OLG Hamm 15. Mai 2000
15 W 476/99
BGB § 2232; BeurkG §§ 22, 24 Abs. 1 u. 3, 25, 31

Errichtung eines notariellen Testaments durch eine schreib- und sprechunfähige Person

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 945
letzte Aktualisierung: 24.Mai 2000
15w47699
OLG Hamm
15 W 476/99
15.05.2000
BGB § 2232; BeurkG §§ 22, 24 Abs. 1 und 3, 25, 31
Errichtung eines notariellen Testaments durch eine schreib- und
sprechunfähige Person.

1. Der Senat hält nach der Entscheidung des BVerfG v. 19.01.1999 (NJW
1999, 1553) daran fest, daß ein schreibunfähiger Stummer ein Testament nicht durch reine
Gebärden oder Bewegungszeichen errichten kann.
2.Belange der Rechtssicherheit und des Schutzes diese Personenkreises gebieten es, die vom
BVerfG vorgesehene Übergangsregelung für die künftige Errrichtung letztwilliger
Verfügungen auch auf bereits errichtete notarielle letztwillige Verfügungen als
Mindeststandard anzuwenden. Danach bedarf es wie bei Rechtsgeschäften unter Lebenden
der in §§ 22, 24 BeurkG vorgesehenen Mitwirkung einer Vertrauensperson und eines Zeugen
oder zweiten Notars.
Gründe
Die Beteiligten sind die Kinder des am 20. Dezember 1996 verstorbenen Erblassers mit seiner Ehefrau.
Diese lebte vom Erblasser getrennt; das Scheidungsverfahren war rechtshängig. Die Beteiligten zu 1) und 2)
streiten darum, ob der Beteiligte zu 1) aufgrund notariellen Testaments vom 04.12.1996 den Erblasser allein
beerbt hat oder gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, weil der Erblasser bei der Errichtung des notariellen
Testaments testierunfähig war oder das Testament des mehrfach behinderten Erblassers nicht in der
gehörigen Form errichtet worden ist. Das Testament hat folgenden Wortlaut:
„Vor mir, dem unterzeichnenden Notar
mit dem Amtssitz zu P erschien heute
zum Zwecke der Errichtung einer letztwilligen Verfügung,
aufgesucht in der Intensivstation
der Rentner
dem Notar vorgestellt zur Person von dem diensthabenden Stationsarzt Dr....


Wie eine Unterredung mit ...ergab, ist dieser zwar am Unterschreiben gehindert, aber in der Lage, seinen
Willen zu äußern durch Reaktionen auf Fragen und Antworten.
Wegen der Schreibbehinderung des Erblassers zog der Notar
als Zeugen zu
Dr.... von Person bekannt.
Der Notar überzeugte sich durch die Verhandlung von der Geschäftsfähigkeit des Erblassers. Der
Erschienene erklärte, ein Testament durch mündliche Erklärung errichten zu wollen und durch frühere
Verfügungen von Todes wegen hieran nicht gehindert zu sein.
Er erklärte, deutscher Staatsangehöriger zu sein. Die Zuziehung des Zeugen wurde gewünscht.
Der Erblasser erklärte dem Notar mündlich seinen letzten Willen wie folgt:
§1
Für den Fall meines Todes berufe ich als meinen Alleinerben meinen Sohn
§2
Meine Töchter und meine Ehefrau schließe ich von der Erbfolge aus.
§3
Der Notar soll die beglaubigte Abschrift zurückbehalten und die Urschrift in amtliche Verwahrung beim
Amtsgericht Paderborn geben.
Vorstehende Verhandlung wurde vom Notar dem Erschienenen in Gegenwart des Verhandlungszeugen
vorgelesen, vom Erblasser genehmigt uns alsdann vom Verhandlungszeugen und Notar unterschrieben wie
folgt:
Zum Nachlaß gehören neben einem hälftigen Miteigentumsanteil an einem 3- Familienhaus zwei
Sparbücher. Zur Höhe der Sparguthaben sowie zum Verbleib der Sparbücher haben die Vorinstanzen keine
Feststellungen getroffen.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) vom 15.01.1997, den
das Amtsgericht entsprechend seinen Vorbescheiden vom 09.05.1997 und 01.06.1999 erteilen will.
Das Landgericht hat den Beschluss des Amtsgerichts vom 09.05.1997 aufgehoben und die Sache zur
weiteren Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, weil die erste Instanz der
Frage der Testierfähigkeit des Erblassers nicht ansatzweise nachgegangen sei. Die dagegen gerichtete
weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat der Senat durch Beschluß vom 30.07.1998 – 15 W 472/97 –
zurückgewiesen. Das Amtsgericht hat in der Sitzung vom 26.10.1998 die Ehefrau des Erblassers und die
Beteiligten zu 1) bis 3) persönlich angehört sowie weitere Personen aus dem Lebensumfeld des Erblassers
als Zeugen vernommen. Es hat sodann zur Testierfähigkeit des Erblassers ein schriftliches
Sachverständigengutachten eingeholt, welches der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr... unter
dem 12.03.1999 erstattet hat. Unter dem 01.06.1999 hat das Amtsgericht erneut einen Erbschein
angekündigt, der den Beteiligten zu 1) als testamentarischen Alleinerben ausweist. Auf die hiergegen
gerichtete (wiederholte) erste Beschwerde hat das Landgericht diesen Vorbescheid durch Beschluß vom 15.
November 1999 mit der Begründung aufgehoben, daß das notarielle Testament als formunwirksam
anzusehen sei, weil es - ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur
Testamentserrichtung durch schreibunfähige Stumme - der Hinzuziehung einer Vertrauensperson des
Erblassers bedurft hätte.
Verfahrensbevollmächtigten vom 13. Dezember 1999 erneut weitere Beschwerde eingelegt, der die
Beteiligte zu 2) entgegengetreten ist.
II.
Die nicht fristgebundene weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist formgerecht eingelegt und auch sonst
zulässig (§§ 29, 27 FGG). Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt daraus, daß das Landgericht
die Entscheidung des Amtsgerichts zu seinem Nachteil abgeändert hat.
Die weitere Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer
Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
1 . Das Landgericht hat offengelassen, ob der Erblasser bei Errichtung des notariellen Testaments am 04.
Dezember 1996 testierfähig i.S.d. § 2229 Abs. 4 BGB war. Für das zweite Verfahren der weiteren
Beschwerde ist deshalb zugunsten des Beteiligten zu 1) die Testierfähigkeit des Erblassers zu unterstellen.
Die Entscheidung über das Erbrecht des Beteiligten zu 1) hängt sonach entscheidend davon ab, ob das
Testament vom 04. Dezember 1996 ordnungsgemäß errichtet worden ist.
a) Hierzu meint das Landgericht im Ausgangspunkt: Die Formvorschrift des § 2232 BGB, wonach ein
öffentliches Testament zur Niederschrift eines Notars nur durch mündliche Erklärung oder durch Übergabe
einer Schrift, die den letzten Willen enthalte, errichtet werden könne, sei nicht eingehalten worden. Denn
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Erblasser am 04.12.1996 weder sprechen noch schreiben
können. Die Testamentserrichtung sei deshalb in der Weise erfolgt, daß der Erblasser auf entsprechende
Fragen des Notars mit Kopfschütteln oder Kopfnicken reagiert habe.
Diese Feststellungen des Landgerichts sind rechtlich unangreifbar und werden von der weiteren Beschwerde
auch nicht in Zweifel gezogen. Die hieraus gezogenen rechtlichen Schlußfolgerungen treffen zu. Sie
entsprechen der insoweit nicht überholten Rechtssprechung des Senats (NJW-RR 1994, 593 = FamRZ 1994,
993), nach der Kopfnicken und –schütteln keine mündlichen Erklärungen darstellen und eine
Testamentserrichtung in der Form des § 2232 BGB bei Mehrfachbehinderungen der vorliegenden Art
ausscheidet (vgl. auch die erste Senatsentscheidung in dieser Sache vom 30.07.1998 – 15 W 472/99 - ) Dies
hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 19.01.1999 (NJW 1999, 1853, 1855 = DNotZ
1999, 409) ausdrücklich bestätigt, in der im vorliegenden Zusammenhang ausgeführt wird, §§ 2232, 2233
BGB, § 31 BeurkG verlangten entweder eine mündliche Äußerung des Testierenden oder seine
eigenhändige schriftliche Erklärung, so daß ein Testament jedenfalls nicht durch reine Gebärden oder
Bewegungszeichen errichtet werden könne.
b) Das Bundesverfassungsgericht hat in der zitierten Entscheidung allerdings ausgesprochen (a.a.O. S. 1855
f.), daß die genannten Formvorschriften fortan nicht mehr auf letztwillige Verfügungen schreib- und
sprechunfähiger Personen, die geistig und körperlich zu einer Testamentserrichtung in der Lage sind,
angewendet werden dürfen, soweit sie diese Personen von jeder Testierung ausschließen. Bis zu einer
gesetzlichen Neuregelung könnten schreib- und sprechunfähige Personen künftig mit notarieller Hilfe
letztwillige Verfügungen errichten, und zwar nach den Vorschriften der §§ 22 - 26 BeurkG über
rechtsgeschäftliche Erklärungen unter Lebenden i.V.m. den §§ 27, 29, 34 und 35 BeurkG. Die
Übergangsvorschrift erfasse allerdings nicht in der Vergangenheit von schreib- und sprechunfähigen
Personen bereits errichtete letztwillige Verfügungen. In diesen Fällen sei es Aufgabe der Rechtsprechung,
die durch die Unvereinbarkeitserklärung entstandene Regelungslücke zu schließen und Maßstäbe für die
Beurteilung der Wirksamkeit solcher Testamente zu entwickeln. Aufgrund der verfassungsrechtlichen
Gewährleistung der Testierfreiheit könnten die von schreibunfähigen Stummen in der Vergangenheit
errichteten Testamente nicht allein wegen Verletzung des gesetzlichen Formzwangs als unwirksam
anerkannt werden, die von schreibunfähigen Stummen in Ermangelung anderer Regelungen entsprechend
den Anforderungen der §§ 22 - 26 BeurkG errichtet worden seien (BVerfG a.a.0. S. 18.56)-.
In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht im Kern ausgeführt: Bereits bei einer sogenannten
Einfachbehinderung des Urkundsbeteiligten sei nach § 22 BeurkG ein Zeuge oder ein zweiter Notar
hinzuzuziehen, es sei denn, alle Beteiligten verzichteten hierauf. Sei mit der sprachunfähigen Person auch
keine schriftliche Verständigung möglich, so fordere § 24 Abs. 1 BeurkG für die Formwirksamkeit des
Beurkundungsakts ferner die Hinzuziehung einer Vertrauensperson, die sich mit dem Beteiligten zu
verständigen vermöge'. Dabei folge aus § 24 Abs. 3 BeurkG, wonach das Erfordernis, nach § 22 BeurkG
einen Zeugen oder zweiten Notar zuzuziehen, hiervon unberührt bleibe, daß es sich bei dieser
Vertrauensperson um eine von dem Urkundsnotar oder zweiten Notar personenverschiedene, weitere Person
handeln müsse. An der Hinzuziehung einer solchen Vertrauensperson fehle es vorliegend. Der der
Testamentserrichtung allein hinzugezogene behandelnde Arzt Dr... sei ausweislich des Wortlauts des
Testaments vom Urkundsnotar wegen der Schreibbehinderung des Erblassers als Schreibzeuge i.S.d. § 25
BeurkG hinzugezogen worden. Selbst wenn man ihm mit Rücksicht auf den letzten Absatz des Testaments,
in dem er vom Notar als Verhandlungszeuge bezeichnet werde, nicht als bloßen Schreibzeugen ansehen
wollte, könnte er allein als Zeuge i.S.d. § 22 Abs. 1 BeurkG angesehen werden, nicht aber als
Vertrauensperson i.S.d. § 24 Abs. 1 BeurkG. Auch wenn sich der Erblasser ausweislich des Wortlautes des
Testaments ausdrücklich mit der Hinzuziehung des Zeugen einverstanden erklärt habe, sei vorliegend die
Hinzuziehung einer dritten Person nach § 22 Abs. 1 BeurkG nicht entbehrlich gewesen. Gem. § 24 Abs. 1
und 3 BeurkG hätte es damit für die Beurkundung noch der Hinzuziehung einer dritten Person neben dem
beteiligten Zeugen bedurft. Auf die Hinzuziehung der Vertrauensperson könne bei schreibunfähigen
Stummen auch nicht verzichtete werden. Gerade mit der Hinzuziehung einer Vertrauensperson, bei der es
sich neben Taubstummendolmetschern regelmäßig um mit den Vorstellungen des Erblassers vertraute
Angehörige oder Bekannte handeln werde, solle besonders sichergestellt werden, daß der Wille des
Behinderten von dem Urkundsnotar zuverlässig und richtig ermittelt werde. Diese Funktion erfülle der vom
Notar zugezogene Stationsarzt nicht.
Diese Begründung trägt die angefochtene Entscheidung. nach der zitierten Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (NJW 1999, 1853, 1854) verfolgt der Gesetzgeber mit der Anwendung von
Formvorschriften auf schreibunfähige Stumme zum Schutz der Rechtssicherheit und zum Schutz des
Testierenden legitime Gemeinwohlziele, wobei selbstbestimmungsfähigen Personen lediglich die starre
Regelung der §§ 2232, 2233 BGB, § 31 BeurkG als nicht erforderlich beanstandet wird, weil als milderes
Mittel – wie sich aus § 24 BeurkG ergebe – Beurkundungensverfahren denkbar seien, die zu einer
zuverlässigen Feststellung des letzten Willens führten. Hierbei hat der 1. Senat des
Bundesverfassungsgerichts herausgestrichen, daß der Gesetzgeber das im Erbrecht gegebene höhere
Bedürfnis nach Rechtssicherheit in bezug auf die Echtheit und Authentizität einer Willenserklärung als bei
Rechtsgeschäften unter Lebenden über die in den §§ 22, 24 BeurkG vorgesehene Mitwirkung einer
Vertrauensperson und eines Zeugen oder zweiten Notars hinaus z.B. durch das Erfordernis besonderer
Qualifikationen der beigezogenen Personen ausgleichen könne (BVerfG a.a.O., S. 1854f.). Die Belange der
Rechtssicherheit und des Schutzes schreib- und sprechunfähiger Personen vor vermeidbaren Irrtums- und
Kommunikationsrisiken gebieten es nach Auffassung des Senats, die vom Bundesverfassungsgericht
vorgesehene Regelung für die künftige Errichtung letztwilliger Verfügungen bis zu einer gesetzlichen
Neuregelung auch auf bereits errichtete notarielle letztwillige Verfügungen als Mindeststandard
anzuwenden. Eine Vertrauensperson ist schon deshalb unverzichtbar, weil das Erbrecht vielfältige
Gestaltungsmöglichkeiten vorsieht und sich der letzte Wille des Erblassers nicht auf Erbeinsetzungen
beschränken muß. Deshalb wird es einem Notar, der mit der familiären Situation und den erbrechtlichen
Vorstellungen des Erblassers nicht im einzelnen vertraut ist, regelmäßig unmöglich sein, den letzten Willen
des Erblassers herauszufinden, indem er Fragen stellt, die nicht verbal, sondern nur mit Kopfbewegungen
beantwortet werden können. Dieser Mangel kann entegegen der Auffassung der weiteren Beschwerde durch
eine entsprechende Sachverhaltsaufklärung z.B. im Erbscheinserteilungsverfahren nicht ausgeglichen
entsprechende urkundliche Grundlage als Ausgangspunkt für die Ermittlungen des Erblasserwillens fehlt.
Dies gilt gerade auch im vorliegenden Fall. Nach den Angaben des vom Amtsgericht vernommenen Notars
sowie des behandelnden Arztes Dr...beschränkte sich der Dialog zwischen dem Notar und dem Erblasser auf
das Durchgehen von Familienangehörigen unter dem Gesichtspunkt ihrer Einsetzung als (Allein-)Erbe. Im
Blick auf das nicht unbeträchtliche Vermögen des Erblassers wären auch differnzierte erbrechtliche
Regelungen in Betracht gekommen. Diese sind ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 26.10.1998 nicht
zur Sprache gekommen, weil sich der Notar nach seinen eigenen Angaben an den Vorgaben unbekannter
Herkunft orientiert hat, die ihm zuvor telefonisch von den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten des
Beteiligten zu 1) übermittelt worden waren. Im Blick auf das rechtshängige Scheidungsverfahren und dem
Ausschluß des gesetzlichen Ehegattenerbrechts nach § 1933 BGB ist auch fraglich, ob der Erblasser der ihm
angetragenen Testamentserrichtung letztlich nur in dem Rechtsirrtum nicht entgegengetreten ist, nur durch
ein Testament könne er das von ihm möglicherweise nicht gewünschte gesetzliche Erbrecht seiner Frau
ausschließen.
Aus den Erwägungen der landgerichtlichen Entscheidung ist die Zuziehung eines Schreibzeugen (§ 25
BeurkG) ungeachtet der Regelung in § 24 Abs. 3 BeurkG kein geeignetes Mittel, um die Schwierigkeiten
bei der Erforschung des Erblasserwillens hinreichend auszugleichen. Der Schreibzeuge wirkt bei der
Errichtung einer öffentlichen Urkunde in der Weise mit, daß er dem Vorgang des Vorlesens und der
Genehmigung der Niederschrift seine Aufmerksamkeit widmet und der Verhandlung im Bewußtsein dieser
Verantwortung beiwohnt (vgl. Keidel/Winkler, BeurkG, 14.Aufl., § 25 Rdn. 11); er kann nicht gleichzeitig
Vertrauensperson sein (vgl. Keidel/Winkler a.a.O.). Aus der Funktion des Schreibzeugens, den äußeren
Beurkundungsvorgang zu verfolgen, ergibt sich, daß es nicht zu seinen Aufgaben zählt, durch ein aktives
Eingreifen in den Dialog mit dem schreibunfähigen stummen und dem Notar zu einer zuverlässigen
Feststellung des letzten Willens beizutragen. Dies ist aber in den Fällen eines in mehrfacher Hinsicht
behinderten Erblassers - ebenso wie bei Geschäften unter Lebenden - unverzichtbar.
Das notarielle Testament vom 04. Dezember 1996 ist daher formunwirksam. Die Unwirksamkeit eines
Testaments infolge der Verletzung der vorgeschriebenen Form nimmt das Gesetz ausdrücklich hin. Dieses
Ergebnis wird auch vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O. S. 1856) für die Fälle der bereits vor Erlaß der
Entscheidung vom 19. Januar 1999 errichteten letztwilligen Verfügungen durch schreib- und sprechunfähige
Personen nicht in Frage gestellt (ebenso: Rossak DNotZ 1999, 420).
Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.
Die Wertfestsetzung für das Verfahrender weiteren Beschwerde beruht auf § 131 Abs. 2, 5 30 Abs. 1 KostO.
Dabei bemißt sich der Wert des zweiten Rechtsbeschwerdeverfahrens nach dem Interesse des Beteiligten zu
1) an dem von ihm beantragten Erbschein (= 2/3 des Nachlaßwertes).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

15.05.2000

Aktenzeichen:

15 W 476/99

Erschienen in:

DNotI-Report 2000, 124
MittBayNot 2000, 455-457
MittRhNotK 2000, 343-347
DNotZ 2000, 706-710
FGPrax 2000, 151-153
NJW 2000, 3363-3364
NotBZ 2000, 268-270
Rpfleger 2000, 392-393
ZEV 2000, 363-365
ZNotP 2000, 434-436

Normen in Titel:

BGB § 2232; BeurkG §§ 22, 24 Abs. 1 u. 3, 25, 31