Treuhänderwechsel; Geschäftswert; Verschlechterungsverbot in Notarkostensachen
letzte Aktualisierung: 23.3.2023
BGH, Beschl. v. 26.1.2023 – III ZB 9/22
GNotKG §§ 86, 99 Abs. 2, 109 Abs. 1
Treuhänderwechsel; Geschäftswert; Verschlechterungsverbot in Notarkostensachen
a) Zur Bestimmung des Geschäftswerts der notariellen Beurkundung eines Treuhänderwechsels.
b) Das Verschlechterungsverbot in Notarkostensachen steht einer Erhöhung der Wertansätze nicht
schlechthin entgegen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Richtigkeit einer notariellen Kostenberechnung.
1. Am 17. Dezember 2009 beurkundete der Notar V. N. einen
mehrfach gestuften Treuhandvertrag. Danach sollte unter anderem die später
unter D. L. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (im Folgenden: D. L.
l) firmierende Gesellschaft für die Beteiligte zu 1 treuhänderisch die Geschäftsanteile
an der S. GmbH erwerben und halten. In dem Vertrag waren die Einzelheiten
der Verpflichtungen des Treuhänders geregelt. Die S. GmbH wiederum
sollte treuhänderisch die Geschäftsanteile an einer weiteren Gesellschaft
halten, welche ebenfalls treuhänderisch die Geschäftsanteile
an der I.
und halten sollte. Die Urkunde enthielt die Feststellung, dass es sich um ein einheitliches
Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten handele.
Am 21. Januar 2015 beurkundete die zu 2 beteiligte Notarin (fortan Notarin)
einen dreiseitigen Vertrag zwischen der Beteiligten zu 1 als Treugeberin, der
D. L. und der W. GmbH. Danach übernahm die letztgenannte Gesellschaft
mit Wirkung zum 1. Januar 2015 an der Stelle von D. L. die
Treuhänderschaft an der S. GmbH zu den bislang geltenden Bedingungen
(§ 2 des Vertrags). D. L. übertrug den von ihr gehaltenen Geschäftsanteil
auf die W. GmbH (§ 1 des Vertrags). Für die Treuhandtätigkeit verein-
Vertrags)
Für die Beurkundung, zu deren Zeitpunkt die S. GmbH ein Eigenkapital
(§ 266 Abs. 3 HGB) i
Beteiligten zu 1 mit Kostenberechnung vom 5. März 2015 unter Zugrundelegung
Treuhandvertrags und den Neubeginn des anderen Treuhandvertrags") insgeänderte
die Notarin durch eine Kostenberechnung vom 20. Mai 2015, in der sie
i
sich die Gebühren danach unter Anrechnung des bereits gezahlten Betrags auf
3. Die Beteiligte zu 1 hat beim Landgericht den Antrag gestellt, die Kostenberechnung
vom 20. Mai 2015 aufzuheben und die Kostenberechnung vom
5. März 20
festzusetzen. Zuvor hatte bereits die Notarin beantragt, ihre Kostenberechnung
vom 20. Mai 2015 zu bestätigen. Das Landgericht hat die Kostenberechnung auf
- unter Anrechnung de
- herabgesetzt. Dabei hat es (nur) einen Beurkundungsgegenstand
gemäß § 109 Abs. 1 GNotKG und dessen Wert mit 20.500.000
Zielgesellschaft) angenommen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das
Kammergericht den Beschluss des Landgerichts abgeändert und die Kostenbezugelassenen
Rechtsbeschwerde begehrt die Notarin die Wiederherstellung der
Entscheidung des Landgerichts.
II.
Das Kammergericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht angenommen,
dass der in § 2 der Urkunde der Notarin vereinbarte Wechsel der Treuhandstellung
ein einheitliches Verpflichtungsgeschäft darstelle, bei dem der vereinbarte
Eintritt des einen untrennbar mit dem Austritt des anderen Treuhänders
verbunden sei, so dass die Erklärungen nur als ein einheitliches Rechtsverhältnis
angesehen werden könnten. Die in § 1 des Vertrages beurkundete Abtretung des
Geschäftsanteils von dem alten auf den neuen Treuhänder habe der Erfüllung
dieses einheitlichen Verpflichtungsgeschäfts gedient (vgl. § 109 Abs. 1 Satz 2
GNotKG), so dass es sich auch insoweit nicht um einen gesonderten Beurkundungstatbestand
gehandelt habe.
Der Geschäftswert des einen Beurkundungstatbestandes habe sich entverhältnissen
übertragenen GmbH-Geschäftsanteilen sei nicht auf den Wert dieser
Anteile abzustellen. Vielmehr sei § 99 Abs. 2 GNotKG anzuwenden. Danach
sei das für die Treuhändertätigkeit vereinbarte Honorar für fünf Jahre anzusetzen.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Kammergericht
nach § 129 Abs. 2, § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG, § 70 Abs. 1 FamFG statthaft
und auch im Übrigen gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG,
zulässig. In der Sache ist sie jedoch im Wesentlichen unbegründet. Das Kammergericht
hat den Geschäftswert des am 21. Januar 2015 von der Notarin beurkundeten
Vertrags rechtsfehlerfrei allein nach dem fünffachen Betrag der im
Vertrag vereinbarten Jahresvergütung bestimmt und der Kosten(neu)berechnung
- der Bindung an den Antrag der Beteiligten zu 1 Rechnung tragend - zuder
Rechtsbeschwerde erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Das Rechtsmittel
hat lediglich insoweit Erfolg, als mit ihm ein etwas höherer Ansatz einer
angefallenen Vollzugsgebühr erstrebt wird.
1. Nach
auf das sich die Erklärungen beziehen. Mehrere Rechtsverhältnisse sind
gemäß Absatz 2 dieser Vorschrift verschiedene Beurkundungstatbestände, deren
Werte nach
GNotKG nichts anderes bestimmt ist. § 109 GNotKG enthält mithin eine Ausnahme
zu dem Grundsatz des
als eigenständiger Gegenstand zu behandeln und zu bewerten ist (Diehn
in Korintenberg, GNotKG, 22. Aufl., § 109 Rn. 1; Bachmayer in BeckOK Kostenrecht,
Stand: 1. Oktober 2022, § 109 GNotKG, vor Rn. 1 und Rn. 3 f). Nach § 109
Abs. 1 Satz 1 GNotKG, in dem von der Rechtsprechung unter der Geltung der
Kostenordnung entwickelte Überlegungen, unter welchen Voraussetzungen es
sich bei der Beurkundung mehrerer Erklärungen um denselben Gegenstand handelt,
ausdrücklich normiert worden sind (vgl. Entwurf der Bundesregierung eines
Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drucks. 17/11471
[neu], S. 186; Bachmayer aaO Rn. 1 f; Diehn aaO Rn. 16), liegt derselbe Beurkundungsgegenstand
vor, wenn Rechtsverhältnisse zueinander in einem Abhängigkeitsverhältnis
stehen und das andere Rechtsverhältnis unmittelbar dem
Zweck des einen Rechtsverhältnisses dient. Nach
ist ein solches Abhängigkeitsverhältnis nur gegeben, wenn das andere Rechtsverhältnis
der Erfüllung, Sicherung oder sonstigen Durchführung des einen
Rechtsverhältnisses dient. In diesen Fällen bestimmt sich nach Absatz 1 Satz 5
der Geschäftswert lediglich nach dem Wert des Rechtsverhältnisses (Hauptgeschäft),
zu dessen Erfüllung, Sicherung oder sonstiger Durchführung die anderen
Rechtsverhältnisse dienen.
Eine trennscharfe Abgrenzung ist abstrakt-generell allerdings mitunter
schwierig (BT-Drucks. 17/11471 [neu] aaO). Erforderlich ist eine normative Betrachtung
(Diehn aaO Rn. 17).
2. Diese führt hier zu dem Ergebnis, dass die fremdnützige Geschäftsbesorgung
in Gestalt der Fortführung der Treuhandtätigkeit ab dem 1. Januar 2015
durch die W. GmbH nach Ausscheiden der D. L. als Hauptgeschäft
anzusehen und die Übertragung des Geschäftsanteils auf jene Gesellschaft
(nur) als Durchführungsgeschäft im Sinne des § 109 Abs. 1 Satz 2 und 5
GNotKG einzuordnen ist. Den an der Beurkundung des Vertrages vom 21. Januar
2015 Beteiligten kam es entscheidend darauf an, dass die Treuhandtätigkeit
über den 31. Dezember 2014 hinaus fortgeführt wird, und zwar entsprechend den
Regelungen, die bezüglich der D. L. in dem von Notar N. beurkundeten
Vertrag vom 17. Dezember 2009 vereinbart worden waren. Mit einer
bloßen Abtretung und Übernahme des Geschäftsanteils durch einen neuen
Rechtsträger wäre ihnen - insbesondere der Beteiligten zu 1 - nicht gedient gewesen.
Daher bilden den Kern des notariellen Vertrages vom 21. Januar 2015
die rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Urkundsbeteiligten zur Fortführung der
Treuhandtätigkeit durch die W. GmbH, wie sie vor allem in § 2 des Vertrages
ihren Niederschlag gefunden haben, während die in § 1 des Vertrages geregelte
Übertragung des Geschäftsanteils (nur) das Treugut betrifft, welches die
W. GmbH erhalten muss, um die von ihr im Vertrag übernommene Treuhandtätigkeit
erbringen zu können. Die Übertragung des Geschäftsanteils dient
infolgedessen allein der Durchführung "des einen Rechtsverhältnisses" im Sinne
des
durch die W. GmbH nach Ausscheiden der D. GmbH, und bleibt somit
nach
Dieser bestimmt sich hier daher ausschließlich gemäß § 99 Abs. 2
GNotKG nach dem fünffachen Betrag der in § 3 des Vertrages vereinbarten Jahresvergütung
3. Der Ansicht der Rechtsbeschwerde, dass sich nach dem Verständnis des
Kammergerichts der nach § 99 Abs. 2 GNotKG zu ermittelnde Geschäftswert auf
0
sich die W. GmbH für ihre treuhänderische Tätigkeit keine Vergütung ausbedungen,
kann nicht beigetreten werden. Sind (laufende) Bezüge nicht vereinbart
worden, ist § 36 Abs. 1 GNotKG anwendbar (Uhl in Toussaint, Kostenrecht,
52. Aufl.,
nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Bestehen keine genügenden Anhaltspunkte
für eine Bestimmung des Werts, ist gemäß § 36 Abs. 3 GNotKG von eikundung
eines Treuhänderwechsels kostenfrei erfolgen müsste, kann es infolgedessen
nicht kommen.
Soweit die Rechtsbeschwerde weiter meint, eine gebührenrechtliche
Gleichbehandlung des vorliegenden Falles, in dem über die Vereinbarung einer
Vergütung hinaus noch eine Übertragung der Geschäftsanteile beurkundet
wurde, mit dem (gedachten) Fall, in dem die D. L. Treuhänderin geblieben
wäre, sich jedoch für die Zukunft eine Vergütung hätte versprechen lassen,
sei "nicht länger gerechtfertigt", verkennt sie, dass es bezweckte Folge der (Ausnahme-)
Vorschrift des § 109 GNotKG ist, wenn unter ihren (engen) Voraussetzungen
nur eines von mehreren zusammenhängenden Rechtsgeschäften wertmäßig
berücksichtigungsfähig ist. Der Gesetzgeber hat diese Norm geschaffen,
um in den von ihr erfassten Fällen unverhältnismäßig hohe Gegenstandswerte
zu vermeiden (vgl. Bachmayer aaO Rn. 3 f).
4. Der Rechtsbeschwerde ist jedoch insoweit zu folgen, als sie geltend
macht, dass für die "Fertigung der Liste der Gesellschafter mit Bescheinigung"
zugrunde liegende Beurkundungsverfahren 2,0 beträgt und deswegen die in KV
GNotKG Nrn. 22111 und 22113 enthaltenen Bestimmungen nicht einschlägig
sind. Die Kostenberechnung der Notarin vom 5. März 2015 in der Fassung vom
Dem steht das von der Beteiligten zu 1 angeführte Verschlechterungsverbot
nicht entgegen, weil dieses eine Erhöhung der Wertansätze nicht schlechthin
verbietet (vgl. OLG Hamm,
1996, 208, 209; LG Düsseldorf
vom 5. September 2017 - 4 OH 21/16, juris Rn. 11; Uhl in Toussaint,
Kostenrecht, 52. Aufl., § 128 GNotKG Rn. 16 f; Waldner in Rohs/Wedewer,
GNotKG, Stand: November 2021, §§ 127 bis 130, Rn. 55; Wudy in LK-GNotKG,
3.
gefochtenen Kostenberechnung noch - sollte es darauf ankommen - die Gebührenhöhe,
die das Landgericht für zutreffend gehalten hat, übersteigt.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung
mit
bedarf es nicht, weil hierfür gemäß Nr. 19120 KV GNotKG eine Festgebühr
anfällt.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:26.01.2023
Aktenzeichen:III ZB 9/22
Rechtsgebiete:
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GNotKG §§ 86, 99 Abs. 2, 109 Abs. 1