Besetzung einer Notarstelle; Erfordernis der örtlichen Wartezeit
letzte Aktualisierung: 25.5.2022
BGH, Beschl. v. 14.3.2022 – NotZ (Brfg) 10/21
BNotO a. F. § 6 Abs. 2 Nr. 2
Besetzung einer Notarstelle; Erfordernis der örtlichen Wartezeit
Die Bestellung eines Bewerbers auf eine Anwaltsnotarstelle, der die örtliche Wartezeit nicht erfüllt,
ist auf seltene Ausnahmefälle beschränkt. Sie kommt lediglich dann in Betracht, wenn angesichts
eines außergewöhnlichen Sachverhalts die Abkürzung der Regelzeit aus Gerechtigkeitsgründen oder
aus Bedarfsgründen zwingend erscheint.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Die Klägerin war seit 2007 zunächst als angestellte Rechtsanwältin in verschiedenen
Sozietäten tätig und hat sich im Jahr 2017 als Einzelanwältin selbständig
gemacht. Seit Mitte Mai 2020 hat sie ihren Kanzleisitz in Essen; dort führt
sie ihre Kanzlei in Bürogemeinschaft mit einem Anwaltsnotar, den sie bei Bedarf
bei der Erledigung notarieller Angelegenheiten unterstützt. Im zweiten juristischen
Examen erreichte die Klägerin die Note vollbefriedigend (9,10 Punkte), die
notarielle Fachprüfung legte sie im Jahr 2020 ab und erzielte hierbei die Note
"ausreichend" (6,24 Punkte). Seit dem Jahr 2019 nahm die Klägerin an zehn
Fortbildungen mit Bezug zum notariellen Tätigkeitsfeld teil. Zudem absolvierte sie
in der Zeit zwischen März 2019 und Ende Februar 2020 insgesamt 180 Praxisstunden
und sammelte Erfahrung als Notarvertretung.
Im Juni 2020 bewarb sich die Klägerin auf eine der im Justizministerialblatt
Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai 2020 Nr. 10 ausgeschriebenen 13 Notarstellen
in Essen; die Bewerbungsfrist endete am 15. Juni 2020.
Mit am 8. Dezember 2020 zugestelltem Bescheid der Beklagten vom
2. Dezember 2020 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihre Bewerbung mangels
Erreichens der örtlichen Wartezeit nicht habe berücksichtigt werden können. Von
den Voraussetzungen des
geltenden Fassung (im Folgenden aF; vgl. nunmehr
habe auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden können, weil die Klägerin
mit einer Bewertung von 7,27 Punkten weder über eine besonders hervorragende
Qualifikation verfüge noch im Amtsgerichtsbezirk Essen eine Unterversorgung
mit notariellen Dienstleistungen bestehe. Die letzte unbesetzte Stelle solle
der Beigeladenen übertragen werden, die in der Bewertung 4,55 Punkte erreicht
habe.
Zwei hiergegen gerichtete Anträge der Klägerin auf einstweiligen Rechtsschutz
hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen (Beschlüsse vom 11. Januar
2021 und vom 3. August 2021).
Auch die gegen die Auswahlentscheidung gerichtete Klage, mit welcher
die Klägerin die Aufhebung des Bescheids vom 2. Dezember 2020 nebst Ver-
pflichtung der Beklagten zur erneuten Bescheidung ihrer Bewerbung unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts begehrt, hat keinen Erfolg
gehabt. Mit ihrem Antrag, die Berufung zuzulassen, verfolgt die Klägerin ihr
Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Ein Zulassungsgrund gemäß
Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (
Satz 2 BNotO) noch hat die Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit
(
1. Die Zulassung der Berufung ist zunächst nicht wegen ernstlicher Zweifel
an der Richtigkeit des Urteils geboten.
a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen
Urteils (
gegeben, wenn der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden
Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit
schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und sich dies auf die Richtigkeit
des Ergebnisses auswirken kann (s. z.B. Senat, Beschlüsse vom 20. Juli
2015 - NotZ (Brfg) 12/14,
- NotSt (Brfg) 5/15,
(Brfg) 5/19, NJOZ 2020, 1373, 1374 Rn. 2, jeweils mwN; vgl. auch Senat, Beschluss
vom 23. April 2018 - NotZ (Brfg) 6/17,
mwN; Herrmann in Schippel/Görk, BNotO, 10. Aufl., § 111d Rn. 3; Müller in
Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl., § 111d Rn. 5 mwN).
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Oberlandesgericht hat die
Klage zu Recht abgewiesen; die dagegen von der Klägerin vorgebrachten Einwände
greifen nicht durch.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung ihrer Bewerbung
(
Bescheid der Beklagten rechtmäßig ist. Ihr kann die ausgeschriebene
Notarstelle mangels Erreichens der nach
örtlichen Wartezeit nicht übertragen werden.
aa) Entgegen der möglicherweise von der Klägerin vertretenen Ansicht
bestehen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils insbesondere nicht bereits deshalb,
weil das Oberlandesgericht die formelle Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung,
insbesondere die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Besetzung
der ausgeschriebenen Notarstellen, nicht ausdrücklich geprüft beziehungsweise
erörtert hat. Die Klägerin macht selbst nicht geltend, dass die für den Präsidenten
des Oberlandesgerichts bei der Auswahlentscheidung handelnde Richterin
am Oberlandesgericht Dr. W. nicht für die Auswahlentscheidung zuständig
und der Bescheid aus diesem Grunde rechtswidrig gewesen sei; dass
dies der Fall gewesen sein könnte, ist auch nicht ersichtlich. Die Klägerin hat
damit die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung mit ihrer Antragsbegründung
nicht nachvollziehbar in Frage gestellt.
bb) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht wird die Richtigkeit der Entscheidung
durch die Antragsschrift nicht in Zweifel gezogen.
(1) Zum Anwaltsnotar soll nach
werden, wer nachweist, dass er seit mindestens drei Jahren ohne Unterbrechung
in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich tätig war. Diese Voraussetzung
einer örtlichen Wartezeit soll nicht nur sicherstellen, dass der Bewerber mit
den örtlichen Verhältnissen vertraut ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 26. November
2012 - NotZ (Brfg) 6/12,
2001 - NotZ 17/01,
Zweck zu gewährleisten, dass der Bewerber gerade im künftigen Amtsbezirk die
erforderlichen organisatorischen und wirtschaftlichen Grundlagen für die angestrebte
Notarpraxis gelegt hat, so dass die Voraussetzungen für seine persönliche
Unabhängigkeit geschaffen sind (BT-Drs. 11/6007 S. 10 und BT-Drs.
16/11906 S. 13; Senat, Beschlüsse vom 22. März 2021 - NotZ (Brfg) 9/20, juris
Rn. 10 mwN; vom 26. November 2012 aaO und vom 3. Dezember 2001 aaO
mwN; Urteil vom 5. März 2012 - NotZ (Brfg) 14/11,
in Schippel/Görk, BNotO aaO § 6 Rn. 36 f.; Frenz in Frenz/Miermeister, BNotO
aaO § 6 Rn. 14 mwN; Bormann in Diehn, BNotO, 2. Aufl., § 6 Rn. 20).
(2) Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen weder hinsichtlich der Regelung
des
Auslegung durch den Senat. Dies entspricht der ständigen, vom Bundesverfassungsgericht
nicht beanstandeten Rechtsprechung des Senats (zB Senat, Beschlüsse
vom 19. November 2018 - NotZ (Brfg) 6/18,
vom 14. März 2016 - NotZ (Brfg) 5/15,
2011 - NotZ (Brfg) 6/10,
2008 - NotZ 10/08,
1935, 1936 Rn. 66 ff., 72 f.;
Bormann in Diehn, BNotO aaO; Görk in Schippel/Görk, BNotO aaO Rn. 37).
Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung über die örtliche Wartezeit (§ 6
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO aF), insbesondere deren Geeignetheit, Erforderlichkeit
und Verhältnismäßigkeit, wird durch die Ausführungen der Klägerin nicht in
Frage gestellt.
Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
BNotO aF von dem ihm zustehenden Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht
(vgl. hierzu näher z.B. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR
781/21 u.a., juris Rn. 185 ff. mwN;
556, 557). Ein Einschätzungs-, Wertungs- und Prognosespielraum kommt dem
Gesetzgeber dabei nicht nur für die Frage der Geeignetheit einer Maßnahme zu,
sondern auch für ihre Erforderlichkeit (BVerfG, Beschluss vom 19. November
2021 aaO Rn. 185 ff., 214). In diesem ihm gesetzten Rahmen hat sich der Gesetzgeber
gehalten; es stand ihm frei, zur Sicherstellung einer nachhaltigen Versorgung
der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen als Teil der vorsorgenden
Rechtspflege eine dreijährige Zeit der anwaltlichen Tätigkeit des Bewerbers
im künftigen Notariatsbezirk für die Bestellung als Anwaltsnotar zu verlangen.
Seine Grenzen findet der Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des
Gesetzgebers bei der Frage der Geeignetheit erst dort, wo die Regelung zur Erreichung
des verfolgten legitimen Zwecks objektiv untauglich oder schlechthin
ungeeignet ist (vgl. BVerfG, WM 2009 aaO; NJW 1984 aaO). Dies ist bei der
Regelung in
nicht der Fall.
Die von der Klägerin hiergegen vorgebrachten Argumente, die der Senat
vollumfänglich geprüft hat, stellen dies ebenso wenig in Frage wie die Erforderlichkeit
der Regelung und deren Verhältnismäßigkeit; sie begründen auch keine
Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung mit
Gleichheitssatz (
angeführte Gesichtspunkte rechtspolitisch erwägenswert sein. Sie sind jedoch
nicht geeignet, dem Senat entgegen seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung
die gemäß
der Gesetzgeber habe mit der Statuierung der örtlichen Wartezeit den ihm zustehenden
Gestaltungsspielraum überschritten oder auf andere Weise Verfassungsrecht
verletzt. Auch für eine Unvereinbarkeit von § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
BNotO aF mit dem Recht der Europäischen Union ist nichts ernstlich ersichtlich.
(3) Die nach
Wartezeit hat die Klägerin verfehlt, nachdem diese ihren Kanzleisitz erst im Mai
2020 in den Notariatsbezirk verlegt hat.
Zutreffend hat der Notarsenat des Oberlandesgerichts auch angenommen,
dass die Voraussetzungen für ein ausnahmsweises Absehen von der örtlichen
Wartezeit mit Blick auf die Klägerin nicht vorlagen.
(3.1)
damit der Landesjustizverwaltung kein uneingeschränktes Ermessen. Vielmehr
sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dem Ermessen enge Grenzen
gesetzt. Die Bestellung eines Bewerbers, der die örtliche Wartezeit nicht erfüllt,
ist auf seltene Ausnahmefälle beschränkt. Sie kommt nur in Betracht, wenn
angesichts eines ganz außergewöhnlichen Sachverhalts die Abkürzung der Regelzeit
aus Gerechtigkeitsgründen oder aus Bedarfsgründen zwingend erscheint
(Senat, Beschlüsse vom 19. November 2018 aaO Rn. 3; vom 14. März 2016 aaO
Rn. 11; vom 26. November 2012 - NotZ (Brfg) 6/12 aaO Rn. 17; vom 26. November
2012 - NotZ (Brfg) 7/12, juris Rn. 12; vom 17. November 2008 aaO Rn. 29;
vom 24. Juli 2006 - NotZ 13/06,
aaO). Zudem muss den Zwecken der örtlichen Wartezeit, wenn auch auf andere
Weise, in jedem Fall genügt sein (Senat, Beschlüsse vom 19. November 2018
aaO; vom 14. März 2016 aaO; vom 26. November 2012 - NotZ (Brfg) 6/12 aaO
Rn. 19; vom 24. Juli 2006 aaO und vom 3. Dezember 2001 aaO). Je kürzer die
Dauer der hauptberuflichen anwaltlichen Tätigkeit in dem in Aussicht genommenen
Amtsbereich ist, umso strikter sind die Ausnahmen zu handhaben (vgl. hierzu
Senatsbeschlüsse vom 19. November 2018 aaO Rn. 5 und vom 24. Juli 2006
aaO Rn. 13 ff.).
(3.2) Schon mit Blick darauf, dass die Klägerin die Anforderungen der gesetzlich
vorgesehenen örtlichen Wartezeit mit nur etwa einem Monat anwaltlicher
Tätigkeit im Notariatsbezirk bei Weitem verfehlt, ist nicht zu beanstanden, dass
die Beklagte und mit ihr das Oberlandesgericht angenommen haben, dass ein
Ausnahmefall, in dem von der örtlichen Wartezeit abgesehen werden könnte,
nicht vorliege. Dass sich die Klägerin in dieser kurzen Zeit mit den örtlichen Verhältnissen
vertraut gemacht haben könnte, hat sie bereits nicht dargelegt.
Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen aber auch nicht etwa deshalb,
weil - so die Klägerin - die Beklagte nicht ausreichend geprüft habe, ob sie,
die Klägerin, obwohl sie die örtliche Wartezeit nicht erreicht hat, nach gebotener
Gesamtwürdigung die organisatorischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen
für einen geordneten Notariatsbetrieb erfülle. Allein der Umstand, dass die Klägerin
einen Monat vor Ende der Bewerbungsfrist in Bürogemeinschaft mit einem
Anwaltsnotar getreten ist, rechtfertigt diese Annahme nicht. Denn die kurze
Dauer der Tätigkeit der Klägerin in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich
gewährleistet gerade nicht, dass eine eingespielte Kanzleiorganisation als
Grundlage für den künftigen Notariatsbetrieb geschaffen ist und die rechtsanwaltliche
Tätigkeit der Klägerin in diesem Bezirk auch wirtschaftlich eine tragfähige
Grundlage für den beginnenden Notariatsbetrieb bietet. Im Gegenteil stellt sich
die mit einem Ortswechsel des Kanzleisitzes verbundene Situation regelmäßig
als fragil und herausfordernd dar, so dass bei einer derart kurzen Tätigkeit im
Bereich des in Aussicht genommenen Amtssitzes - ungeachtet der Vermögensverhältnisse
des Bewerbers - regelmäßig gerade nicht davon ausgegangen werden
kann, dass die von
erreicht sind.
Dass vorliegend ausnahmsweise auch ohne längerfristig erprobte Kooperation
mit dem in Bürogemeinschaft stehenden Anwaltsnotar bei Ablauf der Bewerbungsfrist
eine stabile und damit verlässliche organisatorische Grundlage für
das Notariat geschaffen war, ist nicht erkennbar. Dass die von der Klägerin am
neuen Kanzleisitz aufgenommene Anwaltstätigkeit absehbar eine ausreichende
und stabile wirtschaftliche Grundlage für den künftigen Notariatsbetrieb gewährleisten
könne, hat die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt; ihre allgemeinen
Ausführungen zur möglichen Treue eines anwaltlichen Mandantenstamms besagen
hierüber nichts.
(3.3) Dass genügend geeignete Bewerber vorhanden sind, ergibt sich bereits
aus dem eigenen Vortrag der Klägerin, wonach die Beigeladene die notarielle
Fachprüfung bestanden und eine Bewertung von 4,55 Punkten erreicht hat;
Anhaltspunkte für eine dennoch fehlende fachliche Eignung der Beigeladenen
bringt die Klägerin nicht vor und sind auch nicht ersichtlich. Das Erreichen der
örtlichen Wartezeit der Beigeladenen ist durch die von der Beklagten eingeholten
Auskünfte belegt. Das Vorhandensein der für den Notariatsbetrieb erforderlichen
wirtschaftlichen und organisatorischen Grundlagen ist durch das Erfüllen der örtlichen
Wartezeit indiziert; besondere Nachforschungen waren mangels Vorliegens
konkreter Anhaltspunkte für das Fehlen dieser Grundlagen mit Blick auf die
Beigeladene nicht geboten.
(3.4) Ebenso zutreffend sind die Beklagte und das Oberlandesgericht davon
ausgegangen, dass die Klägerin mit inzwischen auf 7,38 Punkte korrigierter
Wertungspunktzahl keine derart überragende fachliche Qualifikation aufweist, als
dass ein Absehen von der örtlichen Wartezeit ausnahmsweise gerechtfertigt
wäre. Die mangels Erreichens der örtlichen Wartezeit bei der Klägerin fehlende
Ernennungsvoraussetzung wird durch die in ihrer Bewertungspunktzahl zum
Ausdruck gekommene bessere fachliche Qualifikation im Vergleich zu der Beigeladenen
nicht vollständig ausgeglichen.
Nichts Anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der von der Klägerin
absolvierten Fortbildungen, der von ihr übernommenen Vertretungstätigkeit und
der Mitarbeit in einem Anwaltsnotariat. Dass das Oberlandesgericht diesen Gesichtspunkten
keine derart große Bedeutung beigemessen und deshalb die Qualifikation
der Klägerin als nicht so hoch bewertet hat, dass diese trotz des deutlichen
Verfehlens der örtlichen Wartezeit hätte berücksichtigt werden können, begegnet
keinen durchgreifenden Bedenken. In der gebotenen Gesamtschau
- auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin absolvierten Fortbildungen,
der geleisteten Notarvertretung und der sonstigen Qualifikationsmerkmale - weist
die Klägerin keine derart herausragende Eignung auf, als dass ein Abweichen
von der Voraussetzung der örtlichen Wartezeit ausnahmsweise gerechtfertigt
wäre.
Dies gilt ungeachtet der konkreten Eignung der Beigeladenen, weil die
Qualifikation der Klägerin diejenige der Beigeladenen selbst dann nicht derart
übersteigen würde, dass eine Ausnahme von der örtlichen Wartezeit gerechtfertigt
wäre, wenn die Beigeladene neben der von ihr erreichten Wertungspunktzahl
keinerlei zusätzlich erworbene Qualifikationsmerkmale (zusätzliche Fortbildungen,
geleistete Notarvertretungen u.a.) aufwiese. Der Einwand der Klägerin, die
Grundlagen für den Eignungsvergleich beider Bewerberinnen seien mit Blick auf
die Beigeladene nicht hinreichend aufgeklärt worden, greift daher nicht durch.
c) Die Richtigkeit des Urteils ist durch die Ausführungen in der Antragsschrift
auch nicht etwa hinsichtlich der Kostenentscheidung schlüssig infrage gestellt.
Die Klägerin hat bereits keinen tragenden Rechtssatz beziehungsweise
keine konkrete Tatsachenfeststellung, welche die Richtigkeit der Kostenentscheidung
in Zweifel ziehen könnte, mit nachvollziehbaren Argumenten angegriffen.
Ihr Hinweis auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (VG Düsseldorf, Urteil
vom 14. März 2018 - 29 K 6775/16, juris Rn. 12), nach der eine Kostenentscheidung
zu Gunsten eines Beigeladenen nicht veranlasst sei, wenn dieser im Verfahren
keinen Antrag gestellt habe, greift bereits deshalb nicht durch, weil die
Beigeladene mit Schriftsatz vom 21. Juni 2021 (GA S. 188) einen Abweisungsantrag
gestellt hat. Durch die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten mit
der Wahrnehmung ihrer Interessen im Ausgangsverfahren sind der Beigeladenen
außergerichtliche Kosten entstanden, die es ungeachtet einer späteren Teilnahme
an der mündlichen Verhandlung - hierzu ist es ausweislich des Verhandlungsprotokolls
wegen Netzwerkschwierigkeiten nicht gekommen - unter dem
Gesichtspunkt der Billigkeit rechtfertigen, sie der in der Sache unterlegenen Klägerin
aufzuerlegen.
2. Die Zulassung der Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung
der Sache (
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche,
klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage aufwirft, die
sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und die deswegen
das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und
Handhabung des Rechts berührt (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom 20. Juli 2020
- NotZ (Brfg) 2/19,
12/14,
§ 111d Rn. 5; Müller in Frenz/Miermeister, BNotO aaO § 111d Rn. 7; Schenke in
Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 124 Rn. 10 jeweils mwN). Klärungsbedürftig
ist eine Rechtsfrage dabei nur dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang
und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen (zB Senat, Beschluss
vom 14. März 2016 - NotZ (Brfg) 5/15,
mwN).
b) Dies ist hinsichtlich der von der Klägerin in den Fokus gestellten Verfassungsmäßigkeit
der Regelung über die örtliche Wartezeit nicht der Fall. Die
aufgeworfene Frage war wiederholt Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen
und ist abschließend geklärt (siehe oben Nachweise in Nr. 1 Buchst. b bb
Nr. [2]).
Weiterer Klärungsbedarf besteht insoweit - auch unter Berücksichtigung
der von der Klägerin angeführten Entwicklungen in der Rechtswirklichkeit, den
zwischenzeitlichen Änderungen im notariellen Gebührenrecht sowie der Neuregelung
in
päische Recht - nicht. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des ihm eröffneten Gestaltungsspielraums
entschieden, dass für ihn die durch die örtliche Wartezeit
gewährleisteten Eignungsaspekte von zumindest gleichgroßem Gewicht sind,
wie die von der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf
(BT-Drucks. 16/4972 S. 14 und 15) betonte Förderung einer Qualitätssteigerung
in fachlicher Hinsicht. Dies hat er durch die Neuregelung der örtlichen Wartezeit
in
3. Schließlich ist die Zulassung der Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensmangels
(
a) Eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach
die angegriffene Entscheidung beruhen könnte, hat die Klägerin schon nicht
nachvollziehbar dargetan; eine solche ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist
die Eignung der Beigeladenen durch deren Bestehen der notariellen Fachprüfung
und die von ihr erreichte Wertungspunktzahl belegt. Dass die mit der örtlichen
Wartezeit verfolgten Zwecke im Falle der Klägerin nicht anderweitig erreicht sind,
ist ebenfalls belegt und bedurfte daher keiner weiteren Aufklärung.
b) Ein Verfahrensverstoß liegt auch nicht in der Mitwirkung des von der
Klägerin als befangen abgelehnten Vorsitzenden des Notarsenats, Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht Dr. S. .
aa) Die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs stellt eine der Überprüfung
im Berufungszulassungsverfahren entzogene unanfechtbare Vorentscheidung
dar (zB: Senatsbeschluss vom 15. November 2021 - NotZ (Brfg) 3/21, juris
Rn. 15 mwN). Die Rüge der unrichtigen Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs
ist daher nur ausnahmsweise beachtlich, wenn die zurückweisende Entscheidung
zugleich gegen
Beschlüsse vom 26. September 2008 - OVG 9 N 100.08, juris Rn. 3 und
vom 24. August 2009 - 5 N 2.08, juris Rn. 3; VGH München, Beschluss vom
6. März 2008 - 15 ZB 07.429, juris Rn. 17; ferner für das Revisionsverfahren
BVerwG,
vom 2. Oktober 2017 - 1 BvR 1574/17, juris Rn. 12 mwN).
bb) Dies ist hier nicht der Fall. Die Begründung, mit der das Ablehnungsgesuch
der Klägerin vom 25. Januar 2021 zurückgewiesen wurde (Beschluss
vom 22. März 2021), und die Begründung des Beschlusses vom 18. Mai 2021,
mit dem in der Folge die diesbezügliche Gegenvorstellung vom 10. Mai 2021 zurückgewiesen
wurde, sind zumindest vertretbar; eine grundsätzlich unrichtige Anschauung
von dem Recht auf den gesetzlichen - unparteilichen und unvoreingenommenen
- Richter (
cc) Auch das weitere Vorbringen der Klägerin zur Befangenheit des Vorsitzenden
des Notarsenats des Oberlandesgerichts (Schriftsatz vom 17. Januar
2022), das sie auf aus der Akteneinsicht gewonnene Erkenntnisse stützt, vermag
aus Sicht eines vernünftigen, besonnenen Verfahrensbeteiligten (vgl. zum Maßstab
der Befangenheit zB BGH, Beschluss vom 25. März 2021 - III ZB 57/20, WM
2021, 1109 Rn. 7 mwN) eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden des
Notarsenats weder mit Blick auf jeden einzelnen Aspekt gesondert noch in der
gebotenen Gesamtschau zu begründen.
c) Ein Verfahrensfehler liegt schließlich auch nicht darin, dass Notar
Dr. L. vor der mündlichen Verhandlung mit dem Verfahren befasst war, ob-
wohl dessen Sozius, Rechtsanwalt Wi. , die Beigeladene vertritt. Die Entscheidung
beruht jedenfalls nicht auf einem Verfahrensmangel in dem Sinne,
dass mit Notar Dr. L. ein nach
VwGO,
ausgeschlossener oder zumindest nach
Richter am Verfahren mitgewirkt hat. Denn Herr Dr. L. war an der mündlichen
Verhandlung und dem darauf ergangenen Urteil nicht beteiligt. Auch für
eine mittelbare Beeinflussung der verfahrensabschließenden Entscheidung
durch die vorherige Mitwirkung des Notars hat die Klägerin nichts Duchgreifendes
vorgebracht und ist auch sonst nichts ersichtlich.
d) Mit ihrem Einwand, sie könne nicht erkennen, dass der Notarsenat mit
den das Urteil unterzeichnenden Richtern richtig besetzt gewesen sei, legt die
Klägerin einen Verfahrensfehler nicht schlüssig dar.
e) Soweit die Klägerin in ihrem nach Ablauf der Begründungsfrist eingereichten
Schriftsatz beanstandet, dass ihr drei Schriftsätze der Beklagten vom
Notarsenat des Oberlandesgerichts nicht zur Kenntnis gegeben worden seien,
ist hiermit ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel im Sinne einer Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör (
gemacht noch schlüssig dargetan. Die Klägerin hat eine Verletzung ihres rechtlichen
Gehörs nicht ausdrücklich beanstandet. Vor allem aber hat sie nicht mitgeteilt,
was sie im Falle der Zuleitung der Schriftsätze der Beklagten vorgetragen
hätte. Dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des rechtlichen
Gehörs der Klägerin beruhen könnte, ist daher nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf
mit
der Hauptsache unterlegenen Klägerin die außergerichtlichen Kosten der anwaltlich
vertretenen Beigeladenen, die sich schriftsätzlich am Zulassungsverfahren
beteiligt hat, aufzuerlegen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:14.03.2022
Aktenzeichen:NotZ (Brfg) 10/21
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BNotO a. F. § 6 Abs. 2 Nr. 2