Beurkundungsverfahren bei Errichtung einer zweisprachigen Urkunde; Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags
BeurkG §§ 13 Abs. 1, 16 Abs. 2, 9 Abs. 1; BGB §§ 138, 155
Beurkundungsverfahren bei Errichtung einer zweisprachigen Urkunde; Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags
1. Zur Abgrenzung der Konstellation einer (ausnahmsweisen) notariellen Niederschrift in zwei gleichwertigen Sprachfassungen von der Konstellation, in der ausschließlich die deutsche Sprachfassung für die notarielle Niederschrift verbindlich ist, während der fremdsprachige Text eine – fakultative oder im Fall des
2. Werden solche Passagen einer notariellen Niederschrift, die nicht gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 BeurkG deren zwingender Bestandteil sind, sondern bloße Sollvorschriften des notariellen Verfahrensrechts umsetzen, gegenüber einem sprachkundigen Beteiligten nicht verlesen und gegenüber nicht sprachkundigen Beteiligten nicht mündlich übersetzt, führt dies zwar zu einem Verfahrensfehler im Beurkundungsverfahren, nicht aber zur Unwirksamkeit des Beurkundungsakts.
BGH, Beschl. v. 20.3.2019 – XII ZB 310/18
Problem
Die Entscheidung lässt sich in zwei große Themenkomplexe unterteilen: Zum einen beschäftigt sie sich ausführlich mit den auch in den Leitsätzen wiedergegebenen beurkundungsrechtlichen Fragen, zum anderen wird die bekannte Rechtsprechung des BGH zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen wiederholt und präzisiert.
Gegenstand der Entscheidung war ein Ehevertrag zwischen einem deutschen Unternehmer und seiner bis dahin ledigen und nicht erwerbstätigen britischen Lebensgefährtin, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits ein knapp sieben Monate altes Kind von ihrem Lebensgefährten großzog (und während der Ehezeit drei weitere Kinder von ihm zur Welt brachte und betreute). Der deutschen Sprache war die Ehefrau zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht hinreichend mächtig. Der Notar übersetzte deshalb die deutsche Niederschrift schriftlich ins Englische und verlas sowohl die deutsche Niederschrift als auch die englische Übersetzung. Die deutsche Fassung war mit „Niederschrift“, die englische Fassung mit „Übersetzung“ überschrieben. Der Vertrag enthielt u. a. folgenden Vermerk: „Der Notar verlas sodann den nachfolgenden Ehevertrag und die als Anlage dieser Niederschrift beigefügte englische Übersetzung, die beide von den Vertragsschließenden genehmigt und unter der deutschen Fassung unterschrieben wurden.“
In materieller Hinsicht enthielt der Ehevertrag die Vereinbarung der Gütertrennung, einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs und einen Ausschluss des nachehelichen Unterhalts auch für den Fall der Not. Als Kompensation für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich sollten für die Ehefrau „Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung während der Ehe eingezahlt“ werden. Die Höhe dieser Beiträge wurde nicht bestimmt, eine Einzahlung erfolgte nie. Bzgl. der Gütertrennung wurde zusätzlich Nachfolgendes vereinbart – und hierum dreht sich im Kern auch die beurkundungsrechtliche Frage. Die deutsche Sprachfassung enthielt folgende Klausel: „Soweit wir im Laufe unserer Ehe aus unseren Einkünften Rücklagen bilden, sind wir darüber einig, dass dieses so gebildete Vermögen zu gleichen Anteilen jedem Ehepartner (also je zur Hälfte) zusteht“. Diese ausdifferenzierte Regelung wurde in der englischen Fassung schlicht wie folgt übersetzt: „New property we get in our marriage belongs us half“. Eine weitere Differenzierung wie in der deutschen Niederschrift wurde nicht vorgenommen. Die englische Version bezog sich also auf das gesamte während der Ehe erworbene Vermögen, die deutsche Version lediglich auf Einkommensrücklagen.
Entscheidung
Aufgrund der Divergenz in den Sprachfassungen kam es entscheidend darauf an, ob man die englische Variante als mitbeurkundeten (gleichwertigen) Teil der Niederschrift ansieht oder ob man davon ausgeht, dass es sich hierbei lediglich um eine (falsche) Übersetzung der (allein verbindlichen) deutschen Niederschrift handelt. Die Vorinstanz ging noch von einer zweisprachigen (gleichwertigen) Beurkundung aus und kam in der Konsequenz zu dem Ergebnis, dass ein versteckter Einigungsmangel im Sinne des
Dem trat der BGH entgegen und entschied, es handele sich bei der englischen Sprachfassung lediglich um eine schriftliche Fassung der vom Notar vorgenommenen Übersetzung. Dabei argumentiert der BGH zur Abgrenzung maßgeblich mit den konkreten Umständen des Einzelfalls, namentlich damit, dass lediglich die deutsche Version unterschrieben wurde, die deutsche Version die Überschrift „Ehevertrag“ enthielt und die englische Variante lediglich mit „Übersetzung“ überschrieben war. Der Zusatz im Vertrag, wonach auch die englische Variante vom Notar verlesen wurde, interpretiert der BGH nicht als Beurkundung der englischen Fassung, sondern vielmehr dahingehend, dass der Notar lediglich seiner Pflicht zur mündlichen Übersetzung überobligatorisch nachgekommen sei (
Der BGH stellt weiter klar, dass die fehlerhafte Übersetzung nicht zur Unwirksamkeit der Beurkundung und damit zur Formunwirksamkeit des Ehevertrags gem.
Nachdem der BGH festgestellt hatte, dass der Ehevertrag grundsätzlich formwirksam zustande gekommen und mangels Verbindlichkeit der englischen Sprachfassung auch nicht wegen Vorliegen eines Dissenses unwirksam sei, wendet sich das Gericht der Inhaltskontrolle gem. § 138 BGB zu und wiederholt die bekannten Grundsätze der Kernbereichslehre und wendet sich sodann einer Gesamtwürdigung des Vertrages und dessen (möglicher) Sittenwidrigkeit zu. Hierzu hat das Gericht zwar nicht selbst entschieden, sondern die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Die Hinweise des BGH sind jedoch mehr als deutlich: Der Totalausschluss bei einer ausländischen, nicht erwerbstätigen Mutter, die die gesamte Ehezeit zuhause für die Kinderbetreuung zuständig ist und bei Vertragsschluss bereits ein beinahe sieben Monate altes Kleinkind zu versorgen hat, wird einer Inhaltskontrolle wohl nicht standhalten. Die vorgesehenen Kompensationen seien nicht ausreichend, da es bzgl. der Rentenversicherungsbeiträge schon an einer Festlegung der Höhe fehle, sodass bei Zugrundelegung des Mindestbeitrags keine Anwartschaft erworben werde, die zum Leben reicht. Auch die Regelung zur hälftigen Beteiligung an den gebildeten Rücklagen genüge als Kompensation nicht, da die Frage, ob überhaupt Rücklagen gebildet werden, nicht geregelt set und damit der Disposition des Ehemannes unterliege.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:20.03.2019
Aktenzeichen:XII ZB 310/18
Rechtsgebiete:Beurkundungsverfahren
Erschienen in:
DNotI-Report 2019, 78-79
MittBayNot 2019, 508-513
RNotZ 2019, 422-428
NJW 2019, 2020-2024
NotBZ 2019, 298-300
BeurkG §§ 13 Abs. 1, 16 Abs. 2, 9 Abs. 1; BGB §§ 138, 155