Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste; einstweiliger Rechtsschutz
letzte Aktualisierung: 27.7.2023
KG, Urt. v. 17.5.2023 – 23 U 14/23
Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste; einstweiliger Rechtsschutz
Reicht ein Geschäftsführer in Befolgung einer einstweiligen Verfügung eine korrigierte
Gesellschafterliste zum Handelsregister ein, so liegt darin in Bezug auf das Hauptsacheverfahren
kein erledigendes Ereignis.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Streitgegenständlich sind vor allem die Beschlussfassungen der Verfügungsbeklagten (im
Folgenden: Beklagte) vom 10.10.2022 über die Einziehung der Gesellschaftsanteile der
Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) und anschließend über die Aufstockung der
Anteile, ferner die Beschlussfassungen vom 04.11.2022 (Anlage AG 28: Erklärung von
Anerkenntnissen bezüglich der Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse vom 26.02. und vom
27.05.2022; Rücknahme der Schadensersatzklage gegen die Nebenintervenienten sowie einen
mittelbaren Gesellschafter; Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 46 Nr.8 GmbHG)
und vom 21.11.2022 (II 98; Anlage AS 69: Bestätigung der Bestellung eines besonderen
Vertreters, der außerdem die Erfolgsaussichten der Schadensersatzklage und weiterer Verfahren
prüfen soll).
Die Einziehung vom 10.10.2022 stützt sich auf die Pfändung der Geschäftsanteile der Klägerin
an der Beklagten aufgrund eines Pfändungsbeschlusses des Amtsgerichts Mitte vom 29.06.2022
- 36 M 556/22 - zugunsten der …, vertreten durch den Nebenintervenienten zu 2) (Anlage AG
11). Der Pfändung liegt ein Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 27.09.2021
über rund 1,6 Mio € zugrunde.
Aufgrund der Beschlussfassungen vom 10.10.2022 wurden am 11.10.2022 neue
Gesellschafterlisten beim Handelsregister eingereicht und am 26. und 27.10.2022 in den
Registerordner aufgenommen.
Das Landgericht hat am 24.11.2022 bezogen auf die Beschlüsse vom 10.10.2022 eine
einstweilige Verfügung erlassen mit folgendem Inhalt:
1. Verpflichtung der Beklagten, eine korrigierte Gesellschafterliste mit Inhalt der Liste vom
01.07.2021 einzureichen;
2. Verpflichtung der Beklagten,
a) die Klägerin als Gesellschafterin zu behandeln
b) den Beschluss über die Aufstockung nicht umzusetzen.
Ferner hat das Landgericht am 29.11.2022 eine einstweilige Verfügung erlassen auf Untersagung,
die Beschlüsse gemäß Niederschrift vom 04.11.2022 umzusetzen.
Es hat mit am 21.12.2022 verkündeten Urteil die oben genannten einstweiligen Verfügungen
vom 24. und 29.11.2022 aufrechterhalten und der Beklagten zudem untersagt, die Beschlüsse
gemäß Niederschrift vom 21.11.2022 umzusetzen. Hiergegen richten sich die von … für die
Beklagte und die von der Nebenintervenientin zu 1) eingelegten Berufungen.
Zwischenzeitlich ist eine neue Gesellschafterliste vom 20.12.2022, die inhaltlich der früheren
Liste vom 01.07.2021 entspricht und die Klägerin wieder als Mehrheitsgesellschafterin ausweist
(Anlage AS 76), vom Geschäftsführer … erstellt und in den Registerordner verschoben worden.
Die Nebenintervenienten zu 2) und 3) sind am 13.02.2023 als Geschäftsführer gelöscht und …
sowie … als jeweils alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Beklagten im
Handelsregister eingetragen worden (Anlage SKW 1).
Die Klägerin hat daraufhin in der Berufungsinstanz den Rechtsstreit insgesamt für erledigt
erklärt. Dem hat sich die Beklagte, nicht aber die Nebenintervenientin zu 1) angeschlossen.
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird im Übrigen gemäß
II.
Die Berufung der Beklagten ist unzulässig. Die Berufung der Nebenintervenientin zu 1)
hinsichtlich des Gesellschafterbeschlusses vom 10.10.2022 und der auf ihn bezogenen
einstweiligen Verfügung vom 24.11.2022 ist unbegründet; im Übrigen hat die Berufung Erfolg.
A) Berufung der Beklagten
Die Berufung der Beklagten, vertreten durch die Nebenintervenienten zu 2) und 3), eingelegt
durch …, ist unzulässig, da … nicht wirksam bevollmächtigt war. Die von ihm in der
mündlichen Verhandlung am Landgericht vorgelegte Vollmacht (vgl. Band II Bl. 86 d.A.) wurde
von den vormaligen Geschäftsführern erteilt und datiert vom 21.12.2022. Deren
Vertretungsbefugnis für die Beklagte endete aber zuvor mit ihrer Abberufung am 30.11.2022
(Anlage AS 44). Der gefasste Beschluss über die Abberufung ist zum einen mit seinem
festgestellten Inhalt als vorläufig verbindlich zu behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2019 –
II ZR 406/17, NJW 2019 S. 3155, Rn. 31; beck-online). Zum anderen hat der Senat mit Urteilen
vom 01.03.2023 – 23 W 20/22 und 23 W 2/23 – die Wirksamkeit der Abberufung im
einstweiligen Rechtsschutz vorläufig bestätigt. Auf eine vor dem 30.11.2022 erteilte Vollmacht
hat … sich nicht berufen. Vielmehr hatte er zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 24.11.2022
(Bd. I Bl. 105 d.A.) mitgeteilt, dass das Mandat beendet sei.
B) Berufung der Nebenintervenientin zu 1)
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt. Es handelt sich um eine
sogenannte streitgenössische Nebenintervention gemäß
Nebenintervenienten ist auf die Zustellung an ihn selbst abzustellen (vgl. Heßler in Zöller, ZPO,
34 Aufl., § 517 Rn. 11).
Das Urteil wurde der Nebenintervenientin zu 1) am 19.01.2023 zugestellt. Die
Nebenintervenientin hat am 15.03.2023 innerhalb der gemäß § 520 II ZPO am 19.03.2012
ablaufenden Berufungsbegründungsfrist Fristverlängerung beantragt und die Berufung innerhalb
der verlängerten Frist am 18.04.2023 begründet.
2. Der nach Erklärung der Erledigung geänderte und als Hauptantrag weiter verfolgte Antrag
auf Feststellung der Erledigung der vormaligen Eilanträge ist abzuweisen, weil er unbegründet
ist.
a) Die im Ergebnis einseitig gebliebene Erledigungserklärung ist als Antrag auf Feststellung, dass
der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, auszulegen.
Die Klägerin konnte in zulässiger Weise noch in 2. Instanz die Hauptsachenerledigung erklären.
Im Verhältnis zur Nebenintervenientin zu 1) handelt es sich um eine einseitige
Erledigungserklärung, da diese sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat. Die von
der Beklagten, wirksam vertreten durch …, abgegebene Erklärung, sich der Erledigung
anzuschließen, steht dem nicht entgegen. Die streitgenössische Nebenintervenientin kann frei
von den für den einfachen Nebenintervenienten geltenden Beschränkungen (vgl. § 67 Halbs. 2
ZPO) Prozesshandlungen selbst im Widerspruch zu der von ihn unterstützten Partei
vornehmen und damit selbständig, auch durch Einlegung eines Rechtsmittels, auf eine nach
seiner Ansicht richtige Entscheidung hinwirken (vgl. BGH, Beschluss vom 23.08.2016 – VIII
ZB 96/15 –, Rn. 17, juris).
b) Der Feststellungsantrag ist unbegründet, da ein erledigendes Ereignis nicht gegeben ist.
Es liegt entgegen der Ansicht der Klägerin keine Erfüllung vor: Eine solche liegt nicht in der
Aufnahme der korrigierten Gesellschafterliste ins Handelsregister. Die Erfüllung setzt die
Bewirkung der geschuldeten Leistung voraus (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 82. Aufl., § 362
Rn. 1).
Das ist hinsichtlich des Beschlusses vom 10.10.2022 und des gegen ihn gerichteten einstweiligen
Verfügungsantrages vom 02.11.2022 sowie der hierauf basierenden einstweiligen Verfügung
vom 24.11.2022 zu verneinen.
Eine Erfüllung tritt nicht ein, wenn der Schuldner erkennbar zur Abwendung der Vollstreckung
aus einem noch nicht rechtskräftigen Titel geleistet hat oder die Befriedigung im Wege der
Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel erfolgt. Die - endgültige -
Tilgung bleibt in diesen Fällen bis zur Rechtskraft in der Schwebe (vgl. Grüneberg, a.a.O., § 362
Rn. 15).
So liegt es hier. Der Geschäftsführer … hatte zwar unabhängig von der hier
streitgegenständlichen einstweiligen Verfügung des Landgerichts aufgrund seiner Bestellung mit
Beschlussfassung vom 30.11.2022 die Befugnis und Kompetenz, eine geänderte
Gesellschafterliste einzureichen. Da aber ein Einziehungsbeschluss vorlag, dessen
Rechtmäßigkeit zwischen den beiden Hauptgesellschaftern streitig ist, konnte … seine materielle
Berechtigung zur Einreichung einer geänderten Liste nur aus der hier streitgegenständlichen
Verfügung vom 24.11.2022 ableiten. Die Befolgung dieser Verfügung stellt noch keine Erfüllung
dar, da es sich nur um einen vorläufigen Titel handelt. Daher ist auch der Verfügungsgrund
nicht entfallen.
Bei den weiteren Beschlüssen vom 04.11.2022 und 21.11.2022 ist nicht ersichtlich, inwieweit
Erledigung eingetreten sein soll, da zum einen die in ihnen enthaltenen Anweisungen an die
Geschäftsführung auch von den neuen Geschäftsführern zu beachten wären und zum anderen
ein besonderer Vertreter bestellt wurde, dessen Stellung durch die korrigierte Gesellschafterliste
oder die neue Geschäftsführung nicht beeinflusst wird.
3) Die Berufung hat Erfolg hinsichtlich der – im Hilfsantrag weiterverfolgten - einstweiligen
Verfügungen vom 29.11.2022 (Gesellschaftsbeschluss vom 04.11.2022) und vom 21.12.2022 –
insoweit im angefochtenen Urteil enthalten (Gesellschaftsbeschluss vom 21.11.2022).
Die einstweiligen Verfügungen sind aufzuheben, weil die Vollziehungsfrist des § 929 II ZPO
nicht gewahrt ist. Die Nichteinhaltung der Vollziehungsfrist kann im Berufungsverfahren
geltend gemacht werden (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 929 Rn. 23). Nachdem
die Nebenintervenienten zu 19 und 2) am 30.11.2022 als Geschäftsführer abberufen worden
waren, hätte die Zustellung im Parteibetrieb nicht – wie geschehen – nur an den von diesen
danach bevollmächtigten … (vgl. die Ausführungen oben zu II. A), sondern jedenfalls auch an
… erfolgen müssen. Dieser war u.a. von dem neuen und alleinvertretungsberechtigten
Geschäftsführer … bevollmächtigt worden und hat sich unter Berufung auf diese Vollmacht für
die Beklagte bestellt.
4) Hinsichtlich der – im Hilfsantrag weiterverfolgten - einstweiligen Verfügung vom 24.11.2022
(Gesellschaftsbeschluss vom 10.10.2022) hat die Berufung keinen Erfolg.
a) Die Klägerin konnte die Anordnung, eine korrigierte Gesellschafterliste einzureichen, als
Rechtsschutzziel im einstweiligen Rechtsschutz verfolgen.
Die Regelungssystematik des § 16 III GmbHG und die Möglichkeit, mit der Verpflichtung, den
Betroffenen weiter als Gesellschafter zu behandeln, einen ebenso effektiven Schutz zur
Verfügung stellen zu können, sprechen dafür, für die Übergangszeit bis zur
Hauptsacheentscheidung regelmäßig keine korrigierte Liste (zusätzlich) zuzulassen. Die Frage
bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da jedenfalls im vorliegenden Fall etwas Anderes
gilt, weil die Beklagte gezielt den Rechtsschutz der Klägerin unterlaufen hat.
(1) Der vorbeugende Unterlassungsanspruch auf Untersagung, eine unrichtige Gesellschafterliste
einzureichen, kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht werden. Dies hat
der BGH klargestellt (vgl. Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17, NJW 2019 S. 3155, Rn. 39;
beck-online). Nicht geäußert hat er sich zu der hier relevanten Frage der nachträglichen
Beseitigung einer unrichtigen Gesellschafterliste.
Eine solche könnte zur Gewährleistung des vom BGH betonten effektiven Rechtsschutzes
erforderlich sein. Der Beseitigungsanspruch ist lediglich die Fortsetzung des vorbeugenden
Unterlassungsanspruches. Bei letzterem droht eine Rechtsbeeinträchtigung, bei ersterem ist sie
bereits eingetreten. Hält man mit dem BGH eine vorbeugende Unterlassungsklage im
einstweiligen Rechtsschutz für zulässig, so spricht dies ebenso für die einstweilige Durchsetzung
des Beseitigungsanspruches (ebenso OLG München, Beschluss vom 18.05.2021 – 7 W 718/21,
Rn. 18, beck-online).
Der BGH hat in seinem Urteil vom 02.07.2019 (a.a.O., Rn. 39) insoweit ausgeführt:
„Dem von einer möglicherweise fehlerhaften Einziehung seines Geschäftsanteils betroffenen
Gesellschafter muss daher ein effektives Mittel zur Verfügung gestellt werden, seine
Entrechtung in der Gesellschaft während der Dauer des Rechtsstreits über die Einziehung zu
verhindern bzw. seine streitige materiell-rechtliche Gesellschafterstellung bis zur Klärung der
Wirksamkeit der Einziehung zu sichern. Begleitend zur Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage
gegen den Einziehungsbeschluss kann der Gesellschafter bei Vorliegen der Voraussetzungen im
Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die insoweit passivlegitimierte Gesellschaft das
Verbot erwirken, eine neue Gesellschafterliste, in der er nicht mehr aufgeführt ist, bei dem
Registergericht einzureichen.“
Diese Ausführungen des BGH treffen für die nachträgliche Beseitigung der Liste gleichermaßen
zu.
Nach dieser Rspr. lässt sich die strenge Linie des Senats in seiner Entscheidung vom 10.12.2015
– 23 U 99/15, Rn. 11 – 14, beck-online) nicht aufrechterhalten. Es muss uneingeschränkt
möglich sein, auch nach der Beschlussfassung einstweiligen Rechtsschutz gegen eine
(wahrscheinlich) unrichtige Liste zu erlangen.
Anderenfalls hinge die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes von zeitlichen Zufälligkeiten
ab und benachteiligte gerade den Gesellschafter, der aufgrund eines Ladungsmangels keine
Kenntnis von der Versammlung hat. Hierauf weist das OLG München (a.a.O., Rn. 52)
zutreffend hin. Das Argument der Beklagten, die Klägerin habe im Vorfeld der Einreichung der
geänderten Liste ausreichend Gelegenheit, eine solche vorbeugend untersagen zu lassen, trifft
gerade im Falle eines schwerwiegenden Ladungsmangels nicht zu. Darüber hinaus ist ein
einstweiliger Rechtsschutz im Vorfeld der Gesellschafterversammlung nach verbreiteter und
auch vom Senat vertretener Auffassung regelmäßig nicht möglich, da in die
Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung nicht eingegriffen werden soll und
der betroffene Gesellschafter die Möglichkeit hat, die Versammlung von einer rechtswidrigen
Beschlussfassung abzuhalten.
(2) Die Klägerin kann nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, der Liste einen Widerspruch
zuzuordnen. Sofern ein solcher bei einer Einziehung möglich sein sollte, schützte er nur vor
einem Rechtsverlust durch gutgläubigen Erwerb. Er lässt hingegen, und das ist im vorliegenden
Kontext entscheidend, die Legitimationswirkung des § 16 I GmbHG unberührt (vgl. Verse, in
Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl.,
den in der Liste eingetragenen Gesellschafter als solchen behandeln, auch wenn seinen Anteilen
ein Widerspruch zugeordnet sein sollte. Hierauf weist das Landgericht zutreffend hin (UA S.
11).
(3) Damit ist noch nicht die Frage beantwortet, wie die Gewährung effektiven nachträglichen
Rechtsschutz erfolgen kann. Namentlich kommt als milderes Mittel die Anordnung in Betracht,
den von einem Einziehungsbeschluss betroffenen Gesellschafter wie einen Gesellschafter zu
behandeln. Eine solche Verpflichtung hat das Landgericht in seiner angefochtenen einstweiligen
Verfügung zusätzlich ausgesprochen.
Der BGH hat eine solche Verpflichtung als mögliches milderes Mittel angesehen:
„Da [der Betroffene] vor der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste durch den
Geschäftsführer angehört werden muss, kann er gegebenenfalls im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes erreichen, dass dem Geschäftsführer die Einreichung der geänderten
Gesellschafterliste vorläufig untersagt wird, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen,
insbesondere neben dem wirksamen Erwerb des Geschäftsanteils ein Verfügungsgrund gegeben
ist (
Untersagung der Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste in Betracht kommt, kann
durch eine einstweilige Regelung der Ausübung der Gesellschafterrechte den beiderseitigen
Interessen Rechnung getragen werden“ (Urteil vom 17.12.2013 – II ZR 21/12 –, Rn. 39, juris).
Unter dem Gesichtspunkt der Vorwegnahme der Hauptsache ergibt sich bei vorheriger
Untersagung und nachträglicher Verpflichtung eine ähnliche Sach- und Rechtslage, da die
jeweiligen Gesellschafterlisten – bei Untersagung die ursprüngliche, bei nachträglicher
Beseitigung die korrigierte Liste - inhaltlich gleich sind (lediglich das Datum der Liste weicht ab).
Vor diesem Hintergrund erscheint die Argumentation des Senats in seiner Entscheidung vom
10.12.2015 nicht zwingend. Denn auch im Falle der Unterlassung ist es eine Anordnung des
Gerichts, die zu einer Unrichtigkeit der Gesellschafterliste führt, wenn die neue Liste entgegen
der vorläufigen Einschätzung des Gerichts der wahren Rechtslage entsprochen hätte.
Der Senat hat die Anordnung, einen Antragsteller wie einen Gesellschafter zu behandeln,
richtigerweise für möglich gehalten. Diese Möglichkeit eröffnet einen effektiven nachträglichen
Rechtsschutz. Sie hat nach der zitierten Rechtsprechung des BGH vom 04.06.2019 bei einer
schon eingereichten Liste zur Folge, dass sich die Gesellschaft nicht mehr auf die
Legitimationswirkung der vorhandenen Liste berufen kann, sondern vielmehr faktisch die
vorherige Liste gilt. Zwischen der Anordnung zur Behandlung als Gesellschafter und der
Anordnung zur Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste besteht somit im Hinblick auf
die Legitimationswirkung des § 16 I GmbHG und das Innenverhältnis kein Unterschied (a.A.
OLG München, a.a.O., Rn. 51, 54).
(4) Ein Unterschied kann sich im Hinblick auf § 16 III GmbHG ergeben. Nach der Systematik
des § 16 III GmbHG bleibt im Streit um die Richtigkeit einer Gesellschafterliste die fragliche
Liste im Registerordner; es kann „nur“ – sofern einschlägig - dem betreffenden
Gesellschaftsanteil ein Widerspruch zugeordnet werden. Der nach der Liste berechtigte
Gesellschafter braucht hingegen nichts weiter zu unternehmen. Diese Systematik wird
umgekehrt, wenn die Einreichung einer korrigierten Liste zugelassen wird. Der in der
angegriffenen Liste als Berechtigter ausgewiesene Gesellschafter muss nun seinerseits in der
korrigierten Liste dem entsprechenden Anteil einen Widerspruch zuordnen lassen, um eine
Verfügung über den Anteil zu verhindern.
(5) Ein Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Liste besteht jedenfalls dann, wenn – wie
hier – das Vorgehen der beklagten Gesellschaft erkennbar darauf ausgerichtet ist, einen
effektiven präventiven Rechtsschutz des Gesellschafters zu vereiteln (ähnlich schon das OLG
München, a.a.O., Rn. 52, das aber auf das Verhalten des Gesellschafters abstellt, ob dieser das
seinerseits Mögliche getan hat, um effektiven Rechtsschutz zu erlangen).
Rechtsschutz in Form der Untersagung, eine neue Liste einzureichen, kann bei
ordnungsgemäßem Vorgehen der Gesellschaft noch im Nachgang der Beschlussfassung erlangt
werden, da der Einziehungsbeschluss dem betroffenen Gesellschafter bekannt gegeben werden
muss. Für das Wirksamwerden der Einziehung ist eine Gestaltungserklärung gegenüber dem
betroffenen Gesellschafter erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 10.05.2016 – II ZR 342/14 –,
Dieses Erfordernis hat die Beklagte unabhängig von den streitigen Ladungsmängeln nach ihrem
eigenen Sachvortrag unterlaufen, da sie bereits am 11.10.2022 die geänderte Liste durch den
Notar einreichen ließ, während die Übersendung des Protokolls nach mmmm erst am
12.10.2022 und die Zustellung auch nach ihrer Behauptung erst am 21.10.2022 erfolgte.
Der Geschäftsführer muss dem Betroffenen (im Falle einer vermeintlich unrichtigen Liste)
zudem vor der Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste Gelegenheit zur Stellungnahme
geben. Wenn der Betroffene der Korrektur widerspricht, ändert das zwar zunächst nichts an der
Berechtigung des Geschäftsführers, bei Fehlern für eine Berichtigung der Gesellschafterliste zu
sorgen, der Betroffene kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes aber erreichen, dass dem
Geschäftsführer die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste vorläufig untersagt wird
(vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013 – II ZR 21/12 –, Rn. 36, 39, juris). Die gebotene Anhörung,
um dem Betroffenen die Einholung vorläufigen Rechtsschutzes zu ermöglichen, zeigt die
Bedeutung des einstweiligen Rechtsschutzes als Instrument zur vorläufigen Überprüfung einer
Gesellschafterliste. Das spricht dafür, im Falle des gezielten Unterlaufens dieser
Rechtsschutzmöglichkeit ausnahmsweise über eine bloße Untersagung hinaus, die Einreichung
einer korrigierten Liste anordnen zu können.
b) Die Klägerin hat einen Verfügungsanspruch. Aus
Anspruch des Gesellschafters, einen rechtswidrigen Eingriff in sein Mitgliedschaftsrecht
beseitigen zu lassen.
Der Beschluss ist formell rechtswidrig und nichtig, da die Klägerin zur Versammlung am
10.10.2022 nicht geladen wurde.
Ebenso wie das Landgericht vermag der Senat nicht aufgrund der eidesstattlichen Versicherung
und der Erklärungen des Nebenintervenienten zu 2) in der erstinstanzlichen mündlichen
Verhandlung von der wahrscheinlichen Richtigkeit der Behauptung der Beklagten auszugehen,
in der Postsendung vom 20.09.2022 sei (auch) die Ladung zur Gesellschafterversammlung am
10.10.2022 enthalten gewesen.
Es bestehen vielmehr die nachfolgenden Zweifel, die in ihrer Gesamtheit durchdringen.
Die Kammergerichtsurteile werden von dem Nebenintervenienten zu 2) in seiner
eidesstattlichen Versicherung und von der Beklagten in ihren Schriftsätzen (zunächst) nicht als
Inhalt der Postsendung benannt. Das ist inkonsequent, da – wie mittlerweile unstreitig ist – die
Urteile mit der fraglichen Postsendung versandt wurden und es erkennbar auf den genauen
Inhalt der Postsendung ankam. Es hätte nahegelegen, diesen vollständig aufzulisten.
Der von der Beklagten angeführte Umstand, die Urteile seien anders als der Pfändungsbeschluss
und der Gesellschaftsvertrag keine Anlage der Einladung vom 20.09.2022 gewesen, erklärt nicht,
wieso die Urteile bei der Auflistung des Inhalts unerwähnt blieben. Die Beifügung der Urteile
soll nach der nachträglichen Erläuterung der Beklagten den Zweck gehabt haben, die
Geschäftsführerstellung der einladenden Nebenintervenienten zu 2) und 3) zu legitimieren.
Dann kam den Urteilen eine ebenso große Bedeutung zu wie etwa der Beifügung des
Gesellschaftsvertrags.
Es ergeben sich ferner aus unstreitigen Umständen Anhaltspunkte für die Annahme, die
vormaligen Geschäftsführer haben die Klägerin von der Versammlung am 10.10.2022 fernhalten
und als Gesellschafterin unbedingt kurzfristig ausschalten wollen.
So erfolgte keine parallele Benachrichtigung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin trotz
deren ausdrücklichen und berechtigten Wunsch, zumal in der Zeit um den 10.10.2022 wegen der
seitens der Klägerin einberufenen Versammlung am 30.11.2022 ohnehin E-Mail-Kontakt
bestand. Zudem wurde die korrigierte Liste bereits am 11.10.2022 und damit vor Bekanntgabe
und Wirksamwerden des Einziehungsbeschusses beim Handelsregister eingereicht. Der Versand
des Protokolls der Versammlung vom 10.10.2022 erfolgte, wenn überhaupt, frühestens am
12.10.2022.
Der zeitliche Ablauf spricht indiziell ebenfalls gegen die Erklärung des Nebenintervenienten zu
2). Obschon der Pfändungsbeschluss vom 29.06.2022 datiert, initiierte er erst und genau im
Vorfeld der Versammlung vom 30.11.2022, in der über seine Abberufung beschlossen werden
sollte, die Einziehung der Anteile. Am 19.09.2022 ging den Nebenintervenienten zu 2) und 3)
das Einberufungsverlangen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 12.09.2022 über die
Abhaltung einer Gesellschafterversammlung unter anderem mit dem Tagesordnungspunkt ihrer
Abberufung als Geschäftsführer zu. Einen Tag später am 20.09.2022 luden sie zu der
streitgegenständlichen Versammlung am 10.10.2022. Die Erklärung des Nebenintervenienten zu
2), er habe den Pfändungsbeschluss nach erneuter Inbesitznahme der Geschäftsräume im
September 2022 „vorgefunden“, wirkt konstruiert, da er die Pfändung selbst als
Gläubigervertreter beantragt hat, vgl. Anlage AG 11.
Schließlich spricht indiziell die eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin, Anlage AS 50, wonach am Tage des jeweiligen Zugangs der Postsendungen die
Klägerin diese an ihn mit dem jeweils behaupteten Inhalt – KG-Urteile; Schreiben vom
04.10.2022 – weitergeleitet habe, gegen den von der Beklagten behaupteten Inhalt. Selbst wenn
man der Beklagten eine Täuschung ihres eigenen Prozessbevollmächtigten zutrauen würde, so
ist es unwahrscheinlich, dass sie bereits am 30.09.2022 ohne Hinzuziehung ihres
Prozessbevollmächtigten die gesellschaftsrechtlichen Implikationen der zudem auf Deutsch
verfassten Einladung überschaute.
Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung gemäß
möglich, die Behauptung des Inhalts der Postsendung selbst dann als nicht erwiesen anzusehen,
wenn allein die eidesstattliche Versicherung und die Aussage des als präsenten Zeugen
angehörten Nebenintervenienten zu 2) vorlägen, sofern durchgreifende Zweifel an der
inhaltlichen Richtigkeit bestehen. Das ist nach dem Gesagten der Fall. Auf die ebenfalls
bestehenden Ungereimtheiten bei den von der Beklagten vorgelegten eidesstattlichen
Versicherungen, auf die die Nebenintervenientin zu 1) in ihrer Berufung zutreffend hingewiesen
hat, kommt es nicht mehr an. Wenn das Gericht hinsichtlich der Aufrichtigkeit beider Seiten
Zweifel hat, kann auch dies zu einem sogenannten Non-Liquet führen.
Keinen Fehler des Landgerichts stellt es dar, die seinerzeit anwesende Frau … nicht vernommen
zu haben. Weder die Beklagte noch die Nebenintervenienten haben sich auf ihr Zeugnis
berufen. Sie haben vielmehr ausweislich des Protokolls Frau … im Saal bleiben lassen, obschon
das Gericht auf mögliche Konsequenzen für die Beweiswürdigung hingewiesen hat (vgl. II 86).
Davon, dass Frau … als präsente Zeugin gestellt worden ist, steht in dem Protokoll entgegen
dem, was die Berufung möglicherweise suggerieren will (II 24), nichts.
Ferner zeigt die Berufung nicht die Erheblichkeit der geltend gemachten vermeintlichen
Rechtsverletzung auf. Die Beklagte und die Nebenintervenienten haben anlässlich ihrer
Berufungsrüge weder den streitigen Inhalt der Postsendung in das Wissen von Frau … gestellt
noch eine diesbezügliche eidesstattliche Versicherung vorgelegt. Die von dem
Nebenintervenienten zu 2) in seiner Zeugenanhörung laut Protokoll der erstinstanzlichen
mündlichen Verhandlung bekundete Anwesenheit von Frau … im Büro, worauf sich auch die
Berufung bezieht, besagt noch nichts über eine Kenntnis des Inhalts. Die Vorsitzende der
1. Instanz hat in dem Beschluss zur Protokollberichtigung vom 20.02.2023 zudem ausgeführt,
Frau … habe auf eine entsprechende auf Deutsch gestellte Frage den Kopf geschüttelt. Die
Klägerin hat sich dies in ihrer Berufungserwiderung zu eigen gemacht, ohne dass die Beklagte
oder die Nebenintervenienten dem widersprochen hätten. Selbst wenn Frau … die Frage falsch
verstanden haben sollte, hätte ihr Kopfschütteln Anlass für eine entsprechende Nachfrage geben
müssen, wenn eine ergiebige Aussage von ihr erwartet worden wäre.
Ebenso wenig stellt es einen Fehler dar, die nicht präsenten Zeugen, deren eidesstattliche
Versicherungen vorgelegt wurden, nicht als Zeugen vernommen zu haben. Nach § 294 I, § 920 I
ZPO sind im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur präsente Beweismittel zulässig. Hierzu
gehören gleichermaßen die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung als auch die Vernehmung
allein von präsenten Zeugen. Aus der zitierten Entscheidung der Technischen
Beschwerdekammer ergibt sich nichts Anderes (zutreffend Verfügungsklägerin im Schriftsatz
vom 21.03.2023, S. 4 ).
c) Der Verfügungsgrund ergibt sich nach zutreffender Ansicht des Landgerichts bereits aus der
Streichung der Klägerin aus der Gesellschafterliste, da sie damit ihre Gesellschafterrechte nicht
mehr ausüben kann. Bereits hierin liegt ein wesentlicher Nachteil, den es abzuwenden gilt, § 940
ZPO. Die in seiner Entscheidung vom 10.12.2015 (a.a.O., Rn. 25ff.) vertretene strengere
Auffassung hält der Senat angesichts des Urteils des BGH vom 02.07.2019 nicht aufrecht.
Ohne die einstweilige Anordnung könnten die übrigen Gesellschafter während der Dauer des
Rechtsstreits das Unternehmen nach ihrem Belieben umgestalten. Aufgrund der
Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG blieben die von den übrigen
Gesellschaftern gefassten Beschlüsse auch dann wirksam, wenn der Gesellschafter mit seiner
Klage gegen den Einziehungsbeschluss Erfolg hätte. Insbesondere wenn wie vorliegend der
Anteil eines Mehrheitsgesellschafters eingezogen und dieser aus der Gesellschafterliste entfernt
wird, kommt es zu einem unmittelbaren Kontrollwechsel. Die veränderten Machtverhältnisse
ermöglichen weitreichende Geschäftsführungsentscheidungen sowie die Fassung und
Umsetzung satzungs- und strukturändernder Beschlüsse, die der Mehrheitsgesellschafter nach
Abschluss des Hauptsacheverfahrens entweder überhaupt nicht mehr oder nur mit
unverhältnismäßigem Aufwand rückgängig machen kann (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2019,
a.a.O., Rn. 38f.).
C) Prozessuale Nebenentscheidungen
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 I, § 92 I 1, § 100 iVm. § 101 II ZPO.
Die Nebenintervenientin zu 1) ist als streitgenössische Nebenintervenientin gemäß § 101 II
ZPO wie ein Streitgenosse an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen.
Bei der Kostenentscheidung ist zum Nachteil der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie bezüglich
der einstweiligen Verfügung vom 24 11.2022 mit dem Feststellungsantrag und bezüglich der
einstweiligen Verfügung vom 29.11.2022 sowie der Urteilsverfügung vom 21.12.2022 vollständig
unterlegen ist. Letzteres führt auch zu einer Abänderung der Kostenentscheidung in 1. Instanz,
da die Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 II ZPO von der Klägerin zu vertreten ist
(vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 927 Rn. 12).
Der Senat hat hierbei das Unterliegen der Klägerin mit ihren Feststellungsanträgen in 2. Instanz
geringer gewichtet als die hilfsweise weiter verfolgten Verfügungsanträge, da letztere das
eigentliche Begehren der Klägerin darstellen.
Die Kosten der unzulässigen Berufung der Beklagten sind nicht … aufzuerlegen, da er die
Einlegung der Berufung nicht veranlasst hat. Zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung am
02.02.2023 konnte er sich vielmehr auf einen Auftrag und eine Vollmacht der im
Handelsregister als Geschäftsführer der Beklagten eingetragenen … und … berufen. Die
Kostenverteilung bei vollmachtloser Vertretung richtet sich nach dem Veranlassungsprinzip
(vgl. Althammer in Zöller, ZPO, § 88 Rn. 11).
Einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es wegen § 542 II 1 ZPO nicht.
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:17.05.2023
Aktenzeichen:23 U 14/23
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
ZPO § 935; GmbHG § 40