Voreintragungsgrundsatz bei Bestellung einer Grundschuld durch transmortal Bevollmächtigten
letzte Aktualisierung: 6.4.2022
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.10.2021 – 19 W 72/21 (Wx)
GBO §§ 39 Abs. 1, 40 Abs. 1
Voreintragungsgrundsatz bei Bestellung einer Grundschuld durch transmortal
Bevollmächtigten
Zur Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld aufgrund einer transmortalen Vollmacht bedarf es
keiner Voreintragung der Erben als Eigentümer des Grundbesitzes.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Die am 24.3.2021 verstorbene … ist im Grundbuch als Eigentümerin des Grundbesitzes
eingetragen (Grundbuch des Amtsgerichts Mannheim, Gemeinde N., Grundbuchbezirk N., Blatt
… und ebd. Blatt …). Sie hatte ihrer Tochter, der Beteiligten zu 1, bereits am 19.5.2006 eine
notariell beurkundete Vollmacht einschließlich einer Vermögensvollmacht erteilt, die durch den
Tod des Vollmachtgebers ausdrücklich nicht erlöschen sollte und die Bevollmächtigte auch zur
Abwicklung des Nachlasses ermächtigte.
Am 21.5.2021 schloss die Beteiligte zu 1 unter Verwendung der transmortalen notariellen
Vollmacht für den Nachlass ihrer verstorbenen Mutter als Verkäufer mit dem Beteiligten zu 2 als
Käufer einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über den Grundbesitz. Dieser enthielt die
unbedingten Auflassungserklärungen, die Bewilligung und den Antrag einer Vormerkung und die
Verpflichtung des Verkäufers, zum Zwecke der Kaufpreisfinanzierung an einer Bestellung von
Grundpfandrechten mitzuwirken. Dazu erteilte der Verkäufer dem Käufer die Vollmacht, alle im
Zusammenhang mit der Bestellung und rangrichtigen Eintragung von Grundpfandrechten in
beliebiger Höhe am Vertragsgegenstand zweckmäßigen Erklärungen abzugeben, mit der
Befugnis, Vollstreckungsunterwerfungen nach
Auf der Grundlage dieser Vollmacht erklärte der Beteiligte zu 2 für sich und den Nachlass von …
ebenfalls am 21.5.2021 eine notariell beurkundete Grundschuldbestellung zu Gunsten der
Beteiligten zu 3 in Höhe von 350.000 EUR, einschließlich der Bewilligung und Beantragung der
Eintragung der Grundschuld.
Der gemäß
Grundschuld und im Rang danach die Eintragung einer Auflassungsvormerkung beim
zuständigen Grundbuchamt beantragt, ohne die Erben der … zu benennen oder einen
Erbnachweis beizufügen.
Durch Zwischenverfügung vom 12.7.2021 hat das Grundbuchamt beanstandet, dass zum
Vollzug des Antrags noch die Vorlage des Erbnachweises auf Ableben von … und der Antrag
der Erben auf Berichtigung des Grundbuchs auf Ableben von … erforderlich sei. Zur Eintragung
der Grundschuld sei die Voreintragung der Erben nach
Voreintragung der Erben sei weder nach § 40 Abs. 1 Alt. 1 GBO noch nach § 40 Abs. 1
Alt. 2 GBO entbehrlich.
Dagegen wendet sich die von dem vertretungsberechtigten Notar am 13.7.2021 eingelegte
Beschwerde, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.
Am 23.7.2021 hat der Notar als Vertreter der Beteiligten den Eintragungsantrag vom 31.5.2021
unter Aufrechterhaltung des Antrags auf Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld dahin
geändert, dass die Auflassungsvormerkung im Rang vor der Finanzierungsgrundschuld
einzutragen sei. Das Grundbuchamt hat am 9.8.2021 eine Erwerbsvormerkung für den
Beteiligten zu 2 im Grundbuch für den streitgegenständlichen Grundbesitz eingetragen.
II.
Die nach
Die Zwischenverfügung des Grundbuchamts vom 12.7.2021 ist nicht gerechtfertigt. Für die
Eintragung der streitgegenständlichen (Finanzierungs-) Grundschuld ist weder ein Erbnachweis
auf Ableben von … noch ein Antrag der Erben auf Berichtigung des Grundbuchs erforderlich.
Denn es bedarf keiner Voreintragung der Erben als Eigentümer des streitgegenständlichen
Grundbesitzes.
1.
Von dem Grundsatz der Voreintragung (
aus § 40 Abs. 1 Alt. 1 GBO, wohl aber aus § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO.
a)
Eine Ausnahme von dem Voreintragungsgrundsatz für die Eintragung einer (Finanzierungs-)
Grundschuld besteht nicht nach § 40 Abs. 1 Alt. 1 GBO.
Danach ist
Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten ist, und wenn die Übertragung
oder Aufhebung eines Rechts eingetragen werden soll. Weder eine Übertragung noch eine
Aufhebung eines Rechts liegt vor, wenn eine Auflassungsvormerkung oder eine (Finanzierungs-
) Grundschuld eingetragen werden sollen. Da eine Auflassungsvormerkung aber allein dazu
dient, die endgültige Übertragung vorzubereiten und zu sichern und sie in ihrem rechtlichen
Bestand von dem Bestand des gesicherten Übertragungsanspruchs abhängig ist, ist – nur für
die Auflassungsvormerkung - § 40 Abs. 1 Alt. 1 GBO entsprechend anzuwenden (BGH NJW
2018, 3310, juris Rn. 6).
Zu Recht hat das Grundbuchamt entschieden, dass daraus nicht folgt, dass § 40 Abs. 1
Alt. 1 GBO auch entsprechend für die Eintragung einer (Finanzierungs-) Grundschuld
anzuwenden ist. Die Finanzierungsgrundschuld steht zwar ebenfalls in sachlichem
Zusammenhang mit der (beabsichtigten) Eigentumsübertragung, jedoch hängt sie in ihrem
rechtlichen Bestand nicht von dem Bestand des Übertragungsanspruchs ab. Die Grundschuld ist
weder bei Erfüllung noch bei Scheitern des Übertragungsanspruchs als unrichtig zu löschen,
sondern bleibt eingetragen, ohne dass die Berechtigung des Bewilligenden aus dem Grundbuch
nachvollzogen werden kann (KG
juris Rn. 14; Demharter, GBO, 32. Aufl., § 40 Rn. 18; a.A. Cramer
b)
Eine Ausnahme von dem Voreintragungsgrundsatz für die Eintragung einer (Finanzierungs-)
Grundschuld ergibt sich hier aber aus § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO analog.
Nach § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO ist
Recht durch die Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten ist, und wenn
der Eintragungsantrag durch die Bewilligung des Erblassers oder eines Nachlasspflegers oder
durch einen gegen den Erblasser oder den Nachlasspfleger vollstreckbaren Titel begründet wird.
Zwar ist der Eintragungsantrag (zur Belastung des ererbten Grundstücks mit der
streitgegenständlichen Finanzierungsgrundschuld im Zusammenhang mit der
Grundstücksveräußerung) nicht durch die Bewilligung der Erblasserin oder eines
Nachlasspflegers begründet, sondern durch die Bewilligung der Beteiligten zu 1 als transmortal
Bevollmächtigte.
Nach der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung ist § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO entsprechend
anzuwenden auf die Bewilligung einer Finanzierungsgrundschuld im Zusammenhang mit der
Grundstücksveräußerung durch einen vom Erblasser transmortal Bevollmächtigen (OLG Celle
juris Rn. 27; OLG Stuttgart
2019, 62, 65 f.; Meikel- Böttcher, GBO, 12. Aufl., § 40 Rn. 28; Milzer
in der Lit.: Beck-OK GBO- Zeiser, 43. Edition, § 40 Rn. 20; Cramer
entsprechende Anwendung von § 40 Abs. 1 Alt. 1 GBO, s.o.); Demharter, GBO, § 40 Rn. 18;
Dressler-Berlin
f.; widersprüchlich: Schöner/ Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 142 (für entspr. Anwendung
von § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO), Rn. 142 c (dagegen)).
Der Erblasserin hat zwar nicht selbst die Bewilligung erklärt, sondern transmortal die Beteiligte
zu 1 bevollmächtigt, über ihr Vermögen oder (nach ihrem Tod) über den Nachlass mit Wirkung
für und gegen die Erben zu verfügen, vorliegend auch zur Abwicklung des Nachlasses. Die
Bewilligung der Finanzierungsgrundschuld durch die Beteiligte zu 1 (vertreten durch den
Beteiligten zu 2) als transmortal Bevollmächtigte ist für die Erben aber ebenso bindend wie eine
Bewilligung durch die Erblasserin oder eine Bewilligung durch einen Nachlasspfleger. Dies
rechtfertigt die entsprechende Anwendung von § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO.
Es fehlt auch nicht an einer Regelungslücke. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass
der Gesetzgeber diese Konstellation bedacht und sich bewusst dagegen entschieden hätte, sie
nach § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO zu regeln (vgl. KG
Ansicht des Grundbuchamts fehlt es nicht an einer Regelungslücke, weil das Reichsgericht im
Jahr 1916 (
Hypothek die Voreintragung der Erben als erforderlich angesehen und die Ausnahme nach
entspricht der Erörterung unter a. Soweit der Gesetzgeber in der Folgezeit keine ausdrückliche
Regelung für die hier maßgebliche Fallgruppe getroffen hat, kann daraus nicht geschlossen
werden, es fehle an einer Regelungslücke bei § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO. Dasselbe gilt in Bezug auf
eine spätere obergerichtliche Entscheidung (KG
Soweit das Kammergericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2020 eine historische
Auslegung vorgenommen hat (
Nichtabhilfebeschluss meint, die zitierte Quelle sei in einer Kommentierung zu
aus dem Jahr 2013 kritisch betrachtet worden, genügt das nicht, um eine Regelungslücke durch
den historischen Gesetzgeber zu verneinen.
Einer entsprechenden Anwendung des § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO im vorliegenden Fall steht auch
nicht entgegen, dass ein Nachlasspfleger in einem zeitlich begrenzten und vom Nachlassgericht
überwachten Rahmen Verfügungen vornehmen kann, während diese Einschränkungen für den
transmortal Bevollmächtigten nicht gelten. Denn der Erblasser hat entschieden, eine Person
seines Vertrauens über den Tod hinaus zu bevollmächtigen, um gegen die Erben auch
wirksame Grundstücksverfügungen und Grundbucheintragungen unabhängig von der
Erbenfeststellung möglichst zügig durchführen zu können (vgl. OLG Stuttgart
juris Rn. 14). Soweit die Bestellung eines Nachlasspflegers der Sicherung des Nachlasses dient,
während der transmortal Bevollmächtigte diese Aufgabe nicht hat, steht auch das der
entsprechenden Anwendung des § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO nicht entgegen. Entscheidend kommt
es darauf an, dass die Bewilligung durch den transmortal Bevollmächtigten die Erben ebenso
bindet wie eine Bewilligung durch den Erblasser oder einen Nachlasspfleger.
Soweit das Grundbuchamt im Nichtabhilfebeschluss meint, es bestehe keine einhellige
obergerichtliche Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung von § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO,
weil das Oberlandesgericht Köln in zwei neueren Entscheidungen keine Ausnahme von dem
Voreintragungsgrundsatz angenommen habe (OLG Köln
das nicht zu. In beiden Entscheidungen geht das Oberlandesgericht Köln in Übereinstimmung
mit der eingangs zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung ausdrücklich davon aus, dass § 40
Abs. 1 Alt. 2 GBO entsprechend anzuwenden ist, wenn ein transmortal Bevollmächtigter die
Eintragung einer (Finanzierungs-) Grundschuld im Zusammenhang mit einer
Grundstücksveräußerung bewilligt (OLG Köln FamRZ 2019, juris Rn. 12;
juris Rn. 12 ff.). Soweit darüber hinaus die Ansicht vertreten wird, § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO sei
nicht entsprechend anzuwenden, wenn ein transmortal Bevollmächtigter die Eintragung einer
isolierten Grundschuld oder eines Nießbrauchs bewilligt, ist diese Frage hier nicht
entscheidungserheblich.
Auch die von dem Grundbuchamt zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg
(
Frage keine Stellung (ebd. Rn. 10), weil sie eine Bewilligung einer Grundbucheintragung durch
die Erben selbst zum Gegenstand hat und nicht durch einen transmortal Bevollmächtigten.
2.
Da die Zwischenverfügung nicht gerechtfertigt ist, wird sie aufgehoben. Einer
Kostenentscheidung bedarf es nicht (
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Karlsruhe
Erscheinungsdatum:18.10.2021
Aktenzeichen:19 W 72/21 (Wx)
Rechtsgebiete:
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
GBO §§ 39 Abs. 1, 40 Abs. 1