BGH 22. März 2019
V ZR 105/18
WEG §§ 21 Abs. 7, 23 Abs. 1; BGB § 339 S. 2

Beschlusskompetenz für Vertragsstrafen

letzte Aktualisierung: 14.6.2019
BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 105/18

WEG §§ 21 Abs. 7, 23 Abs. 1; BGB § 339 S. 2
Beschlusskompetenz für Vertragsstrafen

§ 21 Abs. 7 WEG erfasst nicht die Einführung von Vertragsstrafen für Verstöße gegen
Vermietungsbeschränkungen; ein darauf bezogener Mehrheitsbeschluss ist mangels
Beschlusskompetenz nichtig.

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in ZfIR 2018, 833 abgedruckt
ist, verneint eine Zahlungspflicht, weil der als Grundlage dienende Beschluss
vom 5. Juni 2012 wegen fehlender Beschlusskompetenz als nichtig anzusehen
sei. Zwar werde vertreten, dass die den Wohnungseigentümern in
§ 21 Abs. 7 WEG eröffnete Möglichkeit, „Folgen des Verzugs“ durch Beschluss
zu regeln, auch die Einführung von Vertragsstrafen bei einem Verstoß gegen
Vermietungsbeschränkungen erlaube. Dem sei aber nicht zu folgen. Denn ein
Verstoß gegen Unterlassungsverpflichtungen habe nicht den Eintritt des Verzugs,
sondern Unmöglichkeit zur Folge. Ebenso wenig diene die Zahlungspflicht
dem Ausgleich für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Ei-
gentums im Sinne von § 21 Abs. 7 WEG. Sie habe vielmehr - wie sich auch aus
der Staffelung der Beträge ergebe - Strafcharakter.

II.
Diese Ausführungen, die in der Literatur auf Zustimmung gestoßen sind
(Lehmann-Richter, ZfIR 2018, 836; v. Schledorn, ZWE 2018, 330 f.), halten
rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht und mit zutreffender Begründung sieht
das Berufungsgericht den Beschluss vom 5. Juni 2012, aus dem die Klägerin
die Grundlage für die Zahlungspflicht herleitet, mangels Beschlusskompetenz
als nichtig an.

1. Nach § 23 Abs. 1 WEG werden durch Beschlussfassung solche Angelegenheiten
geordnet, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder
nach einer Vereinbarung die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden
können. Andernfalls bedarf es einer Vereinbarung. Ist eine Angelegenheit
weder durch das Wohnungseigentumsgesetz noch durch Vereinbarung der Beschlussfassung
unterworfen, fehlt es der Wohnungseigentümerversammlung an
der Beschlusskompetenz. Ein dennoch gefasster Beschluss ist nichtig (vgl. Senat,
Beschluss vom 20. September 2000 - V ZB 58/99, BGHZ 145, 158, 166 f.;
Urteil vom 13. Oktober 2017 - V ZR 305/16, NJW 2018, 1254 Rn. 6).
2. Als Grundlage für die Beschlusskompetenz kommt hier nur § 21
Abs. 7 WEG in Betracht. Dieser Vorschrift zufolge können die Wohnungseigentümer
die Regelung der Art und Weise von Zahlungen, der Fälligkeit und der
Folgen des Verzugs sowie der Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen
Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit
Stimmenmehrheit beschließen. Ob die seit dem 1. Juli 2007 geltende Vorschrift
und namentlich die Ermächtigung zur Regelung der Folgen des Verzugs als
Grundlage dafür dienen kann, durch Mehrheitsbeschluss eine Vertragsstrafe
bei einem Verstoß gegen Vermietungsbeschränkungen einzuführen, ist allerdings
umstritten. In der Gesetzesbegründung wird dies im Wege einer beispielhaften
Erläuterung befürwortet. Dem ist die Literatur jedoch nur vereinzelt gefolgt
(Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl., § 21 Rn. 179; MüKoBGB/Engelhardt,
7. Aufl., § 21 WEG Rn. 60). Ganz überwiegend werden die Erwägungen der
Gesetzesbegründung in diesem Punkt als Versehen eingeordnet, weil die Einbeziehung
von Unterlassungspflichten mit dem Wortlaut der Vorschrift unvereinbar
sei (Heinemann in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 21 Rn. 115; Vandenhouten
in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 21 Rn. 138; T. Spielbauer in
Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 21 Rn. 79; BeckOK WEG/Müller [1.2.2019],
§ 15 Rn. 91.9; BeckOK WEG/Elzer [1.2.2019], § 21 Rn. 385; Abramenko, ZWE
2012, 386, 388; v. Schledorn, ZWE 2018, 330 f.). Teilweise wird insgesamt in
Abrede gestellt, dass § 21 Abs. 7 WEG als Grundlage für die Einführung von
Vertragsstrafen dienen kann (Schmid, ZWE 2011, 347, 348; dagegen Vandenhouten
in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 21 Rn. 138).

3. Nach Ansicht des Senats erfasst § 21 Abs. 7 WEG nicht die Einführung
von Vertragsstrafen für Verstöße gegen Vermietungsbeschränkungen; ein
darauf bezogener Mehrheitsbeschluss ist mangels Beschlusskompetenz nichtig.
a) Ob § 21 Abs. 7 WEG überhaupt die Beschlusskompetenz für die Einführung
von Vertragsstrafen entnommen werden kann, und wenn ja, unter welchen
Voraussetzungen, bedarf keiner Entscheidung. Auszugehen ist nämlich
von der Überlegung, dass Vertragsstrafen, die auf die Einhaltung von Vermietungsbeschränkungen
bezogen sind, Verstöße gegen eine Unterlassungspflicht
sanktionieren sollen. Der Wohnungseigentümer soll es unterlassen, Vermietun-
gen vorzunehmen, wenn die erforderliche Zustimmung des Verwalters nicht
vorliegt. Fallgestaltungen dieser Art erfasst der Wortlaut des § 21 Abs. 7 WEG
eindeutig nicht. Soweit den Wohnungseigentümern in § 21 Abs. 7 Alt. 1 WEG
erlaubt wird, „die Art und Weise von Zahlungen, der Fälligkeit und der Folgen
des Verzugs“ durch Stimmenmehrheit zu regeln, spricht schon viel dafür, dass
sich diese Fallgruppe nur auf Zahlungspflichten bezieht (so Lehmann-Richter,
ZfIR 2018, 336). Unterlassungspflichten werden jedenfalls nicht erfasst. Insoweit
geht es nämlich nicht um eine Regelung von Verzugsfolgen, weil ein Verstoß
gegen eine Unterlassungspflicht in der Regel - und so auch hier - nicht den
Eintritt des Verzugs, sondern die Unmöglichkeit zur Folge hat (näher Staudinger/
Löwisch/Feldmann, BGB [2014], vor §§ 286-292 Rn. 21 f.). Aus diesem
Grund knüpft die Verwirkung einer Vertragsstrafe im Falle einer Unterlassungspflicht
gemäß § 339 Satz 2 BGB gerade nicht an den Verzug, sondern an die
Zuwiderhandlung an (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1972 - II ZR 101/70, NJW
1972, 1893, 1895). Dementsprechend enthält der Beschluss vom 5. Juni 2012
- wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt - keine Regelung über Verzugsfolgen;
vielmehr ist die Vertragsstrafe mit der Zuwiderhandlung (nämlich
dem Abschluss des Mietvertrags ohne die erforderliche Zustimmung der Verwalterin)
verwirkt.

b) Zu Recht sieht das Berufungsgericht § 21 Abs. 7 WEG auch insoweit
nicht als einschlägig an, als über die Kosten für eine besondere Nutzung des
gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand
mit Stimmenmehrheit beschlossen werden kann. Die Zahlungspflicht knüpft offenkundig
weder an eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums
noch an einen besonderen Verwaltungsaufwand an. Sie hat vielmehr
Strafcharakter und soll die Wohnungseigentümer dazu anhalten, ihrer Pflicht
zur Einholung der Zustimmung nachzukommen.

c) Da § 21 Abs. 7 WEG nach seinem Wortlaut eindeutig nicht anwendbar
ist, lässt sich ein anderes Ergebnis mit der von der Revision vornehmlich herangezogenen
Gesetzesbegründung nicht rechtfertigen. Dort ist lediglich ein unglückliches
Beispiel gewählt worden. Ohne Erfolg verweist die Revision darauf,
dass der Senat die Anwendung von § 21 Abs. 7 WEG auf Umzugskostenpauschalen
unter Heranziehung der Gesetzesbegründung gebilligt hat (Senat, Urteil
vom 1. Oktober 2010 - V ZR 220/09, ZMR 2011, 141 Rn. 8). Denn Umzugskostenpauschalen
lassen sich - anders als Vertragsstrafen der in Rede stehenden
Art - als „Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums“
im Sinne von § 21 Abs. 7 Alt. 2 WEG einordnen (eingehend Senat,
Urteil vom 1. Oktober 2010 - V ZR 220/09, ZMR 2011, 141 Rn. 9).

d) In der Sache kann Verstößen gegen vereinbarte Vermietungsbeschränkungen
durch den vorbeugenden Unterlassungsanspruch begegnet werden.

Von dieser Möglichkeit haben die Wohnungseigentümer hier (mit dem
nicht mehr in die Revisionsinstanz gelangten Teil des Klagebegehrens) erfolgreich
Gebrauch gemacht. Damit ist im Wiederholungsfall die Grundlage für die
Verhängung eines Ordnungsgelds gelegt.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

22.03.2019

Aktenzeichen:

V ZR 105/18

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

ZNotP 2019, 245-246
NJW 2019, 1673
ZWE 2019, 282-283

Normen in Titel:

WEG §§ 21 Abs. 7, 23 Abs. 1; BGB § 339 S. 2