Grundbuchfähigkeit eines Gemeinschaftswalds nach § 20 Abs. 2 HWaldG; Fähigkeit zum Erwerb eigener Anteile
letzte Aktualisierung: 6.5.2024
OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.9.2022 – 20 W 152/22
HWaldG § 20 Abs. 2
Grundbuchfähigkeit eines Gemeinschaftswalds nach § 20 Abs. 2 HWaldG; Fähigkeit
zum Erwerb eigener Anteile
Ein Gemeinschaftswald nach § 20 Abs. 2 HessWaldG ist als solcher grundbuchfähig. Er kann auch
eigene Anteile erwerben.
Gründe
I.
Im Grundbuch sind als Eigentümer des oben bezeichneten Grundbesitzes, dreier Grundstücke,
die zwei Waldstücke östlich und südlich von Gemeinde1 bilden, diverse Personen mit
„Anteilen“ eingetragen, darunter die Beteiligten zu 2a, 2b und 2c mit insgesamt 1 Anteil, der
Beteiligte zu 3 mit 1 Anteil, die Beteiligte zu 4 mit ½ Anteil, die Beteiligte zu 5 noch unter ihrem
Geburtsnamen A mit ¼ Anteil, die Beteiligte zu 6 mit 1/3 Anteil, der Beteiligte zu 7 mit
1/3 Anteil, die Beteiligte zu 8 mit 1/3 Anteil und die Beteiligte zu 9 noch unter ihrem Geburtsnamen
I mit ½ Anteil.
Bei dem Beteiligten zu 1 handelt es sich ausweislich seiner Satzung (Bl. 30/41 ff. d.A.) um
den Zusammenschluss aller Eigentümerinnen und Eigentümer des oben bezeichneten Grundbesitzes
in Form eines Gemeinschaftswaldes im Sinne des § 20 Abs. 1 HWaldG (§ 1 Abs. 1, 4
der Satzung). Nach § 2 Abs. 1 der Satzung bestehen „an“ dem gemeinschaftlichen Vermögen
des Beteiligten zu 1 insgesamt 51,5 Anteile, deren Eigentümer im Grundbuch eingetragen
sind.
Die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Beteiligten zu 1 obliegt gemäß § 9
Abs. 1 Satz 1 der Satzung dem Vorstand. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 der Satzung setzt sich der
Vorstand aus fünf Mitgliedern zusammen, dem 1. Vorsitzenden, dem 2. Vorsitzenden, dem
Kassenwart, dem Schriftführer und „einem“ Beisitzer. Die Mitglieder werden für vier Jahre gewählt.
Der Vorstand „handelt durch die Person des 1. Vorsitzenden“ (§ 10 Abs. 6 Satz 2 der
Satzung). Gemäß dem Protokoll der Generalversammlung des Beteiligten zu 1 vom
08.04.2016 wurden B zum 1. Vorsitzenden, C zum 2. Vorsitzenden, D und E zu Beisitzern, F
zum Schriftführer und G zur „Kassiererin“ gewählt (Bl. 30/18 ff. d.A.).
Am 19.10.2021 wurde ein notarieller Kaufvertrag beurkundet (UR-Nr. 1849/2021 des Notars
H in Stadt1; Bl. 30/3 ff. d.A.). Käufer ist der Beteiligte zu 1, Verkäufer sind unter anderen die
Beteiligten zu 2 bis 9. Kaufgegenstand sind die „Miteigentumsanteile“ der Verkäufer an dem
oben bezeichneten Grundbesitz. In dem Vertrag wird die Auflassung zu den „Miteigentumsanteilen“
erklärt. Die Verkäufer bewilligen die Eintragung einer Vormerkung für den Beteiligten
zu 1 in das Grundbuch „zu den in der Auflassung angegebenen Anteilen“.
Hintergrund des Vertrages soll sein, dass der Beteiligte zu 1 die Anteile abgabewilliger „Miteigentümer“
„einsammeln“ und an neue „Miteigentümer“ wieder ausgeben will.
Bei Abschluss des Vertrages traten für den Beteiligten zu 1 als dessen Vorstandsmitglieder
auf Herr B, Herr D, Herr F und Frau G. Sie erklärten, auch für den nicht erschienenen Herrn C
als weiteres Vorstandsmitglied zu handeln. Dessen Genehmigung werde nachgereicht. Hinsichtlich
ihrer Vertretungsberechtigung beriefen sie sich auf die Satzung und das Protokoll
vom 08.04.2016. Herr B handelte zugleich als vollmachtloser Vertreter für die Verkäufer. Im
Vertrag heißt es dazu, sofern einer der Verkäufer keine Genehmigung nachreiche, werde der
Vertrag lediglich mit den übrigen Verkäufern durchgeführt. Den Genehmigenden gegenüber
sei der Vertrag wirksam.
Genehmigungen wurden erklärt durch Herrn C und die Beteiligten zu 2 bis 9 (Bl. 30/22 ff.
d.A.).
Mit Schriftsatz vom 14.12.2021 hat der Urkundsnotar die Eintragung der Vormerkung beantragt
(Bl. 30/1 f. d.A.).
Das Grundbuchamt hat den Antrag mit Beschluss vom 03.08.2022 zurückgewiesen (Bl.
30/64 f. d.A.). Dem Antrag könne nicht entsprochen werden, da es sich bei der im Grundbuch
eingetragenen Bruchteilsgemeinschaft nicht um einen organisierten Verband, sondern
um eine „Rechtsgemeinschaft“ handele. Diese sei per se nicht grundbuchfähig. Daher sei
auch nicht der Beteiligte zu 1, sondern es seien, wie auch bei anderen Waldinteressentenschaften,
nur die jeweiligen Bruchteilseigentümer im Grundbuch eingetragen. Der Erwerb eigener
Anteile und damit auch die entsprechende Vormerkung könnten deshalb nicht ins
Grundbuch eingetragen werden. Rechtsfolge der Übertragung eines Anteils sei das sofortige
Ausscheiden des Anteilsinhabers aus der Bruchteilsgemeinschaft. Wenn aber einzelne Anteilsinhaber
ihre Anteile auf die Bruchteilsgemeinschaft übertragen könnten, müssten auch alle
anderen Anteilsinhaber dazu berechtigt sein. Würden aber alle Anteilsinhaber ihre Anteile auf
die Bruchteilsgemeinschaft übertragen, hätte dies zur Folge, dass die Bruchteilsgemeinschaft
keine Anteilsinhaber mehr hätte und damit aufhören würde zu existieren. Die Grundstücke
würden dann herrenlos. Diese Rechtsfolge könne nicht gewollt sein. Zwar solle eine Waldinteressentenschaft
nach dem HWaldG Trägerin von Rechten und Pflichten sein können. Hierbei
handele es sich im Kontext des HWaldG aber nur um eine Teilrechtsfähigkeit, bezogen auf die
gemeinsame Bewirtschaftung des Waldbesitzes. Der Erwerb eigener Anteile sei aber keine
Maßnahme der gemeinsamen Bewirtschaftung und damit auch nicht durch die Teilrechtsfähigkeit
abgedeckt. Selbst wenn aber volle Rechtsfähigkeit bestünde, könnte dem Antrag nicht
entsprochen werden, denn dann müssten im Grundbuch anstelle der bislang eingetragenen
Bruchteilsgemeinschaften die Waldinteressenten als eigene „Rechtsform“ eingetragen werden.
Dann würden Anteilsübertragungen außerhalb des Grundbuchs stattfinden und könnten
nicht mehr im Grundbuch verlautbart werden.
Mit Schriftsatz vom 15.08.2022 hat der Notar Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt
(Bl. 30/67 ff. d.A.). Die Entscheidung widerspreche der langjährigen Praxis des Amtsgerichts
Kassel, wonach auch die Waldinteressenten als Gemeinschaft als Eigentümer im Grundbuch
eingetragen würden, womit deren Grundbuchfähigkeit bejaht werde. Außerdem missachte
der angefochtene Beschluss die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Teilrechtsfähigkeit
der BGB-Gesellschaft. Die BGB-Gesellschaft sei auch eine Bruchteilsgemeinschaft.
Deren Teilrechtsfähigkeit in Bezug auf die Grundbuchfähigkeit sei seit einer Grundsatzentscheidung
des Bundesgerichtshofs anerkannt. Der Landesgesetzgeber gehe im
HWaldG auch davon aus, dass die Waldinteressenten teilsrechtsfähig seien. Für die Gemeinschaft
von Waldinteressenten könne nichts Anderes gelten als für BGB-Gesellschaften, beide
seien Bruchteilsgemeinschaften und rechtlich identisch zu handhaben. Auch bei BGBGesellschaften
sei eine Übertragung der Anteile außerhalb des Grundbuchs möglich. Dennoch
könne die Anteilsübertragung im Grundbuch verlautbart werden. Auch bei BGBGesellschaften
könnten Gesellschafter ausscheiden. Trotzdem würden BGB-Gesellschaften im
Grundbuch eingetragen. Die Rechtsfolge der Herrenlosigkeit von Grundstücken sei sehr theoretischer
Natur.
Der Notar hat außerdem den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Eintragung der Vormerkung
durch das Beschwerdegericht beantragt. Die Bearbeitungsdauer bei dem Grundbuchamt
sei „kaum nachvollziehbar lang“ gewesen.
Mit Beschluss vom 18.08.2022 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl.
30/69 d.A.).
II.
Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als die Eintragung der Vormerkung nicht mit der vom
Grundbuchamt gegebenen Begründung verweigert werden kann. Eine einstweilige Anordnung
ist nicht zu erlassen.
1. Die Beschwerde ist gemäß
Beschwerdeführer sind die Beteiligten, die auch beschwerdeberechtigt sind. Macht ein Notar,
wie hier, nicht deutlich, für wen er gemäß
Einlegung im Namen aller Antragsberechtigten auszugehen, falls sich nicht aus den Umständen
etwas Anderes ergibt (OLG Naumburg v. 16.04.2021 - 12 Wx 46/20, Juris-Rn. 7; OLG
Jena
Gunsten die Eintragung erfolgen soll. Betroffen von der Eintragung sind die Beteiligten zu
2 bis 9, begünstigt ist der Beteiligte zu 1. Aus der Antragsberechtigung folgt die Beschwerdeberechtigung
(vgl.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Eintragung der Vormerkung kann nicht mit der
durch das Grundbuchamt gegebenen Begründung verweigert werden.
a) Die Eintragung des Beteiligten zu 1 als solchem in das Grundbuch ist entgegen der Ansicht
des Grundbuchamts nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Beteiligte zu 1 ist grundbuchfähig,
sofern es sich bei ihm tatsächlich um einen Gemeinschaftswald handelt.
Grundbuchfähigkeit ist die Fähigkeit, Träger von Rechten an Grundstücken zu sein, also Eigentum
an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten und beschränkte dingliche Rechte
an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten erwerben zu können (
11; BGH
Gemeinschaftswald „unter seinem Namen […] Eigentum und andere dingliche Rechte an […]
unbeweglichen Sachen erwerben“ kann.
Die einschränkende Auffassung des Grundbuchamts, es handele sich nur um eine Teilrechtsfähigkeit,
die auf die gemeinsame Bewirtschaftung des Waldbesitzes beschränkt sei und nur
die dafür erforderlichen Handlungen abdecke, findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze (vgl.
zur Rechtsfähigkeit des Gemeinschaftswalds auch Westernacher/Riedesel, HWaldG, Losebl.,
Std. 11. Nachl. 2016, § 20 Ziff. 2). Vielmehr war es erklärtes Ziel des Landesgesetzgebers,
Zweifel hinsichtlich der Rechtsfähigkeit von Gemeinschaftswäldern zu beseitigen und deren
„Eintragungsfähigkeit im Grundbuch zu erleichtern“ (LT-Drs 18/7406, S. 4).
Ob, wie das Grundbuchamt meint, als Folge der Rechtsfähigkeit nur noch die Gemeinschaftswälder
selbst, nicht aber deren Mitglieder, in der hessischen Verordnung über die Organisation
von Gemeinschaftswald und dementsprechend der Satzung des Beteiligten zu 1 als Eigentümerinnen
und Eigentümer bezeichnet, im Grundbuch einzutragen sind, kann hier dahinstehen
(vgl. allgemein zur grundbuchmäßigen Behandlung der unter
Verbände Mittelstädt, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2018, Updatestd. 31.05.21, Art. 164
EGBGB Rn. 43 f.). Wäre dies so, müsste das Grundbuch entsprechend berichtigt werden. Solange
die Eigentümerinnen und Eigentümer aber selbst im Grundbuch eingetragen sind, können
Verfügungen über deren Anteile nur über das Grundbuch erfolgen.
b) Der beantragten Eintragung steht auch nicht entgegen, dass es sich um den Erwerb eigener
Anteile des Beteiligten zu 1 handelt. Entgegen der Ansicht des Grundbuchamts ist ein
solcher Erwerb nicht ausgeschlossen.
Eine gesetzliche Regelung, die einem Gemeinschaftswald den Erwerb eigener Anteile verbietet,
existiert nicht. Insbesondere ergibt sich keine derartige Einschränkung aus § 20 Abs. 2
HWaldG. Die Satzung des Beteiligten zu 1 enthält auch kein solches Verbot. Sie setzt in der
Regelung über das Vorkaufsrecht der Waldinteressentenschaft bei der Veräußerung von Anteilen
in § 2 Abs. 6 die Möglichkeit des Erwerbs eigener Anteile vielmehr stillschweigend voraus.
Es existiert auch kein allgemeiner Grundsatz, dass Verbände keine eigenen Anteile erwerben
dürften.
und des Gläubigerschutzes zwar bestimmte Regeln für den Erwerb eigener Anteile
auf, schließen diesen aber nicht grundsätzlich aus. Für die Wohnungseigentümergemeinschaft,
für die keine derartigen Vorschriften existieren, war auch schon vor Schaffung des
20 W 32/14, Juris-Rn. 6; OLG München
Wie der vom Grundbuchamt aufgeworfene Fall, dass ein Gemeinschaftswald versuchen sollte,
seine sämtlichen Anteile zu erwerben, zu beurteilen wäre, bedarf keiner Entscheidung. Ein
solcher Fall liegt hier nicht vor. Hier sind nur 4,25 von 51,5 Anteilen betroffen.
3. Der Senat vermag nicht endgültig in der Sache zu entscheiden, da das Grundbuchamt -
von seinem Standpunkt aus konsequent - den Sachverhalt bisher nicht weiter aufgeklärt hat.
So ist nach Aktenlage nicht erkennbar, dass das Grundbuchamt geprüft hätte, ob der Beteiligte
zu 1 tatsächlich die Voraussetzungen eines Gemeinschaftswalds nach § 20 Abs. 1
HWaldG erfüllt, also insbesondere gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 HWaldG i.V.m. § 1 Abs. 1 Ziff. 1
des (in Hessen aufgehobenen preußischen) Gesetzes über gemeinschaftliche Holzungen vom
14.03.1881 das Eigentum an einer Holzung im Jahr 1881 mehreren Personen gemeinschaftlich
zustand, die nicht durch ein besonderes privatrechtliches Verhältnis verbunden waren.
Weitere Bedenken ergeben sich daraus, dass bei einem im April 2016 für vier Jahre gewählten
Vorstand dessen Befugnis zur Vertretung des Beteiligten zu 1 zum Zeitpunkt der Beurkundung
im Oktober 2021 zweifelhaft ist. Selbst wenn die vierjährige Amtszeit erst ab Inkrafttreten
der neuen Satzung im November 2016 oder gar erst ab dem neuen Geschäftsjahr
2017 berechnet wird, war sie im Oktober 2021 abgelaufen.
Aufgrund der größeren Sachnähe des Grundbuchamts, zur Beschleunigung des Verfahrens
und um den Beteiligten nicht eine Instanz zu nehmen, sieht der Senat von eigenen weiteren
Ermittlungen ab.
4. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung steht im Ermessen des Gerichts. Es hat dabei das
Interesse des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, vor einer möglichen Eintragung oder
Entscheidung des Grundbuchamts aufgrund eines anderen Antrags, die das eigene Recht beeinträchtigen
könnte, geschützt zu werden. Zum anderen ist das wirtschaftliche und rechtliche
Interesse desjenigen, der als Berechtigter im Grundbuch eingetragen ist, zu beachten
(Kramer, in: BeckOK GBO, 46. Edit., Std. 01.06.22, § 76 Rn. 17 f.).
Danach besteht hier kein Bedürfnis nach einer einstweiligen Anordnung. Wenn Sinn des Vertrages
ist, dass der Beteiligte zu 1 die Anteile abgabewilliger Mitglieder „einsammeln“ und an
neue Mitglieder wieder ausgeben will, bedarf er keines Schutzes gegen zwischenzeitliche anderweitige
Verfügungen der Mitglieder, wenn diese ohne Hilfe des Beteiligten zu 1 ihre Anteile
selbst veräußern.
Die Bearbeitungsdauer des Grundbuchamts ist kein Kriterium für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung.
5. Eine Kostenentscheidung ist gemäß
Grund bedarf es auch keiner Wertfestsetzung.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Frankfurt a. Main
Erscheinungsdatum:05.09.2022
Aktenzeichen:20 W 152/22
Rechtsgebiete:
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
WEG
Sonstiges Öffentliches Recht
HessWaldG § 20 Abs. 2