LG Hannover 20. April 2020
12 O 217/18
BGB §§ 2314 Abs. 1 S. 1 u. 3 Var. 3, 2325 Abs. 3 S. 1

Notarielles Nachlassverzeichnis; Güterstand; wertlose Gegenstände

letzte Aktualisierung: 23.6.2021
LG Hannover, Teilurt. v. 20.4.2020 – 12 O 217/18 (bestätigt durch OLG Celle, Urt. v. 29.10.2020 – 6 U 34/20)

BGB §§ 2314 Abs. 1 S. 1 u. 3 Var. 3, 2325 Abs. 3 S. 1
Notarielles Nachlassverzeichnis; Güterstand; wertlose Gegenstände

1. Der Güterstand des Erblassers muss in das Nachlassverzeichnis aufgenommen werden.
2. Der Notar hat im notariellen Nachlassverzeichnis einzelne Gegenstände, die in den Nachlass
fallen, zu verzeichnen und wertbildende Faktoren zu berücksichtigen. Dabei spielt es keine Rolle, ob
die einzelnen Gegenstände tatsächlich wertlos sind.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Entscheidungsgründe:

I.
Die zulässige Klage ist begründet.

1.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Auskunft über den Nachlass des
Erblassers durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses aus § 2314 Abs. 1 Satz 1
und 3 Var. 3 BGB.

Gemäß § 2314 Abs. 1 BGB hat der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten, der nicht Erbe ist, auf
Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Der Pflichtteilsberechtigte
kann auch verlangen, dass das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen
zuständigen Beamten oder einen Notar aufgenommen wird.

Der Kläger war ein Abkömmling des Erblassers und somit Pflichtteilsberechtigter gemäß § 2303
Abs. 1 Satz 1 BGB. Durch das notarielle Testament vom XXX wurde der Kläger von der Erbfolge
ausgeschlossen. Der Erblasser setzte die Beklagte mit dem vorgenannten notariellen
Testament als seine Alleinerbin ein.

Der Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses ist nicht durch Vorlage des
Verzeichnisses vom 15.01.2018 erfüllt. Das vorgelegte Nachlassverzeichnis entspricht nicht
den Anforderungen des § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB.

a.
In der notariellen Urkunde vom 15.01.2018 fehlen Angaben zum Güterstand des Erblassers.
Der Pflichtteilsberechtigte ist über sonstige Umstände zu informieren, die die
Pflichtteilsberechnung beeinflussen und deren Kenntnisse für die Durchsetzung des
Pflichtteilsanspruchs erforderlich sind (MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, BGB § 2314 Rn. 10;
BeckOGK/Blum, 15.11.2019, BGB § 2314 Rn. 7.3). Der Güterstand kann einen Umstand
begründen, der zu einer Ungewissheit über die Höhe des Pflichtteils führt (OLG Düsseldorf Urt.
v. 31.5.1996 – 7 U 120/95, BeckRS 9998, 14162, beck-online) und muss deshalb ins
Nachlassverzeichnis aufgenommen werden (Cornelius, in ZEV 2015, 286, 289;
MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, BGB § 2314 Rn. 10).

b.
Des Weiteren sind die Angaben im Verzeichnis vom 15.01.2019 unter B. III. und IV sowie IX.
unzureichend. Im vorgenannten Verzeichnis fehlen hinsichtlich der drei Ölgemälde, des
Eheringes, der Uhr des Erblassers, der Manschettenknöpfe und Krawattennadeln Angaben zu
wertbildenden Faktoren. Dabei hat das Gericht nicht unberücksichtigt gelassen, dass
Wertangaben selbst nicht geschuldet sind. Der Notar hat im notariellen Nachlassverzeichnis
einzelne Gegenstände, die in den Nachlass fallen, zu verzeichnen und wertbildende Faktoren
zu berücksichtigen (Horn, in: ZEV 2018, 376, 377, m. w. N.). Dabei spielt es keine, ob die
einzelnen Gegenstände tatsächlich wertlos sind (OLG Karlsruhe Urt. v. 9.12.2014 – 8 U 187/13,
BeckRS 2015, 1634, beck-online). Der Pflichtteilsberechtigte muss sich ein Bild davon machen
können, welcher Wert den einzelnen in den Nachlass fallenden Gegenständen zukommt, um
dann gegebenenfalls in einem weiteren Schritt die Ermittlung des Wertes anzustoßen. Sollte
keine genauere Beschreibung oder etwa Benennung eines Künstlers vorgenommen werden
können, so ist ein Foto der Gegenstände beizufügen und darauf Bezug zu nehmen. Im
vorgelegten Verzeichnis fehlen Angaben zur Bildgröße, zum Rahmen oder Alter. Hinsichtlich
des Eherings, der Uhr des Erblassers sowie der Manschettenknöpfe und der Krawattennadeln
sind keine Angaben zum Material, Alter, Hersteller oder Größe aufgeführt. Ohne Kenntnis dieser
Faktoren ist eine Einschätzung der Verkehrswerte nicht möglich (OLG Karlsruhe Urt. v.
9.12.2014 – 8 U 187/13, BeckRS 2015, 1634, beck-online). Sofern das Solarium und das TV
Gerät ebenfalls in den Nachlass fallen und nicht im Eigentum des Sohnes des Erblassers
stehen, sind weitere konkretisierende Angaben zu diesen Gegenständen erforderlich.

c.
Überdies sind die Angaben im Verzeichnis vom 15.01.2018 unter § 2 zu den unentgeltlichen
Verfügungen des Erblassers unter Lebenden unzureichend. Der Auskunftsanspruch des § 2314
BGB erstreckt sich über sämtliche lebzeitige Zuwendung des Erblassers. Hierzu gehören
anrechnungspflichtige, ausgleichungspflichtige und ergänzungspflichtige Zuwendungen
(BeckOGK/Blum, 15.11.2019, BGB § 2314 Rn. 10, m. w. N.). Die Angaben im
Nachlassverzeichnis zu den unentgeltlichen Verfügungen beziehen sich auf Zeiträume.
Dadurch kann nicht zugeordnet werden, wann und in welchem Umfang einzelne Beträge an die
Zuwendungsempfänger geflossen sind. Die Ermittlung des Zeitpunkts der unentgeltlichen
Zuwendungen ist aber gerade im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei Schenkung
gemäß § 2325 BGB von Bedeutung. Wegen der Abschmelzungsregelung in § 2325 Abs. 3 Satz
1 BGB werden Schenkungen umso weniger berücksichtigt, je länger diese zurückliegen. Die
Angaben im Nachlassverzeichnis müssen sich deswegen auf Zeitpunkte beziehen. Ferner ist
der Notar angehalten, konkreter anzugeben, auf welche vorgelegten Unterlagen er sich im
Rahmen seiner Ermittlungen bezogen hat.

d.
Die Angaben im Verzeichnis vom 15.01.2018 unter IV. zu den Wertpapierdepots sind
unzureichend. Es fehlen Angaben im Verzeichnis zur Anzahl, zur depotführenden Bank sowie
Angaben zum Inhalt des Depots selbst.

2.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses und nicht
bloß einen Anspruch auf Ergänzung der bereits erteilten Auskunft. Ein Anspruch auf Ergänzung
kommt dann in Betracht, wenn der Verpflichtete etwa aus Unwissenheit einen bestimmten
Gegenstand nicht aufgenommen oder ein Teil des Nachlassvermögens ausgelassen hat und
es sich erkennbar um eine unvollständige Auskunft handelt (OLG Hamburg Urt. v. 28.9.2016 –
2 U 29/15, BeckRS 2016, 125135, beck-online). Eine solche Unvollständigkeit liegt hier aber
gerade nicht vor. Das Zusammenspiel der oben aufgeführten unzureichenden Angaben führt
vielmehr dazu, dass der Auskunftsanspruch des Klägers nicht erfüllt ist. Die Beklagte sieht ihre
Auskunft und das von ihr vorgelegte Verzeichnis als abschließend an. Aufgrund der nicht
ordnungsgemäßen Erfüllung der Auskunftspflicht besteht der Erfüllungsanspruch weiterhin fort
(MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, BGB § 2314 Rn. 28, m. w, N.).

II.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
Richterin

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG Hannover

Erscheinungsdatum:

20.04.2020

Aktenzeichen:

12 O 217/18

Rechtsgebiete:

Pflichtteil
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BGB §§ 2314 Abs. 1 S. 1 u. 3 Var. 3, 2325 Abs. 3 S. 1