Löschung von Grundpfandrechten; Löschungsbewilligung; handschriftliche Ergänzung oder Durchstreichung durch den Notar; Verwendung im Grundbuchverfahren
letzte Aktualisierung: 23.9.2024
KG, Beschl. v. 27.6.2024 – 1 W 102/24
ZPO §§ 419, 440 Abs. 2; GBO §§ 13, 19, 29
Löschung von Grundpfandrechten; Löschungsbewilligung; handschriftliche Ergänzung
oder Durchstreichung durch den Notar; Verwendung im Grundbuchverfahren
Bei der Prüfung, ob eine Urkunde Mängel im Sinne von
Vermutungswirkung des
beschränkt bleiben, die Urkunde enthalte – vorliegend handschriftliche – Ergänzungen oder
Durchstreichungen. Es muss darüber hinaus der ursprüngliche Inhalt und der, den die Urkunde mit
den Ergänzungen erhalten hat, in den Blick genommen werden. Ergibt sich erst mit den
Ergänzungen ein – im Grundbuch – vollziehbarer Inhalt, ist die Annahme naheliegend, dass die
Änderungen der Urkunde mit Willen der Personen erfolgt sind, deren Unterschrift ein Notar
beglaubigt hat.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig,
der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Eintragungshindernisse bestehen nicht, so dass
kein Anlass für die Zurückweisung des Antrags vom 25. Oktober 2023 bestand, vgl. § 18 Abs. 1
S. 1 Alt. 1 GBO. Vielmehr ist der Antrag jedenfalls im Zeitpunkt der Senatsentscheidung, vgl. §
74 GBO, vollzugsreif, so dass das Grundbuchamt entsprechend anzuweisen ist.
1. Die Freigabe eines mit einer Gesamthypothek belasteten Grundstücks aus der Mithaft erfolgt
durch Löschung der Hypothek im Grundbuch des freigegebenen Grundstücks, § 46 Abs. 1
GBO, sowie eines entsprechenden Vermerks,
Grundstücks, das weiter belastet bleibt (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rdn.
2719; Demharter, GBO, 33. Aufl., § 27, Rdn. 8). Die Eintragung erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1
S. 1 GBO, wenn sie der Gläubiger der Hypothek bewilligt,
liegen hier vor.
a) Insbesondere liegt die Bewilligung beider Hypothekengläubigerinnen vor. Die erforderlichen
Erklärungen hat ihr Geschäftsführer unter dem 21. Februar 2023 abgegeben. Seine Unterschrift
ist zur UVZ-Nr. 5xx/2xx MW des Notars M... W... in B... beglaubigt worden, so dass die
grundbuchverfahrensrechtlich gebotene Form,
Durch die Bestätigung des Notars nach
nachgewiesen, dass beide Gläubigerinnen denselben Geschäftsführer haben.
Dass der Notar dabei die Registernummern vertauscht hat, beruht auf einer offensichtlichen
Nachlässigkeit, die hier – wie das ebenso unrichtige Datum in der Beschwerdebegründung zu
Ziffer 4 – „21. Oktober 2023“ – für die Entscheidung letztlich ohne Belang bleibt.
b) Zutreffend hat das Grundbuchamt seine Pflicht zur Prüfung erkannt, ob die über der
beglaubigten Unterschrift stehende Erklärung von dem Unterzeichnenden stammt oder mit
dessen Willen abgefasst wurde (Senat, Beschluss vom 4. September 2012 – 1 W 154/12 –
erkennen.
aa) Gemäß
der darüberstehenden Schrift vermutet. Diese Vermutungswirkung entfällt, wenn und soweit
feststeht, dass nach Fertigung und Unterzeichnung der Urkunde Einfügungen vorgenommen
worden sind. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist dann – unter Beachtung der
grundbuchrechtlichen Erfordernisse,
unterzeichneten Textes dem Willen des Unterzeichners entspricht (Senat, a.a.O.). Ob hieran
festzuhalten sein wird (a.A. OLG Karlsruhe,
werden. Vorliegend ergibt sich aus der UVZ-Nr. xx/2xx MW selbst, dass die über den
beglaubigten Unterschriften stehenden Erklärungen dem Willen der Unterzeichner entsprechen.
Damit sind hier jedenfalls die grundbuchrechtlichen Formerfordernisse erfüllt.
bb) Allerdings befinden sich auf der Urkunde an mehreren Stellen handschriftliche
Ergänzungen, die im Ausgang für sich geeignet erscheinen, die Vermutungswirkung des § 440
Abs. 2 ZPO entfallen zu lassen. Enthält eine Urkunde Durchstreichungen, Radierungen,
Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel, greift
Gericht über die Beweiskraft der Urkunde nach freier Überzeugung zu entscheiden,
Einschaltungen sind äußerlich erkennbare Einfügungen in den Text der Urkunde (BGH, NJW
1966, 1657, 1658). „Sonstige Mängel“ können handschriftliche Einfügungen in einem ansonsten
maschinenschriftlich erstellten Text oder die Verschiedenheit der verwendeten Tinte sein
(Feskorn, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 419, Rdn. 2). Die vorliegende Urkunde enthält mehrere
solcher Einfügungen.
Urkunde nachträglich geändert worden ist, sondern auch bereits dann, wenn das nach ihrem
Erscheinungsbild nur möglich ist (BGH, a.a.O.;
Im Rahmen von
dass eine Urkunde - hier handschriftliche - Ergänzungen aufweist. Es muss auch der
ursprüngliche Inhalt und der, den die Urkunde mit den Ergänzungen erhalten hat, in den Blick
genommen werden. Danach ist der Verdacht einer Fälschung hier fernliegend.
cc) Der ursprüngliche Text bezog sich auf eine „Grundschuld“, mit der das Grundbuch aber
nicht belastet ist. Mit der Durchstreichung des Wortes „Grundschuld“ und seiner Ersetzung
durch „Hypothek“ wird vielmehr erst die tatsächliche Rechtslage an dem Grundstück
beschrieben.
Nichts anderes gilt für die handschriftliche Ergänzung um die (Teil-)Abtretung der Hypothek an
die Beteiligte zu 4. Der weitere handschriftliche Zusatz „(bzw. Pfandentlassung)“ bezieht sich
ersichtlich auf den Umstand, dass es sich um Gesamthypotheken handelt, mit denen ebenfalls
das inzwischen abgeschriebene Teilgrundstück belastet ist, das nun auf Blatt 2xxN eingetragen
ist. Da es sich nun um Gesamthypotheken handelt, die Bewilligung sich ausdrücklich aber nur
auf das Grundstück Blatt 3xxN bezieht, handelt es sich tatsächlich um die Entlassung des
Grundstücks aus der Mithaft, was auch als „Pfandfreigabe“ bezeichnet wird (Schöner/Stöber
a.a.O., Rdn. 2718).
Schließlich deutet auch die Ergänzung um die Firma der Beteiligten zu 3 bei der Unterschrift des
bewilligenden Geschäftsführers nicht auf eine Fälschung hin. Bereits im ursprünglichen Text
war die Beteiligte zu 3 als Gläubigerin der – ursprünglichen - Hypothek benannt, bei der
Unterschrift des Geschäftsführers aber nur die Beteiligte zu 4 aufgeführt worden. Das war
offensichtlich widersprüchlich. Mit der Ergänzung wird dieser Widerspruch aufgelöst.
Insgesamt enthielt die Urkunde vor den Ergänzungen zahlreiche Ungenauigkeiten bzw. gab sie
die tatsächliche Rechtslage unrichtig wieder. Sie wäre deshalb zu beanstanden gewesen. Erst mit
den Ergänzungen ergibt die Urkunde einen vollziehbaren Inhalt. Es erscheint bereits deshalb die
Annahme naheliegend, dass die Ergänzungen nicht nach Leistung der Unterschriften erfolgten,
sondern auf Grund notarieller Beratung im Zusammenhang mit der Beglaubigung. Schließlich
hat dies der Notar mit der Beschwerde auch selbst vorgetragen. Damit bestehen aber keine
Zweifel daran, dass die handschriftlichen Einfügungen mit Willen der Beteiligten zu 3 und 4
erfolgt sind.
c) Der Notar hat mit der Beschwerde klargestellt, dass nicht die Löschung der
Gesamthypotheken insgesamt, sondern nur die Entlassung des im Beschlusseingang
bezeichneten Grundstücks aus der Mithaft insoweit gewollt ist. Ebenfalls hat er klargestellt, dass
sich der Antrag auf beide Hypotheken bezieht. Dem entsprechen die Erklärungen zu seiner
UVZ-Nr. 1xx/2xx MW der von den Beteiligten bevollmächtigten Notariatsangestellten.
Dieser Klarstellungen bedurfte es hingegen nicht, weil bereits dem ursprünglich formulierten
Antrag das Gewollte hinreichend zu entnehmen war. Da der Antrag allein zu Blatt 3xxN des
Grundbuchs gestellt war, kam eine Löschung der Hypotheken insgesamt nicht in Betracht. Dem
hätten zudem die Eigentümer des mithaftenden Grundstücks zustimmen müssen, § 27 S. 1
GBO, was aber nicht nachgewiesen worden ist.
Da nicht nur die Bewilligung einer der Gläubigerinnen vorlag, sondern der Geschäftsführer für
beide Gläubigerinnen gehandelt hatte, war auch klar, dass beide Hypotheken im Grundbuch des
im Beschlusseingang bezeichneten Grundstücks gelöscht bzw. dieses Grundstück aus der
Mithaft entlassen werden sollten.
2. Sonstige, dem Vollzug des Antrags entgegenstehende Hindernisse bestehen nicht, so dass das
Grundbuchamt zum Vollzug anzuweisen ist. Sind mehrere Grundstücke mit einem Recht
belastet und erlischt eine Mitbelastung, ist dies von Amts wegen zu vermerken, § 48 Abs. 2
GBO. Der Senat hat dies klarstellend in den Beschlusstenor aufgenommen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:27.06.2024
Aktenzeichen:1 W 102/24
Rechtsgebiete:
Beurkundungsverfahren
Grundbuchrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
ZPO §§ 419, 440 Abs. 2; GBO §§ 13, 19, 29