Existenzgründer ist kein Verbraucher mehr
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Dokumentnummer: 10500
letzte Aktualisierung: 30.03.2005
BGH, 24.02.2005 - III ZB 36/04
Existenzgründer ist kein Verbraucher mehr
Unternehmer- (
i.V.m.
Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sogenannte
Existenzgründung) geschlossen wird.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin war angestellte Ärztin an einem Krankenhaus. Sie wollte sich als
Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe selbständig machen. Zu diesem Zweck
erwarb sie am 23. April 2002 einen Praxisanteil von Dr. K. , der zusammen mit dem
Antragsgegner eine Gemeinschaftspraxis betrieb. Ferner schloß sie am 29. Mai 2002
einen Gemeinschaftspraxisvertrag mit dem Antragsgegner. Die Antragstellerin war damals - bis zum 30. Juni 2002 - noch angestellte Assistenzärztin; sie wurde zum 1. Juli
2002 als Vertragsärztin zugelassen.
Im Juni 2003 kündigte der Antragsgegner den mit der Antragstellerin bestehenden Gemeinschaftspraxisvertrag und verlangte die Zahlung einer Abfindung. Die Antragstellerin war dazu nicht bereit. Der Antragsgegner leitete wegen dieser Streitigkeit ein
Schiedsverfahren ein. Er stützt sich auf § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrages, wonach
alle Streitigkeiten aus dem Vertrag unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges von
einem Schiedsgericht entschieden werden. Die Antragstellerin hält das Schiedsverfahren
für unzulässig. Die Schiedsklausel im Gemeinschaftspraxisvertrag sei unwirksam. Sie,
die Antragstellerin, sei bei Abschluß des Gemeinschaftspraxisvertrages Verbraucherin
gewesen. Der Schiedsvertrag habe deshalb nicht - wie hier - in einer Klausel in einem
Vertrag, sondern in einer besonderen, von den Parteien eigenhändig unterzeichneten
Urkunde, die nur sich auf das schiedsrichterliche Verfahren bezogene Vereinbarungen
habe enthalten dürfen, getroffen werden können.
Die Antragstellerin hat beantragt festzustellen, daß das von dem Antragsgegner nach
§ 29 des Gemeinschaftspraxisvertrages eingeleitete Schiedsverfahren unzulässig ist. Das
Oberlandesgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und - auf Antrag des Antragsgeg
29. Mai 2002 unter § 29 vereinbarte Schiedsklausel wirksam ist. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.
II.
1.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1
Nr. 2 Fall 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig. Denn die
Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (
2.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Oberlandesgericht (veröffentlicht in
unterzeichneten, schriftlichen - Gemeinschaftspraxisvertrages vom 29. Mai 2002 eine
formwirksame Schiedsvereinbarung in Gestalt einer Schiedsklausel getroffen (§ 1029
Abs. 1, 2 Fall 2, § 1031 Abs. 1 Fall 1 ZPO). Die bei Beteiligung eines Verbrauchers
geltenden strengeren Formvorschriften (vgl.
nicht erfüllt sind - greifen nicht Platz. Denn die Antragstellerin war bei Abschluß des
Gemeinschaftspraxisvertrages nicht Verbraucher im Sinne des § 1031 Abs. 5 Satz 1
ZPO; für den Antragsgegner ist dies ohnehin außer Streit.
a) Verbraucher im Sinne des
BGB ist eine natürliche Person, die bei dem Geschäft, das Gegenstand der Streitigkeit
ist, zu einem Zweck handelt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. So lautete auch die ursprünglich in § 1031
Abs. 5 Satz 3 ZPO - in der Neufassung durch das am 1. Januar 1998 in Kraft getretene
Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (SchiedsverfahrensNeuregelungsgesetz) vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) - bestimmte Legaldefinition. Der Wortlaut ging auf einen Vorschlag des Bundesrates zurück, der sich seinerseits an dem Verbraucherbegriff des Art. 2 lit. b der Richtlinie 93/13/EWG des Rates
vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABlEG
Nr. L 95 vom 21. April 1993 S. 29: "Verbraucher: Eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann") orientierte (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts BT-Drucks. 13/5274
S. 73
wurde zwar durch Art. 9 Nr. 7 des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen
des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni
2000 (BGBl. I S. 897) mit Wirkung vom 30. Juni 2000 aufgehoben. Die Vorschrift wurde zugunsten der durch dieses Gesetz (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1) neu in das BGB eingefügten
Verbraucherdefinition (
2003 § 13 Rn. 12), aufgegeben (vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf
eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie
BGB-E>; Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem vorgenannten Gesetzentwurf BT-Drucks. 14/3195 S. 27 f, 37). Inhaltliche Änderungen sollten sich
dadurch aber nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht ergeben (vgl. BTDrucks. 14/3195 S. 37).
b) Unternehmer- (
i.V.m.
Tätigkeit (sogenannte Existenzgründung) geschlossen wird (h.M.: OLG Rostock OLGR
2003, 505, 506 ff
641 f
BGH, Urteil vom 4. Mai 1994 - XII ZR 24/93 -
Rn. 16 und § 14 Rn. 14; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 9. Aufl. 2001
§ 24a Rn. 25; in diesem Sinne auch MünchKommZPO/Münch 2. Aufl. 2001 § 1031
Rn. 23; a.A. OLG Koblenz
2003, 335 f
914
§ 13 Rn. 38 ff und § 14 Rn. 22; Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl. 2005 § 13 Rn. 3;
Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 4. Aufl. 1999 Art. 2 RiLi Rn. 7).
aa) Nach dem Wortlaut der Verbraucherdefinition des
Satz 1 ZPO) ist die - objektiv zu bestimmende - Zweckrichtung des Verhaltens entscheidend. Das Gesetz stellt nicht auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein geschäftlicher Erfahrung, etwa aufgrund einer bereits ausgeübten gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, ab (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1994 aaO S. 2760;
OLG Rostock aaO S. 506 f; abweichend OLG Koblenz aaO). Es kommt vielmehr darauf
an, ob das Verhalten der Sache nach dem privaten - dann Verbraucherhandeln - oder
dem gewerblich-beruflichen Bereich - dann Unternehmertum - zuzuordnen ist (vgl.
Schmidt-Räntsch in Bamberger/Roth aaO § 13 Rn. 9 und § 14 Rn. 10). Rechtsgeschäfte
im Zuge einer Existenzgründung, z.B. die Miete von Geschäftsräumen, der Abschluß
eines Franchisevertrags oder der Kauf eines Anteils an einer freiberuflichen Gemeinschaftspraxis, wie er hier vorlag, sind nach den objektiven Umständen klar auf unternehmerisches Handeln ausgerichtet.
bb) Es besteht ferner kein Anlaß, demjenigen Verbraucherschutz zu gewähren, der sich
für eine bestimmte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit entschieden hat
und diese vorbereitende oder unmittelbar eröffnende Geschäfte abschließt. Denn er begibt sich damit in den unternehmerischen Geschäftsverkehr. Ein Existenzgründer agiert
nicht mehr "von seiner Rolle als Verbraucher her" (so aber MünchKommBGB/Micklitz
aaO § 13 Rn. 41). Er gibt dem Rechtsverkehr zu erkennen, daß er sich nunmehr dem
Recht für Unternehmer unterwerfen und dieses seinerseits auch in Anspruch nehmen
will (vgl. Staudinger/Weick aaO Rn. 60; OLG Oldenburg aaO S. 642).
entsprechende Geschäfte zum Zweck der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gelten, allerdings nur bis zur Höhe von 50.000 €. Damit
werden die Existenzgründer in dieser Beziehung und innerhalb dieser Begrenzung
Verbrauchern gleichgestellt. Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß der Gesetzgeber
den Existenzgründer grundsätzlich nicht als Verbraucher ansieht (vgl. Soergel/Pfeiffer
aaO § 13 Rn. 35 unter Hinweis auf die Materialien zur Schuldrechtsreform 2001 BTDrucks. 14/6857 S. 32 f
S. 507 f; s. auch
Alt. 1 HWiG andererseits>; AnwKomm-BGB-Reiff, 2001 § 507 Rn. 1 f; a.A. Palandt/Heinrichs aaO; vgl. zudem Staudinger/Weick aaO Rn. 59).
dd) Die Auffassung, daß Existenzgründer nicht Verbraucher im Sinne des § 1031 Abs. 5
Satz 1 ZPO sind, steht schließlich in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaften zu vergleichbaren europarechtlichen Vorschriften.
Dieser hat entschieden, daß die Art. 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 des Übereinkommens vom
27. September 1968 (BGBl. 1972 II S. 773) über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) in
der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 (BGBl. 1983 II S. 802) dahin
auszulegen sind, daß ein Kläger, der einen Vertrag zum Zweck der Ausübung einer
nicht gegenwärtigen, sondern zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen hat, nicht als Verbraucher angesehen werden kann (Urteil vom 3. Juli 1997
europarechtliche Verständnis des Verbraucherbegriffs kann für die Auslegung des
dargelegt - eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift zum Vorbild hatte (vgl.
Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. 2000 Kap. 5 Rn. 16; s. auch OLG Rostock aaO S. 506 f und OLG Oldenburg aaO S. 641).
c) Die Antragstellerin war Existenzgründerin im vorbeschriebenen Sinn. Mit Vertrag
vom 23. April 2002 hatte sie den "Praxisanteil" von Dr. K. , des früheren Sozius des
Antragsgegners, erworben und sich damit entschieden, selbständig tätig zu sein. Der
dann mit dem Antragsgegner geschlossene Gemeinschaftspraxisvertrag vom 29. Mai
2002 eröffnete der Antragstellerin die bald darauf begonnene freiberufliche - und damit
unternehmerische (
Abschluß dieses Vertrags nicht mehr als Verbraucherin angesehen werden; die Schiedsklausel in § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrags unterlag nicht den verbraucherschützenden Formerfordernissen des
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:23.02.2005
Aktenzeichen:III ZB 36/04
Rechtsgebiete:
AGB, Verbraucherschutz
Mediation, notarielle Schlichtung und Schiedsgericht
DNotI-Report 2005, 68
DNotZ 2005, 680-682
NJW 2005, 1273-1275
NotBZ 2005, 143
BGB §§ 13, 14; ZPO § 1031 Abs. 5 Satz 1