OLG Koblenz 03. Februar 2022
1 U 651/21
BeurkG § 17 Abs. 3; BNotO § 19 Abs. 1; GmbHG § 37 Abs. 2; HGB § 15 Abs. 3

Keine Amtspflichtverletzung bei Überprüfung der organschaftlichen Vertretungsmacht eines GmbH-Geschäftsführers durch Einsichtnahme in das Handelsregister

letzte Aktualisierung: 28.9.2022
OLG Koblenz, Urt. v. 3.2.2022 – 1 U 651/21

BeurkG § 17 Abs. 3; BNotO § 19 Abs. 1; GmbHG § 37 Abs. 2; HGB § 15 Abs. 3
Keine Amtspflichtverletzung bei Überprüfung der organschaftlichen Vertretungsmacht
eines GmbH-Geschäftsführers durch Einsichtnahme in das Handelsregister

1. Ein Notar begeht keine Amtspflichtverletzung, wenn er nach Einsichtnahme in das
Handelsregister auf die organschaftliche Vertretungsmacht eines GmbH-Geschäftsführers zum
Abschluss eines Grundstückskaufvertrages vertraut. Er hat die Vollziehung eines unter § 53 BeurkG
fallenden Vertretergeschäfts nur dann zu unterlassen, wenn für ihn ohne jeden vernünftigen Zweifel
erkennbar und damit offensichtlich ist, dass eine materiell-rechtlich wirksame Vollmacht nicht (mehr)
vorliegt oder ein evidenter Missbrauch gegeben ist.
2. Eine nachträgliche Änderung der im Vertrag angegebenen Kontoverbindung ist nicht
beurkundungsbedürftig, wenn die Auflassung bereits bindend erklärt ist.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe:

I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten mit dem Vorwurf notarieller Amtspflichtverletzungen
auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Beklagte ist Notar mit Amtssitz in ...[Z]. Bei der Klägerin handelt es sich um eine
GmbH, die als Verlag für moderne Technologien und Datensicherheit Informationen publiziert
und Software erstellt. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist ihre jetzige Geschäftsführerin
...[A]. Ursprünglich war deren Ehemann, ...[B], entsprechend dem Handelsregister
- bis zu seiner am 26. Juli 2019 im Handelsregister eingetragenen Abberufung
- alleiniger, von § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Klägerin.

Die Klägerin war Eigentümerin des Anwesens …[Y] in ...[X]. Am 18. April 2019 veräußerte
die Klägerin, vertreten durch ihren damaligen Geschäftsführer ...[B], dieses Anwesen
an ...[C] zu einem Kaufpreis von 670.000,00 €. Der Kaufvertrag einschließlich der
Auflassung wurde durch den Beklagten notariell beurkundet, Urkundenrollen-Nummer
…7/19, nachdem dieser sich durch Einsichtnahme in das Handelsregister versichert hatte,
dass der damalige Geschäftsführer über eine entsprechende Vertretungsmacht verfügte.
Gemäß § 3 des notariellen Kaufvertrages sollten unmittelbar an den Verkäufer zu leistende
Zahlungen auf das Konto der Klägerin bei der ...[D]bank mit der IBAN: DE … 14
gezahlt werden.

Mit Schreiben auf dem Briefpapier der Klägerin vom 21. Mai 2019 teilte der damalige
Geschäftsführer ...[B] dem Beklagten mit, der restliche Kaufpreis solle „wegen des geplanten
Erwerbs des Grundstücks in der Schweiz“ auf ein privates Konto des Geschäftsführers
in der Schweiz gezahlt werden. Daraufhin forderte der Beklagte den Käufer mit
Schreiben vom 4. Juni 2019 auf, neben der Forderung der ...[D]bank, der Forderung der
Verbandsgemeinde ...[W] am Rhein sowie einer Zahlung auf das Notaranderkonto des
Beklagten, den restlichen Kaufpreis auf das Konto des damaligen Geschäftsführers in
der Schweiz zu überweisen.

Der Käufer kam der Aufforderung des Beklagten nach und zahlte einen Teilbetrag des
Kaufpreises in Höhe von 396.644,04 € auf ein Konto der ...[D]bank eG zur Ablösung des
mit der Grundschuld gesicherten Darlehens. Ferner wurden € 7.632,10 an die Verbandsgemeinde
...[W] zur Ablösung von Verbindlichkeiten sowie 10.000,00 € auf das
Notaranderkonto des Beklagten gezahlt und der restliche Kaufpreis auf das Konto des
damaligen Geschäftsführers in der Schweiz überwiesen.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2019 zeigte die Gesellschafterin der Klägerin dem Beklagten
an, dass sie mit dem Hausverkauf nicht einverstanden gewesen sei. Sie habe erst
einen Tag zuvor durch Zufall von dem Kaufvertrag erfahren und habe dementsprechend
Strafanzeige wegen Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens gegen den Geschäftsführer
der Klägerin erstattet (Bl. 156 d.A. I. Instanz).

Am 17. Juni 2019 veranlasste der Beklagte nach Bestätigung des Zahlungseingangs
durch den damaligen Geschäftsführer die Umschreibung des Eigentums an dem Haus
…[Y] in ...[X] auf den Käufer.

Im Nachgang teilte der frühere Geschäftsführer ...[B] der Alleingesellschafterin per EMail
mit, dass er das Geld bereits von seinem Konto abgehoben und in einem bankfremden
Schließfach hinterlegt habe, damit die Alleingesellschafterin ohne seine Einwilligung
nicht an das Geld der Klägerin oder an sein Geld herankomme. Weiter erklärte er,
er müsse die Klägerin und auch sich gegen die Gier der Alleingesellschafterin schützen
(Anlage K 14 zum Schriftsatz der Klägerin vom 17. Juni 2020).

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlich gestellten
Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen
Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Amtspflichtverletzung in Bezug auf die
Beurkundung des Kaufvertrages sei zu verneinen. Insbesondere sei der Beklagte nicht
dazu verpflichtet gewesen, zu überprüfen, ob es einen Gesellschafterbeschluss hinsichtlich
der Veräußerung des Anwesens gab. Der Beklagte habe durch die Einsichtnahme
in das Handelsregister das Vorliegen der Vertretungsmacht des damals für die Klägerin
agierenden Geschäftsführers überprüft und sei damit seiner Pflicht aus § 17 Abs. 1 S. 1
BeurkG hinreichend nachgekommen. Anlass für eine weitergehende Prüfung habe nicht
bestanden. Allein der Veräußerungsgegenstand - ein Einfamilienhaus - und die Tätigkeit
eines Fremdgeschäftsführers habe keinen ausreichenden Anlass für die Annahme geboten,
es handele sich bei dem streitgegenständlichen Anwesen um das einzige Vermögen
der Klägerin. Ob dem Beklagten bei dem Vollzug der Urkunde ein Verstoß gegen
§ 14 Abs. 2 BeurkG i.V.m. § 4 BeurkG vorzuwerfen sei, könne dahinstehen, da die
Klägerin jedenfalls einen adäquat kausalen Schaden weder hinreichend dargelegt noch
bewiesen habe. Den erforderlichen Gesamtvermögensvergleich habe sie nicht vorgenommen.
Insbesondere sei sie auch für den Vortrag, dass nach Zahlung der restlichen
Kaufpreissumme keine Verbindlichkeiten der Klägerin durch den damaligen Geschäftsführer
beglichen worden seien, beweisbelastet, da es sich bei den vom Beklagten behaupteten
Zahlungen durch den damaligen Geschäftsführer der Klägerin im Juni 2019
nicht um eine Schadenswiedergutmachung handele, sondern dies als einheitlicher Vorgang
im Rahmen der Geschäftsführung zu betrachten sei. Schließlich bestehe für die
Klägerin auch eine anderweitige Ersatzmöglichkeit durch Inanspruchnahme des früheren
Geschäftsführers ...[B]. Diese sei weder aussichtslos noch sei sie der Klägerin unzumutbar.
Es sei dem Beklagten auch nicht verwehrt, die Klägerin auf diese anderweitige
Ersatzmöglichkeit zu verweisen, da es keine Anhaltspunkte für ein vorsätzliches
Handeln des Beklagten - eine Pflichtverletzung unterstellt - gebe.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie unter
Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen Folgendes ausführt:
Es habe sich dem Beklagten aufdrängen müssen, dass der Verkauf des Anwesens nicht
von der üblichen Vollmacht des Geschäftsführers gedeckt gewesen sei, sondern vielmehr
der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurft habe, da es sich um einen
Vertrag betreffend die Übertragung des Vermögens als Ganzem, eine sog. stille
Liquidation, gehandelt habe. Das Anwesen in ...[X] sei das einzig relevante Vermögen
der Klägerin gewesen. Auch im Hinblick auf den Gesellschaftszweck habe der Hausverkauf
ein völlig ungewöhnliches Geschäft dargestellt. Weiter habe der Beklagte die Anweisung
an den Käufer, den restlichen Kaufpreis auf das Konto eines Dritten im Ausland
zu zahlen, nicht erteilen dürfen. Zum einen sei das Schreiben vom 21. Mai 2019 nicht
unterschrieben gewesen. Zum anderen habe es sich bei der Änderung des Zahlungskontos
um eine erhebliche und damit beurkundungspflichtige Änderung des Kaufvertrages
gehandelt. Schließlich hätte der Beklagte die Anweisung nicht treffen dürfen; ihm
hätte sich aufdrängen müssen, dass Geld an der Klägerin vorbei ins Ausland habe
transferiert werden sollen. Da der Beklagte am 10. Juni 2019 von der Alleingesellschafterin
über den Missbrauch der Vertretungsmacht informiert worden sei, hätte er zumindest
die Eigentumsumschreibung stoppen müssen.

Hierdurch sei ihr ein Schaden in Höhe von 266.712,28 € entstanden, da der restliche
Kaufpreis auf ein Konto des damaligen Geschäftsführers geflossen sei, auf das sie keinen
Zugriff habe. Soweit der Beklagte behaupte, dass hiermit zumindest teilweise Gesellschaftsverbindlichkeiten
bedient worden seien, sei dieser beweisbelastet, da es sich
hierbei um eine negative Tatsache handele. Überdies habe sie sämtliche Einzelkontenbewegungen
aus 2019 vorgelegt sowie die Jahresabschlüsse 2018 und 2019, aus denen
sich ergebe, dass keine Verbindlichkeiten beglichen worden seien. Verbindlichkeiten
bei einem Unternehmensberater ...[E] habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Es
seien auch keine Zahlungen an die Klägerin geflossen. In Bezug auf das betriebszugehörige
Fahrzeug habe der frühere Geschäftsführer …[B] keine Darlehensschuld beglichen.
Überdies habe ...[B] das Fahrzeug jedenfalls mitgenommen, weshalb es sich bei
einer etwaigen Zahlung auf die Darlehensschuld nicht um eine Leistung zu Gunsten der
Klägerin handele. Schließlich sei das Haus auch unter Wert verkauft worden. Soweit der
frühere Geschäftsführer ...[B] Zahlungen an die Klägerin in Höhe von 8.000,00 € und
9.000,00 € veranlasst habe, seien diese Zahlungen zum Ausgleich entnommener Gelder
erfolgt.

Schließlich sei es dem Beklagten auch versagt, sie auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit
zu verweisen. Der Beklagte habe vorsätzlich gehandelt, da er gewusst habe,
dass das Geld auf das Konto einer Nichtvertragspartei im Ausland überwiesen werde.
Die anderweitige Ersatzmöglichkeit sei zudem nicht aussichtsreich. Ihr sei das Schließfach,
in dem der frühere Geschäftsführer ...[B] das Geld verstecke, nicht bekannt.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie
266.712,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 25. April 2020 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt aus, eine Amtspflichtverletzung sei -
auch im Hinblick auf die Anweisung an den Käufer, den restlichen Kaufpreis auf ein
Konto des damaligen Geschäftsführers der Klägerin im Ausland zu zahlen - nicht gegeben.
Zum einen sei das Schreiben vom 21. Mai 2019 entgegen der anderslautenden
Behauptung der Klägerin - wie aus Anlage 3 zum Schriftsatz vom 5. Juni 2020 ersichtlich
- unterschrieben gewesen. Hierbei habe es sich auch nicht um eine beurkundungsbedürftige
Vertragsmodifikation gehandelt. Zum anderen sei es von der organschaftlichen
Vertretungsmacht des damaligen Geschäftsführers ...[B] gedeckt gewesen, im
Nachhinein das Zielkonto zu ändern. Die Anweisung zur Zahlung auf sein persönliches
Konto sei ebenfalls wirksam gewesen, da er - unstreitig - von den Beschränkungen des
§ 181 BGB befreit war. Es gebe im Geschäftsleben viele triftige Gründe dafür, Zahlungen
auf ein persönliches Konto zu veranlassen. Er sei nicht gehalten gewesen, sich
nach den näheren Hintergründen zu erkundigen, dies gehe ihn nichts an. Im Übrigen sei
mit der Änderung des Zielkontos auch keine erhöhte Gefährdung der Vermögensinte-
ressen der Klägerin verbunden gewesen. Wäre es beim Ursprungskonto verblieben,
hätte der damalige Geschäftsführer ...[B] sich aufgrund seiner Alleinvertretungsmacht in
gleicher Weise Zugriff auf die Mittel verschaffen können, indem er bei der Bank den
Guthabenbetrag hätte abheben und das Bargeld in gleicher Weise in das Schweizer
Bankschließfach verbringen können. Die Anweisung des damaligen Geschäftsführers
sei hiernach für den Beklagten verbindlich und in keiner Weise verdächtig gewesen. Da
er erstmals von der Missbilligung der Transaktion durch die Alleingesellschafterin erfahren
habe, als der Kaufpreis bereits auf das Konto des damaligen Geschäftsführers gezahlt
worden war, sei auch die Eigentumsumschreibung zu vollziehen gewesen.

Zutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, dass für ihn auch keine Nachfragepflicht
in Bezug auf das Vorliegen eines etwaigen Gesellschafterbeschlusses bestandenen
habe. Es sei nicht ersichtlich gewesen, dass es sich bei dem Anwesen um das einzig
maßgeblich Vermögen gehandelt haben soll. Dies sei im Übrigen auch den von der
Klägerin vorgelegten Jahresabschlüssen nicht zu entnehmen, da die Klägerin hiernach
über sonstige Vermögensgegenstände im Wert von 174,124,14 € verfüge, zuzüglich
Kontoguthaben und Betriebs- sowie Geschäftsausstattung von zusammen rund
33.000,00 €. Weiter habe es auch einen (konkludenten) Gesellschafterbeschluss hinsichtlich
der Veräußerung des Hauses gegeben, da die Alleingesellschafterin bereits im
Oktober 2017 die Idee zum Hausverkauf entwickelt und einen Makler mit der Erstellung
eines Exposés beauftragt habe.

Schließlich sei das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin keine
schlüssige Schadensdarlegung vorgenommen habe und zudem auf eine anderweitige
Ersatzmöglichkeit - durch Inanspruchnahme des damaligen Geschäftsführers - zu verweisen
sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die
Klage abgewiesen. Der Klägerin steht kein Amtshaftungsanspruch gegen den Beklagten
aus § 19 Abs. 1 BNotO zu.

1. Nach § 19 Abs. 1 BNotO hat der Notar, der vorsätzlich oder fahrlässig die ihm anderen
gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, diesen den daraus entstehenden Scha-
den zu ersetzen. Vorliegend fehlt es bereits an einer Amtspflichtverletzung durch den
Beklagten. Dieser hat weder bei der Beurkundung der notariellen Urkunde noch im Anschluss
bei der Abwicklung bzw. Vollziehung der Urkunde eine ihm gegenüber der Klägerin
obliegende Amtspflicht verletzt.

a) Bei der Beurkundung des Kaufvertrages ist dem Beklagten keine Amtspflichtverletzung
unterlaufen. Insbesondere ist er seinen Pflichten aus § 17 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2
S. 2 BeurkG hinreichend nachgekommen.

aa) Gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG soll der Notar den Willen der Beteiligten erforschen,
den Sachverhalt klären und die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts
belehren. Bestehen Zweifel, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen
der Beteiligten entspricht, so sollen gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 BeurkG die Bedenken
mit den Beteiligten erörtert werden. Damit soll gewährleistet werden, dass der Notar eine
rechtswirksame Urkunde errichtet, die den Willen der Beteiligten vollständig sowie
inhaltlich richtig und eindeutig wiedergibt.

Sofern ein Vertrag unter Mitwirkung von Vertretern zustande kommt, hat der Bundesgerichtshof
den Inhalt der Pflichten aus § 17 Abs. 1 BeurkG dahingehend konkretisiert,
dass der Notar als Ausfluss des durch § 17 Abs. 1 BeurkG festgelegten Pflichtenkreises
bei der Beurkundung von Willenserklärungen eines Vertreters dessen Vertretungsmacht
prüfen muss (BGH, Urteil vom 21. Januar 1988 - IX ZR 252/86, DNotZ 1989, 43; BGH,
Urteil vom 27. Mai 1993 - IX ZR 66/92, DNotZ 1994, 485; BGH, Beschluss vom 13. November
2017 – NotSt(Brfg) 4/17, NJW-RR 2018, 443 m.w.N.). Materiell leitet sich diese
Prüfungspflicht aus dem allgemein mit § 17 Abs. 1 BeurkG verfolgten Zweck ab. Die dort
enthaltene Belehrungspflicht soll die Errichtung einer dem Willen der Beteiligten entsprechenden,
rechtswirksamen Urkunde gewährleisten. Dies schließt die Verpflichtung
ein, die Vertretungsmacht eines Beteiligten zu prüfen, der eine zu beurkundende Erklärung
als Vertreter eines anderen abgeben will. Denn durch eine solche Erklärung wird
der Vertretene grundsätzlich lediglich dann im Sinne von § 164 Abs. 1 BGB gebunden,
wenn der Vertreter mit Vertretungsmacht handelt (BGH, Beschluss vom 13. November
2017 – NotSt(Brfg) 4/17, NJW-RR 2018, 443).

Dieser Pflicht ist der Beklagte durch Einsichtnahme in das Handelsregister nachgekommen.
Bei einer organschaftlichen Vertretungsmacht ist der Blick ins Handelsregister ausreichend,
um das Vorliegen der Vertretungsmacht zu überprüfen (Bremkamp in:
BeckOK/BeurkG, Stand 1. November 2021, § 12 Rn. 57). Vorliegend war der erschienene
...[B] zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung am 18. April 2019 im Handelsregister
als alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB
befreiter Geschäftsführer eingetragen (vgl. Anlage 1 des Schriftsatzes des Beklagten
vom 5. Juni 2020), so dass von einer entsprechenden Vertretungsmacht für den Grundstückskaufvertrag
auszugehen war, § 15 Abs. 3 HGB.

bb) Zu einer weitergehenden Prüfung bestand entgegen der Ansicht der Klägerin kein
Anlass. Insbesondere war der Beklagte nicht gehalten, zu erfragen, ob ein zustimmender
Beschluss der Gesellschafterversammlung vorlag. Gemäß § 49 Abs. 2 GmbHG bedarf
es zwar der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, falls dies im Interesse
der Gesellschaft erforderlich ist. Dies wird insbesondere dann für notwendig erachtet,
wenn es sich um den Verkauf des einzigen Betriebsgrundstücks oder die Veräußerung
wesentlicher Vermögensgegenstände handelt (so BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II
ZR 364/18, NZG 2019, 505). Dies betrifft jedoch ausschließlich das Innenverhältnis zwischen
der Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer. Gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG hat
eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, gegenüber
dritten Personen keine rechtliche Wirkung. Nach § 37 Abs. 2 S. 2 GmbHG gilt
dies auch für den Fall, dass die Zustimmung der Gesellschafter für einzelne Geschäfte
erforderlich ist. Handelt der Geschäftsführer ohne zuvor einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss
einzuholen, ändert dies folglich nichts an seiner wirksamen Vertretungsmacht
im Außenverhältnis mit der Folge, dass er wirksam und für die Gesellschaft
bindend Willenserklärungen abgeben kann. Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn
der Vertragspartner nicht schutzwürdig ist, weil er weiß oder es sich ihm geradezu aufdrängen
muss, dass der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht missbraucht. Dies
setzt zum einen voraus, dass der Vertragspartner Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis
von dem Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung
hat. Zum anderen ist zusätzlich erforderlich, dass der Vertragspartner Kenntnis oder
grob fahrlässige Unkenntnis von der fehlenden Zustimmung der Gesellschafter hat. Nur
in einem solchen Fall kann der Vertragspartner keine Rechte aus dem abgeschlossenen
Vertrag ableiten, da die vom Geschäftsführer abgegebene Willenserklärung unwirksam
ist (BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18, NZG 2019, 505).

Dies hat auch Auswirkungen auf die Prüfpflicht des Notars. Auch dieser darf sich grundsätzlich
auf die Prüfung des Vorhandenseins der Vertretungsmacht beschränken. Beschränkungen
im Innenverhältnis hat der Notar dagegen grundsätzlich nicht zu überprüfen.
Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die Vollmacht evident unwirksam ist oder
ein evidenter Missbrauch einer im Außenverhältnis unbeschränkten Vollmacht aufgrund
von Verstößen gegen die im Innenverhältnis bestehenden Beschränkungen vorliegt (vgl.
BGH, Beschluss vom 19. September 2019 - V ZB 119/19, NJW 2020, 610). Nur in diesem
Fall darf der Notar einen Vertrag nicht beurkunden, da für ihn die Unwirksamkeit
der durch den Vertreter abgegebenen Willenserklärung dann ohne jeden vernünftigen
Zweifel erkennbar ist. Würde der Notar die Beurkundung in diesem Fall dennoch vornehmen,
läge ein Verstoß gegen seine Amtspflichten gemäß § 14 Abs. 2 BNotO bzw. §
4 BeurkG vor (BGH, Beschluss vom 19. September 2019 - V ZB 119/19, NJW 2020,
610).

So liegt der Fall hier indes nicht. Vorliegend war für den Beklagten weder ersichtlich,
dass es sich bei dem Verkaufsgegenstand um das einzige Grundstück der Klägerin und
damit zugleich um einen wesentlichen Vermögenswert handelte - jedenfalls konnte die
Klägerin ihren anderslautenden Vortrag nicht beweisen - noch waren für den Notar im
Zeitpunkt der Beurkundung Anhaltspunkte dafür ersichtlich - und hierauf kommt es entscheidend
an -, dass der Geschäftsführer ...[B] seine Willenserklärung zum Abschluss
des Kaufvertrages abgegeben hat, ohne zuvor die Zustimmung der Alleingesellschafterin
einzuholen. Dieses Wissen konnte er frühestens mit Erhalt des Schreibens der Alleingesellschafterin
vom 10. Juni 2019 haben, nicht jedoch bereits bei Beurkundung des
Vertrages im April 2019. Eine Verletzung einer Amtspflicht durch den Beklagten bei Beurkundung
des Vertrages scheidet hiernach aus.

b) Auch bei der Abwicklung des beurkundeten Vertrages kann dem Beklagten keine
Amtspflichtverletzung angelastet werden.

aa) Soweit die Klägerin vorträgt, bei der Änderung des Zielkontos habe es sich um eine
beurkundungsbedürftige Vertragsmodifikation gehandelt, verfängt dieser Einwand nicht.
Allein die nachträgliche Änderung des Zielkontos, auf das der Schuldner die geschuldete
Kaufpreiszahlung zwecks Erfüllung zu erbringen hat, bedarf grundsätzlich nicht der
notariellen Beurkundung. Zwar unterliegen die Zahlungsmodalitäten regelnde Absprachen
dem Formzwang, wenn es sich um rechtlich bindende Bestimmungen (z.B. Zahlungszeit)
handelt. Dies gilt aber dann nicht, wenn die Absprachen lediglich von Zweckmäßigkeitserwägungen
getragen sind, wie die Vereinbarung der Zahlung durch Scheck
oder auf ein bestimmtes Konto (Gehrlein in: BeckOK/BGB, 60. Ed., Stand 1. November
2021, § 311b Rn. 22; vgl. auch Schreindorfer in: BeckOGK/BGB, Stand: 1. Dezember
2021, § 311b Rn. 236.1).

Unabhängig hiervon sind jedenfalls nach der Auflassung auch prinzipiell dem Formgebot
unterliegende Änderungen eines Grundstückskaufvertrags formlos möglich, wenn
die Auflassung bindend geworden ist (BGH, Urteil vom 14. September 2018 - V ZR
213/17, NJW 2018, 3523). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Auflassung
erfolgte zeitgleich mit dem Abschluss des Kaufvertrages. Da die Auflassung nota-
riell beurkundet wurde, war sie gemäß § 873 Abs. 2 BGB im Zeitpunkt der Änderung des
Zielkontos auch bereits bindend geworden.

bb) Da die Änderung des Zielkontos formfrei erfolgen konnte, kommt es nicht darauf an,
ob das Schreiben vom 21. Mai 2019 unterschrieben war. Aus dem Schreiben geht jedenfalls
hervor, dass der damalige Geschäftsführer der Klägerin bereits zuvor telefonisch
die Änderung des Zahlungskontos mitgeteilt hatte. Eine die Klägerin bindende Erklärung
ihres damaligen Geschäftsführers ist hiernach unstreitig gegeben. Von der Klägerin
wird auch nicht bestritten, dass die entsprechende Erklärung von ihrem damaligen
Geschäftsführer in ihrem Namen abgegeben worden ist.

cc) Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Beklagte auch nicht gegen seine Amtspflichten
verstoßen, indem er den Käufer aufgefordert hat, den Restkaufpreis auf ein
Konto des Geschäftsführers ...[B] in der Schweiz zu zahlen. Hierin ist insbesondere kein
Verstoß gegen § 14 Abs. 2 BNotO bzw. § 4 BeurkG zu sehen. Danach hat der Notar
eine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre,
insbesondere wenn seine Mitwirkungen bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar
unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. Ein unerlaubter oder unredlicher
Zweck in diesem Sinne kann etwa vorliegen, wenn der Verdacht besteht, dass
die Tätigkeit des Notars der Begehung einer Straftat dient (BGH, Urteil vom 5. Dezember
2019 - III ZR 112/18, NJW-RR 2020, 305).

Vorliegend hatte der Beklagte im Zeitpunkt der Aufforderung gegenüber dem Käufer
indes keine Veranlassung davon auszugehen, dass der damalige Geschäftsführer treuwidrig
handeln bzw. eine Straftat im Sinne einer Veruntreuung begehen würde. Es kann
nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte Kenntnis von Umständen hatte,
die ein treuwidriges Handeln des damaligen Geschäftsführers zum Nachteil der Klägerin
nahelegten oder ihm insoweit eine fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen gewesen wäre.
Allein der Umstand, dass die Zahlung auf ein Privatkonto des damaligen Geschäftsführers
der Klägerin gehen sollte, gab zu einer solchen Annahme keinen hinreichenden
Anlass. Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit bestehen nur, wenn die Änderung des Zahlungskontos
sachlich nicht erklärbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2019 - III ZR
112/18, NJW-RR 2020, 305: Beurkundung von Kettenkaufverträgen mit erheblicher Differenz
zwischen An- und Verkaufspreisen). Dies war vorliegend indes nicht der Fall. Es
ist vielmehr davon auszugehen, dass es zahlreiche Gründe dafür geben kann, dass die
Zahlung auf ein Konto des Geschäftsführers einer Gesellschaft erfolgen soll, ohne dass
dies zugleich ein Handeln zuwider den Interessen der Gesellschaft mit sich bringen
muss. So kann der Geschäftsführer beispielsweise selbst Forderungen gegen die Ge-
sellschaft haben. Vorliegend kam hinzu, dass der damalige Geschäftsführer die Änderung
damit begründet hat, dass ein Immobilienerwerb in der Schweiz beabsichtigt sei.
Es war hiernach keinesfalls fernliegend, dass der Geschäftsführer mit dem auf sein Konto
zu zahlenden Kaufpreis im Namen der Klägerin eine neue Immobilie in der Schweiz
erwerben wollte. Vor diesem Hintergrund stellt auch der Umstand, dass die Zahlung auf
ein Konto in der Schweiz erfolgen sollte, keinen verdächtigen Umstand dar.
Überdies gilt insoweit, dass der Notar grundsätzlich an das gebunden ist, was die Vertragspartei
ihm vorgibt. Wenn wie vorliegend die Klägerin die Zahlung auf das Konto
eines Dritten wünscht, ist es grundsätzlich nicht die Aufgabe des Notars dies zu hinterfragen.
Der Umstand, dass die Klägerin bei dieser Anweisung (zwingend) von ihrem
einzigen Geschäftsführer vertreten werden musste, ändert hieran nichts. Insoweit kann
es auch nicht die Aufgabe des Notars sein, die Vertragspartei vor ihrem vertretungsbefugten
Geschäftsführer zu schützen, indem er dessen Handeln ohne belastbaren Grund
überprüft bzw. hinterfragt.

Erst nach Kenntnisnahme des Schreibens der Alleingesellschafterin der Klägerin vom
10. Juni 2019 kann davon ausgegangen werden, dass der Beklagte Anhaltspunkte für
ein treuwidriges Verhalten des damaligen Geschäftsführers der Klägerin haben konnte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Käufer den restlichen Kaufpreis jedoch unstreitig bereits
auf das angegebene Konto in der Schweiz überwiesen mit der Folge, dass bereits Erfüllung
eingetreten war. Eine Möglichkeit, die Zahlung des Käufers auf das Konto des damaligen
Geschäftsführers zu unterbinden, bestand nach bereits erfolgtem Zahlungseingang
im Hinblick auf die bereits eingetretene Erfüllungswirkung nicht mehr.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann in der Änderung des Zielkontos auch kein
Gläubigerwechsel gesehen werden mit der Folge, dass der Notar sich eine Abtretungsurkunde
hätte vorlegen lassen müssen. Inhaber der Kaufpreiszahlungsforderung ist die
Klägerin geblieben. Diese hat - vertreten durch ihren Geschäftsführer - lediglich mitgeteilt,
dass mit schuldbefreiender Wirkung an einen Dritten - hier den Geschäftsführer
persönlich - gezahlt werden kann.

c) Auch im Hinblick auf die Veranlassung der Eigentumsumschreibung hat der Beklagte
keine Amtspflicht verletzt. Insoweit trifft den Notar gemäß § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2
BNotO eine Neutralitätspflicht beiden Vertragsparteien gegenüber. Dementsprechend
muss er gemäß § 53 BNotO grundsätzlich den Vertrag vollziehen, wenn „Vollzugsreife“
eingetreten ist.

Sind Willenserklärungen beurkundet worden, die beim Grundbuchamt oder Registergericht
einzureichen sind, soll der Notar dies nach § 53 BeurkG veranlassen, sobald die
Urkunde eingereicht werden kann, es sei denn – woran es hier fehlt –, alle Beteiligten
verlangen gemeinsam etwas anderes.

Um solche Willenserklärungen handelt es sich bei der notariell beurkundeten Auflassung
vom 18. April 2019. Die Vollzugspflicht des Notars hängt deshalb davon ab, ob die
Urkunde im Sinne des § 53 BeurkG „eingereicht“ werden kann, ob also Vollzugsreife
gegeben ist. Dies setzt voraus, dass alle materiell-rechtlichen und formellen Voraussetzungen
für die Eintragung vorliegen. Dazu gehört neben der wirksamen Auflassung die
Bewilligung der Eintragung des Eigentumswechsels, zu der der Notar vorliegend unter
den Voraussetzungen von § 6 Ziff. 1 des notariellen Vertrages vom 18. April 2019 von
den Vertragsparteien bevollmächtigt worden ist. Dass die Voraussetzungen von § 6 Ziff.
1 des Vertrages vorlagen, wird von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.
Da die Klägerin jedoch die für die Einreichung der Urkunde bei dem Grundbuchamt erforderliche
materiell-rechtliche Erklärung nicht in Person abgegeben hat, hängt die Vollzugsreife
davon ab, ob die Klägerin bei Abgabe der Auflassungserklärung durch den
damaligen Geschäftsführer ...[B] wirksam vertreten worden ist. Hiervon ist unter Berücksichtigung
der Prüfpflichten, die einen Notar im Zusammenhang mit der Beurkundung
und Vollziehung eines unter § 53 BeurkG fallenden Vertretergeschäfts treffen, auszugehen.

aa) Der Notar hat die Amtspflicht, vor der Vollziehung einer Erklärung, die ein Urkundsbeteiligter
als Vertreter eines anderen abgegeben hat, die Vertretungsmacht zu prüfen.

Insoweit gilt nichts anderes als bei der Errichtung einer entsprechenden Urkunde (siehe
hierzu unter 1. a)). Diese Prüfungspflicht setzt sich fort, wenn es darum geht, eine von
einem Vertreter abgegebene Erklärung i.S.d. § 53 BeurkG zu vollziehen. Unwirksame
Urkunden darf der Notar weder errichten noch vollziehen. Sowohl bei der Errichtung als
auch bei der Vollziehung der Urkunde hat er deshalb zu prüfen, ob eine Vertretung
überhaupt zulässig ist, ob eine nach dem Gesetz vorgeschriebene Form eingehalten
wurde, ob die Vollmacht das vorzunehmende Rechtsgeschäft abdeckt und, wenn der
Vertreter ein Insichgeschäft vornehmen will, ob dieser von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit ist (BGH, Beschluss vom 19. September 2019 - V ZB 119/18, NJW
2020, 610). Hierzu ist es regelmäßig notwendig, dass sich der Notar die Vollmachtsurkunde
in Urschrift oder in Ausfertigung vorlegen lässt bzw. - wie hier - Einsicht in das
Handelsregister nimmt. Unter diesen Gesichtspunkten durfte der Beklagte vorliegend
auch im Zeitpunkt der Vollziehung noch von der Wirksamkeit der Vertretung der Klägerin
ausgehen.

bb) Darüber hinaus ist der Prüfungsmaßstab des Notars eingeschränkt. Er hat die Vollziehung
eines unter § 53 BeurkG fallenden Vertretergeschäfts nur dann zu unterlassen,
wenn für ihn ohne jeden vernünftigen Zweifel erkennbar und damit offensichtlich ist,
dass eine materiell-rechtlich wirksame Vollmacht nicht (mehr) vorliegt. Ebenso liegt es,
wenn ein evidenter Missbrauch einer im Außenverhältnis unbeschränkten Vollmacht
aufgrund von Verstößen gegen im Innenverhältnis bestehende Beschränkungen gegeben
ist (BGH, Beschluss vom 19. September 2019 - V ZB 119/18, NJW 2020, 610). Aus
der gesetzlichen Verpflichtung des Notars zu redlicher Amtsführung nach § 14 Abs. 2
BNotO bzw. § 4 BeurkG folgt, dass er von dem Vollzug einer Urkunde absehen muss,
wenn er weiß, dass sie nichtig ist. Entsprechendes gilt, wenn aufgrund des ihm unterbreiteten
konkreten Sachverhalts die Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts
naheliegt oder offensichtlich ist, wenn das Grundbuch bei dem Vollzug der Urkunde
mit hoher Wahrscheinlichkeit unrichtig würde oder wenn die Vollzugsreife (doch)
nicht gegeben ist (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2012 − V ZB 283/11, NJW-RR 2012,
1483). Ebenso liegt es, wenn – wie hier – die zu vollziehende Erklärung von einem Vertreter
abgegeben worden ist. Fehlt es offensichtlich an einer wirksamen Vertretung, hat
der Notar von dem Vollzug abzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2019 -
V ZB 119/18, NJW 2020, 610).

cc) Nach diesem Maßstab bestand für den Beklagten keine Veranlassung, von dem
Vollzug abzusehen. Auch im Zeitpunkt der Vollziehung durfte der Beklagte davon ausgehen,
dass die Klägerin von ihrem damaligen Geschäftsführer wirksam vertreten wurde.
Insbesondere lag - auch nach dem seitens der Alleingesellschafterin der Klägerin
unterbreiteten Sachverhalt - weder ein evidenter Vollmachtsmissbrauch noch ein kollusives
Zusammenwirken zwischen dem damaligen Geschäftsführer und dem Geschäftspartner
der Klägerin vor. Zwar war dem Beklagten aufgrund des Schreibens der Alleingesellschafterin
der Klägerin vom 10. Juni 2019 zwischenzeitlich bekannt geworden,
dass diese keine Kenntnis von dem Hausverkauf hatte und mit diesem auch nicht einverstanden
war. Hieraus musste der Notar jedoch allenfalls folgern, dass der damalige
Geschäftsführer ...[B] im Innenverhältnis gegen Beschränkungen verstoßen hatte, da er
die Willenserklärung betreffend den Verkauf der Immobilie und die Auflassung für die
Klägerin abgegeben hatte, ohne zuvor die Zustimmung der Alleingesellschafterin einzuholen.
Dies hat jedoch gemäß § 37 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich keine Auswirkung auf
die wirksame Vertretung im Außenverhältnis. Dafür, dass der Käufer der Immobilie von
einem Missbrauch der Vertretungsmacht des Geschäftsführers aufgrund des Handelns
ohne Einwilligung der Alleingesellschafterin wusste oder sich ihm dieser geradezu aufdrängen
musste, ergaben sich auch aus dem Schreiben vom 10. Juni 2019 keinerlei
Anhaltspunkte. Hiernach waren gerade keine Anhaltspunkte für einen evidenten Vollmachtsmissbrauch
ersichtlich und der Beklagte durfte weiterhin zweifelsfrei von der
Wirksamkeit der Auflassung ausgehen.

2. Darüber hinaus ist - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - die Klägerin gemäß §
19 Abs. 1 S. 2 BNotO vorrangig auch auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zu verweisen.
Gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO kann der Notar, wenn ihm nur Fahrlässigkeit
zur Last fällt, nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf
andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

a) Ein vorsätzliches Handeln kann dem Beklagten - selbst bei unterstellter Pflichtverletzung
- nicht vorgeworfen werden. Vorsätzliches Handeln eines Amtsträgers liegt nach
einhelliger Meinung dann vor, wenn er sich bewusst über gesetzliche Bestimmungen
oder sonst von ihm erkannte Amtspflichten hinwegsetzt. Zumindest muss er mit der
Möglichkeit einer Pflichtverletzung rechnen und dies in Kauf nehmen. Das Bewusstsein
muss sich nicht nur auf die Kenntnis der Tatsachen beziehen, die die Pflichtwidrigkeit
ergeben, sondern auch darauf, dass pflichtwidrig gehandelt wird (Schramm in:
BeckOK/BNotO, 5. Ed. 31. Juli 2021, § 19 Rn. 79). Vorliegend hatte der Beklagte zwar
Kenntnis davon, dass der restliche Kaufpreis auf das private Konto eines Dritten im Ausland
überwiesen werden sollte. Dies allein begründet indes nicht die Annahme von Vorsatz.
Nach den getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden,
dass dem Beklagten auch bewusst gewesen wäre, dass er durch die Weitergabe der
geänderten Kontoverbindung gegen eine Amtspflicht verstoßen würde bzw. dass ihm
diesbezüglich eine vorherige Prüfpflicht oblag.

b) Der Klägerin ist es auch nicht gelungen, Umstände vorzutragen, die eine in Betracht
kommende anderweitige Ersatzmöglichkeit ausschließen.

Der Begriff der anderweitigen Ersatzmöglichkeit wird weit verstanden. Hierfür kommen
alle Möglichkeiten der Schadloshaltung tatsächlicher und rechtlicher Art in Betracht
(BGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - III ZR 189/07, NJW-RR 2008, 1506). Dazu gehören auch
Schadensersatzansprüche gegen den eigenen Vertreter (Schramm in: BeckOK/BNotO,
5. Ed. 31. Juli 2021, § 19 Rn. 135). Die anderweitige Ersatzmöglichkeit muss jedoch
rechtlich und wirtschaftlich begründete Aussicht auf Erfolg bieten und dem Geschädigten
zumutbar sein. Weitläufige, unsichere und im Ergebnis zweifelhafte Wege braucht
der Geschädigte nicht einzuschlagen (BGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - III ZR 189/07,
NJW-RR 2008, 1506). Die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtbestehen einer anderweitigen
Ersatzmöglichkeit liegt bei der Klägerin (BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 -
IX ZR 240/98, NJW 1999, 2038).

Hiernach erachtet es der Senat auch nach dem als wahr zu unterstellenden Vortrag der
Klägerin nicht für ausgeschlossen, dass die Klägerin durch eine Inanspruchnahme ihres
damaligen Geschäftsführers ...[B] eine Deckung ihres Schadens erlangen kann.

aa) Der Klägerin steht gegen ihren damaligen Geschäftsführer - ihren Vortrag als wahr
unterstellt - ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB zu. Dieser
hat die ihm durch Rechtsgeschäft wirksam von der Klägerin eingeräumte Befugnis,
über fremdes Vermögen zu verfügen, missbraucht und dadurch der Klägerin, deren
Vermögensinteressen er zu betreuen hatte, einen Nachteil zugefügt.

bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Inanspruchnahme ihres damaligen Geschäftsführers
auch weder aussichtslos noch unzumutbar.

Allein der Umstand, dass der frühere Geschäftsführer ...[B] sich in der Schweiz aufhält,
steht einer Inanspruchnahme nicht entgegen. Zum einen ist der Klägerin nach ihrem
eigenen Vortrag im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Familiengericht die Adresse
des ...[B] in der Schweiz bekannt. Auch bestehen mit der Schweiz internationale
Übereinkommen, insbesondere das Luganer Übereinkommen, das Vorschriften zur Bestimmung
der internationalen Zuständigkeit sowie der Vollstreckbarkeit ausländischer
Titel enthält. Die gerichtliche Inanspruchnahme des in der Schweiz ansässigen früheren
Geschäftsführers ...[B] ist der Klägerin hiernach weder unmöglich noch unzumutbar.
Der Einwand der Klägerin, der frühere Geschäftsführer ...[B] werde versuchen, sich seiner
Ersatzpflicht zu entziehen, verfängt im Ergebnis nicht. Soweit die Klägerin diesbezüglich
auf eine E-Mail an die Alleingesellschafterin Bezug nimmt, in der der Schuldner
mitteilt, dass er das Geld bereits von seinem Konto abgehoben und auf ein bankfremdes
Schließfach in der Schweiz eingezahlt habe, führt dies gerade nicht dazu, dass eine Inanspruchnahme
aussichtslos wäre. Insoweit ist dem eigenen Vortrag der Klägerin vielmehr
zu entnehmen, dass das Geld noch vorhanden ist, der frühere Geschäftsführer
mithin über eine entsprechende Liquidität verfügt, um den der Klägerin entstandenen
Schaden zu decken. Überdies ergibt sich aus der vorgelegte E-Mail lediglich, dass der
frühere Geschäftsführer ...[B] „die GmbH und auch sich“ gegen die „Gier“ der Alleingesellschafterin
zu schützen beabsichtigt. Der Nachricht ist mithin gerade nicht zu entnehmen,
dass dieser sich einem Gerichtsurteil, dass ihn zur Zahlung an die Klägerin
verpflichtet, nicht nachkommen würde.

Auch dem Umstand, dass ...[B] seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt, kommt bezüglich
der hier entscheidenden Frage, ob er seinen Verpflichtungen gegenüber der
Klägerin - ggf. nach Erstreiten eines gerichtlichen Titels nachkommen wird - keine Aussagekraft
zu.

Schließlich wäre es der Klägerin auch zuzumuten, einen etwaigen Titel ggf. im Wege
der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Auch dies ist nach dem Vorbringen der Klägerin
nicht von vorneherein aussichtslos.

3. Schließlich ist das Landgericht auch zutreffend davon ausgegangen, dass die darlegungs-
und beweisbelastete Klägerin den von ihr geltend gemachten Schaden nach den
Grundsätzen des Gesamtschadensausgleichs - jedenfalls nicht in vollem Umfang - hinreichend
dargelegt und bewiesen hat. Bei dem von ihr in Höhe des auf das Konto des
damaligen Geschäftsführers überwiesenen Restkaufpreises geltend gemachten Schaden
in Höhe von 266.712,28 € bleibt unklar, ob er in der geltend gemachten Höhe entstanden
ist.

Die schlüssige Darlegung des Schadens erfordert einen Vergleich der Vermögenslage
mit und ohne Amtspflichtverletzung und damit die schlüssige Darlegung des Gesamtschadens
aus dem schadensbegründenden Ereignis. Ein isoliertes Herausgreifen eines
Vermögensnachteils genügt hierfür nicht. Vielmehr ist ein Gesamtvermögensvergleich
anzustellen, wobei alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen
Positionen einzubeziehen sind (BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - IX ZR 416/00,
DStRE 2005, 548; OLG Hamm, Urteil vom 23. März 2012 - 11 U 72/11, BeckRS 2012,
18127; KG, Urteil vom 12. Januar 2018, 2018 - 9 U 1 /17, BeckRS 2018, 22048).

Bei diesem Gesamtvermögensvergleich müssen insbesondere auch vom Beklagten
substantiiert vorgebrachte Vermögensvorteile auf Seiten der Klägerin Berücksichtigung
finden, die diese dadurch erlangt haben soll, dass der damalige Geschäftsführer mit der
Kaufpreissumme auch Verbindlichkeiten der Klägerin beglichen haben soll. Entgegen
der Ansicht der Klägerin ist diese auch darlegungs- und beweisbelastet, da es sich hierbei
nicht um Positionen einer sog. Vorteilsausgleichung handelt, für die der Beklagte
darlegungs- und beweisbelastet wäre, sondern vielmehr um Vorteile, die schon bei der
Schadensfeststellung berücksichtigt werden müssen, weil sie eng mit dem schadensstiftenden
Ereignis zusammenhängen. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat,
handelt es sich hierbei um einen einheitlichen Vorgang der Geschäftsführung. Das isolierte
Herausgreifen eines Vermögensnachteils, hier der Verlust des restlichen Kaufpreises,
ohne zugleich auch die hiermit - nach dem Beklagtenvortrag - erfüllten Verbindlichkeiten
der Klägerin zu berücksichtigen, ist nicht ausreichend. Jedenfalls in Höhe dieser
behaupteten Vermögensvorteile von insgesamt 158.033,37 € fehlt es an einer schlüssigen
Darlegung des Gesamtschadens auf Seiten der Klägerin.

Der Vortrag der Klägerin genügt nicht, um das substantiierte Vorbringen des Beklagten
auszuräumen. Die vorgelegten - von Beklagtenseite bestrittenen - Jahresabschlüsse
sind hierfür von vorneherein ungenügend, da sich aus ihnen unterjährig entstandene
und im selben Jahr beglichene Verbindlichkeiten nicht ablesen lassen. Auch aus den
vorgelegten Kontoauszügen der Klägerin lässt sich nicht ersehen, ob Verbindlichkeiten
gegenüber Dritten, hier dem Unternehmensberater ...[E] (in Höhe von 111.350,00 €) und
der das Kfz-Darlehen finanzierenden Bank (in Höhe von 29.683,37 €) beglichen worden
sind. Der Klägerin als jeweiliger Vertragspartnerin müsste hierzu auch weiterer Vortrag
möglich sein. Jedenfalls fehlt es diesbezüglich an einem Beweisangebot. Soweit die
Klägerin in Bezug auf die Zahlungen des damaligen Geschäftsführers in Höhe von
9.000,00 und 8.000,00 € am 12. und 18. Juni 2019, die - wie aus den vorgelegten Kontoauszügen
ersichtlich - auch auf dem Konto der Klägerin eingegangen sind, pauschal
behauptet, der damalige Geschäftsführer ...[B] habe hiermit entnommene Gelder zurückgezahlt,
stellt dies ebenfalls keinen ausreichenden Vortrag dar.

Soweit die Klägerin darüber hinaus pauschal vorträgt, ein Schaden sei auch darin zu
sehen, dass das Haus unter Wert verkauft worden sei, fehlt es zum einen an substantiiertem
Vortrag - in den Jahresabschlüssen ist der Wert der Immobilie mit lediglich
524.513,13 € angegeben -, zum anderen stützt die Klägerin ihre eigene Schadensberechnung
hierauf nicht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung
aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2
ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 266.712,28 € festgesetzt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Koblenz

Erscheinungsdatum:

03.02.2022

Aktenzeichen:

1 U 651/21

Rechtsgebiete:

Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Sachenrecht allgemein
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
In-sich-Geschäft
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BeurkG § 17 Abs. 3; BNotO § 19 Abs. 1; GmbHG § 37 Abs. 2; HGB § 15 Abs. 3