GbR als Wohnungseigentümerin; Nachhaftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters
letzte Aktualisierung: 31.08.2020
BGH, Urt. v. 3.7.2020 – V ZR 250/19
WEG §§ 16 Abs. 2, 28 Abs. 5;
GbR als Wohnungseigentümerin; Nachhaftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters
Die Nachhaftung des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zum Zeitpunkt
seines Ausscheidens Wohnungseigentümerin ist, erstreckt sich auf Beitragspflichten, die auf nach
seinem Ausscheiden von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlüssen beruhen; auch insoweit
handelt es sich um Altverbindlichkeiten i. S. v.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in ZMR
2019, 978 veröffentlicht ist, nimmt an, dass der Beklagte für die geltend gemachten
Hausgeldansprüche nach den Grundsätzen der Nachhaftung eines
ausgeschiedenen Gesellschafters gemäß
HGB aufkommen müsse. Es handele sich um Altverbindlichkeiten im Sinne dieser
Vorschrift. Darunter seien nicht nur Verbindlichkeiten zu verstehen, die bereits
vor dem Ausscheiden des Gesellschafters fällig würden, sondern auch solche,
deren Rechtsgrund noch vor dem Ausscheiden gelegt worden sei, auch
wenn deren weitere Entstehungsvoraussetzungen erst später erfüllt würden.
Zwar entstehe die konkrete Beitragspflicht erst mit der Beschlussfassung über
die Genehmigung des Wirtschaftsplans bzw. der Jahresabrechnung. Die abstrakte
Beitragspflicht werde aber bereits durch die Stellung als Miteigentümer
begründet; hiermit werde der Rechtsgrund für die Hausgeldforderungen gelegt.
Ein Gesellschafter hafte daher auch für die nach seinem Ausscheiden beschlossenen
und fällig gewordenen Beiträge, wenn die GbR zu diesem Zeitpunkt
noch Eigentümerin sei.
Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Forderungen
nicht innerhalb der Ausschlussfrist von fünf Jahren geltend gemacht worden
seien. Für den Fristbeginn sei die Kenntnis des Gläubigers vom Ausscheiden
des Gesellschafters aus der GbR maßgeblich. Der Beklagte habe nicht
bewiesen, dass die Klägerin bzw. deren Verwalterin bereits im Jahr 2002 auf
sein insolvenzbedingtes Ausscheiden aus der GbR hingewiesen worden seien.
II.
Die Revision ist unbegründet. Der Beklagte haftet nach
Beitragspflichten der GbR.
1. Die von der Klägerin geltend gemachten Vorauszahlungen (Sollzahlungen)
auf das Hausgeld für das Jahr 2014 und die (negativen) Abrechnungsspitzen
der Jahresabrechnungen für die Jahre 2013 und 2014 sind Verbindlichkeiten
der GbR, für die der Beklagte der Klägerin nach
a) Die GbR ist der klagenden Gemeinschaft aus § 16 Abs. 2 WEG zur
Zahlung dieser Beiträge verpflichtet. Sie war Eigentümerin der Teileigentumseinheit
Nr. 7, als die Beschlüsse über den Wirtschaftsplan 2014 und die Jahresabrechnungen
2013 und 2014 gefasst und die für die Einheit Nr. 7 zu erbringenden
Zahlungen fällig wurden. Diese Beschlüsse sind bestandskräftig, und
Nichtigkeitsgründe sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Insbesondere
ergibt sich die Nichtigkeit nicht daraus, dass die Büroeinheit Nr. 7 nicht
errichtet wurde und das Sondereigentum der GbR folglich nicht entstanden ist.
Ob dieser Umstand überhaupt etwas an deren Verpflichtung änderte, sich an
den Kosten des Gemeinschaftseigentums zu beteiligen, was zweifelhaft erscheint
(vgl. Senat, Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 99/10,
17), bedarf keiner Entscheidung. Denn das Nichtentstehen des Sondereigentums
hätte die GbR allenfalls zur Anfechtung der Beschlüsse der Wohnungseigentümer
über den Wirtschaftsplan 2013 und die Jahresabrechnungen 2013
und 2014 berechtigen können, hat nicht aber die Nichtigkeit dieser Beschlüsse
zur Folge.
b) Der Beklagte haftet als Gesellschafter in entsprechender Anwendung
von
vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00,
24. Februar 2003 - II ZR 385/99,
2002 aus der GbR ausgeschieden ist und die Beschlüsse erst danach gefasst
wurden, ändert hieran nichts.
aa) Scheidet ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
wie
hier der Beklagte - aufgrund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag bei
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen aus der Gesellschaft
aus (vgl. § 736 Abs. 1 BGB), finden nach
geltenden Regelungen über die Begrenzung der Nachhaftung
sinngemäß Anwendung. Diese Regelungen werden in § 160 HGB getroffen,
der gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 35 Abs. 1 EGHGB Anwendung
findet. Nach
aus der Gesellschaft ausscheidet, für ihre bis dahin begründeten Verbindlichkeiten
(sog. Altverbindlichkeiten), wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem
Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn in einer in § 197 Absatz 1
Nr. 3 bis 5 BGB bezeichneten Art festgestellt sind oder eine gerichtliche oder
behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird, wobei
es aufgrund der Verweisung in
der
dem Gesellschafter gerichtlich geltend gemacht wird.
bb) Infolge dessen kommt es vorliegend darauf an, ob die streitgegenständlichen
Beiträge Altverbindlichkeiten im Sinne dieser Regelungen sind.
(1) Ob eine Forderung eine „bis dahin begründete Verbindlichkeiten“
i.S.v.
Entstehens noch von dem Eintritt ihrer Fälligkeit ab. Altverbindlichkeiten in diesem
Sinne sind vielmehr alle Schuldverpflichtungen, deren Rechtsgrundlage bis
zum Ausscheiden des Gesellschafters gelegt worden ist, auch wenn die einzelnen
Verpflichtungen erst später entstehen und fällig werden (st. Rspr., vgl.
BGH, Urteil vom 21. Dezember 1970 - II ZR 258/67,
vom 27. September 1999 - II ZR 356/98,
29. April 2002 - II ZR 330/00,
- II ZR 197/10,
Bei einem gesetzlichen Schuldverhältnis, wie es hier gegeben ist, kommt
es für die Abgrenzung von Alt- und Neuverbindlichkeiten darauf an, ob der das
Schuldverhältnis begründende Tatbestand bereits vor dem Ausscheiden des
Gesellschafters erfüllt war (vgl. MüKoHGB/Schmidt, 4. Aufl., § 160 Rn. 25 i.V.m.
§ 128 Rn. 57; EBJS/Hillmann, HGB, 4. Aufl., § 160 Rn. 8 i.V.m. § 128 Rn. 53;
Oetker/Boesche, HGB, 6. Aufl., § 128 Rn. 58). So besteht etwa eine Nachhaftung
des ausscheidenden Gesellschafters für den aus
folgenden Anspruch des Grundstückseigentümers, der eine von ihm als Sicherheit
für Verbindlichkeiten der Gesellschaft bestellte Grundschuld nach dem
Ausscheiden des Gesellschafters durch Zahlung ablöst. Denn der Sicherungsgeber
erwirbt bereits mit der Bestellung der Grundschuld (dem Grunde nach)
gegen die Gesellschaft einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die ihm
aus diesem Geschäft entstanden sind oder noch entstehen (vgl. BGH, Urteil
vom 25. November 1985 - II ZR 80/85,
Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen einer rechtsgrundlosen
Leistung des Bereicherungsgläubigers grundsätzlich eine Altverbindlichkeit
vor, wenn der vermeintliche Rechtsgrund, auf den geleistet wurde, bereits beim
Ausscheiden bestand; der Zeitpunkt der Leistungshandlung des Gläubigers ist
ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2012 - II ZR 197/10, ZIP
2012, 369, 370 Rn. 15, mit Einschränkungen für den Fall der Doppelzahlung).
(2) Somit hängt die Frage, ob der Beitrag, zu dem die Eigentümer-GbR
durch einen nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters gefassten Beschluss
herangezogen wird, als Alt- oder Neuverbindlichkeit anzusehen ist, davon ab,
ob der Rechtsgrund für die Beitragspflicht eines Wohnungseigentümers bereits
mit dem Erwerb des Wohnungseigentums gelegt wird oder ob er erst mit dem
jeweiligen Beschluss der Wohnungseigentümer, den Beitrag zu erheben, entsteht.
(a) Das Wohnungseigentumsgesetz erlaubt auf den ersten Blick beide
Deutungen. Einerseits ist nach § 16 Abs. 2 WEG jeder Wohnungseigentümer
den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet, die Lasten des
gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung,
sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des
gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen.
Diese Pflicht beruht dem Rechtsgrunde nach auf dem mit dem Sondereigentum
verbundenen Anteil des Wohnungseigentümers am gemeinschaftlichen Eigentum
(vgl. Senat, Beschluss vom 21. April 1988 - V ZB 10/87,
201; BGH, Beschluss vom 24. März 1983 - VII ZB 28/82,
Andererseits werden die Beitragsleistungen als konkrete Verbindlichkeiten nur
entweder kraft des von den Wohnungseigentümern beschlossenen Wirtschaftsplans
als Vorschüsse oder kraft der von den Wohnungseigentümern gebilligten
Jahresabrechnung geschuldet (§ 28 Abs. 5 WEG). Geltungsgrund für die insoweit
konkretisierte Beitragspflicht ist in beiden Fällen der Beschluss der Wohnungseigentümer
(Senat, Beschluss vom 21. April 1988 - V ZB 10/87, aaO
S. 202).
(b) Hieraus folgt aber, weil es für die Einordnung einer Forderung als Altverbindlichkeit
i.S.v.
Fälligkeit ankommt, sondern darauf, dass die Rechtsgrundlage der Zahlungsverpflichtung
bis zum Ausscheiden des Gesellschafters gelegt worden ist, dass
es für dessen Nachhaftung nicht darauf ankommen kann, ob der
Beschluss über die Erhebung des Beitrags, d.h. der Beschluss über den Wirtschaftsplan,
die Jahresabrechnung oder auch über eine Sonderumlage, vor
oder nach dem Ausscheiden gefasst wurde (zutreffend Bärmann/Becker, WEG,
14. Aufl., § 16 Rn. 176; Bub/von der Osten, FD-MietR 2011, 313274; aA AG
Bremerhaven,
des Wohnungseigentümers ist mit dem Erwerb des
Wohnungseigentums gelegt. Dieser schuldet ab diesem Zeitpunkt dem Grunde
nach anteilig die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten
der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen
Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums. Darauf, dass die
konkreten, der Höhe nach bezifferten Beitragsverpflichtungen erst entstehen
und entsprechende Zahlungen durch die Eigentümer-GbR von der Wohnungseigentümergemeinschaft
nur verlangt werden können, wenn ein Beschluss gefasst
wurde, aus dem sich die konkrete Beitragspflicht ergibt, kommt es für die
Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters nicht an. Die Nachhaftung
des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zum Zeitpunkt
seines Ausscheidens Wohnungseigentümerin ist, erstreckt sich daher auf Beitragspflichten,
die auf nach seinem Ausscheiden von den Wohnungseigentümern
gefassten Beschlüssen beruhen; auch insoweit handelt es sich um Altverbindlichkeiten
i.S.v.
(c) Hierfür sprechen auch Sinn und Zweck des
(aa) Sinn dieser Regelung ist es in erster Linie zu vermeiden, dass ein
ausgeschiedener Gesellschafter zu lange Zeit mit einer Haftung für Verbindlichkeiten
belastet wird, obwohl er wegen seines Ausscheidens weder weiteren
Einfluss auf die Gesellschaft nehmen noch von den Gegenleistungen und sonstigen
Erträgen profitieren kann. Sinn ist es aber zugleich, einen Ausgleich zwi-
schen diesem Anliegen und den Interessen der Gesellschaftsgläubiger zu
schaffen (BGH, Urteil vom 27. September 1998 - II ZR 356/98,
329; Urteil vom 29. April 2002 - II ZR 330/00,
BT-Drucks. 12/1868 S. 8). Mit der im Interesse der Rechtssicherheit für alle
Verbindlichkeiten klar festgelegten Ausschlussfrist werden die Interessen der
Beteiligten in einer Weise berücksichtigt und ausgeglichen, die zwar fraglos
gewisse Härten mit sich bringt, aber letztlich für keinen der jeweils Beteiligten
als unzumutbar anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1998 - II ZR
356/98, aaO S. 331; Urteil vom 29. April 2002 - II ZR 330/00, aaO).
(bb) Dieses gesetzgeberische Ziel wäre im Finanzierungssystem der
Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zu erreichen, wenn der ausscheidende
Gesellschafter nur für Verbindlichkeiten der Eigentümer-GbR haftete, die auf
vor seinem Ausscheiden gefassten Beschlüssen beruhen. Da sämtliche nach
§ 16 Abs. 2 WEG von den Wohnungseigentümern aufzubringenden gemeinschaftsbezogenen
Lasten und Kosten nur im Beschlusswege erhoben werden
können, sei es als Vorschüsse, Sonderumlagen oder Abrechnungsspitzen, liefe
es dem Ziel des Gesetzgebers zuwider, mit der Befristung der Nachhaftung einen
angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des ausscheidenden
Gesellschafters und den Gläubigern - in diesem Fall der Wohnungseigentümergemeinschaft
- herzustellen, wenn die Nachhaftung auf Beitragspflichten beschränkt
wäre, die durch vor dem Ausscheiden gefasste Beschlüsse bereits
konkretisiert wurden.
Dies führte nämlich im Ergebnis dazu, dass die Nachhaftung des ausscheidenden
Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Eigentümer-GbR aus §
16 Abs. 2 WEG lediglich die nach dem zum Zeitpunkt seines Ausscheidens gültigen
Wirtschaftsplan zu leistenden Vorschüsse umfasste sowie bereits be-
schlossene, aber erst nach seinem Ausscheiden fällig werdende Verbindlichkeiten,
etwa eine noch nicht vom Verwalter abgerufene Sonderumlage (vgl. zur
Fälligkeit von Sonderumlagen Senat, Urteil vom 15. Dezember 2017 -
V ZR 257/16,
sogar nur wenige Tage betragen, nämlich wenn der Gesellschafter kurz vor der
Beschlussfassung über die Jahresabrechnung und den neuen Wirtschaftsplan
ausscheidet. In diesem Fall haftete er nicht einmal für den auf die Eigentümer-
GbR entfallenden Betrag, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene
Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteigt (sog. Abrechnungsspitze), da
der Beschluss über die Jahresabrechnung insoweit anspruchsbegründend wirkt
(vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 1995 - V ZB 16/95,
231 f.; Beschluss vom 13. Februar 2020 - V ZR 29/15, GE 2020, 550 Rn. 7
mwN), obwohl er in dem abgelaufenen Jahr nahezu vollständig noch Gesellschafter
der Wohnungseigentümerin war. Überdies hinge die Dauer seiner
Nachhaftung von Zufälligkeiten ab, etwa davon, wann die Wohnungseigentümer
den neuen Wirtschaftsplan beschließen. So haftete er noch für Vorschüsse, die
aufgrund eines vor seinem Ausscheiden gefassten Fortgeltungsbeschlusses
(vgl. hierzu Senat, Urteil vom 14. Dezember 2018 - V ZR 2/18,
nach dem bisherigen Wirtschaftsplan geschuldet sind, nicht aber für Vorschüsse,
die aufgrund eines neuen, nach seinem Ausscheiden gefassten Wirtschaftsplans
erhoben werden.
(3) Soweit die Revision dem entgegenhält, der ausgeschiedene Gesellschafter
werde durch die Nachhaftung für nach seinem Ausscheiden beschlossene
Beiträge unzumutbar benachteiligt, weil er an der Beschlussfassung nicht
mehr mitwirken und den Beschluss auch nicht anfechten könne, rechtfertigt dies
keine andere Sichtweise.
(a) Richtig ist allerdings, dass die Nachhaftung den ausgeschiedenen
Gesellschafter, der auf die Geschicke der Gesellschaft und die Beschlussfassung
der Wohnungseigentümer über die Beitragspflichten keinen Einfluss mehr
hat, unter Umständen erheblich belasten kann. Zu den von den Wohnungseigentümern
nach § 16 Abs. 2 WEG aufgrund von Beschlüssen nach § 28 WEG
zu leistenden Beiträgen, auf die sich die Nachhaftung bezieht, gehören nämlich
nicht nur die laufenden Verwaltungskosten, sondern etwa auch Sonderumlagen
in ggf. erheblicher Höhe für die Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen.
Zudem kann es, wenn diese Maßnahmen durch die Aufnahme von Krediten
finanziert werden, bei Zahlungsausfällen von Wohnungseigentümern zu einer
Nachschusspflicht im Innenverhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft
kommen (vgl. Senat, Urteil vom 25. September 2015 - V ZR 244/14, BGHZ 207,
99 Rn. 15 ff.).
Solche Auswirkungen kann die Nachhaftung für den ausscheidenden
Gesellschafter aber auch außerhalb des Wohnungseigentumsrechts haben,
etwa bei vertraglichen Schuldverhältnissen. Bei diesen umfasst die Nachhaftung
ebenfalls nicht nur die regelmäßig zumindest grob abschätzbaren primären
Zahlungsverpflichtungen, sondern auch Schadensersatzansprüche wegen
schuldhafter Pflichtverletzungen, selbst wenn diese erst nach dem Ausscheiden
des Gesellschafters begangen wurden (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember
1961 - II ZR 74/59,
Urteil vom 13. Juli 1967 - II ZR 268/64,
Kaufvertrages; OLG Hamm,
einem Architektenvertrag).
(b) Richtig ist auch, dass nach der Rechtsprechung des Senats aus dem
Umstand, dass die Wohnungseigentümer im Innenverhältnis erst durch den
Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG zur Leistung eines konkreten Beitrags verpflichtet
werden, folgt, dass ein solcher Beschluss Verbindlichkeiten nur für und
gegen die bei Beschlussfassung eingetragenen Wohnungseigentümer begründen
kann, nicht aber für deren Rechtsvorgänger, da anderenfalls ein unzulässiger
Gesamtakt zu Lasten Dritter vorläge (vgl. Senat, Beschluss vom
21. April 1988 - V ZB 10/87,
1995 - V ZB 16/95,
1999 V
ZB 17/99,
113/11,
Diese Rechtsprechung lässt sich aber auf den Fall des Ausscheidens
eines Gesellschafters aus der Eigentümer-GbR nicht übertragen, denn zur Zahlung
verpflichtet wird durch einen Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG unmittelbar
nur der jeweilige Wohnungseigentümer, hier also die GbR. Wird diese nach
dem Ausscheiden eines Gesellschafters - wie hier - unter den verbleibenden
Gesellschafter fortgesetzt, so wird ihre Stimmberechtigung durch das Ausscheiden
nicht beeinträchtigt. Selbst wenn, wofür vieles spricht, der aus der
GbR ausgeschiedene Gesellschafter bereits mit seinem Ausscheiden (und nicht
erst mit der Eintragung seines Ausscheidens im Grundbuch) nicht mehr berechtigt
sein sollte, das Stimmrecht der GbR gemeinsam mit den verbleibenden Gesellschaftern
auszuüben (so OLG Köln,
zu Lasten Dritter nicht vor. Seine Zahlungspflicht beruht nicht darauf,
dass die Wohnungseigentümer - was unzulässig wäre - den Beschluss fassen,
von ihm einen Beitrag zu erheben. Sie beruht auf seiner Nachhaftung für die
Beitragsverbindlichkeiten der Eigentümer-GbR gemäß
736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 HGB.
2. Revisionsrechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Annahme
des Berufungsgerichts, dass die streitgegenständlichen Forderungen innerhalb
der Fünfjahresfrist des § 160 Abs. 1 Satz 2 HGB gerichtlich geltend gemacht
wurden, weil der Beklagte nicht bewiesen habe, dass die Verwalterin der Klägerin
bereits im Jahre 2002 über sein Ausscheiden informiert worden sei.
a) Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann - anders als bei einer
Personenhandelsgesellschaft - für den Beginn der Fünfjahresfrist nach § 160
Abs. 1 Satz 2 HGB nicht an die Publizität durch Registereintragung des Ausscheidens
angeknüpft werden; die Frist beginnt aufgrund der in § 736 Abs. 2
BGB angeordneten sinngemäßen Anwendung der Norm mit der positiven
Kenntnis des jeweiligen Gläubigers von dem Ausscheiden des Gesellschafters
aus der Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2007 - II ZR 284/05,
b) Eine Kenntnis der Klägerin vom Ausscheiden des Beklagten aus der
GbR bereits im Jahre 2002 hat das Berufungsgericht nicht feststellen können;
dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
aa) Zutreffend ist allerdings die Rüge der Revision, dass das Berufungsgericht
den von ihm anzulegenden Maßstab für die Überprüfung der erstinstanzlichen
Beweiswürdigung verkannt hat. Entgegen den Ausführungen in
dem angefochtenen Urteil ist das Berufungsgericht nicht schon dann nach §
529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts
gebunden, wenn diese vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen
Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Auch verfahrensfehlerfrei getroffene
Tatsachenfeststellungen sind - anders als in der Revisionsinstanz (§
559 Abs. 2 ZPO) - für das Berufungsgericht nicht bindend, wenn konkrete Anhaltspunkte
dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrich-
tig sind (vgl. Senat, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03,
275; Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 255/17,
Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03,
der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen können
sich insbesondere auch daraus ergeben, dass das Berufungsgericht das Ergebnis
einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht
der Vorinstanz. Wenn sich das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen
Beweiswürdigung nicht zu überzeugen vermag, so ist es an die
erstinstanzliche Beweiswürdigung, die es aufgrund konkreter Anhaltspunkte
nicht für richtig hält, nicht gebunden, sondern zu einer erneuten Tatsachenfeststellung
nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 9. März
2005 - VIII ZR 266/03,
ZR 255/17, aaO).
bb) Dieser Fehler hat sich jedoch nicht ausgewirkt. Es erscheint ausgeschlossen,
dass das Berufungsgericht bei Anlegung des zutreffenden Maßstabs
zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre und die Kenntnis der Verwalterin
der Klägerin vom Ausscheiden des Beklagten aus der GbR schon im Jahre
2002 als bewiesen angesehen hätte.
(1) Das Berufungsgericht sieht den Beklagten für dessen Behauptung als
beweisfällig an, der Insolvenzverwalter Dr. S. habe in dem ihn betreffenden
Insolvenzverfahren dem Geschäftsführer der Verwalterin in mindestens
zwei Telefonaten in zeitlichem Zusammenhang mit den Schreiben des Insolvenzverwalters
vom 16. September 2002 und des Beklagten vom 12. Dezember
2002 mitgeteilt, dass der Beklagte aufgrund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag
aus der GbR ausgeschieden sei. Das Amtsgericht habe durch
Vernehmung des Insolvenzverwalters Beweis erhoben und in seinem Urteil
ausgeführt, dass der Zeuge nur die Mitteilung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
bestätigt habe, nicht aber, dass er den Geschäftsführer der
Verwalterin auch über das Ausscheiden des Beklagten aus der GbR informiert
habe. Diese Beweiswürdigung des Amtsgerichts sei „rechtlich nicht zu beanstanden“.
(2) Die Revision zeigt keine Umstände auf, die für das Berufungsgericht
Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Amtsgerichts
hätten begründen können.
(a) Das gilt zunächst für den Einwand, Fortsetzungsklauseln wie die hier
im Gesellschaftsvertrag der GbR enthaltene seien üblich, und die Annahme des
Amtsgerichts, dass die Verwalterin der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft
im Zusammenhang mit der Korrespondenz mit dem Insolvenzverwalter
nicht den Rückschluss auf das insolvenzbedingte Ausscheiden des Beklagten
aus der GbR gezogen habe, widerspreche der Lebenserfahrung. Entsprechende
Erfahrungssätze in Form der allgemeinen Lebenserfahrung gibt es
nicht; auch zeigt die Revision keinen Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz
zur Üblichkeit solcher Klauseln und zu einer Kenntnis des Geschäftsführers
der Verwalterin der Klägerin von einer solchen Üblichkeit auf, mit dem sich
das Berufungsgericht hätte auseinandersetzen müssen.
(b) Nicht weiter führt auch die Annahme der Revision, die Klägerin habe
infolge ihrer Kenntnis von der Insolvenz des Beklagten „im Sinne einer wahldeutigen
Feststellung“ von der insolvenzbedingten Auflösung der GbR nach §
728 Abs. 2 Satz 1 BGB oder dem insolvenzbedingten Ausscheiden des Beklagten
aus der GbR nach § 736 Abs. 1 BGB gewusst. Bei einer Auflösung der GbR
infolge des Insolvenzverfahrens wären die Ansprüche der Klägerin gegen den
Beklagten zwar fünf Jahre später verjährt gewesen (
aber nicht zu einer Auflösung gekommen ist, bleibt die Fünfjahresfrist des § 160
Abs. 1 Satz 2 HGB und damit die Kenntnis der Verwalterin der Klägerin vor dem
Ausscheiden des Beklagten aus der Gesellschaft maßgeblich.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:03.07.2020
Aktenzeichen:V ZR 250/19
Rechtsgebiete:
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
OHG
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
RNotZ 2020, 563-568
NJW 2020, 3315-3319
WEG §§ 16 Abs. 2, 28 Abs. 5; BGB § 736 Abs. 2; HGB § 160 Abs. 1 S. 1