BFH 25. September 2018
IX R 35/17
EStG §§ 2, 8, 9, 11, 21; AO §§ 180, 182

Ergebniszuweisung einer vermögensverwaltenden GbR bei Gesellschafterwechsel

letzte Aktualisierung: 15.2.2019
BFH, Urt. v. 25.9.2018 – IX R 35/17

EStG §§ 2, 8, 9, 11, 21; AO §§ 180, 182
Ergebniszuweisung einer vermögensverwaltenden GbR bei Gesellschafterwechsel

Eine Änderung des bisher gültigen Ergebnisverteilungsschlüssels einer vermögensverwaltenden
GbR dahin, dass dem während des Geschäftsjahres der GbR eintretenden Gesellschafter der auf
den Geschäftsanteil fallende Einnahmen- oder Werbungskostenüberschuss für das gesamte
Geschäftsjahr zugerechnet werden soll, ist steuerrechtlich anzuerkennen, wenn diese vom
Beteiligungsverhältnis abweichende Ergebnisverteilung für die Zukunft getroffen worden ist und alle
Gesellschafter zustimmen. Die abweichende Ergebnisverteilung muss ihren Grund im
Gesellschaftsverhältnis haben und darf nicht rechtsmissbräuchlich sein.

Entscheidungsgründe

II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist zu
Recht davon ausgegangen, dass in dem Vertrag vom 22. Oktober 1997 eine steuerrechtlich wirksame Zuweisung von
künftigen Überschüssen vereinbart worden ist, die dazu führt, dass der in Rede stehende Anteil am
Werbungskostenüberschuss für das Streitjahr dem Kläger zuzurechnen ist.

1. Gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG gesondert und
einheitlich festzustellen, wenn daran mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen zuzurechnen sind.
Dies ist bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Fall, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich den
Tatbestand der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) verwirklichen und dadurch Einkünfte erzielen (Urteil des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. April 1987 IX R 103/85, BFHE 150, 124, BStBl II 1987, 707, m.w.N.). Dies ist
insbesondere --wie im Streitfall-- bei einer vermögensverwaltenden GbR gegeben.

a) Die GbR ist für die Einkommensteuer insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie in der gesamthänderischen
Verbundenheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestands verwirklicht, welche den
Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni
1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.III.3.a; BFH-Urteil vom 18. Mai 2004 IX R 42/01, BFH/NV
2005, 168). Solche Merkmale sind insbesondere die Verwirklichung des Tatbestands einer bestimmten Einkunftsart
und das Erzielen von Gewinn oder Überschuss im Rahmen dieser Einkunftsart. Für die Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung bedeutet dies, dass zu den Einkünften der Gesellschafter einer Immobilien-GbR die Anteile am
Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten gehören, welche die GbR erzielt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6,
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 21 EStG; vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751,
unter C.III.3.a aa (2)). Hinzu kommen Sondereinnahmen und Sonderwerbungskosten der einzelnen Gesellschafter.
Grundlage für die Ermittlung dieses Überschusses ist eine Zusammenstellung der Einnahmen und der
Werbungskosten, welche bei der GbR zu- und abgeflossen sind (§§ 8, 9, 11 EStG). Das Ergebnis ist den einzelnen
Gesellschaftern anteilsmäßig zuzurechnen. Für die Besteuerung maßgeblich ist nur die Zurechnung des Ergebnisses
aus der steuerrechtlich erheblichen Betätigung der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Das ist
der sich aus zugeflossenen Einnahmen und abgeflossenen Werbungskosten ergebende Überschuss. Gleiches gilt für
den Anteil eines Gesellschafters am Ergebnis in Gestalt eines Überschusses abgeflossener Werbungskosten über
zugeflossene Einnahmen.

b) Für die Verteilung des Einnahmen- und des Werbungskostenüberschusses der GbR, d.h. für die Bestimmung des
Teilbetrags vom Einnahmen- oder Werbungskostenüberschuss der Gesellschaft, der dem einzelnen Gesellschafter
einkommensteuerrechtlich als Ergebnisanteil zuzurechnen ist, ist grundsätzlich der zivilrechtliche Verteilungsschlüssel
maßgeblich, so wie sich dieser für den Einzelfall aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages der GbR ergibt.
Die Ermittlung des Einnahmen- oder Werbungskostenüberschusses erfolgt danach regelmäßig für das Geschäftsjahr,
das im Zweifel das Kalenderjahr darstellt. Dementsprechend ist bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
die Ermittlung des Überschusses aus der Zusammenstellung der Einnahmen und der Werbungskosten für das
Kalenderjahr vorzunehmen. Der dem einzelnen Gesellschafter einer Immobilien-GbR zuzurechnende Anteil am
Überschuss steht daher erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums fest. Soweit der Senat in Rz 52 des Beschlusses
vom 19. August 1986 IX S 5/83 (BFHE 147, 453, BStBl II 1987, 212, unter II.3.) eine andere Rechtsauffassung
vertreten hat, nämlich dass der Überschuss nur den Personen zugerechnet werden kann, die im Zeitpunkt des
Zuflusses der Einnahmen oder des Abflusses von Ausgaben Gesellschafter waren, hält er daran aus den
dargestellten Gründen nicht mehr fest.

c) Eine Änderung des bisher gültigen Ergebnisverteilungsschlüssels der GbR mit der Maßgabe, dass dem während
des Geschäftsjahres der GbR eintretenden Gesellschafter der auf den Geschäftsanteil fallende Einnahmen- oder
Werbungskostenüberschuss für das gesamte Geschäftsjahr, d.h. ohne eine zeitanteilige Berücksichtigung des Anteils
des ausgeschiedenen Gesellschafters zugerechnet wird, ist danach steuerrechtlich anzuerkennen, wenn diese vom
Beteiligungsverhältnis abweichende Ergebnisverteilung für die Zukunft getroffen worden ist und wenn ihr alle
Gesellschafter zustimmen. Die abweichende Ergebnisverteilung muss ihren Grund im Gesellschaftsverhältnis haben
und darf nicht rechtsmissbräuchlich sein.

d) Die Auslegung der Verträge obliegt dem FG als Tatsacheninstanz; wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB
entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist, bindet sie den
Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 22. Mai 2007 IX R 22/06, BFH/NV
2007, 1836; vom 25. Februar 2009 IX R 76/07, BFH/NV 2009, 1268).
20 2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht entschieden, dass der in Rede stehende Anteil am
Werbungskostenüberschuss dem Kläger zuzurechnen war.

a) Die Würdigung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es folgert diese Zurechnung aus einem
Vergleich der Rechtspositionen in den Fällen des vertragsgerechten Verhaltens des Klägers, d.h. der
Kaufpreiszahlung im Jahr 1997 und damit einem Übergang des Gesellschaftsanteils auf den Kläger in diesem Jahr,
und des im Streitfall gegebenen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers. Bei vertragsgerechtem Verhalten wäre nur
dem Kläger und nicht dem Beigeladenen zu 1 für das Streitjahr ein Einnahme- oder Werbungskostenüberschuss
zuzuweisen gewesen. Für den Fall des vertragsgerechten Verhaltens mussten die Vertragsparteien im Vertrag vom
22. Oktober 1997 somit keine ausdrückliche Regelung dahin gehend treffen, dass der Einnahme- bzw.
Werbungskostenüberschuss des Jahres 1998 dem Kläger zuzurechnen sei. Bei vertragswidrigem Verhalten des
Klägers sollte die vorgenannte Ergebnisverteilung nach dem Willen der Vertragsparteien gelten, wenn sich der Kläger
zwar vertragswidrig verhalten und erst verspätet zahlen würde, der Vertrag aber dennoch mangels Rücktritt des
Beigeladenen zu 1 (§ 3 Ziffer 6 des Vertrages) vollzogen werden würde. Die Vertragsbeteiligten haben für den Fall der
verspäteten Kaufpreiszahlung keine abweichende Regelung für die Ergebnisverteilung getroffen. Dieser Umstand
lässt darauf schließen, dass die Ergebnisverteilung wie bei vertragsgerechtem Verhalten erfolgen sollte. Ohne diese
Ergebnisverteilung wäre der Kläger nicht bereit gewesen, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen.

Ohne Erfolg weist der Beigeladene zu 1 darauf hin, dass er im April 1998 als Gesamtschuldner die Forderung einer
Gläubigerin gegen die GbR in Höhe von 429,06 DM beglichen hat. Denn der Kläger und die Beigeladenen zu 2 und 3
haben sich in § 3 Ziffer 2 des Vertrages vom 22. Oktober 1997 ausdrücklich verpflichtet, den Beigeladenen zu 1 "aus
jeder Inanspruchnahme für sonstige Gesellschaftsschulden freizustellen". Daran ist zu erkennen, dass auch eine
Inanspruchnahme des Beigeladenen zu 1 als Gesamtschuldner oder wegen einer Nachhaftung nicht zu einer
Änderung der Ergebnisverteilung, sondern nur zu einem schuldrechtlichen Freistellungsanspruch gegen die anderen
Vertragsbeteiligten führen sollte. Der Kläger und die Beigeladenen zu 2 und 3 trugen daher wirtschaftlich im Streitjahr
die Belastung.

Vor diesem Hintergrund ist die vom FG auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen aus einer Gesamtschau
aller maßgeblichen Sachverhaltsumstände vorgenommene Vertragsauslegung jedenfalls möglich. Das FG verstößt
nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

b) Anders als das FA und der Beigeladene zu 1 meinen, ist die am 22. Oktober 1997 vereinbarte Ergebnisverteilung
auch steuerrechtlich anzuerkennen, weil diese mit Zustimmung aller Gesellschafter für die Zukunft getroffen worden
ist und ihren Grund im Gesellschaftsverhältnis hat. Es liegt im Interesse der vermögensverwaltenden Gesellschaft,
dass Altgesellschafter auf Verlustzuweisungen zugunsten neuer Gesellschafter verzichten, um hierdurch einen Anreiz
für den Beitritt neuer Gesellschafter und damit einen Anreiz zur Zuführung neuen Kapitals zu schaffen (vgl. BFH-Urteil
vom 17. März 1987 VIII R 293/82, BFHE 149, 454, BStBl II 1987, 558, unter II.4.d, zur GmbH & Co KG mit Einkünften
aus Gewerbebetrieb).

Der Senat kann mangels Entscheidungserheblichkeit im Streitfall offenlassen, ob bei einer vermögensverwaltenden
Personengesellschaft mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch eine Änderung der Ergebnisverteilung
während des Geschäftsjahres mit schuldrechtlicher Rückbeziehung auf den Beginn des Geschäftsjahres steuerlich
anzuerkennen wäre (für gewerblich tätige Personengesellschaften verneinend BFH-Urteil vom 7. Juli 1983
IV R 209/80, BFHE 139, 60, BStBl II 1984, 53).

c) Die Höhe des anteiligen Werbungkostenüberschusses steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Der Kläger hat
nämlich nicht den in dem Feststellungsbescheid ausgewiesenen Gesamtüberschuss der Werbungskosten über die
Einnahmen, sondern lediglich dessen anteilige Verteilung auf ihn und den Beigeladenen zu 1 angefochten. Aufgrund
des eingeschränkten Klagebegehrens, an das der Senat gebunden ist (§§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; vgl. BFH-Urteil
vom 1. Dezember 1987 IX R 170/83, BFHE 152, 101, dort unter 7., juris, Rz 37), ist der festgestellte
Gesamtüberschuss, der eine selbständige Besteuerungsgrundlage i.S. von § 157 Abs. 2, § 182 Abs. 1 AO darstellt, in
Bestandskraft erwachsen (vgl. BFH-Urteil vom 31. März 1992 IX R 245/87, BFHE 168, 248, BStBl II 1992, 890,
m.w.N.).

3. Der Antrag des Klägers auf Streitwertfestsetzung ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zu
verwerfen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für einen solchen Antrag ein besonderes
Rechtsschutzbedürfnis vorliegen. Dieses fehlt u.a. dann, wenn sich die Höhe des Streitwerts aus den Anträgen der
Beteiligten eindeutig ermitteln lässt (z.B. BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2010 V R 20/09, BFH/NV 2011, 280, Rz 11,
m.w.N.). Der Streitwert einer Klage gegen die Einkünfteverteilung im Verlustfeststellungsbescheid ist grundsätzlich
typisiert mit 25 % des streitigen Verlustes zu bemessen (vgl. BFH-Beschluss vom 6. September 2001 VIII S 6/01,
BFH/NV 2002, 207).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind
nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten (§ 139 Abs. 4 FGO). Diese haben keine Sachanträge gestellt oder
anderweitig das Verfahren wesentlich gefördert. Der unzulässige Antrag auf Streitwertfestsetzung ist
gerichtsgebührenfrei.

Siehe auch: Pressemitteilung Nr. 2/19 vom 16.1.2019

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

25.09.2018

Aktenzeichen:

IX R 35/17

Rechtsgebiete:

Einkommens- und Körperschaftssteuer

Erschienen in:

NJW 2019, 462-464

Normen in Titel:

EStG §§ 2, 8, 9, 11, 21; AO §§ 180, 182