungserfordernis nach § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG bzw. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB erstrecke sich auf alle Vereinbarungen, aus denen sich das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft nach dem Willen der Parteien zusammensetzt. Nebenabreden müssen demgemäß ebenfalls beurkundet werden, wenn sie mit dem Hauptgeschäft eine rechtliche Einheit bilden, also nach dem Willen der Vertragsschließenden mit diesem „stehen und fallen“ (Verweis auf BGH NJW-RR 1989, 198).
Unter Zugrundelegung der vorstehend dargestellten Grundsätze bestehe kein Erfordernis der Beurkundung der DIS-SGO. Nach dem Parteiwillen seien Schiedsvereinbarung und materiell-rechtlicher Vertrag getrennt zu beurteilen. Den Beteiligten kam es (nur) darauf an, dass das betreffende institutionelle Schiedsgericht tätig wird und dass dieses dann seine jeweils gültige Verfahrensordnung anwendet. Folglich waren nur die Bestimmung der Zuständigkeit dieses Schiedsgerichts und die Anwendung der zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung für das Schiedsgericht geltenden Verfahrensordnung vom Beurkundungserfordernis erfasst. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien hiervon abweichend etwa gerade die zum Zeitpunkt der Beurkundung geltende DIS-SGO angewandt wissen wollten. Der Inhalt des Schiedsverfahrensordnung sei somit dem Schiedsgericht als Drittem zur näheren Bestimmung (ähnlich § 317 BGB) anvertraut worden (Verweis auf Gutachten DNotI-Report 2008, 188).
Etwas anderes folge auch nicht aus der notariellen Belehrungspflicht nach § 17 Abs. 1 BeurkG. Aus dieser verfahrensrechtlichen Bestimmung könne sich eine Beurkundungspflicht ohnehin allenfalls mittelbar ergeben, da der Notar nur über das belehren könne, was ihm bekannt ist. Immer dann, wenn Regelungen der Bestimmung Dritter überlassen sind, könne der Notar lediglich über die damit verbundenen Gefahren belehren. Gerade bei der Wahl einer Schiedsordnung einer anerkannten Schiedsorganisation werde sich der Umfang der diesbezüglichen Belehrungspflicht aber in Grenzen halten, zumal eine Belehrungspflicht nur insoweit bestehe, als eine Belehrung erforderlich sei, um den Willen der Beteiligten rechtswirksam, wahrheitsgemäß und vollständig niederzulegen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

10.09.2013

Aktenzeichen:

34 SchH 10/13

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren
Allgemeines Schuldrecht
GmbH
Mediation, notarielle Schlichtung und Schiedsgericht

Erschienen in:

DNotI-Report 2013, 183-184

Normen in Titel:

ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 311b Abs. 1 S. 1; GmbHG § 15 Abs. 4 S. 1; BeurkG § 17 Abs. 1; ZPO § 1040 Abs. 3 S. 2; ZPO § 1031; ZPO § 1029