OLG Frankfurt a. Main 25. Juli 2007
4 U 190/06
BeurkG § 17; BNotO § 14 Abs. 2; BGB § 436; BauGB §§ 127 ff., 134

Belehrungspflicht des Notars über ungesicherte Vorleistung, so lange der Bauträger die Erschließungsbeiträge noch nicht gezahlt hat

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 4u190_06
letzte Aktualisierung: 19.9.2007
OLG Frankfur, 28.3.2007 - 4 U 190/06
BeurkG § 17; BNotO § 14 Abs. 2; BGB § 436; BauGB §§ 127 ff., 134
Belehrungspflicht des Notars über ungesicherte Vorleistung, so lange
der Bauträger die Erschließungsbeiträge noch nicht gezahlt hat


4 U 190/06
2-26 O 119/06
Landgericht Frankfurt
Verkündet am 28.3.2007
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit

hat das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main – 4. Zivilsenat –
durch die Richter … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2007
für Recht erkannt:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 25.7.2006 verkündete Urteil des
Landgerichts Frankfurt, 26. Zivilkammer, wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung
oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher
Höhe erbringen.
Gründe:
I.
Die Kläger erstreben die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Leistung
von Schadensersatz wegen Verletzung notarieller Pflichten im Zusammenhang mit
der Beurkundung eines Bauträgervertrages.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des
landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und hierzu ausgeführt:
Der Anspruch sei nicht verjährt. Zwar hätten die Kläger im Jahr 2002 bereits Kenntnis vom eingetretenen Schaden gehabt, weil dafür die Möglichkeit der Feststellungsklage ausreiche. Sie hätten aber bis zum Jahr 2003 noch keine Kenntnis von der
Pflichtverletzung des Beklagten gehabt.
Die in dem fehlenden Hinweis auf die ungesicherte Vorleistung liegende Pflichtverletzung sei kausal für den Schaden der Kläger. Ein Zurückbehaltungsrecht habe für sie
schon deshalb nicht bestanden, weil wegen der bereits erfolgten Fertigstellung 86 %
des Kaufpreises schon bei Vertragsschluss zu zahlen gewesen seien. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit bestehe nicht. Soweit der Kläger einen Arbeitskollegen um
Rat gefragt habe, habe es sich dabei um eine Gefälligkeit gehandelt.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt.
Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, ihn habe keine Pflicht zum Hinweis auf
eine ungesicherte Vorleistung wegen der Erschließungskosten getroffen. Es sei ausreichend gewesen, dass er Kaufpreisraten entsprechend der MaBV empfohlen habe.
Er habe von dieser Regelung als Notar auch nicht abweichen dürfen. Er habe außerdem wegen des Schreibens der Kläger vom 23.11.2000 (Anlage B 1) annehmen dürfen, dass diese bereits ausreichend beraten seien. Es liege schließlich auch keine
ungesicherte Vorleistung vor, weil die Kläger ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber
der ersten Rate hätten geltend machen können. Die bei ungesicherten Vorleistungen
bestehende zweite Amtspflicht zur Empfehlung einer anderen Vertragsgestaltung sei
hier schon deshalb nicht ausführbar gewesen, weil die Höhe der zu erwartenden Erschließungsbeiträge unsicher und damit etwa für einen Bürgen offen gewesen sei,
welches Risiko er übernehme.
Hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zum Schaden der Kläger könnten diese sich
jedenfalls hinsichtlich des Einverständnisses der A GmbH mit einer anderen Vertragsgestaltung nicht auf eine Vermutung beratungsgerechten Verhaltens berufen.
Dass diese zugestimmt hätte, werde bestritten und die Kläger hätten dazu nichts
vorgetragen.
Der Beklagte hält den Anspruch weiterhin für verjährt. Das Landgericht verkenne,
dass es für die Kenntnis von der Pflichtverletzung des Notars nicht erforderlich sei,
dass der Betroffene die rechtlich zutreffenden Schlüsse aus dem ihm bekannten
Sachverhalt ziehe. Nur bei einer unübersichtlichen Sach- und Rechtslage sei der
Verjährungsbeginn hinausgeschoben. Dies sei hier nicht der Fall, weil für die Beurteilung einer Pflichtverletzung es ausreichend gewesen sei zu erkennen, dass der Notar
nicht über das Insolvenzrisiko aufgeklärt hatte. Dies gelte trotz Fehlens einer höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu.
Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil unter Hinweis auf ihr erstinstanzliches
Vorbringen.
Hinsichtlich der Höhe der bei Vertragsabschluss zu prognostizierenden Erschließungskosten verweisen sie auf ihren Vortrag, wonach dies der A GmbH bekannt gewesen sei. Dass ergebe sich daraus, dass sie wegen eines Teils der Kosten mit der
Stadt O1 einen Erschließungskostenvertrag geschlossen hatte und ihr die Kosten
auch für die eigene Kalkulation des Preises bekannt sein mussten.
Hinsichtlich der Frage des Verjährungsfristbeginns vertiefen sie ihren Standpunkt
wonach ein „konkreter Schadenseintritt“ erforderlich sei und ein solcher auch dann
nicht gegeben sei, wenn mit dem Eintritt eines (künftigen) Schadens sicher gerechnet
werden könne. Auch eine Feststellungsklage sei nur zulässig, wenn mindestens
schon ein Teilschaden eingetreten sei.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass der Beklagte aus § 19 Abs. 1
BNotO verpflichtet ist, den Klägern denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihnen dadurch entsteht, dass in dem notariellen Kaufvertrag eine Sicherung der Kläger für die
Verpflichtung der A GmbH zur Tragung der Erschließungs- und Anschlusskosten
nicht vereinbart worden ist. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht diesen Anspruch auch als nicht verjährt angesehen.
1.
Der Beklagte hat gegen eine ihm aus den §§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO und § 17 Abs.
1 BeurkG ergebende Amtspflicht verstoßen, weil er es bei der Beurkundung des Vertrages unterlassen hat, die Kläger auf die Gefahren der mit der vollen Bezahlung der
vereinbarten Raten vor tatsächlicher Entrichtung der Erschließungs- und Anschlusskosten durch die A GmbH verbundenen ungesicherten Vorleistung hinzuweisen und
den Parteien Wege aufzuzeigen, wie dieses Risiko durch eine andere Vertragsgestaltung vermieden werden kann. Der Senat hält an seiner im Parallelprozess 4 U
93/05 im Urteil vom 9.11.2005 sowie im Urteil vom 25.1.2006 in dem Verfahren 4 U
70/05 vertretenen Rechtsauffassung fest, dass beim Kauf eines noch nicht erschlossenen Baugrundstückes mit der Verpflichtung des Verkäufers zur Tragung der Erschließungskosten die volle Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer eine ungesicherte Vorleistung darstellt , über deren Bedeutung der Notar die Parteien belehren
muss.
Verpflichtet sich eine Partei in einem Grundstückskaufvertrag zu einer ungesicherten
Vorleistung, so trifft den Notar bei der Beurkundung die Pflicht, die Parteien über die
Folgen zu belehren, die im Fall einer Leistungsunfähigkeit des durch die Vorleistung
Begünstigten eintreten, und den Parteien Wege aufzuzeigen, wie sie dieses Risiko
vermeiden können (vgl. Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, Rz.
1021 – 1034 m.w.N.). Die Kläger haben in dem vom Beklagten beurkundeten Vertrag
eine ungesicherte Vorleistung in diesem Sinne im Hinblick auf die Erschließungsund Anschlusskosten übernommen. Nach § 3 Abs. 2 des Vertrages umfasste der von
ihnen zu zahlende Kaufpreis auch die Erschließungskosten und die Anschlusskosten
für Versorgungs- und Entsorgungsleitungen. Zugleich haben die Parteien in § 3 Abs.
5 die Fälligkeit des Kaufpreises in Ratenstufen entsprechend § 3 Abs. 2 MaBV vereinbart. Die Ratenstufen der Makler- und Bauträgerverordnung berücksichtigen nicht
eventuell vom Verkäufer zu tragende Erschießungskosten. Haben die Parteien deshalb vereinbart, dass Erschließungs- und Anschlusskosten vom Bauträger übernommen werden, so sind die übernommenen Erschließungskosten Teil der ersten
Rate des § 3 Abs. 2 MaBV (Marcks, MaBV, 7. Aufl., § 3 Rz. 31). Sind zum Zeitpunkt
der Zahlung der ersten Kaufpreisrate die Erschließungskosten von dem Bauträger
noch nicht vollständig bezahlt worden, so hat der Erwerber eine Vorleistung erbracht,
denn der Zahlung steht kein entsprechender Wertzuwachs an seinem Grundstück
durch Einbauten nach § 946 BGB gegenüber. Öffentlich-rechtlich bleibt er als Grundstückseigentümer dem Träger der Erschließungslast gegenüber zur Zahlung auch
dann verpflichtet, wenn der Betrag beim Unternehmer nicht mehr erlangt werden
kann (§ 134 BauGB). Im Falle der Insolvenz des Bauträgers läuft der Erwerber darum Gefahr, wie auch hier tatsächlich geschehen, dass er die Erschließungskosten an
den Erschließungsträger zahlen muss, obwohl er den entsprechenden wirtschaftlichen Wert mit dem Kaufpreis bereits an den Bauträger geleistet hat.
Eine ungesicherte Vorleistung der Kläger ist nicht deshalb zu verneinen, weil die
Kläger, solange die Erschließungskosten durch die A GmbH nicht gezahlt worden
sind, von einem Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Anspruch auf Zahlung der
Kaufpreisraten hätten Gebrauch machen können. Ein solches Recht hätte ihnen bis
zum Eintritt der Insolvenz der A GmbH nicht zugestanden. Zum einen haben die Kläger mit der Vereinbarung der unter bestimmten Bedingungen jeweils fällig werdenden
Kaufpreisraten eine Vorleistungspflicht übernommen. Mit der Vereinbarung bestimmter Umstände als Bedingung für den Eintritt der Fälligkeit jeder einzelnen Rate haben
die Parteien zugleich vereinbart, dass die Kläger wegen weiterer Leistungen, die die
Verkäuferin schuldet, die Ratenzahlungen nicht zurückbehalten dürfen. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht bei einem Ratenzahlungsplan nach § 3 Abs. 2 MaBV lediglich wegen bereits aufgetretener Mängel (vgl. Marcks, a.a.O., § 3 Randziffer 3). Darüber hinaus stand den Klägern bis zum Eintritt der Insolvenz der A GmbH am
01.06.2002 auch kein fälliger Anspruch auf Bezahlung der Erschließungskosten an
die Stadt O1 zu, welchen sie nach § 320 BGB dem Ratenzahlungsanspruch der A
GmbH hätten entgegen halten können, denn mangels Anforderung durch Bescheid
waren Erschließungs- und Anschlussbeiträge nicht fällig. Diese werden auch typischerweise erst erhebliche Zeit nach Fertigstellung der Maßnahmen angefordert, so
dass ein Zurückbehaltungsrecht der Erwerber aus § 320 BGB in aller Regel leer läuft.
Der Verpflichtung des Beklagten, den Parteien wegen der für die Kläger ungesicherten Vorleistung eine andere Vertragsgestaltung vorzuschlagen, kann der Beklagte
nicht entgegen halten, dass er als Notar keinen von den Fälligkeitsstufen nach § 3
Nr. 2 MaBV abweichenden Vertragsinhalt habe vorschlagen dürfen. Die Makler- und
Bauträgerverordnung trifft, wie dargelegt, keine Regelung darüber, ob der Bauträger
die Erschließungs- und Anschlusskosten übernimmt, sondern verteilt nur den vereinbarten Kaufpreis in Fälligkeitsstufen im Hinblick darauf, dass der Erwerber erst mit
dem Baufortschritt schrittweise Eigentümer des geschuldeten Hauses wird. Die
MaBV entbindet deshalb die Notare nicht von der Prüfung, ob aus besonderen Gründen dieser Schutz nicht ausreicht und eine ergänzende Vertragsgestaltung geboten
ist. Die MaBV zielt nur auf einen Mindestschutz der Erwerber (Marcks, MaBV, § 3
Rz. 43) und steht deshalb einer Abweichung vom Ratenplan zu Gunsten der Erwerber nicht entgegen.
Entgegen der Meinung des Beklagten entfiel eine Hinweis- und Beratungspflicht nicht
ausnahmsweise deshalb, weil er aufgrund des Schreibens der Kläger vom
23.11.2000 (Anlage B 1) annehmen durfte, die Kläger seien bereits rechtlich umfassend beraten. Der bloße Hinweis in diesem Schreiben, dass der Kläger zu 1) mit einem Kollegen aus dem …-Justiziariat über den Vertrag gesprochen habe, durfte den
Beklagten nicht zu der Annahme veranlassen, eine notarielle Belehrung von seiner
Seite sei nicht mehr erforderlich. Aus den in dem Schreiben gestellten Fragen der
Kläger zum Vertrag ergibt sich nämlich, dass die Kläger das Problem einer ungesicherten Vorleistung im Bezug auf die Erschließungsbeiträge und das Insolvenzrisiko
der Bauträgerin gerade nicht erkannt hatten.
Der Beklagte hätte mithin bei der Beurkundung des zwischen den Klägern und der A
GmbH geschlossenen Vertrages die Kläger auf das Risiko hinweisen müssen, dass
sie im Fall einer Insolvenz der A GmbH trotz Zahlung der vereinbarten Kaufpreisraten
möglicherweise die Erschließungskosten an den Träger der Erschließungslast zahlen
müssen, und hätte den Parteien beratend eine Vertragsgestaltung empfehlen müssen, die den Klägern dieses Risiko abnimmt. Als mögliche Vertragsgestaltung hätte
der Beklagte entweder die Einzahlung eines entsprechenden Kaufpreisteiles auf ein
besonderes, vor dem alleinigen Zugriff der A GmbH geschütztes Konto oder, und
dies erscheint näher liegend, die Stellung einer Bürgschaft durch die A GmbH für ihre
Verpflichtung zur Übernahme sämtlicher Erschließungs- und Anschlusskosten vorschlagen können.
Eine Pflicht des Beklagten zur Empfehlung einer dieser Vertragsgestaltungen ist
nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Umfang der Sicherheiten nicht hätte bestimmt werden können. Die Höhe der zu erwartenden Erschließungs- und Anschlussbeiträge war nicht derart unbestimmt, dass damit etwa für einen Bürgen offen
gewesen wäre, welches Risiko er übernehme. Es ist nach den Gesamtumständen
vielmehr als sicher anzunehmen, dass die Parteien diese Kosten hinreichend bestimmt im Voraus hätten schätzen können. Sie hätten zunächst eine Auskunft bei der
Stadt O1 über die ungefähren Kosten einholen können. Für Erschließungsbeitragsund Anschlusskosten gibt es Erfahrungswerte, die in einem Preis je Grundstücksquadratmeter angegeben werden können. Hinzu kommt, dass die A GmbH bereits
zuvor mit der Stadt O1 einen Erschließungskostenvertrag über die Grundstückserschließung, eine Grünanlage und die Lärmschutzanlage zur Autobahn A 661 hin geschlossen hatte. Aufgrund dessen hätte sie zumindest einen Teil der zu erwartenden
Kosten exakt berechnen können. Schließlich hat auch die Insolvenzverwalterin im
Schreiben vom 9.9.2003 (Anlage A 6) anhand der vorhandenen Unterlagen die zu
erwartenden Erschließungs- und Anschlusskosten auf 18.578,17 Euro für die Kläger
berechnet. In dieser Höhe hätte deshalb schon bei Vertragsschluss die A GmbH die
zu erwartenden Kosten angeben können.
2.
Die für die Feststellungsklage erforderliche nahe Wahrscheinlichkeit eines Schadens
der Kläger ist gegeben. Nach der unbestritten gebliebenen Berechnung der Insolvenzverwalterin der A GmbH werden von den Kosten der ausgeführten Erschließungsmaßnahmen voraussichtlich insgesamt 18.578,17 Euro auf die Kläger entfallen. Von dem vom Kaufpreis zurückbehaltenen Betrag von 13.014,94 Euro verbleiben den Klägern nach Abzug von 2.195 Euro wegen zwischen ihnen und der A
GmbH unstreitiger Mängel noch 10.819,94 Euro als freie Mittel zur Schadensminderung im Aufrechnungswege. Es droht ihnen deshalb ein Vermögensschaden von
mindestens 7.758,23 Euro. Ob, was der Beklagte bestreitet, den Klägern gegen die A
GmbH Minderungsansprüche in Höhe von 2.195,- € tatsächlich zustehen, kann dahin
gestellt bleiben. Bestünde ein solcher Minderungsanspruch der Kläger nicht, so würde sich dadurch der drohende Schaden der Kläger nur um diesen Betrag vermindern, weil der zurückbehaltene Kaufpreis dann voll zur Aufrechnung eingesetzt werden könnte. Es würde damit immer noch ein drohender Schaden von 5.500,- Euro
verbleiben, was für die hier erhobene Feststellungsklage ausreichend wäre. Da von
den Klägern jedenfalls ein Teil des einheitlichen Schadens noch nicht beziffert werden kann, kann auch offen bleiben, ob den Klägern durch die Bezahlung eines inzwischen am 31.10.2005 ergangenen Heranziehungsbescheid ein Schaden bereits teilweise entstanden ist. Die Kläger haben den Betrag von 8.636,71 Euro darauf im Übrigen unter Vorbehalt gezahlt und den Bescheid angefochten.
3.
Der dargestellte den Klägern drohende Vermögensschaden beruht ursächlich auf der
dem Beklagten vorzuwerfenden Pflichtverletzung durch Unterlassen.
Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem geltend gemachten, künftig entstehenden Schadens kommt es darauf an, welchen Verlauf die Dinge im Fall einer pflichtgemäßen Befragung, Belehrung und Beratung der
Vertragsparteien durch den Beklagten genommen hätten. Dazu gehört die Betrachtung, wie die Beteiligten sich bei zutreffendem Verhalten des Notars entschieden hätten, insbesondere wie der Geschädigte reagiert hätte (vgl. Ganter, in: Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch Notarhaftung, Rz. 2204; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 19 Rz. 125 f.). Es ist zu prüfen, wie sich die Vermögenslage des Betroffenen darstellen würde, wenn der Notar die Pflichtverletzung nicht begangen, sondern pflichtgemäß gehandelt hätte (BGH DNotZ 1989,48,49 = NJW-RR 1988, 1367;
DNotZ 1990, 661, 663 = NJW-RR 1990, 629; BGHZ 123, 178, 180). Für die in die
Betrachtung einzubeziehenden hypothetische Willensentscheidungen der Beteiligten
ist es, weil es sich um Fragen der unter § 287 Abs. 1 ZPO fallenden haftungsausfüllenden Kausalität handelt, ausreichend, wenn aufgrund der unterbreiteten Tatsachen
für den einen oder den anderen Verlauf eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht (BGH NJW-RR 1996, 781).
Der Schaden der Kläger beruht hier jedenfalls auf der vom Beklagten verletzten zweiten Pflicht, den Beteiligten Wege aufzuzeigen, wie das sich aus der ungesicherten
Vorleistung für die Kläger ergebende Risiko vermieden werden kann.
Hätten die Parteien entweder die Einzahlung eines entsprechenden Kaufpreisteiles
auf ein besonderes, vor dem alleinigen Zugriff der A GmbH geschütztes Konto oder
die Stellung einer entsprechenden Bürgschaft durch die A GmbH vereinbart, so wäre
der den Klägern drohende Schaden verhindert worden, weil sie nach Insolvenz der A
GmbH sich wegen ihres Rückgriffsanspruchs an den Sicherheiten hätten befriedigen
können.
Es kann weiter mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die
Vertragsparteien sich auf die vom Beklagten vorzuschlagende Vereinbarung von Sicherheiten auch eingelassen hätten. Für die Zustimmung der Kläger hierzu gilt dies
schon aufgrund der bei der Verletzung einer Beratungspflicht eingreifenden tatsächlichen Vermutung, dass sich der Geschädigte beratungsgerecht verhalten hätte. Umstände für eine Widerlegung dieser Vermutung sind weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich. Dass sich auch die A GmbH mit der Stellung einer Sicherheit für ihre Verpflichtung, die Erschließungs- und Anschlusskosten zu tragen, einverstanden erklärt
hätte, ist nach den Gesamtumständen sehr wahrscheinlich. Denn zum einen handelte es sich bei der A GmbH, wie dem Senat aus dem Parallelprozesses 4 U 93/05 bekannt und auch von den Parteien des hiesigen Rechtsstreits im Verhandlungstermin
nicht bezweifelt worden ist, um eine seriöse und alteingesessene Bauträgerin, an
deren Bonität damals kein Zweifel bestand. Umstände dafür, dass sie aus Liquiditätsgründen eine Vorauszahlung der Erwerber auf die Erschließungskosten anstrebte, sind nicht vorgetragen. Eher spricht die Tatsache, dass die A GmbH als Eigentümerin der Grundstücke eingetragen war und dort keine Vorbelastungen bestanden,
für eine ausreichende Liquidität. Dass die Parteien eine vertragliche Lösung noch
nicht im gleichen Beurkundungstermin hätten finden können, sondern der Vertrag
erst nach Erkundigung über die zu erwartenden Kosten mit entsprechenden Klauseln
in einem weiteren Termin hätte geschlossen werden können, spricht nicht gegen ein
Einverständnis der A GmbH. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sie mehrere
Grundstücke in diesem Gebiet im Wege eines Bauträgervertrages veräußerte und
deshalb ein Interesse an einer einheitlichen Gestaltung aller Verträge hatte.
Die Verzögerung bei einem Kunden, bei dem erstmals diese Frage auftauchte, wäre
von ihr deshalb hingenommen worden.
4.
Den Klägern steht auch keine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne von § 19
Abs. 1 S. 2 BNotO zu. Ein möglicher Anspruch der Kläger auf Ersatz desselben
Schadens ergibt sich nicht aus einem Beratungsvertrag gegenüber dem namentlich
nicht genannten Arbeitskollegen, der Justiziar beim ... sei. Der
Kläger zu 1) hat diesen zwar wegen der Gestaltung des Vertrages um Rat gefragt.
Dieser hat ihn jedoch darauf hingewiesen, dass er in erster Linie Arbeitsrechtler sei,
und den Kläger wegen einzelner Fragen an den Beklagten verwiesen. Die Kläger
haben darauf hin das Schreiben vom 23.11.2000 mit zahlreichen Fragen an den Beklagten gerichtet. Aus diesem Vorgehen ergibt sich, dass der Arbeitskollege das Ansinnen einer sachgerechten Beratung der Kläger gerade nicht aufgenommen hat und
deshalb ein Beratungsvertrag zwischen ihnen nicht zustande gekommen ist. Hinsichtlich des Mitarbeiters der ... bestehen keinerlei Anhaltspunkte
für einen Beratungsauftrag über die Angemessenheit der Vertragsgestaltung.
5.
Dem Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten steht nicht die Einrede der Verjährung entgegen.
Nach § 19 Abs. 1 S. 3 BNotO in Verbindung mit § 852 Abs. 1 BGB in der bis zum
31.12.2001 geltenden Fassung verjährt der Amtshaftungsanspruch gegen den Beklagten in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Verletzte von dem Schaden
und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Diese Frist war bei Eingang
der Klage am 24.4.2006 noch nicht abgelaufen.
Ob den Klägern bereits durch das Schreiben der Insolvenzverwalterin vom 26.7.2002
, durch welches sie erfuhren, dass die Stadt O1 die von der A GmbH noch nicht gezahlten Erschließungskosten von ihnen anfordern werde, Tatsachen bekannt geworden sind, die eine Pflichtverletzung des Beklagten als naheliegend erscheinen ließen
(vgl. BGH NJW 1994, 3162), kann dahingestellt bleiben. Denn die Beklagten hatten
zu diesem Zeitpunkt jedenfalls objektiv noch keinen Schaden erlitten. Ein solcher ist
ihnen erst nach dem Zugang des Vorauszahlungsbescheides der Stadt O1 vom
31.10.2005 über 8.636,71 Euro entstanden.
Eine Kenntnis vom Schaden im Sinne von § 852 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass ein
Schadensersatzanspruch entstanden ist Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei einer Amtspflichtverletzung, die sich allgemein gegen das Vermögen
richtet, ein Schaden entstanden, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen infolge der pflichtwidrigen Handlung im Vergleich mit dem früheren Vermögensstand
verschlechtert hat. Hierzu genügt es, dass die Verschlechterung sich wenigstens
dem Grunde nach verwirklicht hat, mag ihre Höhe auch noch nicht beziffert werden
können; in diesem Falle ist gegebenenfalls eine Feststellungsklage zu erheben. Andererseits bestimmt aber allein die rechtliche Möglichkeit, auf Feststellung einer
Pflicht zur Leistung eines zukünftigen Schadensersatzes zu klagen, nicht schon den
Zeitpunkt der Schadensentstehung (BGH NJW 1993, 648, 650). Es muss ferner nicht
feststehen, ob der Nachteil auf Dauer bestehen bleibt und damit endgültig wird. Ist
dagegen noch offen, ob pflichtwidriges, ein Risiko begründendes Verhalten zu einem
Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden, so dass die Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt wird. Es handelt sich dann erst um die bloße Gefährdung einer Rechtsposition, die jedenfalls für das Entstehen eines vermögensrechtlichen Regressanspruchs noch nicht einem Schaden gleichsteht. Dabei schlägt sich
die risikobehaftete Lage regelmäßig noch nicht in der Bewertung des Gesamtvermögens negativ nieder, solange jene sich nicht rechtlich verfestigt hat. Gerade der
Schadenseintritt ist das Ereignis, von dem an der Geschädigte mit Ersatzansprüchen
und hierfür laufenden Fristen rechnen muss (zusammenfassend BGH NJW 1993,
648 unter III. 2. a) m.w.N. ).
Eine Verschlechterung der Lage des Vermögens der Kläger ist nicht schon mit Eintritt
der Insolvenz der A GmbH und der Ablehnung der Erfüllung durch die Insolvenzverwalterin eingetreten. Denn eine durchsetzbare Pflicht zur Zahlung von Erschließungsbeiträgen gegenüber dem Träger der Erschließungslast entsteht erst nach Zugang eines Beitragsbescheides. Nach § 133 Abs. 2 BauGB entsteht die Beitragspflicht zwar schon mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, wenn
die übrigen nach dem BauGB erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere eine
Beitragssatzung der Gemeinde, gegeben sind. Eine durchsetzbare Zahlungspflicht
der Eigentümer des betreffenden Baugebietes wird aber erst durch den konkretisierenden Verwaltungsakt, mit dem der Beitrag berechnet und angefordert wird, begründet. Denn nach § 135 Abs. 1 BauGB wird die Erschließungsbeitragsschuld erst
einen Monat nach Bekanntgabe des Beitragsbescheids fällig. Erst mit diesem Eintritt
der Durchsetzbarkeit des Anspruchs wird das Vermögen des Pflichtigen tatsächlich
wirksam betroffen. Zudem bestimmt erst der Zugang des Beitragsbescheides die
Person des Anspruchsschuldners. Nach § 134 Abs. 1 S. 1 BauGB ist nämlich beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt des Zugangs des Beitragsbescheides Eigentümer des
Grundstückes ist. Mit der Entstehung des Anspruches auf die Beitragsschuld wird
also noch nicht das Vermögen einer bestimmten Person unmittelbar belastet, sondern nur eine „virtuelle“ Last des Grundstücks begründet.
Die Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB ist damit frühestens einen Monat nach
dem möglichen Zugang des genannten Vorauszahlungsbescheides am 30.11.2005
in Lauf gesetzt worden und war bei Klageeinreichung am 24.4.2006 noch nicht abgelaufen. Ob dieser Bescheid den Klägern tatsächlich zugegangen ist, was der Beklagte in erster Instanz mit Nichtwissen bestritten hat, kann mithin dahin gestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gerechtfertigt, weil die
Frage, ob ein Notar auch über eine ungesicherte Vorleistung belehren und beraten
muss, die sich bei einer Ratenzahlungsvereinbarung entsprechend § 3 Abs. 2 MaBV
aus der Übernahme von Erschließungskosten durch den Bauträger ergibt, höchstrichterlich nicht geklärt ist und für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung sein kann.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

25.07.2007

Aktenzeichen:

4 U 190/06

Rechtsgebiete:

Kaufvertrag
Öffentliches Baurecht
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

MittBayNot 2007, 518-522

Normen in Titel:

BeurkG § 17; BNotO § 14 Abs. 2; BGB § 436; BauGB §§ 127 ff., 134