BGH 16. März 2022
IV ZB 27/21
BGB §§ 1960, 1952

(Keine) Erbausschlagung durch Nachlasspfleger bzgl. weiterer Erbschaft

BGB §§ 1960, 1952
(Keine) Erbausschlagung durch Nachlasspfleger bzgl. weiterer Erbschaft

Der Nachlasspfleger ist nicht berechtigt, mit Wirkung für die unbekannten Erben eine in den Nachlass des Erblassers gefallene weitere Erbschaft auszuschlagen. Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht.

BGH, Beschl. v. 16.03.2022 – IV ZB 27/21

Problem
Für die unbekannten Erben der Erblasserin wurde ein Nachlasspfleger mit dem Aufgabenkreis Ermittlung der Erben sowie Sicherung und Verwaltung des Nachlasses bestellt. Dieser begehrte die nachlassgerichtliche Genehmigung zur Ausschlagung einer der Erblasserin als gesetzlicher Miterbin angefallenen Erbschaft, nämlich derjenigen nach dem wenige Monate vor der Erblasserin verstorbenen Ehemann der Erblasserin (vgl. §§ 1962, 1915 Abs. 1 S. 1, 1822 Nr. 2 BGB). Der bestellte Verfahrenspfleger sprach sich mit dem Hinweis auf die Höchstpersönlichkeit des Ausschlagungsrechts gegen die Erteilung der Genehmigung aus. Das OLG Saarbrücken wies den Antrag auf Genehmigung der Ausschlagungserklärung zurück.

Entscheidung
Der BGH weist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG zurück. Er führt zunächst aus, dass der Nachlasspfleger nach allgemeiner Auffassung nicht berechtigt sei, die Erbschaft für die unbekannten Erben anzunehmen oder auszuschlagen (s. etwa Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1945 Rn. 2). Dies komme bereits unmittelbar im Wortlaut des § 1960 Abs. 1 S. 1 BGB zum Audruck („bis zur Annahme der Erbschaft“). Dagegen wird die Ausschlagungsberechtigung des Nachlasspflegers namens der unbekannten Erben hinsichtlich einer dem Erblasser noch vor seinem Tod angefallenen Erbschaft, die der Erblasser selbst weder angenommen noch ausgeschlagen hat (sog. Unternachlass), unterschiedlich beurteilt (bejahend: Staudinger/Mesina, BGB, 2017, § 1960 Rn 48; verneinend: MünchKommBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 1960 Rn. 70). Der BGH schließt sich für diese, ihm zur Entscheidung vorliegende Konstellation der verneinenden Ansicht an: Die Verlängerung der Ausschlagungsfrist hinsichtlich des Unternachlasses zugunsten der Erbeserben gem. § 1952 Abs. 2 BGB stelle sicher, dass ihnen kein Rechtsverlust drohe und daher kein Sicherungsbedürfnis für eine vorgreifende Entscheidung des Nachlasspflegers über die Ausschlagung bestehe. Auch in der Sache sei eine Unterscheidung zwischen der Ausschlagung der Erbschaft nach dem Erblasser und derjenigen eines Unternachlasses nicht gerechtfertigt. Denn in beiden Fällen gehe es um eine persönliche Entscheidung der Erben bzw. Erbeserben, für die nicht allein wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle spielten. Den Zugriff von Gläubigern eines überschuldeten Unternachlasses auf den vom Nachlasspfleger verwalteten Nachlass könne dieser durch Erhebung der Dürftigkeitseinrede (§§ 1990, 1991 BGB) oder Geltendmachung des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung (§ 780 ZPO) abwehren.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

16.03.2022

Aktenzeichen:

IV ZB 27/21

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Erbenhaftung
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 78

Normen in Titel:

BGB §§ 1960, 1952