OLG Saarbrücken 04. Februar 2025
5 W 4/25
BGB § 2250

Anforderungen an ein sog. „Drei-Zeugen-Testament“

letzte Aktualisierung: 24.4.2025
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.2.2025 – 5 W 4/25

BGB § 2250
Anforderungen an ein sog. „Drei-Zeugen-Testament“

Zu den – hier verneinten – Anforderungen an die Wirksamkeit eines sog. „Drei-Zeugen-
Testaments“.

Gründe

I.
Am 29. April 2023 verstarb in W. Frau I. (im Folgenden: Erblasserin). Die Beteiligten zu 1) und
zu 2) stellten mit notarieller Urkunde vom 26. Juni 2023 (UR Nr. 999/2023 der Notarin Dr. V.,
Saarlouis, Bl. 3 ff. GA-I) einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheines, der sie zu je ½ als Erben
ausweist; dieser war auf ein entsprechendes „privatschriftliches Nottestament“ gestützt, das in
Anwesenheit von drei Zeugen am 29. März 2023 in der Wohnung der Erblasserin in W.
aufgenommen worden war und das außer der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) und zu 2)
auch ein Nießbrauchsvermächtnis zugunsten der Beteiligten zu 3) sowie mehrere
Geldvermächtnisse und eine Grabpflegeverpflichtung enthielt (Bl. 42 ff. d.A. 3 IV 611/23). Mit
weiterer notarieller Urkunde vom 9. Oktober 2023 (UR 1490/2023 derselben Notarin, Bl. 15 ff.
GA-I) machte der Beteiligte zu 1) aufforderungsgemäß zusätzliche Angaben u.a. zu den
damaligen Abläufen. Danach sei die Erblasserin, nachdem sie wegen eines nicht mehr
durchbluteten Fußes in das Krankenhaus eingeliefert worden war und dort jegliche Behandlung,
insbesondere eine Amputation, abgelehnt hatte, am 24. März 2023 in die hausärztliche
Betreuung entlassen worden; bei Errichtung des Testaments am 29. März 2023 habe keiner
sagen können, wie lange sie noch leben könne, am 31. März 2023 sei seine eigene, ebenfalls
verstorbene Mutter beerdigt worden, anschließend habe die Hausärztin eine
Schmerzbehandlung mit Morphium eingeleitet, so dass die Erblasserin wohl nicht mehr
ansprechbar gewesen sei.

Das Amtsgericht – Rechtspfleger – hat in nichtöffentlicher Sitzung die erschienenen Beteiligten
angehört, die Zeugen M., B., H. und M. vernommen (Bl. 48 ff., 70 ff. GA-I) und schriftliche
Auskünfte und Befunde bei den behandelnden Ärzten eingefordert (Bl. 67, 68 f, 82 GA-I). Mit
dem angefochtenen Beschluss (Bl. 87 ff. GA-I) hat es den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins
zurückgewiesen mit der Begründung, weder habe sich die Erblasserin bei Errichtung des Drei-
Zeugen-Testamens in naher Todesgefahr befunden, noch sei zum damaligen Zeitpunkt die
Errichtung eines Testaments vor einem Notar oder dem Bürgermeister unmöglich oder
erheblich erschwert gewesen.

Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1) und zu 2) mit am 5. Dezember 2024
eingereichtem Schreiben Beschwerde eingelegt, die der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz seiner
Verfahrensbevollmächtigten vom 19. Dezember 2024 begründet hat (Bl. 99 ff. GA-I). Er meint,
richtigerweise habe die Anhörung der drei Zeugen, die – wie das gesamte Verfahren – „lediglich
von einer Rechtspflegerin“ durchgeführt worden sei, ergeben, dass diese zum Zeitpunkt der
Testamentserrichtung von dem unmittelbar bevorstehenden Tode der Erblasserin überzeugt
gewesen seien sowie auch davon, dass ein Notar oder Bürgermeister nicht rechtzeitig eintreffen
würde und die Erblasserin ohne die ihrerseits gewünschte Testierung versterben werde. Alle
Beteiligten seien davon ausgegangen, dass mit der Aufnahme des Testaments am fraglichen Tage
bis spätestens 14 Uhr begonnen werden müsse, da die Erblasserin den Folgetag nicht erleben
werde. Nach Angaben der Nichte der Erblasserin sei damals erfolglos versucht worden, zwei
örtlich ansässige Notare in der Mittagspause zu erreichen; auch andere Notare und das
Bürgermeisteramt hätten zu dieser Zeit Mittagspause gehabt, so dass das Erscheinen einer
Urkundsperson bis ca. 14 Uhr nicht sichergestellt gewesen sei. Angesichts dessen habe hier nur
die Möglichkeit eines Drei-Zeugen-Nottestaments offen gestanden.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 2. Januar 2025 (Bl. 102 f. GA-I) nicht
abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt. Der
Senat hat die Akten 3 IV 611/23 des Amtsgerichts Saarlouis (Testamentsablieferung)
eingesehen.

II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 63 FamFG) eingelegte
Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den die Erteilung des beantragten Erbscheines
ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts Saarlouis vom 15. November 2024 bleibt in der Sache
erfolglos. Das Amtsgericht hat diesem Antrag nach sorgfältiger Durchführung aller gebotenen
Ermittlungen (§ 26 FamFG) auf Grundlage des maßgeblichen Sachstandes zu Recht nicht
entsprochen.

1.
In formaler Hinsicht beanstandet die Beschwerde zunächst vergeblich, dass der angefochtene
Beschluss von einer Rechtspflegerin des Amtsgerichts und nicht vom Nachlassrichter erlassen
worden ist. Zwar sieht § 16 Abs. 1 Nr. 6 RpflG vor, dass in Nachlass- und Teilungssachen
insbesondere die Erteilung von Erbscheinen (§ 2353 BGB) dem Richter vorbehalten bleibt,
sofern u.a. – wie hier – eine Verfügung von Todes wegen vorliegt. Hiervon macht jedoch § 1
Nr. 3 der Verordnung zur Übertragung von Aufgaben auf den Rechtspfleger und den
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 2. März 2015 (Abl. I 2015, 206 – RPfl/UdGAufgÜV)
eine Ausnahme: Danach werden die Richtervorbehalte nach dem Rechtspflegergesetz für die
Geschäfte nach § 16 Abs. 1 Nr. 6 und 7 RpflG aufgehoben. Nur soweit bei diesen Geschäften
gegen den Erlass der beantragten Entscheidung Einwände erhoben werden, hat der
Rechtspfleger das Verfahren dem Richter zur weiteren Bearbeitung vorzulegen; der vorliegende
Fall einer Ablehnung der beantragten Erbscheinserteilung fällt nach dem Wortlaut der
Vorschrift nicht darunter.

2.
In der Sache hat das Nachlassgericht den Antrag der Beteiligten zu 1) und zu 2) auf Erteilung
eines sie – abweichend von der sonst Geltung beanspruchenden gesetzlichen Erbfolge – jeweils
als hälftige Erben ausweisenden Erbscheins zu Recht abgelehnt. Dass die Beteiligten zu 1) und
zu 2) aufgrund einer wirksamen letztwilligen Verfügung zu Erben der Erblasserin berufen
wurden, kann nicht für festgestellt erachtet werden (§ 352e Abs. 1 Satz 1 FamFG). Der Senat
vermag, ebenso wie schon zuvor das Amtsgericht, nicht zu erkennen, dass das von den
Beteiligten eingewandte, hier mangels anderer letztwilliger Verfügung allein in Betracht zu
nehmende „Drei-Zeugen-Testament“ vom 29. März 2023 (Bl. 42 ff. d.A. 3 IV 611/23) wirksam,
den Anforderungen des § 2050 Abs. 2 BGB entsprechend, errichtet worden wäre.

a)
Abweichend von § 2231 BGB, der die Errichtung eines Testaments in ordentlicher Form
entweder zur Niederschrift eines Notars oder durch eine vom Erblasser nach § 2247 BGB
abgegebene, d.h. insbesondere eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung
vorsieht, ermöglicht das Gesetz unter besonderen – eng auszulegenden – Voraussetzungen auch
die Errichtung eines sog. Nottestaments durch mündliche Erklärung vor bestimmten anderen
Personen. Ist zu besorgen, dass der Erblasser früher sterben werde, als die Errichtung eines
Testaments vor einem Notar möglich ist, so kann er unter den in § 2249 BGB genannten
Voraussetzungen das Testament zur Niederschrift des Bürgermeisters der Gemeinde, in der er
sich aufhält, errichten, der zu dieser Beurkundung zwei Außenstehende als Zeugen hinzuziehen
muss. Die – hier gewählte – Möglichkeit, ein Testament durch mündliche Erklärung (nur) vor
drei Zeugen zu errichten, die dann die Beurkundungsfunktion übernehmen (vgl. Weidlich, in:
Grüneberg, BGB 84. Aufl., § 2250 Rn. 4), besteht einerseits zugunsten desjenigen, der sich an
einem Orte aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände dergestalt abgesperrt ist, dass die
Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist
(§ 2250 Abs. 1 BGB), wovon hier, den zutreffenden und von der Beschwerde insoweit nicht
angegriffenen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung entsprechend, keine Rede sein
kann, sowie andererseits zugunsten desjenigen, der sich in so naher Todesgefahr befindet, dass
voraussichtlich auch die Errichtung eines Nottestaments vor dem Bürgermeister nach § 2249
BGB nicht mehr möglich ist (§ 2250 Abs. 2 BGB); allein darauf stellt die Begründung des
Erbscheinsantrages und der gegen dessen Ablehnung gerichteten Beschwerde ab.

b)
Wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht annimmt, lagen die
Voraussetzungen der wirksamen Errichtung eines Nottestaments vor drei Zeugen nach § 2250
Abs. 2 BGB nicht vor.

aa)
Diese Vorschrift verlangt das Vorliegen einer so nahen Todesgefahr, dass voraussichtlich die
Errichtung eines Testaments vor einem Notar oder eines Testaments zur Niederschrift des
Bürgermeisters nicht mehr möglich ist. Nach ihrem Wortlaut muss die nahe Todesgefahr
objektiv vorliegen. Ist dies der Fall, bedarf es darüber hinaus keiner entsprechenden
Überzeugung der bei der Testamentserrichtung als Zeugen mitwirkenden Personen (BGH,
Urteil vom 15. November 1951 – IV ZR 66/51, BGHZ 3, 372, 380; Senat, Urteil vom 10.
Oktober 2012 – 5 U 59/11-11, juris; vgl. auch RG, Beschluss vom 6. März 1943 – VII (VIII)
125/42, RGZ 171, 27). Darüber hinaus genügt aber auch die bloße subjektive Besorgnis einer
solchen Todesgefahr als Voraussetzung für die gültige Errichtung eines Nottestaments vor drei
Zeugen (BGH, Urteil vom 15. November 1951 – IV ZR 66/51, BGHZ 3, 372, 375 ff.; Senat,
Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 59/11-11, juris; OLG Hamm, ErbR 2017, 348). Dabei ist es
unerheblich, ob diese Besorgnis begründet ist, weil die befürchtete Gefahrenlage tatsächlich
besteht, oder ob sie es nicht ist. Entscheidend ist lediglich, dass die Besorgnis bei allen
Mitwirkenden – den drei Zeugen – tatsächlich vorhanden ist und vom Standpunkt ihres
pflichtgemäßen Ermessens aus angesichts der objektiven Umstände auch als gerechtfertigt
angesehen werden kann (BGH, Urteil vom 15. November 1951 – IV ZR 66/51, BGHZ 3, 372,
376; Senat, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 59/11-11, juris; Sticherling, in: MünchKomm-
BGB 9. Aufl., § 2250 Rn. 8). Auf die Einschätzung des Erblassers kommt es nicht an (BGH,
Urteil vom 15. November 1951 – IV ZR 66/51, BGHZ 3, 372, 378). Der nahen Todesgefahr
steht die Gefahr des nahen Eintritts der dauernden Testierunfähigkeit gleich, wenn zu besorgen
ist, dass sie voraussichtlich bis zum Ableben des Erblassers ununterbrochen oder allenfalls mit
kurzer, die Möglichkeit der Testamentserrichtung nicht gewährleistender Unterbrechung
fortdauern werde (Sticherling, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2250 Rn. 8).

bb)
Davon, dass eine nahe Todesgefahr (oder die Gefahr einer jederzeit drohenden
Testierunfähigkeit) zum Zeitpunkt der Errichtung des Nottestaments objektiv vorlag, kann nach
dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen nicht ausgegangen werden. Maßgebend hierfür
ist, ob aufgrund konkreter Umstände der Tod des Erblassers vor dem Eintreffen des Notars
oder des Bürgermeisters zu befürchten ist (Senat, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 59/11-11,
juris; OLG Bremen, FamRZ 2016, 1968; OLG München FamRZ 2009, 1945). Allein, dass der
Erblasser wegen einer fortgeschrittenen und nicht heilbaren Erkrankung nur noch kurze Zeit zu
leben hat, genügt nicht (OLG München, NJW 2010, 684, 686). Vielmehr liegt Todesgefahr
objektiv erst dann vor, wenn von einem klinischen Zustand einer unmittelbar bevorstehenden
Endphase des Lebens ausgegangen werden kann, wie etwa bei beginnenden kleinen
Organausfällen (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2017, 1738; KG, NJW-RR 2017, 905;
Sticherling, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2250 Rn. 8). Hingegen wird dadurch, dass der
Erblasser nur körperlich zu schwach ist, um ein eigenhändiges Testament errichten zu können,
bei Fehlen der übrigen Voraussetzungen der Tatbestand des § 2250 BGB nicht erfüllt (OLG
Hamm, ErbR 2017, 348; OLG München, FamRZ 2016, 87; OLG Bremen, FamRZ 2016, 1968).
Das Amtsgericht hat diese Grundsätze beachtet und zutreffend angenommen, dass zum
Zeitpunkt der Testamentserrichtung keine unmittelbare Todesgefahr im vorgenannten Sinn
bestand, weil – wie von allen Zeugen übereinstimmend bekundet – die Errichtung des
Testamentes in der Wohnung der Erblasserin am 29. März 2023 um die Mittagszeit erfolgte und
nicht feststeht, dass ein Notar oder der Bürgermeister nicht binnen kürzester Zeit hätte
erscheinen können, ohne dass zu besorgen war, dass sich der gesundheitliche Zustand der
Erblasserin binnen Minuten nachteilig verändern würde. Wie die angefochtene Entscheidung
richtig anführt, sind in der näheren Umgebung von W. zahlreiche Notare geschäftsansässig, die
im Zeitraum der Errichtung des Nottestaments, insbesondere auch außerhalb der von der
Beschwerde betonten „Mittagspause“, erreichbar gewesen wären und die Erblasserin zur
Aufnahme ihres letzten Willens rechtzeitig, möglicherweise noch am selben Tag, hätten
aufsuchen können. Dass der gesundheitliche Zustand der Erblasserin ein solches Zuwarten
nicht zuließ und dieser es insbesondere – wie die Beschwerde meint – erfordert hätte, dass ein
Notar bis 14h00 Uhr erscheint, kann nicht festgestellt werden. Soweit es im Einzelfall ein Indiz
für eine das Warten auf den Notar oder Bürgermeister nicht zulassende nahe Todesgefahr
darstellen kann, wenn der Erblasser alsbald nach der Testamentserrichtung tatsächlich verstirbt
(vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1951 – IV ZR 66/51, BGHZ 3, 372, 375 f.; offenlassend
OLG München, FamRZ 2009, 1945), war das bei dem hier verstrichenen Zeitraum von einem
Monat zwischen der Testamentserrichtung und dem Tod ersichtlich nicht der Fall. Im Übrigen
hebt die angefochtene Entscheidung zutreffend hervor, dass die Erblasserin wenige Tage zuvor
aus dem Krankenhaus entlassen worden war mit der Aussage, sie habe noch ein bis zwei Monate
zu leben. Aus dem vom Nachlassgericht eingeforderten Entlassungsbrief des Klinikums ergibt
sich, damit im Einklang stehend, dass zur Behandlung ihrer „erheblichen Angiosklerose“ mit
Verschluss von Arterien ein palliatives Therapiekonzept vereinbart, die ambulante Versorgung
organisiert und die Erblasserin zur regelmäßigen Verlaufskontrolle und ggf. Anpassung der
Schmerztherapie in hausärztliche Betreuung entlassen worden war (Bl. 68 f. GA-I), mithin
ärztlicherseits Bedarf für eine längerfristige Weiterbehandlung gesehen wurde. In den
schriftlichen Auskünften des Hausarztes (Bl. 67, 82 GA-I), die sich mit Beobachtungen der vom
Amtsgericht angehörten Beteiligten und der Zeugen decken, wird zwar betont, dass die
Diagnose „infaust“ und es abzusehen gewesen sei, dass der Tod bald eintreten würde; weiterhin
findet sich aber der Hinweis, die Erblasserin sei anlässlich von Hausbesuchen ab dem 25. März
2023 bis zum 28. März 2023 voll orientiert und in der Lage gewesen, ihre Situation
einzuschätzen, und mit Blick auf die ständige Schmerzzunahme sei abzusehen gewesen, dass die
Schmerztherapie intensiviert werden müsste – was ab dem 30. März 2023, d.h. nach der
Testamentserrichtung, geschehen sei – und dass es dadurch zu einer Einschränkung der
Urteilsfähigkeit kommen könne. Davon, dass die Todesgefahr am Mittag des 29. März 2023
objektiv so nah war, dass keine Zeit mehr gewesen wäre, einen Notar oder Bürgermeister
herbeizurufen, kann danach keine Rede sein.

bb)
Auch eine übereinstimmende subjektive Besorgnis der drei das Nottestament unterzeichnenden
Zeugen, die Erblasserin werde versterben, bevor die Hinzuziehung eines Notars oder des
Bürgermeisters möglich sei, war vorliegend nicht gegeben. Keiner der drei – vom Amtsgericht
sehr eingehend vernommenen – Zeugen bekundete – trotz dezidierter Nachfragen – konkret,
dass er davon ausgegangen sei, dass die Erblasserin einen solchen kurzen Zeitraum
voraussichtlich nicht überleben werde; insbesondere trifft es nicht zu, dass – wie die Beschwerde
glauben machen will – nach deren gemeinsamer Vorstellung mit einer Errichtung des
Testaments bis 14h00 hätte begonnen werden müssen. Nach der in den wesentlichen
Grundzügen übereinstimmenden Schilderung der tatsächlichen Abläufe (Bl. 59 ff., 72 ff. GA-I)
erfolgte die Errichtung des Nottestaments am frühen Nachmittag des 29. März 2023 in
Gegenwart der Eheleute L., die nach ihrer gleichlautenden Aussage gegen 14h00 in der
Wohnung der Erblasserin eingetroffen waren, auf Grundlage eines anwaltlich vorformulierten
Entwurfs, den die Zeugin O., nachdem der Beschluss zur Errichtung des Testaments gefallen
war, zunächst handschriftlich abschrieb, bevor der Inhalt der Erblasserin vorgelesen und im
Anschluss hieran das Dokument von allen Beteiligten unterzeichnet wurde. Alle drei Zeugen
erklärten lediglich, damals angenommen zu haben, die schwer kranke Erblasserin werde aus
ihrer Sicht bald versterben; sie beschrieben sie übereinstimmend als schwach, zugleich aber auch
als bewusstseinsklar und sehr entschlossen, von Ausfallerscheinungen war nicht die Rede. Auf
die Frage, ob nicht anstelle der aufwendigen Fertigung eines Nottestaments, die nach Angaben
der Zeugin B. etwa 30 bis 45 Minuten in Anspruch genommen habe, die Möglichkeit bestanden
hätte, noch rechtzeitig einen Notar oder den Bürgermeister herbeizurufen, vermochte sich
keiner der Zeugen konkret zu äußern. Der Zeuge G. L. hielt dies lediglich allgemein für
„schwierig“, die gewählte Vorgehensweise für „notwendig“ und die der Erblasserin verbleibende
Lebenszeit „auf Stunden zusammengezählt“. Die Zeugin B. gab nur an, davon ausgegangen zu
sein, dass die Erblasserin „jetzt irgendwann sterben“ werde; über die Möglichkeit, einen Notar
oder den Bürgermeister zu rufen, habe sie sich keine Gedanken gemacht. Die Zeugin O. sprach
zwar davon, „die Situation einer Sterbenden“ vorgefunden zu haben; zur konkreten
Lebenserwartung konnte sie sich aber nicht dezidiert äußern: „Ob 10 oder 20 Tage?“. Was solle
sie sagen, das sei so schwierig, wie solle sie das beurteilen (Bl. 75 GA-I). All dies spricht nicht
dafür, dass die Zeugen damals übereinstimmend die Befürchtung hegten, dass die zeitnahe
Errichtung eines Testaments unter Zuziehung eines Notars oder des Bürgermeisters nicht mehr
möglich sein werde, weshalb die Voraussetzungen für die wirksame Errichtung eines
mündlichen Testaments vor drei Zeugen auch unter diesem Gesichtspunkt nicht festgestellt
werden können und das Amtsgericht den darauf gestützten Erbscheinsantrag der Beteiligten zu
1) und zu 2) – mangels anderer, sie wirksam als hälftige Miterben ausweisender letztwilliger
Verfügung – zu Recht abgelehnt hat.

3.
Es erscheint dem Senat angemessen, den Beteiligten zu 1) und zu 2) die Kosten ihrer erfolglosen
Beschwerde gemäß § 84 FamFG aufzuerlegen. Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70
Abs. 2 FamFG), bestehen nicht.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist unter Berücksichtigung des von den
Beteiligten zu 1) und zu 2) erstrebten Verfahrensziels (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Dezember
2017 – 5 W 53/17, NJW 2018, 957), einen sie als gemeinschaftliche Erben ausweisenden
Erbscheins zu erlangen, gemäß §§ 61, 36, 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GNotKG mit dem vollen
Nachlasswert anzusetzen. Der Senat geht im Rahmen des ihm zukommenden Ermessens auf
Grundlage der Angaben in dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) und zu 2) vom 29. Juni
2023 (Bl. 3 ff. GA-I) von einem bereinigten Nachlasswert von ca. 170.000,- Euro aus.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Saarbrücken

Erscheinungsdatum:

04.02.2025

Aktenzeichen:

5 W 4/25

Rechtsgebiete:

Kostenrecht
Vorweggenommene Erbfolge (Ausgleichung, Anrechnung)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
Testamentsform

Normen in Titel:

BGB § 2250