Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen; Konvergenzgebot; Erfordernis der Nennbetragsanpassung; Wirksamkeit eines isolierten Einziehungsbeschlusses; Alt- und Neufälle
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Dokumentnummer: 11017R
letzte Aktualisierung: 10.2.2012
OLG München, 21.9.2011 u. 15.11.2011 - 7 U 2413/11
GmbHG §§ 5 Abs. 3 S. 2, 34;
Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen; Konvergenzgebot; Erfordernis der
Nennbetragsanpassung; Wirksamkeit eines isolierten Einziehungsbeschlusses; Alt- und
Neufälle
1. Das Konvergenzgebot gem.
Geschäftsanteilen gem.
2. Ein Verstoß gegen
Einziehungsbeschlusses nach
547; LG Neubrandenburg
Tenor
Hinweis gemäß
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom
09.05.2011, Az. 15 HK O 20510/10, durch einstimmigen Beschluss gemäß
zurückzuweisen.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 13.10.2011.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche
Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher
Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich.
Das Landgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Insoweit wird zunächst auf
die Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils (Bl. 113/118 d.A.) Bezug genommen.
Ergänzend wird zu den Berufungsrügen auf Folgendes hingewiesen:
1. Die Anwendbarkeit des Korrespondenzgebots (
zwangsweisen Einziehung von Geschäftsanteilen wird bislang von der untergerichtlichen
Rechtsprechung (etwa LG Essen
1214), auf die sich auch das Erstgericht beruft, sowie der wohl herrschenden
Literaturmeinung (etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, 17. Aufl. 2009, § 5 Rdnr. 6; Gehrlein,
Der Konzern 2007, 771, 774; Greitemann, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 2011, § 34 Rdnr.
59; Katschinski/Rawert,
bejaht. Soweit hieran Kritik geäußert wird (etwa Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck,
GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 5 Rdnr. 10 und § 34 Rdnr. 17a/b, die aber auf die Möglichkeiten
der gleichzeitigen Aufstockung, Neubildung oder Kapitalherabsetzung verweisen; deutlicher
Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34 Rdnr. 73/74, und Casper, in:
GmbHG Großkommentar, Erg.-Band MoMiG, 2010, § 5 Rdnr. 14; gänzlich ablehnend
Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 34 Rdnr. 3), wird regelmäßig angeführt, dass der
Gesetzgeber gegenüber der bisherigen Rechtslage eine Änderung nicht wollte. Dagegen
spricht neben dem eindeutigen Wortsinn des
Formulierung in der Begründung des Gesetzentwurfs (BTags-Drs. 16/6140, Seite 31), die wie
folgt lautet:
"Bei der Einziehung des Geschäftsanteils eines anderen Gesellschafters gemäß § 34 bleibt
daher das Stammkapital gleich, obwohl sich die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile
aufgrund der Einziehung des einen Geschäftsanteils verringert. Ein solches Auseinanderfallen
der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile und des Nennbetrags des Stammkapitals ist
künftig im Gegensatz zum geltenden Recht unzulässig. Die Zulässigkeit einer Abweichung
der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile vom Nennbetrag des Stammkapitals im
gefassten § 5 Abs. 3 Satz 2 unzulässige Abweichung zu vermeiden, bleibt den Gesellschaftern
die Möglichkeit, die Einziehung mit einer Kapitalherabsetzung zu verbinden, die Summe der
Nennbeträge der Geschäftsanteile durch eine nominelle Aufstockung an das Stammkapital
anzupassen oder einen neuen Geschäftsanteil zu bilden."
Hiervon und damit von der herrschenden Meinung abzuweichen sieht der Senat auch im
Hinblick auf die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten keinen Anlass.
2. Im Ergebnis liegen auch die materiellen Voraussetzungen für eine Einziehung nicht vor.
Danach kann ein wichtiger Grund erst bei nachhaltigen groben Pflichtverletzungen
angenommen werden, die so schwer wiegen müssen, dass nach einer umfassenden
Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine andere
Lösung den übrigen Gesellschaftern nicht zumutbar ist (vgl. BGH
Dabei muss der wichtige Grund in der Person des Gesellschafters selbst vorliegen, selbst
wenn er nur Treuhänder ist (so der Senat im Urteil vom 08.01.1997, veröffentlicht in: BB
1997, 491/492; Heck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, a.a.O., § 34 Rdnr. 10). Soweit
die Gründe das Verhalten des Geschäftsführers betreffen, genügt in der Regel dessen
Abberufung. Eine Einziehung kommt nur als ultima ratio in Betracht.
Diese Einziehungsvoraussetzungen sind nicht hinreichend dargetan. Die Vorwürfe der
Berufungskläger gegen den Kläger betreffen im Wesentlichen den Zeitraum vor der
Beendigung des Geschäftsführerdienstverhältnisses des Herrn B. bei der Beklagten. Soweit es
um etwaige Pflichtverletzungen des Klägers im Zeitraum danach geht, rechtfertigen diese
nach Abwägung aller Umstände eine zwangsweise Einziehung der Geschäftsanteile nicht.
Der Senat regt aus Kostengründen eine Rücknahme der Berufung an.
I. Die Berufung der Nebenintervenienten gegen das Endurteil des Landgerichts München I
vom 9.5.2011 (Az.: 15 HK O 20110/10) wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Nebenintervenienten je zur Hälfte.
III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.000,- € festgesetzt.
IV. Das genannte Endurteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung der Nebenintervenienten konnte durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 II
ZPO zurückgewiesen werden, da sie nach einstimmiger Meinung des Senats offenbar keine
Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die
Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Eine mündliche Verhandlung ist nicht
erforderlich, da eine existentielle Bedeutung der Sache für die Verfahrensbeteiligten nicht
ersichtlich ist.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil wird Bezug genommen.
Änderungen und Ergänzungen sind nicht veranlasst.
Auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 21.9.2011 wird Bezug genommen. Aus den dort
näher ausgeführten Gründen, in denen auf das Berufungsvorbringen der Nebenintervenienten
im einzelnen eingegangen wird, sieht der Senat die Berufung als nicht begründet an. Den
Berufungsführern wurde Gelegenheit zur Äußerung auf die Hinweise bis zum 19.10.2011
gegeben, eine Stellungnahme erfolgte mit Schriftsatz vom 19.10.2011. Die hiermit erhobenen
Einwände der Berufungsführer geben zu keiner von der im Hinweis geäußerten Rechtsansicht
abweichenden Beurteilung Anlass. Lediglich ergänzend ist folgendes anzumerken.
1.
Der Senat hält auch im Lichte der neuen Rechtsausführungen der Berufungsführer daran fest,
daß ein Verstoß gegen
Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses nach
dagegen vorgebrachte Argument nicht, der Gesetzgeber, der als Ausweg aus dem Dilemma
ausweislich BT-Drucks. 16/6140, S. 31 unter anderem eine Kapitalherabsetzung für möglich
halte, nehme damit wegen
Stammkapital und Summe der Stammeinlagen in Kauf. Denn insoweit sprechen die
Materialien (a.a.O.) nur von der Möglichkeit, die Einziehung mit einer Kapitalherabsetzung
"zu verbinden", was vorliegend nicht geschehen ist. Grundsätzliche Bedeutung kommt der
vorliegenden, umstrittenen Rechtsfrage nicht zu, da ihre Beantwortung für die zu treffende
Entscheidung nicht tragend ist; die Berufung erweist sich schon deshalb als unbegründet, weil
ein Einziehungsgrund nicht hinreichend dargetan ist (vgl. unten 3.).
Auf einen Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften hat der Senat seine im Beschluss
vom 21.9.2011 geäußerte Auffassung nicht gestützt.
3.
Der Senat hält aus den im Beschluss vom 21.9.2011 dargestellten Gründen daran fest, dass die
von den Nebenintervenienten erhobenen Vorwürfe gegen den Kläger die zwangsweise
Einziehung seiner Geschäftsanteile nicht rechtfertigen. Die Ausführungen der
Nebenintervenienten im Schriftsatz vom 19.10.2011 stellen nur eine wertende
Zusammenfassung ihres bisherigen Vortrags dar, ohne neue sachliche und rechtliche
Gesichtspunkte aufzuzeigen.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus
5.
Hinsichtlich des Streitwerts wird auf den Senatsbeschluss vom 3.8.2011 Bezug genommen.
6.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:14.11.2011
Aktenzeichen:7 U 2413/11
Rechtsgebiete:GmbH
Erschienen in: Normen in Titel:Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen; Konvergenzgebot; Erfordernis der Nennbetragsanpassung; Wirksamkeit eines isolierten Einziehungsbeschlusses; Alt- und Neufälle