Antragsbefugnis im Aufgebotsverfahren nicht von Erbscheinsvorlage abhängig
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Dokumentnummer: i15w384_11
letzte Aktualisierung: 20.3.2012
OLG Hamm, 2.12.2011 - I-15 W 384/11
Antragsbefugnis im Aufgebotsverfahren nicht von Erbscheinsvorlage abhängig
1. Das Aufgebotsgericht darf die Bejahung der Befugnis des Erben zu dem Antrag auf Erlass
des Aufgebots der Nachlassgläubiger nicht von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machen.
2. Das Aufgebotsgericht ist nicht gehalten, zum Zweck der Prüfung der Zulässigkeit des Antrags Beweiserhebungen durchzuführen, die zur abschließenden Feststellung der Erbfolge erforderlich wären.
3. Die Antragsbefugnis ist bereits dann zu bejahen, wenn nach Verwertung präsenter Erkenntnisquellen die Erbenstellung des Antragstellers als wahrscheinlich erscheint.
Erlassen gemäß § 38 Abs.3 S. 3 FamFG
durch Übergabe an die Geschäftsstelle
am 02.12.2011
gez. Rolfes, Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
O BERLANDESGERICHT H AMM
B ESCHLUSS
I-15 W 384/11 OLG Hamm
15 II 20/11 AG Hamm
NK: BGB
Leitsatz:
Stichworte: Antragsbefugnis des Erben
1) Das Aufgebotsgericht darf die Bejahung der Befugnis des Erben zu dem Antrag auf
Erlass des Aufgebots der Nachlassgläubiger nicht von der Vorlage eines Erbscheins
abhängig machen.
2) Das Aufgebotsgericht ist nicht gehalten, zum Zweck der Prüfung der Zulässigkeit des
Antrags Beweiserhebungen durchzuführen, die zur abschließenden Feststellung der
Erbfolge erforderlich wären.
3) Die Antragsbefugnis ist bereits dann zu bejahen, wenn nach Verwertung präsenter
Erkenntnisquellen die Erbenstellung des Antragstellers als wahrscheinlich erscheint.
In der Aufgebotssache
betr. den Nachlass des am 27.02.2011 verstorbenen Herrn G
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die Beschwerde der Beteiligten
vom 05.09.2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 18.08.2011
beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Das Amtsgericht wird angewiesen, auf den Antrag der Beteiligten das Aufgebotsverfahren zur Ausschließung von Nachlassgläubigern gemäß
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe
I.)
Die Beteiligte, die mit dem Erblasser im Jahre 2009 die Ehe eingegangen war, hat mit
Schriftsatz vom 18.07.2011 das Aufgebot der Nachlassgläubiger und den Erlass eines
Ausschließungsbeschlusses beantragt. Mit dem Antrag hat sie eine Abschrift eines
notariellen Testaments vom 25.06.2010 nebst Eröffnungsprotokoll vorgelegt. Durch die
letztwillige Verfügung des Erblassers wurde sie zur Miterbin eingesetzt. Ferner wurde mit
dem Antrag eine Liste der bekannten Nachlassgläubiger sowie eine eidesstattliche
Versicherung der Beteiligten vorgelegt.
Das angerufene Amtsgericht hat die Nachlassakten beigezogen. Aus diesen ergibt sich,
dass die Kinder des Erblassers aus erster Ehe der Beteiligten jegliches Erbrecht bestreiten. Das Amtsgericht hat der Beteiligten daraufhin aufgegeben, ihre Erbenstellung und
damit ihre Antragsbefugnis im Aufgebotsverfahren durch Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen. Nachdem die Beteiligte dies ausdrücklich verweigert hat, hat das Amtsgericht
den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit der Beschwerde.
II.)
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Zurückweisung des Aufgebotsantrages wegen fehlender Antragsbefugnis im Sinne
des
nach einem Nachweis der Erbenstellung durch einen Erbschein berechtigt war, oder
entscheidungsrelevante Zweifel verbleiben, dass die Antragstellerin Erbin ist. Beides ist
nach Auffassung des Senats nicht der Fall.
Im Aufgebotsverfahren fehlt eine
Form der Nachweisführung vorschreibt. Es verbleibt daher bei dem Grundsatz, dass im
Verfahren nach dem FamFG das Gericht auch die Vorfragen seiner Hauptsacheentscheidung selbstständig und von Amts wegen aufzuklären und zu entscheiden hat (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 17.Aufl. § 26 Rdn.56ff). Mit der Begründung, die Antragstellerin habe
sich geweigert, einen Erbschein vorzulegen, lässt sich die Zurückweisung des Antrags
daher nicht rechtfertigen.
Daraus kann nach Auffassung des Senats allerdings nicht die gegenläufige Schlussfolgerung gezogen werden, das Gericht im Aufgebotsverfahren für verpflichtet zu halten,
gemäß
Erbfolge als Voraussetzung der Antragsbefugnis abschließend festgestellt werden kann.
Dabei ist zu bedenken, dass das Aufgebotsverfahren nicht dem Nachlassgericht (§ 23a
Abs.2 Nr.2 GVG), sondern einer anderen Abteilung des Amtsgerichts (§ 23a Abs.2 Nr.7
GVG) und dort der funktionellen Zuständigkeit des Rechtspflegers (§ 3 Nr.1 lit.c RPflG)
zugewiesen ist. Soweit das Nachlassgericht über einen Erbscheinsantrag zu entscheiden
hat, ist hingegen der Richter zur Entscheidung berufen, wenn -wie hier- eine Verfügung
von Todes wegen vorliegt (§ 16 Abs.1 Nr.6 RPflG). Bei dieser Ausgangslage drängt sich
geradezu die Schlussfolgerung auf, dass das Gesetz dem Rechtspfleger der Aufgebotsabteilung nicht eine mit umfangreichen Beweiserhebungen verbundene Auf-klärung einer
Erbfolge aufgrund einer letztwilligen Verfügung hat aufgeben wollen, deren Ergebnis auch
in einen Widerspruch zu einer späteren richterlichen Entscheidung über einen Erbscheinsantrag geraten könnte.
Eine so weitreichende Belastung der Antragsprüfung im Aufgebotsverfahren ist auch nicht
mit Rücksicht auf den Schutzzweck dieses Verfahrens geboten, der sich darauf beschränkt, dem Erben einen besseren Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten zu verschaffen, um gesetzliche Möglichkeiten zu Herbeiführung einer Beschränkung der
Erbenhaftung in Anspruch nehmen zu können (vgl. Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 454
Rdn.1). Das dadurch umrissene Rechtsschutzinteresse kann auch derjenige für sich in
Anspruch nehmen, dessen (Mit-)Erbenstellung urkundlich belegt ist, der aber seine Erbenstellung derzeit weder durch Erbschein noch Feststellungsurteil nachweisen kann, weil
die Erbfolge unter tatsächlichen Gesichtspunkten streitig ist, die nur durch eine umfangreiche Beweisaufnahme geklärt werden können. Eine andere Betrachtung würde dem Antragsteller in einer solchen Situation den Schutz des § 2015 Abs.1 BGB versagen, den er
nur in Anspruch nehmen kann, wenn der Antrag auf Einleitung des Aufgebots-verfahrens
innerhalb eines Jahres nach Annahme der Erbschaft zugelassen wird. Die Rechte anderer
Erbprätendenten sowie der Nachlassgläubiger werden nicht berührt, wenn das Aufgebotsverfahren durchgeführt und später in einem anderen gerichtlichen Verfahrens abschließend festgestellt wird, dass der Antragsteller nicht zur Erbfolge
berufen ist.
Für die Feststellung der Antragsbefugnis im Sinne des
Aufgebotsgericht auch nach Verwertung präsenter Erkenntnisquellen keine durchgreifenden Zweifel an der Erbenstellung ergeben, es also als wahrscheinlich erscheint, dass der
Antragsteller Erbe ist. Dass auch dann noch Zweifel verbleiben können, ist im Hinblick auf
den beschränkten Zweck des
Die Antragstellerin hat ein durch das Nachlassgericht eröffnetes notarielles Testament
vom 25.06.2010 vorgelegt, durch das sie zur Miterbin eingesetzt wird. Zugleich kommt sie
aufgrund ihrer Eheschließung mit dem Erblasser als gesetzliche Erbin in Betracht, wenn
das Testament vom 25.06.2010 unwirksam wäre. Im Rahmen der Eingaben von Beteiligten an das Nachlassgericht ist die Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung unter Vorlage eines Privatgutachtens motiviert bestritten worden. Dieses
ist auch nach der vorläufigen Würdigung durch den Senat geeignet, Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers zu begründen. Weiter behaupten die weiteren Erbprätenden
auf derselben tatsächlichen Grundlage, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Eheschließung mit der Antragstellerin bereits geschäftsunfähig und dies der Antragsstellerin bewusst gewesen sei (§ 1318 Abs.5 BGB). Auch dies mag nach dem Inhalt des
Privatgutachtens noch schlüssig sein. Berücksichtigt man aber andererseits, dass offenbar
weder dem das Testament beurkundenden Notar noch dem Standesbeamten relevante
Beeinträchtigungen aufgefallen sind, dann sind die Erkenntnisse aus der Nachlassakte jedenfalls gegenwärtig nicht geeignet, durchgreifende Zweifel an der Testierfähigkeit des
Erblassers zu begründen bzw. mit der notwendigen Sicherheit darzutun, dass der Antragstellerin eine mögliche Geschäftsunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Eheschließung erkennbar gewesen sein muss. Dass sich nach Erhebung weiterer Beweise abweichende Schlussfolgerungen ergeben können, nötigt im vorliegenden Verfahren aus den
o.g. Gründen nicht zu weiteren Ermittlungen. Vielmehr kann auf dieser Grundlage das
Aufgebotsverfahren durchgeführt werden.
Mit der entsprechenden Anweisung hat der Senat die Durchführung der einzelnen Verfahrenshandlungen des Aufgebotsverfahrens dem Amtsgericht übertragen.
Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131, 30 abs.1 und 2 KostO.
Die Entscheidung ist rechtskräftig
Mitgeteilt von Richter am Oberlandesgericht Helmut Engelhardt, Hamm
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:02.12.2011
Aktenzeichen:I 15 W384/11
Rechtsgebiete:
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Erbenhaftung
BGB § 2105; FamFG § 455; BGB § 1970