BGH 26. September 2023
XI ZR 98/22
BGB §§ 241a, 166 Abs. 1

Haftung eines Ehegatten für ein Darlehen bei Unterschriftsfälschung durch den anderen Ehegatten; Täuschung bei Video-Identverfahren

letzte Aktualisierung: 26.10.2023
BGH, Urt. v. 26.9.2023 – XI ZR 98/22

BGB §§ 241a, 166 Abs. 1
Haftung eines Ehegatten für ein Darlehen bei Unterschriftsfälschung durch den anderen
Ehegatten; Täuschung bei Video-Identverfahren

Gemäß § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB sind gesetzliche Ansprüche nicht ausgeschlossen, wenn die
Leistung in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies zwar nicht
selbst erkannt hat, ihm aber in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis
einer anderen Person von dieser irrigen Vorstellung des Unternehmers zuzurechnen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen
ausgeführt:

Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung
des auf das Konto überwiesenen Betrages, insbesondere nicht aus § 812
Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Ob die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch
erfüllt seien, könne dahinstehen, da er jedenfalls nach § 241a BGB ausgeschlossen
sei. Es liege eine unbestellte Leistung im Sinne von § 241a Abs. 1 BGB vor,
da es an einer dem Beklagten zurechenbaren Aufforderung fehle. Der Beklagte
habe die Klägerin unstreitig nicht um ein Darlehen bzw. um die Auszahlung auf
das mit seiner Ehefrau gemeinsam geführte Konto gebeten. Die Voraussetzungen
für eine Ausnahme von dem Ausschluss gesetzlicher Ansprüche nach
§ 241a Abs. 2 BGB lägen nicht vor. Die Leistung sei bereits nach dem eigenen
Vorbringen der Klägerin für den Beklagten bestimmt gewesen und es sei nicht
ersichtlich, dass der Beklagte erkannt habe oder bei Anwendung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Leistung in der irrigen
Annahme einer Bestellung erbracht worden sei. Insofern sei unstreitig, dass bis
zur Trennung des Beklagten von seiner Ehefrau diese sich um die finanziellen
Angelegenheiten der Familie und insbesondere die Verwaltung des gemeinsamen
Kontos gekümmert habe. Vor diesem Hintergrund habe der Beklagte selbst
eine entsprechende Kenntnis nicht gehabt. Nach dem Wortlaut von § 241a
Abs. 2 BGB komme es für die Kenntnis bzw. die fahrlässige Unkenntnis auf die
Person des Empfängers an. Es könne dahinstehen, ob in diesem Rahmen eine
Zurechnung des Wissens der Ehefrau aufgrund einer entsprechenden Anwendung
von § 166 Abs. 1 BGB möglich sei. Denn eine solche Zurechnung setze
voraus, dass derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten
in eigener Verantwortung betraue, sich das in diesem Rahmen erlangte
Wissen des anderen zurechnen lassen müsse. Die Ehefrau des Beklagten
habe ihre Kenntnis aber nicht im Rahmen des ihr übertragenen Regelungsbereichs
"finanzielle Angelegenheiten" bzw. "Verwaltung des gemeinsamen Kontos"
erlangt, sondern sie beruhe auf ihren Täuschungen im Zusammenhang mit
dem vermeintlich zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensvertrag.
Sonstige Anhaltspunkte, die für eine Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis des
Beklagten sprächen, habe die insoweit darlegungsbelastete Klägerin trotz eines
gerichtlichen Hinweises nicht vorgetragen.

II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
stand.

1. Dabei kann dahinstehen, ob - wie das Berufungsgericht gemeint hat -
es sich bei der Überweisung der "Darlehensvaluta" um eine sonstige unbestellte
Leistung im Sinne von § 241a Abs. 1 BGB handelt, oder ob - wie der Klägervertreter
in der mündlichen Verhandlung gemeint hat - die Erfüllung eines Scheinvertrages
- wie hier - nicht unter § 241a Abs. 1 BGB fällt.

2. Denn selbst wenn § 241a Abs. 1 BGB eingreifen würde, wären gesetzliche
Ansprüche der Klägerin nach § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB nicht ausgeschlossen.

a) Nach dieser Vorschrift sind gesetzliche Ansprüche dann nicht ausgeschlossen,
wenn die Leistung in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte
und der Empfänger dies erkannt hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen
Sorgfalt hätte erkennen können. In einem solchen Fall soll es nach dem
Willen des Gesetzgebers bei den allgemeinen Regeln verbleiben, weil diese zu
einer angemessenen Rückabwicklung führen (BT-Drucks. 14/2658, S. 46).

b) Wegen des eindeutigen Willens des Gesetzgebers käme eine unionsrechtskonforme
Auslegung nicht in Betracht, selbst wenn die Vorschrift gegen
Unionsrecht verstieße.

§ 241a BGB dient der Umsetzung mehrerer Richtlinien und zwar von Art. 9
der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai
1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl.
1997, L 144, S. 19, künftig: Art. 9 der Richtlinie 97/7/EG aF) und Art. 9 der Richtlinie
2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September
2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und
zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG
und 98/27/EG (ABl. 2002, L 271, S. 16, künftig: Art. 9 der Richtlinie
2002/65/EG aF), die jeweils durch Art. 15 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken
von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt
und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG,
98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie
der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates
(Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. 2005, L 149, S. 22, berichtigt
in ABl. 2009, L 253, S. 18) mit Wirkung vom 12. Juni 2005 geändert wurden
(künftig: Art. 9 der Richtlinie 97/7/EG nF und Art. 9 der Richtlinie
2002/65/EG nF), sowie von Art. 27 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher,
zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie
1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung
der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64, künftig: Richtlinie
2011/83/EU), durch den Art. 9 der Richtlinie 97/7/EG nF mit Wirkung vom
13. Juni 2014 ersetzt wurde.

Der im vorliegenden Fall einer Darlehensgewährung und damit einer Finanzdienstleistung
im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65/EG und
Art. 3 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2011/83/EU einschlägige Art. 9 der Richtlinie
2002/65/EG nF bestimmt, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, um
die Verbraucher für den Fall, dass unbestellte Waren geliefert oder unbestellte
Dienstleistungen erbracht wurden, von jeder Verpflichtung zu befreien, wobei das
Ausbleiben einer Antwort nicht als Zustimmung gilt.

Es kann dahinstehen, ob der nationale Gesetzgeber mit § 241a Abs. 2
Fall 2 BGB zu Lasten des Verbrauchers hinter den Anforderungen aus Art. 9 der
Richtlinie 2002/65/EG nF zurückgeblieben ist, auch wenn mit dieser Richtlinie
nach ihrem Erwägungsgrund 13 grundsätzlich eine Vollharmonisierung unionsrechtlicher
Vorschriften über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen bezweckt
ist und Art. 9 der Richtlinie 2002/65/EG nF keine ausdrückliche Ausnahme
von diesem Grundsatz enthält. Denn selbst wenn diese Vorschrift dahingehend
auszulegen sein sollte, dass der Verbraucher, dem eine unbestellte Finanzdienstleistung
erbracht worden ist, von sämtlichen vertraglichen und gesetzlichen
Ansprüchen zu befreien ist (vgl. dazu Staudinger/Olzen, BGB, Neubearb.
2019, § 241a Rn. 37; Erman/Saenger, BGB, 17. Aufl., § 241a Rn. 1;
PWW/Kramme, BGB, 18. Aufl., § 241a Rn. 2, 14; Schinkels in Gebauer/
Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, 3. Aufl., Kapitel 8 Rn. 60 f.; Förderer, Der
Anspruchsausschluss nach § 361 Abs. 1 BGB im Lichte des unionsrechtlichen
Verbots des Rechtsmissbrauchs, 2021, S. 38 f.), kommt eine entsprechende unionrechtskonforme
Auslegung von § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB nicht in Betracht.

Die Entscheidung darüber, ob im Rahmen des nationalen Rechts ein
Spielraum für eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung besteht,
obliegt den nationalen Gerichten (BVerfG, WM 2012, 1179, 1181;
NVwZ-RR 2018, 169 Rn. 37). Eine richtlinienkonforme Auslegung darf nicht dazu
führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter
Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt
wird. Richterliche Rechtsfortbildung berechtigt den Richter nicht dazu,
seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des
Gesetzgebers zu setzen (BVerfG, WM 2012, 1179, 1181). Demgemäß kommt
eine richtlinienkonforme Auslegung nur in Frage, wenn eine Norm tatsächlich unterschiedliche
Auslegungsmöglichkeiten im Rahmen dessen zulässt, was der gesetzgeberischen
Zweck- und Zielsetzung entspricht. Der Grundsatz unionsrechtskonformer
Auslegung und Rechtsfortbildung darf nicht zu einer Auslegung
des nationalen Rechts contra legem führen (Senatsurteile vom 22. Mai 2012
- XI ZR 290/11, BGHZ 193, 238 Rn. 50, vom 3. Juli 2018 - XI ZR 702/16, WM
2018, 1601 Rn. 13 und vom 26. Oktober 2021 - XI ZR 608/20, WM 2021, 2248
Rn. 20; BVerfG aaO). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 4. Juli 2006
- C-212/04, Slg. 2006, I-6057 Rn. 110 - Adeneler, vom 24. Januar 2012
- C-282/10, NJW 2012, 509 Rn. 25 - Dominguez, vom 11. September 2019
- C-143/18, WM 2019, 1919 Rn. 38 - Romano und vom 18. Januar 2022
- C-261/20, NJW 2022, 927 Rn. 28 - Thelen Technopark Berlin). Die Pflicht zur
Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege findet ihre Grenzen an
dem nach der innerstaatlichen Rechtstradition methodisch Erlaubten (BGH, Urteile
vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 20 und vom 28. Juni
2017 - IV ZR 440/14, BGHZ 215, 126 Rn. 24; Senatsbeschluss vom 31. März
2020 - XI ZR 198/19, WM 2020, 838 Rn. 13 mwN; BVerfG aaO).
Nach diesen Maßgaben kommt eine einschränkende Auslegung von
§ 241a Abs. 2 Fall 2 BGB nicht in Betracht.

Der Gesetzgeber hat § 241a BGB mit Wirkung vom 30. Juni 2000 eingefügt,
um Art. 9 zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 97/7/EG aF umzusetzen (vgl.
BT-Drucks. 14/2658, S. 22 ff., 46), der den Mitgliedstaaten aufgibt, die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen, um "den Verbraucher von jedweder Gegenleistung
für den Fall zu befreien, dass unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen
erbracht wurden, wobei das Ausbleiben einer Reaktion nicht als Zustimmung
gilt." Dabei ist er davon ausgegangen, dass die verbraucherschützende
Gesamtintention der Richtlinie 97/7/EG aF eher eine weite Auslegung des
Gegenleistungsbegriffs nahelege, und deshalb eine klarstellende Regelung im
allgemeinen Schuldrecht geschaffen werden soll, die den Verbraucher im Falle
bewusst unbestellt zugesendeter Waren oder der Erbringung unbestellter Dienstleistungen
von sämtlichen Verbindlichkeiten, auch von solchen auf Nutzungsherausgabe,
Schadensersatz und Rückgabe freistellt (BT-Drucks. 14/2658, S. 23 f.,
46). Dagegen sollten dem Unternehmer mit § 241a Abs. 2 BGB (im Gesetzentwurf
noch § 241a Satz 2 BGB, BT-Drucks. 14/2658, S. 6) ausnahmsweise seine
gesetzlichen Ansprüche belassen werden, wenn vom Empfänger nicht bestellte
Waren oder sonstige Leistungen irrtümlich bei diesem landen, dieser jedoch erkennen
konnte, dass es sich nicht um bewusst unbestellte Leistungen, sondern
lediglich um eine irrtümliche Leistung an ihn handelt. Voraussetzung dafür sollte
sein, dass der Leistungserbringer tatsächlich von einer Bestellung ausgegangen
ist und der Leistungsempfänger hätte erkennen können, dass die Leistung für
einen anderen bestimmt war oder der Leistungserbringer irrtümlich von einer Bestellung
durch den Empfänger ausgegangen ist. Denn in einem solchen Fall führten
die allgemeinen Regeln zu einer angemessenen Rückabwicklung (BTDrucks.
14/2658, S. 46).

Im Rahmen der Umsetzung von Art. 9 der Richtlinie 2002/65/EG aF, der
den Mitgliedstaaten aufgab, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um "bei
Erbringung unaufgefordert erbrachter Leistungen die Verbraucher von jeder Verpflichtung
zu befreien", ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass § 241a
BGB bereits die erforderliche Regelung enthält (BT-Drucks. 15/2946, S. 16).
Auch im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG, durch deren Art. 15
Art. 9 der Richtlinie 97/7/EG aF und Art. 9 der Richtlinie 2002/65/EG aF teilweise
geändert worden waren, ist keine Änderung von § 241a BGB erfolgt. Insoweit
wurde ein Umsetzungsbedarf verneint, weil § 241a BGB bereits eine für Schuldverhältnisse
allgemein geltende Regelung enthalte, welche auch die in den geänderten
Richtlinien geregelten Fälle erfasse (BT-Drucks. 16/10145, S. 19).
Schließlich ist § 241a Abs. 2 BGB - anders als die Absätze 1 und 3 - auch im
Rahmen der Umsetzung der - bisher Finanzdienstleistungen nicht erfassenden -
Richtlinie 2011/83/EU durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie
und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung
vom 20. September 2013 (BGBl. I, S. 3642) unverändert geblieben.
Damit hat der nationale Gesetzgeber wiederholt deutlich gemacht, dass er
an der Ausnahmeregelung des § 241a Abs. 2 BGB festhält.

3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dem Beklagten in entsprechender
Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis seiner Ehefrau von
der irrigen Vorstellung einer Bestellung auf Seiten der Klägerin zuzurechnen.

a) Die Rechtsprechung hat der Regelung des § 166 Abs. 1 BGB den allgemeinen
Rechtsgedanken entnommen, dass sich - unabhängig von dem Vorliegen
eines Vertretungsverhältnisses - derjenige, der einen anderen mit der Erledigung
bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in
diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss (BGH,
Urteile vom 25. März 1982 - VII ZR 60/81, BGHZ 83, 293, 296, vom 13. Dezember
2012 - III ZR 298/11, WM 2013, 155 Rn. 19 mwN und vom 23. Januar 2014
- III ZR 436/12, WM 2014, 900 Rn. 11, 16 f.). So liegt der Fall hier.

b) Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich bis zur
Trennung des Beklagten von seiner damaligen Ehefrau allein letztere um die finanziellen
Angelegenheiten der Familie und insbesondere um die Verwaltung
des gemeinsamen Kontos gekümmert. Sie hatte deshalb bei der Vornahme und
Abwicklung von Geldgeschäften eine tatsächlich ähnliche Stellung wie ein Vertreter.
Der Beklagte ließ sich insoweit bewusst von seiner Ehefrau in ähnlicher
Weise repräsentieren wie durch einen rechtsgeschäftlichen Stellvertreter. Allein
weil der Beklagte sich um das Konto nicht kümmerte, konnte die Ehefrau bei der
Klägerin den Irrtum hervorrufen, mit dem Beklagten einen Darlehensvertrag geschlossen
zu haben, und die Klägerin ohne dessen Wissen dazu veranlassen,
die vermeintliche Darlehensvaluta auf das gemeinsame Konto zu überweisen.
Die im vorliegenden Fall gegebene Interessenlage entspricht daher so sehr der
Interessenlage eines rechtsgeschäftlichen Vertretungsverhältnisses, dass es
sachgerecht ist, das Wissen, das die Ehefrau in Ausübung des ihr übertragenen
Wirkungskreises erworben hat, in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1
BGB dem Beklagten zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1982 - VII ZR
60/81, BGHZ 83, 293, 296 f.; OLG Hamm, WM 1985, 1290 f.; OLG Köln, WM
1998, 1327, 1328 f.; OLG Schleswig, FamRZ 2008, 512, 513). Unerheblich ist,
ob die damalige Ehefrau des Beklagten mit der Aufnahme des Darlehens unter
seinem Namen ihre Befugnisse im Innenverhältnis vorsätzlich überschritten hat.
Das schließt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - eine Wissenszurechnung
im Verhältnis zum Beklagten nicht aus, weil die Darlehensaufnahme
unter dem Namen des Beklagten noch in innerem Zusammenhang mit dem ihr
überlassenen Wirkungskreis stand.

III.
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich
auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Da weitere
Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind, kann der Senat in der
Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung des Beklagten
zurückweisen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Bereicherungsanspruch,
der - wie unter II. ausgeführt - nicht durch § 241a BGB ausgeschlossen ist, zu
und der Beklagte kann diesem Anspruch keinen Schadensersatzanspruch wegen
unsorgfältiger Durchführung des Video-Identifizierungsverfahrens entgegenhalten.
1. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1
Satz 1 Fall 1 BGB in Höhe von 2.434,80 der Differenz zwischen dem auf das
Konto überwiesenen Betrag und den nach der Kündigung erfolgten Teilrückzahlungen,
liegen vor.

Der Beklagte ist durch die Überweisung auf das gemeinsame Konto, mit
der die Klägerin den vermeintlich mit dem Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag
erfüllen wollte, durch Leistung der Klägerin rechtsgrundlos bereichert
worden (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1982 - VII ZR 60/81, BGHZ 83, 293, 294;
OLG Hamm, WM 1985, 1290; OLG Schleswig, FamRZ 2008, 512 f.), weil durch
das Handeln der damaligen Ehefrau des Beklagten unter dessen Namen zwischen
den Parteien kein Darlehensvertrag zustande gekommen ist. Denn das
Handeln seiner Ehefrau unter seinem Namen ist ihm nicht zuzurechnen, weil
nicht festgestellt ist und von der Revision auch nicht geltend gemacht wird, dass
die Ehefrau bei Abschluss des Darlehensvertrags und Unterzeichnung der Auszahlungsanweisung
unter dem Namen des Beklagten in Ausübung einer bestehenden
Vertretungsmacht (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB analog) gehandelt hätte, der
Beklagte den Vertragsschluss genehmigt hätte (§ 177 Abs. 1 BGB analog) oder
die Voraussetzungen für das Eingreifen der Grundsätze über die Anscheins- oder
die Duldungsvollmacht vorlägen (vgl. BGH, Urteile vom 3. März 1966 - II ZR
18/64, BGHZ 45, 193, 195 f., vom 8. Dezember 2005 - III ZR 99/05, NJW-RR
2006, 701 Rn. 11 und vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346
Rn. 11 f. mwN). Insbesondere ist nicht festgestellt und wird von der Revision
auch nicht geltend gemacht, dass die nach der Kündigung durch die Klägerin
erfolgten Teilzahlungen von dem Beklagten veranlasst worden wären.

Der Beklagte kann sich gemäß § 819 Abs. 1 BGB nicht auf den Wegfall
der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen, auch wenn die damalige Ehefrau
des Beklagten den überwiesenen Betrag abgehoben hatte, bevor der Beklagte
von dem Zahlungseingang erfuhr. Der Ehefrau des Beklagten war bekannt,
dass der überwiesene Betrag von der Klägerin als Darlehen gewährt worden
war und deshalb nicht dauerhaft behalten werden durfte, sondern zurückgezahlt
werden musste. Diese Kenntnis, die für die Anwendung des § 819 Abs. 1
BGB ausreicht (BGH, Urteil vom 25. März 1982 - VII ZR 60/81, BGHZ 83, 293,
295; Senatsurteile vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 34 und vom
12. September 2006 - XI ZR 296/05, ZIP 2006, 2119 Rn. 16, jeweils mwN), muss
sich der Beklagte - ebenso wie im Rahmen von § 241a BGB - in entsprechender
Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, weil er seiner Ehefrau die
finanziellen Angelegenheiten der Familie und insbesondere die Verwaltung des
gemeinsamen Kontos vollständig überlassen und sich nicht um die Kontobewegungen
gekümmert hatte (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1982, aaO S. 295 f.;
OLG Hamm, WM 1985, 1290 f.; OLG Schleswig, FamRZ 2008, 512, 513). Außerdem
hat der Beklagte auch nach Aufhebung von § 279 BGB aF ohne Rücksicht
auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen
(BGH, Urteil vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 175/14, BGHZ 204, 134 Rn. 18;
Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl., § 818 Rn. 53 und Grüneberg/Grüneberg, aaO,
§ 275 Rn. 3, § 276 Rn. 28).

2. Der Beklagte kann dem Bereicherungsanspruch der Klägerin keinen
Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen
mangelhafter Sorgfalt bei der Identifizierung des (vermeintlichen) Darlehensnehmers
im Rahmen der Durchführung des Video-Identifizierungsverfahrens sowie
des Vergleichs der Unterschriften auf dem gezeigten Personalausweis und
den Vertragsunterlagen entgegenhalten. Soweit der Beklagte aufgrund der Auszahlung
der Valuta auf das gemeinsame Konto einem Bereicherungsanspruch
der Klägerin ausgesetzt ist, ergibt sich aus §§ 814, 815 BGB, dass einem solchen
Anspruch nur eine positive Kenntnis des Bereicherungsgläubigers entgegengehalten
werden kann, während fahrlässige und auch grob fahrlässige Unkenntnis
unerheblich sind. Diese Wertung kann nicht durch einen Schadensersatzanspruch
nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen unsorgfältiger
Prüfung der Identität des Empfängers vor der Leistungserbringung überspielt
werden.

3. Der Zinsanspruch folgt aus § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 291, § 288
Abs. 1 Satz 2 BGB.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

26.09.2023

Aktenzeichen:

XI ZR 98/22

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 241a, 166 Abs. 1