OLG Braunschweig 30. November 2022
2 W 104/22
GrdstVG § 9 Abs. 1 Nr. 2

Grundstücksverkehrsgesetz; Einräumung von Miteigentum

letzte Aktualisierung: 16.2.2023
OLG Braunschweig, Beschl. v. 30.11.2022 – 2 W 104/22 (Lw)

GrdstVG § 9 Abs. 1 Nr. 2
Grundstücksverkehrsgesetz; Einräumung von Miteigentum

Die Einräumung von Miteigentum allein bedeutet noch keine unwirtschaftliche Aufteilung im Sinne
von § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG.

Gründe

I.
Die Beteiligte zu 1. ist Eigentümerin des im Grundbuch des Amtsgerichts Herzberg am Harz für
Bartolfelde Blatt ... zu lfd. Nr. 9 und 10 eingetragenen Grundbesitzes. Dabei handelt es sich um
Landwirtschaftsflächen in der Größe von 5.296 m² und 10.754 m². Mit Überlassungsvertrag
vom 29.03.2022 (UR-Nr.: .../22 des Notars H, Bad Lauterberg im Harz) hat die Beteiligte zu 1.
den Grundbesitz auf die Beteiligten zu 2. und 3. zu je einem halben Miteigentumsanteil
übertragen.

Auf den am 21.06.2022 bei dem Landkreis Göttingen eingegangenen Antrag, den Vertrag nach
§ 2 Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) zu genehmigen, hat der
Grundstücksverkehrsausschuss am 07.07.2022 beschlossen, den Vertrag nur unter der
Bedingung zu genehmigen, dass das landwirtschaftliche Grundstück lediglich an eine Person zu
Alleineigentum übertragen wird. Gegen den entsprechend ergangenen
Grundstücksverkehrsgenehmigungsbescheid des Landkreises Göttingen vom 11.07.2022, der
dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. bis 3. am 18.07.2022 zugegangen ist,
haben diese mit am 27.07.2022 bei dem Landkreis eingegangenen Schriftsatz Antrag auf
gerichtliche Entscheidung gestellt.

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Herzberg am Harz hat den Antrag auf gerichtliche
Entscheidung mit Beschluss vom 30.08.2022, zugestellt am 15.09.2022, zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 26.09.2022 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der
Beteiligten zu 1. bis 3. Zur Begründung führen sie aus, dass nach § 8 Nr. 2 GrdstVG eine
Genehmigung zu erteilen sei, wenn ein landwirtschaftlicher/forstwirtschaftlicher Betrieb
geschlossen veräußert oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen werde. Da
die Veräußerin im Wege letztwilliger Verfügung den Grundbesitz von Todes wegen den beiden
Erwerbern hätte zuwenden können, müsse es auch möglich sein, ihnen den Grundbesitz unter
Lebenden zu übertragen. Das Argument des Landkreises Göttingen, dass zwar eine Übertragung
an die Erwerber in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zulässig sei, nicht
aber als Miteigentümer, entbehre jeder sachlichen Rechtfertigung.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 11.10.2022 nicht abgeholfen
und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig als Beschwerdegericht zur Entscheidung
vorgelegt.

Der Senat hat den Landkreis Göttingen als Genehmigungsbehörde
(Grundstücksverkehrsausschuss nach § 41 LwKG i.V.m. § 3 Abs. 1 GrdstVG) angehört.

II.

1.
Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 1 Nr. 2, 9 LwVG i.V.m. § 58 ff., 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG)
ist begründet.

a) Der notarielle Vertrag vom 29.03.2022 bedarf als rechtsgeschäftliche Veräußerung
landwirtschaftlicher Flächen von mehr als 1 ha gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 GrdstVG
i.V.m. § 1 Nds. GrdstVG AG (Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum
Grundstücksverkehrsgesetz) der Genehmigung. Werden - wie hier - in einem Vertrag mehrere
Grundstücke veräußert, die die Genehmigungsfreigrenze teils überschreiten und teils
unterschreiten, löst das die Freigrenze übersteigende Grundstück das Genehmigungserfordernis
für das gesamte Geschäft nach § 2 Abs. 1 GrdstVG aus, da die Genehmigungsbedürftigkeit für
das jeweilige Rechtsgeschäft grundsätzlich nur einheitlich beantwortet werden kann (vgl. OLG
Naumburg, Beschluss vom 17.11.2010 - 2 Ww 6/10, NJW-RR 2011, 884 Rn. 32 ff.; OLG
Schleswig, Beschluss vom 03.03.2009 - 3 WLw 20/08, BeckRS 2009, 11302 Rn. 37; OLG
Brandenburg, Beschluss vom 01.03.2018 - 5 WLw 17/17 Rn 15, BeckRS 2018, 11555; Martinez
in: Düsing/Martinez/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl., § 2 GrdstVG Rn. 26).

Dasselbe ergibt sich auf Grundlage des am 01.09.2022 in Kraft getretenen § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
NGrdstLwG (Niedersächsisches Gesetz über Grundstücksgeschäfte im Bereich der
Landwirtschaft), wonach nur die Veräußerung von Grundstücken, die kleiner sind als 0,5 ha,
keiner Genehmigung nach § 2 Abs. 1 u. Abs. 2 GrdstVG bedarf. Zudem bestimmt jetzt § 1 Abs.
1 S. 2 NGrdstLwG, dass sich die Größe von Grundstücken unter Einschluss von solchen
Grundstücken errechnet, die gleichzeitig veräußert werden.

b) Versagungsgründe nach § 9 GrdstVG liegen indes nicht vor. Insbesondere ist keine
unwirtschaftliche Verkleinerung oder Aufteilung eines Grundstücks gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 u.
Abs. 3 GrdstVG gegeben.

(1) Nach der genannten Bestimmung darf die Genehmigung versagt oder durch Auflagen oder
Bedingungen eingeschränkt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass das
Grundstück durch die Veräußerung unwirtschaftlich verkleinert oder aufgeteilt werden würde.
Die Begründung von Miteigentum, die hier durch Überlassung des Grundbesitzes von der
Beteiligten zu 1. an die Beteiligten zu 2. und 3. erfolgt, welche jeweils einen halben
Miteigentumsanteil erwerben sollen, bedeutet jedoch nicht in jedem Fall eine unwirtschaftliche
Aufteilung im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG mit der Folge, dass die Genehmigung zu
versagen oder nur unter einer Bedingung zu erteilen wäre (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v.
28.10.1997 - 3 W 69/97, AgrarR 1998, 317). Auch das Oberlandesgericht Stuttgart, welches
zunächst den Grundsatz aufgestellt hat, die Begründung von Miteigentum stelle wegen der dem
Miteigentum innewohnenden Tendenz zur Realteilung in aller Regel eine unwirtschaftliche
Aufteilung des Grundstücks dar (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.02.1990 - 10 W(Lw)
17/89, RdL 1990, 155; ebenso Wöhrmann, Das Grundstücksverkehrsgesetz (1963), S. 193),
wendet diese Regel nicht schematisch an (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.04.1994 - 10
W(Lw) 12/92, RdL 1995, 48).

(2) Entscheidend ist, dass allein durch die Begründung von Miteigentum an dem in tatsächlicher
Hinsicht ungeteilt bleibenden Grundstück, also durch die Bildung von Bruchteilseigentum im
Rechtssinne das in der Natur vorhandene Grundstück nicht real verkleinert oder aufgeteilt wird,
so dass sich an der tatsächlichen einheitlichen Bewirtschaftung des Grundstücks nichts ändert.
Daraus lässt sich demgemäß keine unwirtschaftliche Verkleinerung oder Aufteilung entnehmen
(vgl. Netz, GrdstVG, 7. Aufl., Rn. 23, 34). Auch gibt die bloße Begründung von Miteigentum
noch nichts Ausreichendes dafür her, dass sich aus dem Bruchteilseigentum künftig eine
Realteilung entwickeln wird (s.a. dazu Netz, a.a.O.). Umstände, die darauf hindeuten würden,
dass eine zu einer späteren Abtrennung von Grundstücksteilen führende Entwicklung schon
jetzt konkret angelegt ist, liegen dagegen nicht vor.

Dass jeder Miteigentümer das Recht hat, die Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft zu
betreiben und die Auseinandersetzung und Aufhebung der Gemeinschaft die Gefahr der
Zerstückelung in sich trägt (so Wöhrmann, a.a.O.), stellt im Lichte der Eigentumsgarantie des
Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (Grundgesetz) keinen hinreichenden Grund dar, der Begründung von
Miteigentum generell die Genehmigung zu versagen. Eine solche Sichtweise verkennt die
Systematik des Grundstücksverkehrsgesetzes. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 GrdstVG
bedarf die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks der Genehmigung, wobei der
Veräußerung eines Grundstücks zwar die Einräumung eines Miteigentumsanteils an einem
Grundstück gleichsteht. Damit ist jedoch noch nichts darüber gesagt, ob die Genehmigung
versagt werden kann. Dies regelt § 9 GrdstVG, wonach die Genehmigung nur unter bestimmten
Voraussetzungen versagt oder durch Auflagen oder Bedingungen eingeschränkt werden darf.
Daraus folgt, dass die Erteilung der Genehmigung die Regel und ihre Versagung oder
Einschränkung die Ausnahme ist. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis würde ins Gegenteil
verkehrt, knüpfte man allein an die Einräumung oder Begründung von Miteigentum bereits die
Versagung der Genehmigung.

Hinzu kommt, dass eine Veräußerung der Miteigentumsanteile und spätere Realteilung des
Grundbesitzes der erneuten landwirtschaftsrechtlichen Genehmigung bedarf, eine spätere
Realteilung also versagt werden könnte (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom
27.05.1975 - 15 W(b) 1/75; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.10.1997 - 3 W 69/97, AgrarR
1998, 317). Damit kann der Gefahr der Zerstückelung entgegengewirkt werden, wenn sie sich
tatsächlich konkretisiert. Eine Teilungsversteigerung zur Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft
nach § 180 ZVG wiederum würde nicht zur Teilung des Grundstücks in Natur, sondern
lediglich zur Teilung des Erlöses führen (ebenso Netz, a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschluss v.
28.10.1997, a.a.O.).

2.
Gemäß den §§ 34, 42 S. 1 LwVG ist von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen worden.
Die hierfür nötigen besonderen Gründe liegen vor, weil die Landwirtschaftsbehörde, also der
Landkreis Göttingen, nach § 7 Abs. 6 FamFG nicht Beteiligter ist (vgl. Ernst, LwVG, 8. Aufl.,
§ 14 Rn. 286), so dass ihm, obwohl er die Genehmigung des Grundstücksüberlassungsvertrags
zu Unrecht nur unter einer Bedingung erteilt hat, die in dem durch den Antrag auf gerichtliche
Entscheidung eröffneten Verfahren entstandenen Kosten nicht auferlegt werden können. Dies
rechtfertigt das Absehen von der Erhebung von Gerichtskosten (vgl. Hornung in
Düsing/Martinez, AgrarR, 2. Aufl., § 42 LwVG Rn. 3 m.w.N.). Eine Erstattung
außergerichtlicher Kosten nach § 45 S. 1 LwVG findet nicht statt.

3.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren ist gemäß den §§ 79 Abs. 1 GNotKG i.V.m.
§§ 36 Abs. 1, 46 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 2 GNotKG entsprechend dem Verkehrswert des
Grundbesitzes festgesetzt worden.

4.
Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass die
Entscheidung nach § 2 Abs. 2 LwVG unter Hinzuziehung von ehrenamtlichen Richtern zu
fällen ist, sofern kein Ausnahmefall nach § 20 LwVG vorliegt, was hier nicht der Fall ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Braunschweig

Erscheinungsdatum:

30.11.2022

Aktenzeichen:

2 W 104/22

Rechtsgebiete:

Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Sonstiges Öffentliches Recht
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

GrdstVG § 9 Abs. 1 Nr. 2