Europäisches Nachlasszeugnis: Nachweis der Erbfolge im Grundbuchverfahren; unvollständig ausgefülltes Formblatt
letzte Aktualisierung: 9.8.2024
OLG Bremen, Beschl. v. 18.4.2024 – 3 W 10/24
Europäisches Nachlasszeugnis: Nachweis der Erbfolge im Grundbuchverfahren;
unvollständig ausgefülltes Formblatt
Das Europäische Nachlasszeugnis ist auch dann als Nachweis gem.
geeignet, wenn das Formblatt nicht vollständig ausgefüllt ist, die fehlenden Angaben sich aber aus
einer mit dem Formblatt verbundenen Erklärung des ausstellenden Notars ergeben. Auch ein
solches Europäisches Nachlasszeugnis erbringt gemäß
die darin angegebene Erbfolge.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer begehrt seine Eintragung als Eigentümer in das verfahrensgegenständliche
Wohnungsgrundbuch.
Eigentümerin war deutsche Staatsbürgerin und hatte im Zeitpunkt ihres Todes ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in M/Spanien.
Unter dem 26.10.2021 eröffnete das Amtsgericht Bremen (Nachlassgericht) ein
Beschwerdeakte). Dabei handelte es sich um ein gemeinsames Testament mit ihrem
vorverstorbenen Ehemann. Nach der Eröffnung versandte das Amtsgericht Bremen
(Nachlassgericht) den Vorgang mangels letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Bremen
an die spanische Botschaft in Berlin. In der Grundbuchakte befinden sich vom
Grundbuchamt gesiegelte und beglaubigte Abschriften der mit dem Eröffnungsprotokoll
2.1 ff.).
In der Vorbemerkung zu diesem Testament heißt es:
des Notars in M/Spanien ein
notarielles Testament errichtet, worin unsere jeweilige Erbfolge bezüglich des in
Spanien belegenen Vermögens geregelt wird. Hierbei soll es verbleiben, d.h. die
Gültigkeit und Wirksamkeit der vorgenannten spanischen Testamente soll durch
§ 3 lautet:
tter des Beschwerdeführers) setze meinen
Ehemann, den Erschienen zu 1. zu meinem alleinigen und ausschließlichen
Vollerben ein.
Für den Fall seines Todes oder unseres gleichzeitigen Versterbens soll unser
gemeinsamer Sohn
Unter dem 06.05.2022 forderte das Amtsgericht Bremen (Grundbuchamt) den
Beschwerdeführer auf, die Berichtigung des Grundbuchs zu beantragen und die dazu
erforderlichen Unterlagen zu beschaffen.
Das sodann vom Beschwerdeführer unter dem 08.03.2023 vorgelegte Europäische
Nachlasszeugnis Bl. 2.14 (Übersetzung Bl. 2.15) erkannte das Grundbuchamt nicht an,
weil darin d
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 08.12.2023 (3 W 19/23) darauf hingewiesen,
dass die Eröffnung des Testaments aus dem Jahre 1992 durch das für die Eröffnung
zuständige Nachlassgericht erfolgt war, so dass das Grundbuchamt zu prüfen hatte,
ob die Erbfolge durch dieses Testament zusammen mit dem Europäischen
Nachlasszeugnis als nachgewiesen erachtet werden könne.
Nach erneuter Prüfung hat das Grundbuchamt unter dem 07.02.2024 die mit der
Beschwerde angegriffene Zwischenverfügung erlassen und dem Beschwerdeführer
aufgegeben, innerhalb von 6 Monaten ein neues Europäisches Nachlasszeugnis oder
einen gegenständlich beschränkten Erbschein beizubringen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Eintragung könne nicht auf das eröffnete
Nachlassgericht übersandt worden sei (gemeint ist: vom für den letzten Aufenthalt der
Erblasserin zuständigen Nachlassgericht).
Das vorgelegte Europäische Nachlasszeugnis wiederum könne nicht als
Erbennachweis herangezogen werden, weil weder erkennbar sei, wer es erstellt habe
noch wann es erstellt worden sei. Gerade (auch) letzteres sei aber von entscheidender
Bedeutung, weil das Europäische Nachlasszeugnis nur eine Wirksamkeit von 6
Monaten habe gem. Art. 70 Abs.3 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende
Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und
Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines
Europäischen Nachlasszeugnisses (im Folgenden: EuErbVO).
Schließlich sei in dem vorgelegten Europäischen Nachlasszeugnis das in Bremen
der restliche Inhalt des vorgelegten Europäischen Nachlasszeugnisses für das
II.
Die gemäß
Zu Unrecht verlangt das Grundbuchamt ein neues Europäisches Nachlasszeugnis bzw.
einen gegenständlich beschränkten Erbschein des Nachlassgerichts Bremen.
Einen Erbschein des Nachlassgerichts Bremen könnte der Beschwerdeführer ohnehin
nicht erhalten, weil dieses Gericht unter Berücksichtigung der EuErbVO nicht für die
Erteilung eines Erbscheins zuständig ist (vgl. EuGH (2. Kammer), Urteil vom 21.6.2018
C-20/17 (Oberle)
Nach Ansicht des Senats ist auch ein neues Europäisches Nachlasszeugnis nicht
erforderlich, vielmehr hat das Grundbuchamt das vorliegende Europäische
Nachlasszeugnis vom 28.10.2022 zu berücksichtigen (1.) und kann damit auch die
Rechtsnachfolge von Todes wegen nach der Grundstückseigentümerin feststellen (2.):
1.) Das vorliegende Europäische Nachlasszeugnis ist wirksam. Es ist daher auch vom
Grundbuchamt zu berücksichtigen.
Zuständig für die Erteilung derartiger Zeugnisse sind in Spanien auch die Notare (vgl.
https://e-justice.europa.eu/380/DE/succession?SPAIN&member=1). Das vorliegende
Dokument ist als beglaubigte Abschrift bezeichnet, vom Notar unterzeichnet und mit
einer Apostille versehen.
Allerdings hat der ausstellende Notar das Europäische Nachlasszeugnis nicht
durchgehend in dem vorgesehenen Formular ausgefüllt. Einige Angaben, so etwa die
Aktennummer, der Name des Notars, das Ausstellungsdatum und die Gültigkeit der
beglaubigten Ablichtungen sind nicht im Formular, sondern in einer mit diesem in der
Abschrift festverbundenen Erklärung des spanischen Notars enthalten, die in einer
deutschen Übersetzung (übersetzt durch eine allgemein ermächtigte Übersetzerin)
vorliegt.
Allerdings gilt hinsichtlich des Europäischen Nachlasszeugnisses eine
Verwendungspflicht hinsichtlich des in Anhang 5 der Durchführungsverordnung
Nr. 1329/2014 vorgesehene Formblatt V (EuGH, Urteil vom 09.03.2023, C-354/2
m.w.N.). Diese Pflicht dient dem Ziel der Vereinheitlichung der Abläufe in den
Mitgliedsstaaten, insbesondere soll einerseits der Wille, ein derartiges Europäisches
Nachlasszeugnis gem.
kommen, andererseits soll in allen Mitgliedsstaaten der Inhalt des Zeugnisses unschwer
erkennbar sein.
Der ausstellende Notar hat hier das Formular V verwendet und sowohl dadurch, als
auch durch die Bezeichnung der Niederschrift deutlich gemacht, dass ein Europäisches
Nachlasszeugnis erstellt werden soll.
Der Senat lässt es dahingestellt, ob grundsätzlich ein solches Zeugnis keine Wirkung
entfalten kann, wenn nicht alle erforderlichen Angaben in dem Formblatt enthalten sind.
Jedenfalls in einem Einzelfall wie dem hier zu entscheidenden, in dem die fehlenden
Angaben unschwer einer verbundenen Erklärung des Notars entnommen werden
können, widerspräche es nach Ansicht des Senats dem Ziel der Europäischen
Erbrechtsverordnung, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu erleichtern
und die zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung von Erbsachen mit
grenzüberschreitendem Bezug zu ermöglichen (s. Erwägungsgründe Nr.7 und Nr. 67),
auf der vollständigen Ausfüllung des Formulars zu bestehen.
Die oben erwähnten und vom Grundbuchamt vermissten Angaben, sind aus der
notariell beglaubigten Abschrift des Europäischen Nachlasszeugnisses erkennbar. So
ist etwa die Gültigkeit der beglaubigten Ablichtungen danach auf 6 Monate, d.h. bis zum
27.03.2023, begrenzt. Für die Verwendung kommt es entscheidend darauf an, dass
das Zeugnis im Zeitpunkt seiner erstmaligen Vorlage in dem Verfahren gültig war
(EuGH (6. Kammer), Urteil vom 1.7.2021 C-301/20, Rn. 37). Die beglaubigte Abschrift
des Zeugnisses ist hier erstmals am 10.03.2023 zum Verfahren eingegangen und damit
noch innerhalb der angegebenen Gültigkeitsfrist.
2.) Mit dem Europäischen Nachlasszeugnis wird auch die Rechtsnachfolge des
Beschwerdeführers in die rechtliche Position der Erblasserin gem. Art. 69 Abs.5
EuErbVO nachgewiesen. Grundsätzlich muss nach dieser Vorschrift das Europäische
Nachlasszeugnis im Rahmen der Beweis- und Vermutungswirkung gem. Art. 69 Abs.2
EuErbVO für Zwecke einer Registereintragung von Nachlassvermögen in allen
Mitgliedstaaten als Nachweis akzeptiert werden (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, 1.12.2023,
EuErbVO Art. 69 Rn.
schon deshalb nicht an, weil Art.69 Abs.3 und 4 EuErbVO nicht auf registerführende
Stellen anzuwenden ist.
Allerdings gilt die Wirkung des Art. 69 Abs.5 EuErbVO gemäß dessen Wortlaut nicht für
die nationalen Regelungen zur Eintragung von Vermögensgegenständen in ein
Register, d.h. hinsichtlich der Eintragungsvoraussetzungen, dem Eintragungsverfahren
und der Eintragungswirkung im Übrigen. Insoweit gilt hier
Regelung erbringen Erbschein und Europäisches Nachlasszeugnis im
Grundbuchverfahren die volle Beweiskraft für das Bestehen des Erbrechts in dem
bezeugten Umfang (OLG München, Beschluss vom 21. Dezember 2015 34 Wx
245/15 Rn. 22ff. juris). Auch danach erbringt das Europäische Nachlasszeugnis vom
28.10.2022 hier den vollen Nachweis für die Erbenstellung des Beschwerdeführers.
Das Grundbuchamt braucht im Übrigen auch nicht aufgrund des von dort eigentlich
gar nicht als eröffnet anerkannten
Europäischen Nachlasszeugnisses zu haben, weil darin letztlich die gleiche Erbfolge
bestimmt ist. Der Beschwerdeführer soll danach Erbe seiner nach dem Vater
verstorbenen Mutter, d.h. der Grundstückseigentümerin, werden.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Bremen
Erscheinungsdatum:18.04.2024
Aktenzeichen:3 W 10/24
Rechtsgebiete:
Grundbuchrecht
Deutsches IPR (EGBGB)
GBO § 35; EuErbVO Art. 69, 70