OLG München 05. August 2022
34 Wx 301/22
WEG § 9b

(Keine) Befugnis des Verwalters zur Bewilligung der Eintragung einer Grunddienstbarkeit

letzte Aktualisierung: 25.8.2022
OLG München, Beschl. v. 5.8.2022 – 34 Wx 301/22

WEG § 9b
(Keine) Befugnis des Verwalters zur Bewilligung der Eintragung einer Grunddienstbarkeit
Der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht gemäß § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG
befugt, die Eintragung einer Grunddienstbarkeit an dem gemeinschaftlichen Eigentum zu
bewilligen.

Gründe

I.
Die Beteiligten begehren die Eintragung einer Dienstbarkeit.
Im Wohnungsgrundbuch sind die Beteiligten zu 1 - 12 als Eigentümer von Grundbesitz eingetragen.
Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft ist die D. M. GmbH. Mit notarieller Urkunde vom
24.5.2022 wurde zugunsten der Beteiligten zu 13 eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an dem
Grundstück bestellt. „Der Eigentümer“ bewilligte auch die Eintragung in das Grundbuch. Unterzeichnet ist die
Urkunde durch einen Vertreter der D. M. GmbH. Mit Schreiben vom selben Tag beantragte der Urkundsnotar
im Namen der Beteiligten den Vollzug.

Das Grundbuchamt erließ am 9.6.2022 eine Zwischenverfügung, mit der sie u.a. das Fehlen der
Genehmigung sämtlicher in den betreffenden Wohnungseigentumsblättern eingetragenen Eigentümer
beanstandete.

Mit Schreiben vom 27.6.2022 hat der Urkundsnotar insoweit Beschwerde gegen die Zwischenverfügung
eingelegt und dabei auf einen entgegenstehenden Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom
12.7.2021 verwiesen.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 5.7.2022 nicht abgeholfen. Auf die Anmerkung von Wilsch zum
Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg in FGPrax 2021, 203 werde Bezug genommen. Der Verwalter
könne lediglich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer i.S. der §§ 9a, 9b WEG, nicht aber die einzelnen
Wohnungseigentümer als Bruchteilseigentümer des Grundstücks vertreten. Er könne hierzu
rechtsgeschäftlich ermächtigt werden oder die einzelnen Eigentümer könnten seine Erklärung genehmigen.
Beides liege nicht vor.

II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Sie ist insbesondere gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft. Entscheidungen des Grundbuchamts im Sinne
dieser Bestimmung sind auch Zwischenverfügungen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO (OLG Frankfurt a.M.
FGPrax 2021, 197; Senat vom 11.4.2011, 34 Wx 160/11 = FGPrax 2011, 173; OLG Hamm FGPrax 2010,
177; Bauer/Schaub/Budde GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 6; BeckOK GBO/Kramer Stand 1.6.2022 § 71 Rn. 68;
Demharter GBO 32. Aufl. § 71 Rn. 1; Meikel/Schmidt-Räntsch GBO 11. Aufl. § 71 Rn. 18).
b) Die Beschwerde konnte durch den Urkundsnotar erhoben werden. Nachdem er gemäß § 15 Abs. 2 GBO
bereits für die Beteiligten die Eintragung beantragt hatte, gilt er auch als ermächtigt, gegen die darauf
ergangene Zwischenverfügung für sie Beschwerde einzulegen (Bauer/Schaub/Wilke § 15 Rn. 30; BeckOK
GBO/Kramer § 71 Rn. 226; Demharter § 71 Rn. 74; Meikel/Böttcher § 15 Rn. 36; Schöner/Stöber GBR 16.
Aufl. Rn. 189).

2. Das Rechtsmittel bleibt allerdings in der Sache ohne Erfolg.
a) Formelle Einwände gegen die Zwischenverfügung bestehen nicht. Zwar darf grundsätzlich eine solche
nicht ergehen, soweit die Eintragungsbewilligung des unmittelbar Betroffenen nicht erklärt ist (BGH FGPrax
2014, 192; BayObLGZ 1990, 6/8; Demharter § 18 Rn. 12; Meikel/Böttcher § 18 Rn. 36). Es ist jedoch
anerkannt, dass im Falle der Abgabe der Bewilligung durch einen Nichtberechtigten das Fehlen der
Bewilligung des Berechtigten analog § 185 BGB durch dessen Genehmigung rückwirkend geheilt werden
kann (BGH FGPrax 2010, 223/224; BayObLGZ 1970, 254/256; BeckOK GBO/Holzer § 19 Rn. 79; Demharter
§ 19 Rn. 72; Meikel/Böttcher § 18 Rn. 91; i. Erg. ebenso Bauer/Schaub/Wilke § 18 Rn. 16). Angesichts
dessen bestehen keine durchgreifenden Bedenken, den nach Auffassung des Grundbuchamts bestehenden
Mangel in der Vertretungsmacht des Verwalters durch Genehmigung der Bruchteilseigentümer zu beheben
(vgl. OLG Nürnberg FGPrax 2021, 203; Wilsch FGPrax 2021, 203/204).

b) Auch inhaltlich ist die Zwischenverfügung nicht zu beanstanden. Mit Recht verlangt das Grundbuchamt die
Genehmigung sämtlicher in den betreffenden Wohnungseigentumsblättern eingetragenen Eigentümer.
Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird.
Hier soll die Dienstbarkeit an den Miteigentumsanteilen der Beteiligten zu 1 - 12 eingetragen werden.
Folglich bedarf es deren Bewilligungen. Diese liegen aber nicht vor. Die Bewilligung des Verwalters reicht
nicht aus.

Zwar wird gemäß § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG die Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Verwalter
gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Hieraus hat das Oberlandesgericht Nürnberg den Schluss
gezogen, der Verwalter könne auch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit an dem gemeinschaftlichen
Grundstück in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft bewilligen
(OLG Nürnberg FGPrax 2021, 203). Diese Auffassung ist in der Literatur jedoch auf einhellige Ablehnung
gestoßen. Der Senat schließt sich dem an.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft i.S. von § 9a Abs. 1 Satz 1 WEG ist ein vollrechtsfähiger Verband,
der eigene Rechte und Pflichten sowie unter Umständen eigenes Vermögen hat und nach § 9b Abs. 1 Satz 1
WEG durch den Verwalter vertreten wird. Gemäß § 9a Abs. 2 WEG übt die
Wohnungseigentümergemeinschaft die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte
sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und
nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Von der
Wohnungseigentümergemeinschaft zu unterscheiden ist - auch nach der Neufassung des
Wohnungseigentumsgesetzes - die Gemeinschaft der Bruchteilseigentümer i.S. von § 1 Abs. 5 WEG, §§ 741
ff. BGB (Hügel/Elzer WEG 3. Aufl. § 9a Rn. 18; MüKoBGB/Burgmair 8. Aufl. WEG § 9a Rn. 4; Wilsch FGPrax
2021, 203/204). Aufgabe der Wohnungseigentümergemeinschaft ist die Verwaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums nach § 18 Abs. 1 WEG (BeckOGK/Falkner Stand 1.6.2022 WEG § 9a Rn. 104; Wobst ZWE 2022,
45). Dieses selbst verbleibt im Bruchteilseigentum der einzelnen Wohnungseigentümer (NK-BGB/Heinemann
5. Aufl. WEG § 9a Rn. 5). Die Vertretungsmacht des Verwalters erstreckt sich nach dem eindeutigen Wortlaut
des § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG nur auf die Wohnungseigentümergemeinschaft. Eine Vertretung der
Gemeinschaft der Bruchteilseigentümer durch den Verwalter ist in der Neufassung des
Wohnungseigentumsgesetzes nicht mehr vorgesehen (BeckOGK/Greiner WEG § 9b Rn. 3;
MüKoBGB/Burgmair WEG § 9b Rn. 1; NK-BGB/Heinemann WEG § 9b Rn. 1; Forschner Rpfl 2022, 67 f.;
Meier MittBayNot 2022, 147/148; Wobst ZWE 2022, 45).

Gegenstand der Belastung durch eine Grunddienstbarkeit, deren Inhalt das gemeinschaftliche Eigentum
betrifft, ist das Grundstück als Ganzes. Die Belastung stellt eine Verfügung über dieses i.S. von § 747 BGB
dar, keine Verwaltungsmaßnahme nach § 18 Abs. 1 WEG (Forschner Rpfl 2022, 67/68). Die diesbezügliche
Bewilligungsberechtigung i.S. von § 19 GBO kommt daher allein den Wohnungseigentümern als
Bruchteilseigentümer zu (Schöner/Stöber Rn. 2948; Koch RNotZ 2022, 71/72; Wobst ZWE 2022, 45), nicht
dem Verwalter als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft. Es liegt auch keine Ausübung sich aus
dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebender Rechte sowie solcher Rechte der Wohnungseigentümer vor,
die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, nach § 9a Abs. 2 WEG. Der
Wohnungseigentümergemeinschaft ist nur die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zugewiesen,
nicht aber die Entscheidung über das sachenrechtliche Grundverhältnis. Gegenstand der
Ausübungsbefugnis sind folglich nur die Rechte, die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben,
nicht aber die Verfügung über dieses (BeckOGK/Falkner WEG § 9a Rn. 147; Hügel/Elzer § 9a Rn. 107; Koch
RNotZ 2022, 71/72; Wobst ZWE 2022, 45).

Somit ist der Verwalter nicht gemäß § 9b Abs. 1 S. 1 WEG befugt, die begehrte Eintragung der
Grunddienstbarkeit an dem verfahrensgegenständlichen Grundstück zu bewilligen. Es ist auch nicht
ersichtlich, dass in der Teilungserklärung eine entsprechende Öffnungsklausel enthalten wäre oder durch
Rechtsgeschäft die erforderliche Vollmacht erteilt worden wäre. Es hat deshalb dabei sein Bewenden, dass
die Genehmigung sämtlicher Wohnungseigentümer vorzulegen ist.

III.
1. Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens konnte unterbleiben, weil die Beteiligten
als Beschwerdeführer gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG diese schon von Gesetzes wegen zu tragen haben.
2. Die Bemessung des nach §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG zu bestimmenden
Geschäftswerts einer Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung des Grundbuchamts richtet sich nach den
Schwierigkeiten, die die Behebung des Eintragungshindernisses macht, das Gegenstand der
Zwischenverfügung und damit des Rechtsmittelverfahrens ist (BGH NJOZ 2014, 971; Demharter § 77 Rn.
45). Vorliegend ist das Eintragungshindernis durch Beibringung der Genehmigungen der
Wohnungseigentümer zu beseitigen. Der finanzielle Aufwand hierfür besteht im Wesentlichen in den Kosten
der Beurkundung nach § 98 GNotKG. Der dort zugrundezulegende Geschäftswert lässt sich jedoch nicht
ohne Weiteres feststellen. Daher war hier der Auffangwert des § 36 Abs. 3 GNotKG anzusetzen.
3. Gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GBO war die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da dies zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Der Senat weicht in der entscheidungserheblichen Frage der
Vertretungsbefugnis des Verwalters bei der Bewilligung der Eintragung einer Grunddienstbarkeit am
gemeinschaftlichen Eigentum von der dem genannten Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg (FGPrax
2021, 203) zugrundeliegenden Rechtsauffassung ab (vgl. BeckOK GBO/Kramer § 78 Rn. 8).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

05.08.2022

Aktenzeichen:

34 Wx 301/22

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Grundbuchrecht
Kostenrecht
WEG

Normen in Titel:

WEG § 9b