OLG Nürnberg 29. September 2020
15 W 1774/20
WEG a. F. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3, 15; BGB §§ 876, 877

Einräumung von dinglichen Sondernutzungsrechten; Erfordernis der Zustimmung eines Drittberechtigten

letzte Aktualisierung: 9.9.2021
OLG Nürnberg, Beschl. v. 29.9.2021 – 15 W 1774/20

WEG a. F. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3, 15; BGB §§ 876, 877
Einräumung von dinglichen Sondernutzungsrechten; Erfordernis der Zustimmung eines Drittberechtigten

1. Wird von den Wohnungseigentümern der Gebrauch der im gemeinschaftlichen Eigentum
befindlichen Kraftfahrzeugstellplätze in der Weise geregelt, dass den Miteigentümern jeweils ein
bestimmter Abstellplatz zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen wird, und soll diese
Gebrauchsregelung gem. §§ 15 Abs. 1, 5 Abs. 4, 10 Abs. 2 WEG durch Grundbucheintragung
zum Inhalt des Sondereigentums werden, so bedeutet diese dann dinglich wirkende Vereinbarung
eines Sondernutzungsrechts, die mit dem Ausschluss der bisherigen Befugnis zum Mitgebrauch der
den anderen Miteigentümern zugewiesenen Stellplätze verbunden ist, eine Inhaltsänderung des
jeweiligen Sondereigentums i. S. d. § 877 BGB. Ist dieses Wohnungseigentum mit Rechten
Dritter belastet, so kann auch deren Position rechtlich nachteilig beeinträchtigt werden. In solchen
Fällen ist in Anwendung der §§ 877, 876 BGB auch die Zustimmung der Dritten zur Änderung erforderlich.
2. Stellen – wie hier – die im Grundbuch zugunsten des Dritten eingetragenen Kfz-Stellplatzrechte
Grunddienstbarkeiten nach § 1018 BGB dar und wird die Position des Drittberechtigten durch die
Begründung von Sondernutzungsrechten an anderen oberirdischen Stellplätzen nicht rechtlich
beeinträchtigt, so ist die Zustimmung des Dritten nicht erforderlich.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe

I.
Mit notarieller Urkunde vom 07.10.1994 wurde das Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … bei …u in
Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt. Darin war vorgesehen, dass den jeweiligen Eigentümern der
einzelnen Wohnungen Sondernutzungsrechte an Tiefgaragenstellplätzen zugeordnet werden. Hinsichtlich
der zwei ebenerdigen Kfz-Stellplätze an der … wurden ebenfalls Sondernutzungsrechte begründet und diese
gemäß Plan II den Wohnungen Nummer 1 und Nummer 3 zugewiesen. Nach Änderungen in der
Straßenplanung durch die Stadt Nürnberg erfolgte ein flächengleicher Tausch von privaten und öffentlichen
Flächen, wodurch die beiden ebenerdigen Stellplätze wegfielen und auf die mit Tauschvertrag von der Stadt
Nürnberg erworbene Fläche verlegt wurden. Eine grundbuchrechtliche Umsetzung dieser tatsächlichen
Änderungen erfolgte nicht.

In Abteilung II des Grundbuchs von … bei … Blatt … wurde betreffend das genannte Grundstück gemäß
Bewilligung vom 15.04.1999 ein Kraftfahrzeugstellplatzrecht für den jeweiligen Eigentümer des Flurstücks
151/58 eingetragen. Ebenso wurde in Abteilung II des Grundbuchs von … bei … Blatt … gemäß Bewilligung
vom 11.03.2005 ein Kraftfahrzeugstellplatzrecht für den jeweiligen Eigentümer des Flurstücks 151/63
eingetragen.

Mit notarieller Urkunde vom 28.01.2015 wurde als 2. Nachtrag zur Teilungserklärung vom 07.10.1994
festgelegt, dass das Sondernutzungsrecht an dem Stellplatz Nummer 1 zur zukünftigen alleinigen und
ausschließlichen Nutzung als Kfz-Stellplatz der im Aufteilungsplan mit Nummer 1 bezeichneten Wohnung
zugeordnet werden soll, der Stellplatz Nummer 3 der im Aufteilungsplan mit Nummer 3 bezeichneten
Wohnung. Sämtliche Wohnungs- und Teileigentümer stimmten dieser Vereinbarung zu.

Im Folgenden beantragte der Notar … bei dem Amtsgericht - Grundbuchamt - Nürnberg den Vollzug seiner
Urkunde …, nach mehreren Einwänden des Grundbuchamts zuletzt mit Schreiben vom 25.09.2019. Hierin
führte er aus, alle erforderlichen Unterlagen würden dem Grundbuchamt bereits vorliegen. Die
Zustimmungen der Eigentümer der Flurstücke 151/63 und 151/58 würden nicht vorgelegt, da die Forderung
dieser Zustimmungen unverhältnismäßig und nicht erforderlich sei. Die beiden Stellplätze, die Gegenstand
des Nachtrags seien, seien oberirdisch und an ganz anderer Stelle, als das Dienstbarkeitsrecht.
Mit Zwischenverfügung vom 03.12.2019 führte das Amtsgericht - Grundbuchamt - Nürnberg aus, der
beantragten Eintragung stehe ein Hindernis entgegen. Es würden die Zustimmungen der Eigentümer der
Flurstücke 151/63 und 151/58 fehlen. In dem notariellen Vertrag würden neue Sondernutzungsrechte
begründet. Dazu sei stets die Zustimmung von Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß §§ 877, 876 BGB
erforderlich, falls deren Rechtsstellung von der Änderung betroffen sei, da eine Beeinträchtigung ihres
Rechts nicht ausgeschlossen werden könne. Der Begriff des Betroffenseins lasse jegliches rechtliche
Interesse ausreichen. Ein solches sei für die Berechtigten der Grunddienstbarkeit gegeben.

Hiergegen wendete sich die Beschwerdeführerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom
03.02.2020. Darin ist ausgeführt, das Grundstück der Beschwerdeführerin sei unbestritten belastet mit einem
Kfz-Stellplatzrecht für die Eigentümer des Grundstücks FI.Nr. 151/63. Dieses Stellplatzrecht sei seinem Inhalt
und seinem Umfang nach ausdrücklich beschränkt auf 4 Tiefgaragenplätze, im Tiefgaragen-Stellplatzplan
bezeichnet mit Nummer 1 bis 4. Weiterhin sei das Grundstück der Beschwerdeführerin belastet mit einem
Kfz-Stellplatzrecht für die jeweiligen Eigentümer des Grundstücks FI.Nr. 151/58. Dieses sei seinem Inhalt
und seinem Umfang nach beschränkt auf 4 Tiefgaragenplätze, im Tiefgaragen-Stellplatzplan rot
gekennzeichnet. Zu den genannten Flurstücken würden große Wohnungseigentümergemeinschaft gehören,
weshalb sich die Beschwerdeführerin aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage sehe, die Zustimmungen
sämtlicher Eigentümer beizubringen. Entgegen der Ansicht des Grundbuchamtes sei die Zustimmung der
Grunddienstbarkeitsberechtigten aber auch nicht erforderlich. Deren Zustimmung sei unnötig, wenn ihre
dingliche Rechtsstellung durch die Änderung nicht nachteilig berührt werde. Dies sei der Fall, wenn eine
rechtliche Benachteiligung mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Durch die Vereinbarung eines
Sondernutzungsrechts werden nur der Inhalt des Sondereigentums derjenigen Wohnungseigentümer
nachteilig verändert, die vom Mitgebrauch des betreffenden Teils des gemeinschaftlichen Eigentums
ausgeschlossen seien. Wenn ihr Wohnungseigentum mit Rechten Dritter belastet sei, so könne auch deren
Position rechtlich nachteilig beeinträchtigt werden. Die Zustimmung des Berechtigten sei daher erforderlich,
wenn ein Grundpfandgläubiger von einer das Haftungsobjekt benachteiligenden Gebrauchsregelung im
Sinne des § 15 Abs. 1 WEG betroffen sei. Vorliegend werde den Eigentümern aber nicht die rechtliche
Möglichkeit genommen, auf das Verwertungsobjekt im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen zu können.
Ein solches Recht der betroffenen Eigentümer der genannten Grundstücke bestehe gar nicht. Das
Kraftfahrzeug-Stellplatzrecht gewähre nicht die dingliche Berechtigung, Befriedigung aus dem
Grundeigentum zu suchen. Es begründe nur und ausschließlich ein räumlich eng begrenztes Nutzungsrecht.
Es werde deshalb beantragt, die Zwischenverfügung vom 03.12.2019 aufzuheben und die beantragte
Eintragung vorzunehmen.

Das Amtsgericht Nürnberg legte den Antrag auf Aufhebung der Zwischenverfügung als Beschwerde gegen
diese aus und half der Beschwerde mit Beschluss vom 07.05.2020 nicht ab.

II.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung der Zwischenverfügung ist als Beschwerde gegen diese
auszulegen. Die Beschwerde ist statthaft (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 71 Abs. 1 GBO) und auch im Übrigen zulässig
(§ 73 GBO).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Grundbuchamt darf vorliegend den Antrag auf Eintragung
der Sondernutzungsrechte nicht beanstanden. Denn die Zustimmung der Grunddienstbarkeitsberechtigten
zur Eintragung der Sondernutzungsrechte ist entbehrlich.

1.
Gemäß § 15 Abs. 1 WEG können die Wohnungseigentümer den Gebrauch des Sondereigentums und des
gemeinschaftlichen Eigentums durch Vereinbarung regeln. Diese Vereinbarung kann nach § 10 Abs. 3 WEG
in das Grundbuch eingetragen werden.

Nach § 5 Abs. 4 Satz 2 WEG ist dann, wenn das Wohnungseigentum mit der Hypothek, Grund- oder
Rentenschuld oder der Reallast eines Dritten belastet ist, dessen Zustimmung erforderlich, wenn ein
Sondernutzungsrecht begründet oder ein mit dem Wohnungseigentum verbundenes Sondernutzungsrecht
aufgehoben, geändert und übertragen wird. Durch diese durch die WEG-Novelle von 2007 eingefügte
Regelung sollte ein sehr zeit- und kostenaufwändiges Verfahren bei größeren Wohnungseigentumsanlagen
vermieden werden (Armbrüster in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 14. Aufl. 2018, § 5 Rn. 139).
Danach ist eine Zustimmung des Inhabers einer Hypothek, Grund- oder Rentenschuld oder einer Reallast
nur noch dann erforderlich, wenn eine rechtliche Benachteiligung des Haftungsobjekts nicht ausgeschlossen
werden kann. Für die übrigen dinglichen Rechte, wie insbesondere Grunddienstbarkeiten, bleibt es dagegen
bei der bisherigen Regelung, dass Inhaber dinglicher Rechte einer Inhaltsänderung des
Wohnungseigentums analog §§ 877, 876 BGB zuzustimmen haben, außer es kann jegliche rechtlich
nachteilige Beeinträchtigung ausgeschlossen werden (Bärmann a.a.O. Rn. 143 i.V.m. Rn. 139;
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, Erster Teil Grundstücks- und Grundbuchrecht, Rn. 2958
i.V.m. 2886).

Ist nach materiellem Recht für die Rechtsänderung die Zustimmung des Drittberechtigten notwendig, so ist
auch grundbuchrechtlich dessen Eintragungsbewilligung nötig. Auch insoweit kommt es nur darauf an, ob ein
grundbuchmäßiges Recht rechtlich beeinträchtigt wird oder werden kann (BGH, Beschluss vom 14.06.1984 -
V ZB 32/82).

2.
Die Zustimmung der Eigentümer der Grundstücke mit der Fl.Nr. 151/58 und 151/63 ist nicht erforderlich, da
ihre dingliche Rechtsstellung durch die Änderung nicht berührt wird.

Durch die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts wird der Inhalt des Sondereigentums derjenigen
Wohnungseigentümer nachteilig verändert, die vom Mitgebrauch des betreffenden Teils des
gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen sind. Jeder Wohnungseigentümer ist nach § 13 Abs. 2 S. 1
WEG grundsätzlich zum Mitgebrauch des gesamten gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt. Dieses Recht
gehört zum Inhalt des dem einzelnen Wohnungseigentümer zustehenden Miteigentums und damit auch zum
Inhalt des dem Miteigentum zugeordneten Sondereigentums. Wird von den Wohnungseigentümern der
Gebrauch der im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Kraftfahrzeugstellplätze in der Weise geregelt,
dass den Miteigentümern jeweils ein bestimmter Abstellplatz zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen
wird, und soll diese Gebrauchsregelung gemäß §§ 15 Abs. 1, 5 Abs. 4, 10 Abs. 2 WEG durch
Grundbucheintragung zum Inhalt des Sondereigentums werden, so bedeutet diese dann dinglich wirkende
Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts, die mit dem Ausschluss der bisherigen Befugnis zum
Mitgebrauch der den anderen Miteigentümern zugewiesenen Stellplätze verbunden ist, eine Inhaltsänderung
des jeweiligen Sondereigentums im Sinne des § 877 BGB (BGH a.a.O.). Ist dieses Wohnungseigentum mit
Rechten Dritter belastet, so kann auch deren Position rechtlich nachteilig beeinträchtigt werden. In solchen
Fällen ist in Anwendung der §§ 877, 876 BGB auch die Zustimmung der Dritten zu der Änderung erforderlich
(OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 1989, 15 W 347/88).

Vorliegend wird die Position der Drittberechtigten durch die Begründung von Sondernutzungsrechten an den
zwei oberirdischen Kfz-Stellplätzen nicht rechtlich nachteilig beeinträchtigt. Die zu Lasten des Grundstücks
Fl.Nr. 151/73 eingetragenen Kfz-Stellplatzrechte der Eigentümer der Grundstücke Fl.Nr. 151/58 und 151/63
stellen Grunddienstbarkeiten nach § 1018 BGB dar. Diese gewähren den Berechtigten im Gegensatz zu
Grundpfandrechten wie Hypothek, Grund-, Rentenschuld oder Reallast keinerlei Möglichkeit, Befriedigung
aus dem Grundeigentum zu erlangen. Vielmehr berechtigt die Grunddienstbarkeit die Eigentümer der Fl.Nr.
151/58 und 151/63 nur, die jeweils konkret bezeichneten Tiefgaragenstellplätze zu nutzen. Hinsichtlich des
übrigen Gemeinschaftseigentums der Beschwerdeführerin beinhalten die Grunddienstbarkeiten keinerlei
Rechte für die Berechtigten. Die Einschränkung des Gemeinschaftseigentums durch die Begründung neuer
Sondernutzungsrechte an anderen, räumlich deutlich abgegrenzten, oberirdischen Kfz-Stellplätzen berührt
ihre Rechtsstellung damit nicht.

3.
Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens
nur die Zwischenverfügung und nicht das Eintragungsersuchen selbst ist (BGH, Beschluss vom 26.09.2013 -
V ZB 152/12).

III.
Die Kostenfolge der zulässigen und begründeten Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3) ergibt sich aus dem
Gesetz (§§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG). Für eine Kostenerstattungsanordnung zugunsten der
Beschwerdeführerin auf der Grundlage von §§ 81 ff. FamFG bestand kein Anlass. Die Staatskasse kommt in
Grundbuchsachen grundsätzlich nicht als Beteiligte in Betracht, der bei erfolgreicher Beschwerde die
außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer auferlegt werden könnten (Demharter, GBO, 31. Aufl., § 77
Rn. 33).

IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Nürnberg

Erscheinungsdatum:

29.09.2020

Aktenzeichen:

15 W 1774/20

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

WEG a. F. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3, 15; BGB §§ 876, 877