Beurkundungsauftrag mehrerer Auftraggeber
letzte Aktualisierung: 03.12.2021
OLG Rostock, Beschl. v. 25.1.2021 – 7 W 34/21
GNotKG §§ 29 Nr. 1, 32 Abs. 1;
Beurkundungsauftrag mehrerer Auftraggeber
1. Bei Mitteilung verschiedener und konkret bezeichneter Ergänzungen und Änderungen hat der
Kaufinteressent ein auf die Herbeiführung der notariellen Tätigkeit gerichtetes Handeln bezweckt,
die im Beurkundungstermin auch besprochen worden sind. Damit beschränkt sich das Handeln
des Kaufinteressenten nicht nur auf eine unselbstständige Beteiligung an der Gestaltung des
zunächst von der Verkäuferin in Auftrag gegebenen Vertragsentwurfs, sondern ist als
selbständiger Auftrag i. S. v.
Beurkundung vorzunehmen.
2. Mehrere Auftraggeber desselben Geschäfts sind jeweils Kostenschuldner und haften dem Notar
nach § 32 Abs. 1 GNotKG als Gesamtschuldner. Der Umstand, dass bereits ein
Beurkundungsauftrag erteilt ist, steht der Annahme eines weiteren Auftrages nicht entgegen.
3. Der Kaufinteressent haftet gem. § 32 Abs. 1 GNotKG,
Verkäuferin gesamtschuldnerisch für die Gebühren. Dass der Notar nur den Kaufinteressenten in
Anspruch nimmt, ist nicht ermessensfehlerhaft.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Kostenberechnung des Antragsgegners vom
7. Januar 2020. Gegenstand der Rechnung ist eine 2,0 Gebühr nach Nr. 21302 KV
GNotKG aus vorzeitiger Beendigung eines Beurkundungsverfahrens über einen
Grundstückskaufvertrag zwischen der GbR N-S als Verkäuferin und der Antragstellerin als
Käuferin nach erfolgter Entwurfsfertigung aus einem Geschäftswert von 100.000 Euro in
Höhe von 546,00 Euro nebst Auslagen in Höhe von 52,25 Euro und Umsatzsteuer in Höhe
von 113,67 Euro, mithin in Höhe von insgesamt 711,92 Euro.
Die Antragstellerin hat sich darauf berufen, keinen Auftrag erteilt zu haben. Die
Beauftragung des Antragsgegners durch die G. GmbH, einer Immobilienmaklerin, könne
ihr nicht zugerechnet werden. Darüber hinaus sei die Gebühr überhöht und mangels
endgültigen Scheiterns des Beurkundungsverfahrens (noch) nicht fällig. Schließlich fehle in
der Rechnung die Angabe des Leistungszeitraumes gemäß
Der Antragsgegner hat an seiner Kostenberechnung festgehalten und hierzu behauptet, von
der Antragstellerin mit umfangreichen Änderungen des Vertragsentwurfs beauftragt worden
zu sein.
Das Landgericht hat eine Stellungnahme der Ländernotarkasse vom 19. Juni 2020 sowie des
Bezirksrevisors beim Landgericht Stralsund vom 14. Juli 2020 eingeholt.
Mit Beschluss vom 21. August 2020, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat das
Landgericht den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Antragsgegner die
angefochtene Kostenrechnung zu Recht erstellt habe. Der Antragsteller sei durch
Einflussnahme auf den Inhalt der konkreten Vertragsgestaltung neben der Verkäuferin
ebenfalls Kostenschuldner geworden. Das Beurkundungsverfahren sei nach Scheitern des
Beurkundungstermins am 22. November 2019 sowie der unstreitig nicht weiter geführten
und damit erfolglosen Verhandlungen auch beendet, ohne dass der Antragsgegner dies
verschuldet hätte.
Gegen diese der Antragstellerin am 5. September 2020 zugestellte Entscheidung richtet sich
die am 21. September 2020 beim Landgericht eingegangene Beschwerde. Zur Begründung
führt die Antragstellerin im Wesentlichen nur noch aus, dass es sich bei dem
Vertragsentwurf angesichts der Beteiligung einer GbR auf Verkäuferseite nicht um einen
ausgewogenen Entwurf gehandelt habe. Hierauf hätte der Antragsgegner jedoch hinwirken
müssen.
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11. Februar 2019 nicht abgeholfen.
II.
Die Antragstellerin hat die gemäß
fristgerecht eingelegt (§ 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG i.V.m. §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2
FamFG). Gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG i.V.m. § 68 Abs. 4 FamFG entscheidet über
das Rechtsmittel das Oberlandesgericht durch den Senat.
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das Landgericht hat die begehrte
Feststellung, dass die Verpflichtung der Antragstellerin zum Ausgleich der Kostennote des
Antragsgegners vom 7. Januar 2020 nicht besteht, zutreffend als unbegründet
zurückgewiesen. Die Antragstellerin ist Kostenschuldnerin dieser Rechnung i.S.v. § 29 Nr. 1
GNotKG und damit gemäß §§ 32 Abs. 1 GNotKG, 421 Satz 1 BGB neben der Verkäuferin
und/oder der Maklerin gesamtschuldnerisch zur Zahlung verpflichtet. Die Rechnung ist
schließlich auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
Im Einzelnen:
1. Die Antragstellerin ist Kostenschuldnerin. Sie hat dem Antragsgegner einen
Beurkundungsauftrag im Sinne von
a. Kostenschuldner im Sinne des
erteilt oder den Antrag gestellt hat. Unter dem Begriff des Auftrags ist jedes an den Notar
gerichtete Ansuchen zu verstehen, das auf die Vornahme einer notariellen Amtstätigkeit
gerichtet ist. Einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf es nicht. Der Beurkundungsauftrag
kann auch durch schlüssiges Verhalten erteilt werden. Maßgeblich ist, ob das Verhalten für
den Notar nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (
den Schluss zulässt, es werde ihm ein Auftrag mit der gesetzlichen Kostenfolge erteilt. Dies
kann nur unter Heranziehung und Wertung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden
(zum Ganzen: Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 17. Januar 2018
– 1 W 49/17, juris Rn. 9).
Einen Auftrag erteilt regelmäßig jedenfalls derjenige, der durch sein Ansuchen unmittelbar
die notarielle Amtstätigkeit veranlasst, etwa indem er den Notar um die Fertigung eines
Entwurfs oder erstmals um einen Beurkundungstermin bittet. Ein Auftrag kann aber auch
anzunehmen sein, wenn bereits durch einen anderen Kostenschuldner ein
Beurkundungsauftrag erteilt worden ist. So kann die Amtstätigkeit des Notars auch allein
dadurch veranlasst werden, dass ein weiterer Beteiligter den Notar um Änderungen an dem
Entwurf eines zu beurkundenden Vertrages bittet (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 –
V ZB 79/16, juris Rn. 7). Der Umstand, dass bereits ein Beurkundungsauftrag erteilt ist,
steht der Annahme eines weiteren Auftrags nicht entgegen. Mehrere Auftraggeber desselben
Geschäfts sind dann jeweils Kostenschuldner und haften dem Notar nach § 32 Abs. 1
GNotKG als Gesamtschuldner (KG Berlin, Beschluss vom 11. Dezember 2017 – 9 W
63/16 - 64/16, juris Rn. 16).
b. So liegt der Fall hier.
Ausweislich des vorab per E-Mail übersandten Schreibens der Antragstellerin vom 12.
November 2019 ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass die Antragstellerin mit der
Mitteilung diverser, konkret bezeichneter „nach hiesiger Sicht erforderlicher Ergänzungen
und Änderungen“ ein auf die Herbeiführung der notariellen Tätigkeit des Antragsgegners
gerichtetes Handeln bezweckt hat, die im Beurkundungstermin am 22. November 2019
auch besprochen worden sind. Damit beschränkte sich das Handeln der Antragstellerin
nicht nur auf eine unselbstständige Beteiligung an der Gestaltung des zunächst von der
Verkäuferin bzw. der Maklerin in Auftrag gegebenen Vertragsentwurfs, sondern ist als
selbstständiger Auftrag im Sinne von
in seinem Interesse eine bestimmte Beurkundung vorzunehmen.
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen der streitgegenständlichen Gebühr gemäß Nr. 21302
KV i.V.m. Nr. 21100 KV GNotKG liegen vor.
Das Beurkundungsverfahren ist nach dem übereinstimmenden Vorbringen aller Beteiligter
ersichtlich vorzeitig beendet worden. Zu einem Kaufvertragsschluss kam es nicht. Die
Gründe hierfür sind unerheblich. Die Gebührenhöhe ist aus den zutreffenden Erwägungen
der Ländernotarkasse Leipzig, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug
genommen wird, nicht zu beanstanden.
Gleiches gilt für den kostenrechtlich irrelevanten Einwand eines Verstoßes gegen § 14
Abs. 4 Nr. 6 UStG. Ein etwaiger Verstoß berührt die kostenrechtliche Wirksamkeit der
Kostenberechnung nicht (Macht, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht,
2. Auflage 2017, § 19 GNotKG Rn. 49) und steht ihrer Fälligkeit nicht entgegen (vgl.
Angabe der Umsatzsteuernummer in notariellen Kostenrechnungen,
[163]).
3. Die Antragstellerin haftet daher gemäß §§ 32 Abs. 1 GNotKG, 421 Satz 1 BGB neben
der Verkäuferin bzw. der Maklerin gesamtschuldnerisch für die Gebühren. Dass der
Antragsgegner die Antragstellerin in Anspruch nimmt, ist nicht ermessensfehlerhaft (vgl.
Diehn, in: BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, 31. Edition,
Stand: 1. September 2020, § 32 Rn. 20f.).
4. Die angegriffene Kostenrechnung ist auch nicht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GNotKG
aufzuheben. Die Sachbehandlung durch den Antragsgegner ist nicht zu beanstanden.
Sie war - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - auch im Hinblick auf die
beabsichtigte Veräußerung des Grundeigentums durch eine GbR ordnungsgemäß.
a. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GNotKG werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der
Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Maßstab für die Anwendung des § 21
GNotKG ist insoweit nicht eine objektiv richtige Behandlung; vielmehr liegt eine unrichtige
Sachbehandlung durch den Notar nur dann vor, wenn ein offen zu Tage tretender Verstoß
gegen eindeutige gesetzliche Normen oder ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist
(OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. Februar 2017 – 20 W 327/15, juris Rn. 16 m.w.N.).
b. Der Notar ist gemäß
Betreuung der Beteiligten verpflichtet und hat die Rechtsuchenden, die ihm die
Wahrnehmung ihrer Interessen anvertrauen, bei der Regelung ihrer rechtlichen
Angelegenheiten gewissenhaft zu unterstützen. Dabei hat er das Beurkundungsverfahren
sachgerecht zu gestalten. Dies meint aber gerade keine formale Verfahrensgerechtigkeit im
Sinne eines für alle gleich geltenden Verfahrens mit gleichen Regeln. Der Notar ist vielmehr
gemäß § 17 Abs. 2a Satz 1 BeurkG verpflichtet, das Beurkundungsverfahren so zu gestalten,
dass die Zwecke der Beurkundung erreicht werden und insbesondere die Belehrungs- und
Schutzfunktion der Beurkundung gewahrt wird (zum Ganzen: Sander, in: BeckOK BNotO,
3. Edition, Stand: 1. August 2020, § 14 Rn. 65f.). In diesem Zusammenhang hat der Notar
gemäß § 17 BeurkG die Beteiligten darüber aufzuklären, ob und unter welchen
Voraussetzungen der von ihnen erstrebte rechtliche Erfolg sicher eintritt und welche
unmittelbaren rechtlichen Wirkungen damit verbunden sind. Der Umfang der
Belehrungspflicht wird durch die Maßstäbe der Erforderlichkeit und der Angemessenheit
begrenzt. Es wird also keine umfassende Vertragsgestaltung geschuldet, sondern lediglich
eine an den anerkannten Regeln orientierte (Litzenburger, in: BeckOK BGB, 56. Edition,
Stand: 1. November 2020, § 17 BeurkG Rn. 3f.).
c. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist für eine unrichtige Sachbehandlung und damit
einen offen zu Tage tretenden Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder ein
offen- sichtliches Versehen durch den Antragsgegner nichts ersichtlich.
§ 1 des vom Antragsgegner erstellten Vertragsentwurfs ist bereits zu entnehmen, dass dieser
die Thematik (Reichweite von
– V ZB 194/10, juris Rn. 12ff.) erkannt und hinreichend berücksichtigt hat. Zudem ist dies
mit den Beteiligten im Beurkundungstermin am 22. November 2019 erörtert worden.
Der Vertragsentwurf stellt sich daher als tauglich dar.
Die Antragstellerin hat überdies selbst mit ihrem Schreiben vom 21. November 2019 zu
erkennen gegeben, dass ihr das Thema bekannt ist und aus ihrer Sicht eine vom
Vertragsentwurf abweichende Lösung gefunden werden müsse. Dass der Antragsgegner
sich bei Fortführung des Beurkundungsverfahrens diesen Einwänden verschlossen und auf
einer ausschließlichen Beurkundung des gegenständlichen (ersten) Vertragsentwurfs
bestanden hätte, erscheint ausgeschlossen. Demgemäß hat der Antragsgegner bereits in
seinem Schriftsatz vom 15. März 2020 ausgeführt, dass er selbstverständlich bereit gewesen
wäre, die von der Antragstellerin gewünschten Änderungen in den Urkundentext zu
übernehmen, wenn auch die anderen Vertragsbeteiligten damit einverstanden gewesen
wären, was jedoch im Ergebnis nicht der Fall war.
III.
Eine Gerichtskostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren durch den Senat ist nicht
veranlasst, weil sich die Kostentragungspflicht des Antragstellers aus der Anwendung
gesetz- licher Vorschriften ergibt, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG, Nr. 19110ff. KV
GNotKG.
Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit notwendiger Aufwendungen im
Beschwerde- verfahren richtet sich nach §§ 130 Abs. 3 GNotKG i.V.m. 84 FamFG, wobei
der Senat nicht zu überprüfen hat, ob und inwieweit der Antragsgegner, der als Notar
lediglich seine Notarkostenrechnung verteidigt hat, solche überhaupt entstanden sind.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes richtet sich nach §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1
GNotKG. Der Beschwerdewert entspricht der Höhe der streitgegenständlichen
Kostenrechnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Weder hat
die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts (§ 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG i.V.m. § 70 Abs. 2 Satz 1
FamFG).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Rostock
Erscheinungsdatum:25.01.2021
Aktenzeichen:7 W 34/21
Rechtsgebiete:
Umsatzsteuer
Notarielles Berufsrecht
Sachenrecht allgemein
Beurkundungsverfahren
Allgemeines Schuldrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GNotKG §§ 29 Nr. 1, 32 Abs. 1; BGB § 421 S. 1