Einrede des nicht erfüllten Vertrags bei geringfügigem Mangel des Grundstücks
letzte Aktualisierung: 25.2.2022
BGH, Urt. v. 19.11.2021 – V ZR 104/20
Einrede des nicht erfüllten Vertrags bei geringfügigem Mangel des Grundstücks
Weist die Kaufsache einen behebbaren Mangel auf, ist der Käufer grundsätzlich selbst dann
berechtigt, gemäß
sich um einen geringfügigen Mangel handelt (Bestätigung von Senat, Urteil vom 14. Februar 2020 –
V ZR 11/18,
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, der Beklagte könne sich zwar auf die von ihm
erhobene Einrede des nicht erfüllten Vertrages aus
weil das Grundstück mit zwei nicht übernommenen Grunddienstbarkeiten belastet
sei. Der Beklagte könne aber nicht den vollen auf dem Notaranderkonto hinterlegten
Kaufpreisrest zurückhalten, sondern nur einen Teilbetrag in Höhe von
34.000
dem Vorbehalt von Treu und Glauben. Der Erwerber könne die Zahlung des
Kaufpreises dann nicht vollständig verweigern, wenn dies nach den Gesamtumständen,
insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit der Pflichtverletzung
des Verkäufers, gegen Treu und Glauben verstoße. Welcher Einbehalt
gerechtfertigt sei, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Vorliegend erscheine
es angemessen, dem Beklagten einen Einbehalt in Höhe des doppelten
Betrages der sachverständig festgestellten Wertminderung seines Grundstücks
von 17.000
Grundstück seit etwa neun Jahren nutze. Welche Nachteile ihm durch die Rechte
Dritter für die Nutzung seines Grundstücks entstünden, habe er nicht substantiiert
vorgetragen. Er habe lediglich darauf verwiesen, dass der Betrieb eines Hotels
in einer Wintersportregion zwingend auf ausreichend Parkplätze für Hotelgäste
angewiesen sei. Der Beklagte sei auch nicht schutzlos, sondern könne die
Rechte aus der Vormerkung geltend machen und auf diese Weise möglicherweise
die Beseitigung der Belastungen erreichen. Zudem könne er gegen den
Kläger Mängelrechte nach den
II.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Im Ausgangspunkt nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass der
Beklagte verpflichtet ist, die Freigabe der jetzt noch im Streit befindlichen
86.000 , wenn die von ihm erhobene Einrede des nicht erfüllten Vertrages
aus
a) Wird ein Grundstückskauf über ein Notaranderkonto abgewickelt und
zahlt der Notar den hinterlegten Kaufpreis bei Vorliegen der vertraglich vereinbarten
Auszahlungsvoraussetzungen (Auszahlungsreife) nicht an den Verkäufer
aus, kann diesem ein Anspruch gegen den Käufer zustehen, den auf dem Ander-
Dies kommt namentlich dann in
Betracht, wenn der Notar die Auszahlung nach
weil sich der Käufer darauf beruft, der Kaufvertrag sei aufgehoben, unwirksam
oder rückabzuwickeln, oder wenn er nach
Auszahlung absieht, weil dem Käufer durch die Auszahlung erkennbar ein
unwiederbringlicher Schaden droht (vgl. zu dieser Verfahrensweise Renner in
Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, 8. Aufl., § 60 Rn. 27; Grziwotz in
Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 3. Aufl., § 60 Rn. 16; Kasper,
138 ff.). Denn der Notar ist nicht dazu berufen, den diesen Konstellationen regelmäßig
zu Grunde liegenden Streit der Vertragsparteien über materiell-rechtliche
Fragen wie etwa über die Wirksamkeit eines Rücktritts oder einer Anfechtung
oder das Vorliegen von Sach- oder Rechtsmängeln zu entscheiden (vgl.
BayObLG,
Prüfung der Auszahlungsvoraussetzungen durch den Notar auch Senat,
Beschluss vom 28. Oktober 2010 - V ZB 70/10, juris Rn. 32 f.). Die Klärung, welche
Vertragspartei Anspruch auf den hinterlegten Kaufpreis hat, kann nur durch
die Zivilgerichte erfolgen, und zwar dergestalt, dass eine übereinstimmende Anweisung
der Parteien als Beteiligte des Verwahrungsgeschäfts gegenüber dem
Notar herbeigeführt wird (vgl.
Notar nach
Rn. 20).
b) Der Anspruch des Verkäufers gegen den Käufer auf die - zumeist als
- Anweisung, der sich bei der Hinterlegung i.S.d.
19. Juli 2019 - V ZR 255/17,
aus der Vereinbarung über die Abwicklung über ein Notaranderkonto
i.V.m.
Beklagten kommt hier im Ausgangspunkt in Betracht, da davon auszugehen ist,
dass der Notar die Auszahlung des Kaufpreises im Hinblick auf den Streit der
Parteien über die zwischenzeitlich erfolgte Eintragung neuer, von dem Beklagten
nicht zu übernehmender Belastungen verweigert hat. Allerdings ist der Käufer zur
uneingeschränkten Freigabe nicht verpflichtet, wenn die Voraussetzungen der
Einrede des nicht erfüllten Vertrages aus
Fall wäre er selbst bei vereinbarter Direktzahlung des Kaufpreises ohne
Zwischenschaltung des Notaranderkontos nur Zug um Zug gegen Erbringung der
geschuldeten Leistung zur Zahlung verpflichtet.
2. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Voraussetzungen
der Einrede aus
eingetragen sind, die der Beklagte nach dem Kaufvertrag nicht zu
übernehmen hat. Dies folgt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts allerdings
nicht erst aus einer ergänzenden Vertragsauslegung, sondern unmittelbar
aus § 320 i.V.m.
Denn die in dem Grundbuch eingetragenen Rechte stellen einen
Rechtsmangel dar.
a) Nach
Vertrag verpflichtet ist, die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung
der Gegenleistung verweigern, sofern er nicht zur Vorleistung verpflichtet ist. Die
aus der Pflicht zur Kaufpreiszahlung folgende Freigabeverpflichtung des Käufers
bei Abwicklung über das Notaranderkonto (
Verkäufers, dem Käufer - mit Ausnahme übernommener Belastungen - lastenfreies
Eigentum zu verschaffen (
Der Beklagte ist jedenfalls insoweit nicht vorleistungspflichtig,
als es um seine Verpflichtung geht, den Notar zur Auszahlung des Restkaufpreises
an den Beklagten anzuweisen, sobald die Auszahlungsvoraussetzungen vorliegen.
Denn durch die Abwicklung über das Notaranderkonto und die in § 4 des
Kaufvertrages geregelte Voraussetzung der Sicherstellung der Löschung nicht
übernommener Belastungen soll gerade vermieden werden, dass der Beklagte
den vollen Kaufpreis an den Kläger zu leisten hat, ohne Gewähr dafür, dass er
- soweit Belastungen nicht übernommen wurden - lastenfreies Eigentum an dem
Grundstück erhält.
b) Der Kläger hat die von ihm nach
Gegenleistung, dem Beklagten das Eigentum frei von Rechtsmängeln zu verschaffen,
nicht erfüllt.
aa) Nach
Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen
Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Die nach Abschluss des
Kaufvertrages eingetragenen Grunddienstbarkeiten sind Rechte Dritter, die diese
gegen den Beklagten geltend machen können. Der Beklagte hat diese Grunddienstbarkeiten
in dem Kaufvertrag nicht übernommen.
bb) Unerheblich ist, dass die Grunddienstbarkeiten erst im Juni 2014 und
somit nach dem gemäß § 5 des Kaufvertrages im Oktober 2011 erfolgten Übergang
der Gefahr auf den Beklagten in das Grundbuch eingetragen wurden. Maßgebender
Zeitpunkt für die Freiheit der Kaufsache von Rechtsmängeln ist (jedenfalls
bei Grundstücken) nicht der Gefahrübergang, sondern der Zeitpunkt, in dem
sich der Eigentumserwerb vollzieht, da sich erst dann entscheidet, ob der Käufer
die Inanspruchnahme durch einen Dritten befürchten muss (allgemeine Meinung,
vgl. etwa Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., § 435 Rn. 7; Erman/Grunewald,
BGB, 16. Aufl., § 435 Rn. 1, 16; MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl., § 435 Rn. 6;
Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB [2013], § 435 Rn. 5; Jauernig/Berger,
BGB, 18. Aufl., § 435 Rn. 4; BeckOK/Faust, BGB [1.5.2021], § 435 Rn. 5). Deswegen
muss der Verkäufer, sofern nichts anderes vereinbart ist, einen Rechtsmangel
der verkauften Sache auch erst im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs
beseitigen (vgl. Senat, Urteil vom 23. Mai 2003 - V ZR 190/02, NJW-RR 2003,
1318, 1319 unter III.1.). Anders als bei Sachmängeln (vgl.
also bei dem in einem dinglichen Recht Dritter bestehenden Rechtsmangel des
Grundstücks - vorbehaltlich anderweitiger Abreden - nicht darauf an, ob das
Recht vor oder nach Gefahrübergang entstanden ist.
cc) Der Kläger kann auch nicht einwenden, der Beklagte könne aufgrund
der ihm abgetretenen Auflassungsvormerkung selbst für die Löschung der zwischenzeitlich
eingetragenen Grunddienstbarkeiten sorgen.
(1) Der Verkäufer eines Grundstücks, der die lastenfreie Übertragung des
Eigentums schuldet, kann den Käufer nicht darauf verweisen, eingetragene Belastungen
seien vormerkungswidrig und relativ unwirksam (§ 883 Abs. 2 Satz 1
BGB) und er könne deshalb deren Löschung selbst durchsetzen (§ 888 Abs. 1
BGB). Denn der unselbständige Hilfsanspruch des
dem gesicherten Anspruch des Käufers auf lastenfreie Eigentumsübertragung,
zu dessen Erfüllung der Verkäufer nach wie vor verpflichtet bleibt (vgl. Senat,
Urteil vom 8. November 1985 - V ZR 153/84,
des Käufers eines Grundstücks, seinen Anspruch auf lastenfreie Übertragung
im Falle einer vormerkungswidrigen Belastung mit Hilfe der Zustimmungsverpflichtung
des begünstigten Dritten nach
nimmt ihm daher nicht das Recht, dem Zahlungsanspruch die Einrede des nicht
erfüllten Vertrages aus
5. Dezember 2003 - V ZR 341/02,
(2) Vorliegend kommt hinzu, dass erhebliche Zweifel bestehen, ob der Beklagte
die Löschung der zwischenzeitlich eingetragenen Grunddienstbarkeiten
mithilfe der Auflassungsvormerkung erreichen könnte. Die Auflassungsvormerkung
ist streng akzessorisch und sichert damit nur einen bestimmten Auflassungsanspruch
(vgl. Senat, Beschluss vom 13. Februar 2014 - V ZB 88/13 BGHZ
200, 179 Rn. 14; Urteil vom 22. Februar 2019 - V ZR 244/17,
Rn. 12). Gesichert ist hier nicht der Eigentumsverschaffungsanspruch des Beklagten
gegen den Kläger, sondern derjenige des Klägers aus seinem Kaufvertrag
von 2010. Denn dem Beklagten wurde keine eigene Auflassungsvormerkung
bewilligt, sondern nur die zugunsten des Klägers eingetragene Auflassungsvor-
- weil eine Vormerkung nicht isoliert abtretbar
ist, sondern entsprechend
übergeht (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juni 1994 - V ZR 204/92, NJW 1994,
2947 f.) - die Abtretung des Eigentumsverschaffungsanspruchs des Klägers an
den Beklagten zugrunde. Bezogen auf diesen Anspruch dürfte die Eintragung der
Grunddienstbarkeiten aber nicht vormerkungswidrig sein, denn der Kläger hatte
sie im Kaufvertrag von 2010 selbst bestellt.
3. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, die Einrede
aus
in Höhe von
Restkaufpreis
a) Die Vorschrift des
der am Vertrag festhalten will, sowohl den Anspruch auf die Gegenleistung
zu sichern als auch Druck auf den Schuldner auszuüben, um ihn zu vertragsgemäßer
Leistung anzuhalten (vgl. Senat, Urteil vom 6. Dezember 1991
- V ZR 229/90,
- VII ZR 92/14,
- VIII ZR 211/15,
noch aussteht, ist hierfür unerheblich, so dass der Schuldner seine Leistung
grundsätzlich voll zurückhalten kann, auch wenn die Gegenleistung bereits teilweise
erbracht worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1970 - VII ZR 176/68,
Abs. 2 BGB für den Fall der Teilleistung ausdrücklich hervorgehoben wird - die
Zahlung des Kaufpreises nicht oder nicht vollständig verweigern, wenn dies nach
den Gesamtumständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit
der Pflichtverletzung des Verkäufers, gegen Treu und Glauben verstößt (vgl.
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 - VIII ZR 211/15, aaO Rn. 21 mwN; zur Miete
BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 - VIII ZR 19/14,
auch im Hinblick auf die Pflicht des Verkäufers, dem Käufer die Sache frei von
Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen (
Kaufsache einen behebbaren Mangel auf, ist der Käufer daher grundsätzlich
selbst dann berechtigt, gemäß
insgesamt zu verweigern, wenn es sich um einen geringfügigen Mangel handelt
(vgl. Senat, Urteil vom 14. Februar 2020 - V ZR 11/18,
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 - VIII ZR 211/15, aaO, Leitsatz und Rn. 23 f.).
b) Mit diesen Maßstäben steht die Annahme des Berufungsgerichts nicht
in Einklang, der Beklagte könne die Freigabe des Restkaufpreises nur in Höhe
der doppelten, durch die Grunddienstbarkeiten verursachten Wertminderung des
Grundstücks verweigern. Die Beurteilung, ob der Käufer die Zahlung des Kaufpreises
nach Treu und Glauben ausnahmsweise nicht oder nicht vollständig verweigern
kann, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage
der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016
- VIII ZR 211/15,
eine Frage der tatrichterlichen Würdigung und revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar,
ob der Tatrichter wesentliche Umstände übersehen oder nicht vollständig
gewürdigt, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder von der Revision
gerügte Verfahrensfehler begangen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2015
- VIII ZR 19/14,
vorgenommene Abwägung aber zu beanstanden.
aa) Die von dem Berufungsgericht gegebene Begründung lässt zum einen
erkennen, dass es das in
nicht angemessen berücksichtigt hat. Das Berufungsgericht geht ersichtlich nicht
davon aus, dass der Käufer selbst bei geringfügigen behebbaren Mängeln der
Kaufsache gemäß
insgesamt verweigern kann. Vielmehr meint es offenbar, der Käufer müsse besondere
Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen, die den Mangel und
die damit verbundenen Nachteile als besonders schwerwiegend erscheinen lassen,
so dass es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheine, den gesamten Kaufpreis
bis zur Beseitigung des Mangels zurückzuhalten. Damit weicht das Berufungsgericht
von den oben dargelegten Maßstäben aus der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ab und ist die vorgenommene Würdigung schon aus diesem
Grunde rechtsfehlerhaft.
bb) Zudem hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung, ob das Zurückhalten
des vollständigen (Rest-)Kaufpreises ausnahmsweise gegen Treu
und Glauben verstößt, die Pflichtverletzung des Klägers einerseits und das
Durchsetzungsinteresse des Beklagten andererseits nicht dem aufgezeigten
Maßstab entsprechend bewertet.
(1) Das Berufungsgericht zeigt keine Tatsachen auf, die die Annahme
rechtfertigen könnten, die Pflichtverletzung des Klägers, die darin liegt, dass dieser
nach Abschluss des Kaufvertrages zwei Grunddienstbarkeiten hat eintragen
lassen, die das dem Beklagten zu verschaffende Grundstückseigentum beeinträchtigen,
sei als geringfügig anzusehen. Die Umstände des Falles sprechen
vielmehr gegen eine solche Annahme.
(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs indiziert ein Verstoß
gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung in der Regel die Erheblichkeit einer
Pflichtverletzung (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 - VIII ZR 361/18,
Kaufvertrag in der Regel zu verneinen, wenn der Verkäufer den Käufer über das
Vorhandensein eines Mangels arglistig getäuscht hat (Senat, Urteil vom
24. März 2006 - V ZR 173/05,
vom 11. Dezember 2019 - VIII ZR 361/18, aaO, jeweils zu § 323 Abs. 5 Satz 2
BGB).
(b) Hier liegt zwar weder ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung
noch eine arglistige Täuschung des Klägers vor. Bei der Beurteilung des
Gewichts des klägerischen Pflichtverstoßes kann aber nicht unberücksichtigt
bleiben, dass der Kläger selbst ein Jahr zuvor bei dem Ankauf des Grundstücks
die Eintragung weiterer Grunddienstbarkeiten bewilligt hatte. Selbst wenn dem
Kläger dieser Umstand bei dem Abschluss des Kaufvertrages mit dem Beklagten
nicht mehr erinnerlich gewesen sein sollte, ist der Verstoß gegen die ihn aus dem
Kaufvertrag treffende Pflicht, dem Beklagten rechtsmangelfreies Eigentum an
dem Grundstück zu verschaffen (
keinesfalls als geringfügig, sondern im Gegenteil als schwerwiegend anzusehen.
(2) Ebenfalls nicht haltbar ist die Begründung, mit der das Berufungsgericht
den Einwand des Beklagten, die festgestellte Wertminderung des Grundhältnismäßig
geringfügi
es im Rahmen der nach
Maßstäbe im Sinne von Prozentsätzen dafür gibt, was als geringfügig
anzusehen ist. Allerdings beträgt die Wertminderung bezogen auf den sachverständig
ermittelten fiktiven Wert des rechtsmangelfreien Grundstücks von
dem, was in anderen Bereichen
bei vergleichbaren Fragestellungen noch als geringfügig angesehen wird. So ist
etwa zu
der Regel von einer Geringfügigkeit und damit von einer Unerheblichkeit auszugehen
ist, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis
geringfügig sind, was jedenfalls regelmäßig nicht der Fall ist, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand
einen Betrag von 5 % des Kaufpreises übersteigt (vgl.
BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 - VIII ZR 361/18,
Der Senat hat im Zusammenhang mit dem aus Treu und Glauben abzuleitenden
Übermaßverbot einen Rückstand von knapp 4 % des Kaufpreises als nicht mehr
geringfügig angesehen (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juli 1983 - V ZR 53/82, BGHZ
88, 92, 95). Es bedürfte daher jedenfalls einer gesonderten Begründung, weshalb
eine Wertminderung von etwa 9 % vorliegend noch als geringfügig anzusehen
sein soll.
(3) Anders als das Berufungsgericht meint, kann auch nicht in die Abwägung
eingestellt werden, dass der Beklagte aufgrund der an ihn abgetretenen
Auflassungsvormerkung selbst versuchen könnte, die Löschung der Grunddienstbarkeiten
zu erreichen (s.o. Rn. 14 ff.).
(4) Ebenso wenig lässt sich ein Verstoß gegen Treu und Glauben daraus
ableiten, dass der Beklagte das Grundstück seit etwa neun Jahren nutzt. Der
Umstand, dass der Kläger seit neun Jahren nicht vermocht hat, die Grunddienstbarkeiten
zur Löschung zu bringen, belegt vielmehr, dass der Beklagte in besonderem
Maße auf die Einrede aus
Kläger auszuüben und ihn zu vertragsgemäßer Leistung anzuhalten. Die von
dem Berufungsgericht gewählte Lösung brächte den Beklagten im Ergebnis in
die Lage, entweder seinerseits den Kläger gerichtlich auf Erfüllung des Kaufvertrages
verklagen oder aber die Grunddienstbarkeiten dauerhaft hinnehmen zu
müssen und hierfür lediglich eine von ihm nicht gewollte Minderung des Kaufpreises
zu erhalten, was die Regelung in
(5) Schließlich ist die Abwägung des Berufungsgerichts auch deshalb
rechtsfehlerhaft, weil es hierbei wesentliche Umstände nicht gewürdigt hat.
(a) Dies gilt zum einen, soweit das Berufungsgericht meint, der Beklagte
habe nicht substantiiert vorgetragen, dass und welche Nachteile er aufgrund der
Rechte Dritter bei der Nutzung des Grundstücks habe hinnehmen müssen.
(aa) Die dieser Begründung zu Grunde liegende Ansicht, der Beklagte
trage die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Grunddienstbarkeiten sein
Grundstückseigentum nicht nur geringfügig beeinträchtigen, ist rechtsfehlerhaft.
Da ein Rechtsmangel besteht, ist der Beklagte - wie dargelegt - im Ausgangspunkt
nach
Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich der Mangel - hier die Belastung des
Eigentums mit Rechten Dritter - als verhältnismäßig geringfügig darstellt, trifft die
Partei, die geltend macht, der andere sei an der Erhebung der Einrede ausnahmsweise
nach Treu und Glauben gehindert (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1996
- VII ZR 125/95,
(bb) Unabhängig davon überspannt das Berufungsgericht, wie die Revision
zu Recht geltend macht, mit seiner Begründung unter Verstoß gegen § 286
ZPO die Substantiierungsanforderungen. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ist ein Vortrag schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn
die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind,
das geltend gemachte Recht zu begründen (siehe etwa Senat, Urteil vom 9. Februar
2018 - V ZR 274/16,
seiner Stellungnahme zu dem Hinweis des Berufungsgerichts auf das beabsichtigte
Vorgehen nach
lediglich 15 Stellplätze vorhanden, hiervon jedoch vier mit Rechten Dritter belastet
seien. Weitere Stellflächen auf öffentlichem Straßenraum stünden aufgrund
der topografischen Lage des Grundstücks nicht zur Verfügung und der nächste
- gebührenpflichtige - Parkplatz befinde sich in einer Entfernung von 400 m. Ein
Hotel mit 44 Betten im Wintersportgebiet und de . S. - wie
von ihm betrieben - sei auf jeden einzelnen Stellplatz angewiesen, zumal die stets
unzureichende Parksituation eines Wintersporthotels als gerichtsbekannt unterstellt
werden könne. Zum Beleg dieses Vortrags hat er auf die Ausführungen des
Sachverständigen in dem gerichtlichen Wertgutachten Bezug genommen. Diese
Angaben reichen aus, um einen nicht nur geringfügigen Nachteil darzulegen. Das
Berufungsgericht durfte den Vortrag daher nicht als unsubstantiiert zurückweisen.
(b) Schließlich hat das Berufungsgericht zu Unrecht nicht in die Abwägung
eingestellt, dass der Beklagte sich - anders als der Kläger - vertragstreu verhalten
und den Kaufpreis vollständig gezahlt bzw. auf dem Notaranderkonto hinterlegt
hat. Bei vereinbarter Direktzahlung des Kaufpreises mögen Fälle denkbar sein,
in denen es dem Käufer allein darum geht, einen ihn im Ergebnis nicht belastenden
geringfügigen Mangel der Kaufsache zu nutzen, um mithilfe der Einrede aus
So liegt es hier aber ersichtlich nicht, denn der Beklagte hat keinen Zugriff
auf den von ihm gezahlten bzw. hinterlegten Kaufpreis und erhält ihn auch
nicht dadurch, dass er sich gegenüber dem Freigabeverlangen des Klägers auf
die Einrede des nicht erfüllten Vertrages beruft.
III.
1. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben; er ist
nach
und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der
Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung
reif ist (
2. Das Berufungsgericht wird zunächst zu prüfen haben, ob die vereinbarten
Voraussetzungen für die Auszahlung des auf dem Notaranderkonto eingezahlten
Restkaufpreises an den Kläger gegeben sind. Fehlt es daran, wäre der
zu erklären; auf die Wirkungen der Einrede aus
an.
Das Berufungsgericht hat nicht ausdrücklich festgestellt, dass die in § 4
Buchst. c geregelten Auszahlungsvoraussetzungen vorliegen. Der Senat kann
diese Feststellung nicht selbst treffen. Allein anhand des Wortlauts der Regelung
lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Auszahlungsvoraussetzungen erfüllt
sind, wenn - wie hier - zwar die Löschung der in § 6 des Kaufvertrages genannten,
von dem Beklagten nicht zu übernehmenden Belastungen sichergestellt
bzw. erfolgt ist, inzwischen aber neue, ebenfalls nicht übernommene Belastungen
eingetragen sind, deren Löschung nicht sichergestellt ist. Hierzu bedarf es
einer Auslegung der Regelung, die das Berufungsgericht nicht vorgenommen
hat. Es hat zwar ausgeführt, dem Wortlaut nach seien die Voraussetzung von § 4
Buchst. c erfüllt. Sodann hat es aber eine ergänzende Vertragsauslegung (nur)
von § 6 vorgenommen, wonach der Beklagte erst Recht keine dort nicht genann-
ten Belastungen des Grundstücks zu übernehmen habe, die erst nach Vertragsschluss
ohne seine Zustimmung eingetragen worden seien. Ob damit auch die
Auszahlungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, hat das Berufungsgericht hingegen
nicht erörtert.
3. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Auszahlungsvoraussetzungen
vorliegen, wird es unter Beachtung der oben dargestellten
Grundsätze erneut zu beurteilen haben, ob der Beklagte die Freigabe des
restlichen Kaufpreises von 86.000 ausnahmsweise nicht nach
kann, weil dies nach den Gesamtumständen gegen Treu und Glauben
verstößt. Besteht die Einrede auch insoweit, wäre die Klage nicht abzuweisen,
sondern eine Verurteilung Zug um Zug auszusprechen (
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:19.11.2021
Aktenzeichen:V ZR 104/20
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag
Vormerkung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB § 320