BGH 22. Juni 2022
XII ZB 544/21
BGB §§ 104 Nr. 2, 1896 Abs. 2, 1897 Abs. 4 S. 1

Erforderlichkeit einer Betreuung bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht

letzte Aktualisierung: 5.8.2022
BGH, Beschl. v. 22.6.2022 – XII ZB 544/21

BGB §§ 104 Nr. 2, 1896 Abs. 2, 1897 Abs. 4 S. 1
Erforderlichkeit einer Betreuung bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht

a) Zur Erforderlichkeit einer Betreuung bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht.
b) Erhebt ein Verfahrensbeteiligter Einwendungen gegen das Gutachten eines gerichtlichen
Sachverständigen, hat der Tatrichter diese zu berücksichtigen. Wird in einem Betreuungsverfahren
ein Privatgutachten vorgelegt, ist das Gericht verpflichtet, sich mit diesem zu befassen und auf die
weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken, wenn sich aus dem Privatgutachten ein
Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergeben kann. Insbesondere hat er zu begründen, warum er
einem von ihnen den Vorzug gibt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 29. April 2020 – XII ZB
242/19, FamRZ 2020, 1300).
c) Zur Erforderlichkeit eines Einwilligungsvorbehalts im Bereich der Vermögenssorge.

Gründe:

I.
Die Betroffene und ihr Adoptivsohn (Beteiligter zu 1) wenden sich gegen
die Bestellung des Beteiligten zu 4 zum Berufsbetreuer.

Die Betroffene, die an einer demenziellen Erkrankung leidet, hat zwei leibliche
Söhne, Dr. S. K. und K. K., die aus der Ehe mit ihrem am 28. April 2018
verstorbenen Ehemann hervorgegangen sind. Der Beteiligte zu 1 war ihr Enkel,
den sie und ihr Ehemann im Wege der Erwachsenenadoption als gemeinschaftliches
Kind angenommen hatten.

Mit notarieller Urkunde vom 27. März 2015 errichteten die Betroffene und
ihr Ehemann eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung zugunsten des Beteiligten
zu 1, die den Bevollmächtigten allerdings nicht zu Verfügungen über das
Grundstücksvermögen der Vollmachtgeber berechtigen sollte. Zudem enthält die
Urkunde eine Betreuungsverfügung, nach der für den Fall, dass die Bestellung
eines Betreuers notwendig werden sollte, die Vollmachtgeber den Bevollmächtigten
als ihren Betreuer wünschen und ihre beiden leiblichen Söhne nicht als
Betreuer eingesetzt werden sollen.

Im Juni 2021 regte der Beteiligte zu 1 die Einrichtung einer Betreuung für
die Betroffene an, die unter anderem Verfügungen über das Grundstücksvermögen
der Betroffenen im Ausland umfassen sollte. Mit Schreiben vom 16. Juni
2021 legte der Sohn der Betroffenen Dr. S. K. die Kopie einer auf den 21. Mai
2021 datierten Vollmacht vor, mit der die Betroffene ihn zu ihrer Vertretung in
allen Angelegenheiten bevollmächtigte und die dem weiteren Beteiligten zu 1 erteilte
Vollmacht widerrief. Mit Schreiben vom 9. Juli 2021 legte der Verfahrensbevollmächtigte
der Betroffenen eine notarielle Urkunde vom 28. Juni 2021 vor,
mit der die Betroffene ebenfalls ihrem Sohn Dr. S. K. eine Generalvollmacht erteilte
und die dem Beteiligten zu 1 erteilte Vollmacht widerrief.

Nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens bestellte
das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung den Beteiligten
zu 1 zum vorläufigen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge und ordnete
einen Einwilligungsvorbehalt für diesen Bereich an.

Nach persönlicher Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht in der
Hauptsache entschieden, den Beteiligten zu 1 zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis
der Vermögenssorge bestellt und einen Einwilligungsvorbehalt für den Bereich
der Vermögenssorge angeordnet.

Hiergegen hat die Betroffene Beschwerde eingelegt. Nach Anhörung der
Betroffenen hat das Landgericht unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen
den amtsgerichtlichen Beschluss dahingehend abgeändert, dass der Beteiligte
zu 1 als Betreuer entlassen und der Beteiligte zu 4 als Berufsbetreuer mit
dem Aufgabenbereich Vermögenssorge bestellt wird. Mit Berichtigungsbeschluss
vom 26. November 2021 hat das Landgericht klargestellt, dass auch die
Anordnung des Einwilligungsvorbehalts aufrechterhalten bleibe.

Gegen diesen Beschluss haben die Betroffene mit dem Ziel der Aufhebung
der Betreuung und des Einwilligungsvorbehalts und der Beteiligte zu 1 mit
dem Ziel, selbst als Betreuer bestellt zu werden, Rechtsbeschwerde eingelegt.

II.
Die Rechtsbeschwerden sind zulässig und begründet. Auch soweit der Beteiligte
zu 1 seine Rechtsbeschwerde auf die Auswahl des Betreuers beschränkt
hat, ist diese zulässig (Senatsbeschluss vom 19. Juli 2017 - XII ZB 390/16 -
FamRZ 2017, 1779 Rn. 5 mwN). Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt,
die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung für den Aufgabenbe-
reich Vermögenssorge lägen vor. Die Betroffene leide an einer demenziellen Erkrankung
mit mittelgradiger Beeinträchtigung. Sie sei deshalb zu einer freien Willensbildung
nicht mehr in der Lage. Die Einrichtung einer Betreuung sei trotz der
durch die Betroffene zugunsten des Beteiligten zu 1 erteilten Vorsorgevollmacht
vom 27. März 2015 und der am 21. Mai 2021 und 28. Juni 2021 zugunsten ihres
Sohnes Dr. S. K. erteilten Vollmachten erforderlich.

Die zugunsten des Beteiligten zu 1 erteilte notarielle Vollmacht vom
27. März 2015 ermögliche nach ihrem eindeutigen Wortlaut bereits keine umfassende
Vertretung
darin ausgeschlossen
seien. Eine entsprechende Verfügungsmacht sei aber zwingend erforderlich,
da die Betroffene über erhebliches Grundstücksvermögen, auch im
Ausland, verfüge. Die Betreuerbestellung sei überdies nicht gegenüber der Vollmachterteilung
subsidiär, weil die Betroffene nicht mehr zur freien Willensbildung
in der Lage und erheblich beeinflussbar sei, und damit außer Stande wäre, einen
Bevollmächtigten hinreichend zu kontrollieren. Die Einsetzung eines Kontrollbetreuers
sei vorliegend nicht angezeigt, da der Beteiligte zu 1 wegen des erheblichen
Konflikts zwischen ihm als angenommenem Sohn der Betroffenen einerseits
und ihren beiden leiblichen Söhnen andererseits auch wegen der übrigen
Teilbereiche der Vermögenssorge nicht zur Wahrnehmung der Interessen der
Betroffenen geeignet sei.

Die beiden zugunsten von Dr. S. K. erteilten Vollmachten seien unwirksam,
weil die Betroffene zum Zeitpunkt der Errichtung der Vollmachten bereits
geschäftsunfähig gewesen sei.

Es könne auch keiner der drei Söhne der Betroffenen zum Betreuer bestellt
werden. Für diesen Fall sei zu befürchten, dass einerseits aufgrund der Betreuung,
andererseits aufgrund der Vollmacht gegenläufige Erklärungen im Namen
der Betroffenen im Rechtsverkehr abgegeben würden und der einen gedeihlichen
Umgang der Betroffenen mit ihren Kindern ausschließende Konflikt zwischen
den Söhnen weiter eskaliere. Deshalb sei ein Berufsbetreuer zu bestellen.
Zwar habe die Betroffene mehrfach geäußert, nur von ihren leiblichen Söhnen
betreut werden zu wollen. Dies entspreche insbesondere aufgrund des zu besorgenden
finanziellen Eigeninteresses der leiblichen Kinder aber nicht dem Wohl
der Betroffenen. Zudem sei zu beachten, dass die Betroffene in der mit ihrem
Ehemann gemeinsam zugunsten des Beteiligten zu 1 erteilten notariellen Vorsorgevollmacht
vom 27. März 2015 eine Betreuung durch ihre leiblichen Söhne
ausdrücklich nicht gewünscht habe. Es genüge nicht, wenn sich die Betroffene
im
durch den Vorsorgebevollmächtigten wende. Denn eine schlichte Meinungsänderung
der nicht mehr geschäftsfähigen Betroffenen könne die in gesunden Tagen
geschaffene rechtliche Bindungswirkung der Vollmachterteilung nicht beseitigen.
Für den Ausschluss bestimmter Personen von der Betreuung könne nichts
Anderes gelten.

Die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts im
Bereich der Vermögenssorge lägen ebenfalls vor. Es sei konkret zu besorgen,
dass die beiden leiblichen Söhne der Betroffenen Zugriff auf das Grundstücksvermögen
der Betroffenen nähmen.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Der Auffassung des Beschwerdegerichts, die dem Sohn der Betroffenen
Dr. S. K. erteilten Vorsorgevollmachten vom 21. Mai 2021 und 28. Juni 2021
stünden der Bestellung eines Betreuers nicht entgegen, weil die Betroffene zum
Zeitpunkt der Errichtung dieser Vollmachten bereits geschäftsunfähig i.S.v. § 104
Nr. 2 BGB gewesen sei, fehlt es nach den bisherigen Feststellungen an einer
tragfähigen Grundlage.

aa) Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur bestellt werden,
soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist. An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit
die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso
gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2
BGB). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich
entgegen. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Erteilung der Vollmacht
unwirksam war, weil der Betroffene zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig
i.S.v. § 104 Nr. 2 BGB war, steht die erteilte Vollmacht einer Betreuerbestellung
nur dann nicht entgegen, wenn die Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht positiv
festgestellt werden kann.

Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach
§ 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von
Amts wegen aufzuklären. Erhebt ein Verfahrensbeteiligter Einwendungen gegen
das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen, hat der Tatrichter diese zu
berücksichtigen. Dabei ist er auch verpflichtet, sich mit einem vorgelegten Privatgutachten
auseinanderzusetzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts
hinzuwirken, wenn sich aus dem Privatgutachten ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten
ergeben kann. Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen hat er von
Amts wegen nachzugehen. Das Gericht ist gehalten, sich mit den Streitpunkten
zwischen dem gerichtlichen Sachverständigengutachten und dem Privatgutachten
sorgfältig und kritisch auseinanderzusetzen und die Streitpunkte zu würdigen.
Insbesondere hat es zu begründen, warum es einem von ihnen den Vorzug gibt
(vgl. Senatsbeschluss vom 29. April 2020 - XII ZB 242/19 - FamRZ 2020, 1300
Rn. 22 mwN).

Dabei entscheidet der Tatrichter über Art und Umfang seiner Ermittlungen
grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht
obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die
Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben
und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (Senatsbeschluss
vom 29. April 2020 - XII ZB 242/19 - FamRZ 2020, 1300 Rn. 16 mwN).
bb) Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht keine ausreichenden
Feststellungen dazu getroffen, dass die Betroffene zum Zeitpunkt der Erteilung
der General- und Vorsorgevollmachten zugunsten von Dr. S. K., in denen die Betroffene
auch die zugunsten des Beteiligten zu 1 im Jahr 2015 erteilte Vorsorgevollmacht
widerrufen hat, geschäftsunfähig i.S.v. § 104 Nr. 2 BGB war.

Das Beschwerdegericht bezieht sich zur Begründung seiner Würdigung,
die Betroffene sei im Zeitpunkt der Errichtung der Vorsorgevollmachten vom
21. Mai 2021 und 28. Juni 2021 bereits geschäftsunfähig gewesen, allein auf das
im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten,
in dem der Gutachter zu dem Ergebnis gelangt, dass die Betroffene aufgrund
ihrer krankheitsbedingten Störungen von Gedächtnis und Merkfähigkeit
am 21. Dass dieses
Gutachten in einem offenen Widerspruch zu dem im erstinstanzlichen Verfahren
vorgelegten Privatgutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. med. D. und dem fachärztlichen Gutachten des Dr. med. E. vom 9. Juni 2021
steht, in denen die Betroffene jeweils zum maßgeblichen Zeitpunkt für geschäftsfähig
erachtet wird, hat das Beschwerdegericht nicht ausreichend aufgeklärt.

Dazu hätte jedoch insbesondere deshalb Anlass bestanden, weil der gerichtlich
bestellte Sachverständige die Untersuchung der Betroffenen lediglich in einem
Café vorgenommen, auf die Durchführung etablierter testpsychologischer Verfahren
verzichtet hat und das Gutachten zudem nicht zur Frage der Geschäftsfähigkeit
der Betroffenen, sondern nur zur Frage der Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung
eingeholt worden war. Unter diesen Umständen genügt es zur Begründung,
warum dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen zu
folgen ist, nicht, nur darauf zu verweisen, dass der Sachverständige Dr. med. D.
die Betroffene nicht selbst untersucht habe und das Ergebnis des fachärztlichen
Gutachtens vom 9. Juni 2021 für das Gericht nicht nachvollziehbar sei. Das Beschwerdegericht
wäre vielmehr gehalten gewesen, dem gerichtlich bestellten
Sachverständigen das vorgelegte Privatgutachten zur Kenntnis zu geben und ihn
dazu anzuhören oder eine ergänzende Stellungnahme einzuholen.
cc) Eine weitere Sachaufklärung, ob die zugunsten des Dr. S. K. erteilten
Vollmachten wirksam sind, war auch nicht deshalb entbehrlich, weil im vorliegenden
Fall trotz Vorliegens einer wirksamen Vollmacht ausnahmsweise eine Betreuerbestellung
erforderlich wäre.

Bleiben Bedenken an der Wirksamkeit der Vollmachterteilung oder am
Fortbestand der Vollmacht, kann die Bestellung eines Betreuers dann erforderlich
sein, wenn dadurch die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr eingeschränkt
ist, entweder weil Dritte die Vollmacht unter Berufung auf diese Bedenken
zurückgewiesen haben oder weil entsprechendes konkret zu besorgen ist
(Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 425/14 - FamRZ 2016, 701
Rn. 12 mwN). Trotz Vorsorgevollmacht kann eine Betreuung zudem dann erforderlich
sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des
Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung
der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für
das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der
Bevollmächtigte mangels Befähigung oder wegen erheblicher Bedenken an seiner
Redlichkeit als ungeeignet erscheint (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschlüsse
vom 19. Mai 2021 - XII ZB 518/20 - FamRZ 2021, 1654 Rn. 25 mwN und vom
21. April 2021 - XII ZB 164/20 - FamRZ 2021, 1236 Rn. 6 mwN). Hierzu hat das
Beschwerdegericht ebenfalls keine tragfähigen Feststellungen getroffen.

b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, anstelle des vom Amtsgericht
bestellten Betreuers, des Beteiligten zu 1, mit dem Beteiligten zu 4 einen
Berufsbetreuer für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge zu bestellen, hält
ebenfalls den Angriffen der Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 nicht stand.

aa) Nach § 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB hat das Betreuungsgericht einem Vorschlag
des Betroffenen, eine Person zum Betreuer zu bestellen, zu entsprechen,
sofern die Bestellung des vorgeschlagenen Betreuers dem Wohl des Betroffenen
nicht zuwiderläuft. Ein solcher Vorschlag erfordert weder Geschäftsfähigkeit noch
natürliche Einsichtsfähigkeit. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Vorschlag
des Betroffenen ernsthaft, eigenständig gebildet und dauerhaft sein muss. Vielmehr
genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte
Person solle sein Betreuer werden (Senatsbeschluss vom 19. Juli 2017
- XII ZB 390/16 - FamRZ 2017, 1779 Rn. 11 mwN).

Nach § 1897 Abs. 5 Satz 1 BGB ist, wenn der Betroffene niemanden als
Betreuer vorgeschlagen hat, bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen
Beziehungen des Betroffenen, insbesondere auf dessen persönliche
Bindungen Rücksicht zu nehmen. Diese Regelung gilt auch dann, wenn der Betroffene
einen nahen Verwandten als Betreuer benannt hat. Denn der nahe Verwandte
wird nach Maßgabe dieser Vorschrift erst recht zum Betreuer zu bestellen
sein, wenn der Betroffene ihn ausdrücklich als Betreuer seiner Wahl benannt
hat, mag der Betroffene auch bei der Benennung nicht oder nur eingeschränkt
geschäftsfähig gewesen sein. In Würdigung der in § 1897 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5
Satz 1 BGB getroffenen Wertentscheidungen wird ein naher Verwandter des Betroffenen,
der zum Betroffenen persönliche Bindungen unterhält und den der Betroffene
wiederholt als Betreuer benannt hat, deshalb bei der Betreuerauswahl
besonders zu berücksichtigen sein und nur dann zugunsten eines Berufsbetreuers
übergangen werden können, wenn gewichtige Gründe des Wohls des Betreuten
seiner Bestellung entgegenstehen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli
2017 - XII ZB 390/16 - FamRZ 2017, 1779 Rn. 12 mwN).

Diese rechtliche Gewichtung stellt auch an die tatrichterliche Ermittlungspflicht
besondere Anforderungen. Der Tatrichter wird Gründe, die möglicherweise
in der Person des vom Betroffenen als Betreuer benannten nahen Verwandten
liegen, verlässlich nur feststellen können, wenn er ihm Gelegenheit gegeben hat,
zu diesen Gründen Stellung zu nehmen. Es verstößt gegen den Amtsermittlungsgrundsatz,
wenn der Tatrichter in seiner Entscheidung ausdrücklich die Eignung
des benannten Verwandten zum Betreueramt sowie seine Redlichkeit gegenüber
dem Betroffenen in Zweifel zieht, ohne zuvor den als Betreuer vorgeschlagenen
Verwandten anzuhören. Eine solche Verfahrensweise wäre schon allgemein als
Grundlage einer Betreuerauswahl, bei der ein Berufsbetreuer einem möglichen
ehrenamtlichen Betreuer - aufgrund dessen angeblich fehlender Eignung und
mangelnder Redlichkeit - vorgezogen wird, nicht unbedenklich (vgl. § 1897
Abs. 6 Satz 1 BGB). Keinesfalls aber genügt sie den besonderen Anforderungen
an die tatrichterliche Ermittlungspflicht, die bestehen, wenn ein naher Verwandter
des Betroffenen, obschon mit diesem persönlich verbunden und von diesem wiederholt
als Betreuer benannt, als Betreuer übergangen werden soll (vgl. Senatsbeschluss
vom 19. Juli 2017 - XII ZB 390/16 - FamRZ 2017, 1779 Rn. 13 mwN).

bb) Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Beschwerdegerichts
nicht gerecht. Die getroffenen Feststellungen genügen nicht, um die Bestellung
eines Berufsbetreuers anstelle des Beteiligten zu 1 für die Vermögenssorge zu
rechtfertigen. Zudem hätte das Landgericht weitere Ermittlungen anstellen müssen,
wie seine Rechtsbeschwerde zu Recht rügt.

Da das Beschwerdegericht den von der Betroffenen zuletzt mehrfach geäußerten
Wunsch, von ihren leiblichen Söhnen betreut werden zu wollen, für unbeachtlich
gehalten hat, hätte es sich eingehend mit der Frage befassen müssen,
ob die in der Vorsorgevollmacht vom 27. März 2015 enthaltene Betreuungsverfügung,
nach der der Beteiligte zu 1 für den Fall, das eine Betreuung erforderlich
werden sollte, zum Betreuer bestellt werden soll, weiterhin Bindungswirkung entfaltet
und deshalb der Bestellung eines Berufsbetreuers entgegensteht. Aus der
vom Beschwerdegericht angeführten Begründung allein, die Betreuung könne
wegen der Auseinandersetzungen zwischen den leiblichen Söhnen der Betroffenen
und dem Beteiligten zu 1 nicht von diesem geführt werden, ergeben sich
keine gewichtigen Gründe dafür, dass das Wohl der Betroffenen einer Bestellung
des Beteiligten zu 1 zum Betreuer entgegensteht. Konkrete Feststellungen, aus
denen sich schließen lässt, dass die beiden leiblichen Söhne eine Führung der
Betreuung durch den Beteiligten zu 1 unmöglich machen würden, hat das Beschwerdegericht
nicht getroffen.

Im Übrigen rügt die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 zu Recht,
dass das Beschwerdegericht den Beteiligten zu 1 in diesem Fall nicht dazu angehört
hat, ob und gegebenenfalls inwieweit er durch das Verhalten der beiden
leiblichen Söhne der Betroffenen bislang in der Ausübung des Betreueramts beeinträchtigt
wurde.

c) Schließlich hat das Beschwerdegericht auch die Erforderlichkeit des
Einwilligungsvorbehalts nicht hinreichend begründet.

aa) Nach § 1903 Abs. 1 BGB ordnet das Betreuungsgericht an, dass der
Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft,
dessen Einwilligung bedarf, soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr
für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist (Einwilligungsvorbehalt).
Der Einwilligungsvorbehalt schützt den Betroffenen vor Vermögensgefährdungen
durch eigenes, aktives Tun. Für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts
im Bereich der Vermögenssorge muss daher eine konkrete Gefährdung
des Vermögens des Betroffenen durch sein aktives Tun festgestellt werden,
indem er etwa vermögenserhaltende und -schützende Maßnahmen des Betreuers
konterkariert oder andere vermögensschädigende Maßnahmen trifft (Senatsbeschluss
vom 9. Juni 2021 - XII ZB 545/20 - FamRZ 2021, 1657 Rn. 15
mwN).

Die Gefahr für das Vermögen des Betreuten kann sich auch daraus ergeben,
dass er sein umfangreiches Vermögen, das aus Grundstücken oder einem
Betrieb besteht, nicht überblicken und verwalten kann. Allerdings kann ein
Einwilligungsvorbehalt auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten
nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung
erheblicher Art vorliegen (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015
- XII ZB 92/15 - FamRZ 2015, 1793 Rn. 9). Für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts
im Bereich der Vermögenssorge muss daher eine konkrete Gefährdung
des Vermögens des Betroffenen durch sein aktives Tun festgestellt werden,
indem er etwa vermögenserhaltende und -schützende Maßnahmen des Betreuers
konterkarierte oder andere vermögensschädigende Maßnahmen trifft
(Senatsbeschluss vom 9. Juni 2021 - XII ZB 545/20 - FamRZ 2021, 1657 Rn. 15
mwN). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht
festzustellen. Zwar steht der Anordnung des Einwilligungsvorbehalts
nicht entgegen, dass die Betroffene möglicherweise geschäftsunfähig gemäß
§ 104 Nr. 2 BGB ist. Aber auch bei einem geschäftsunfähigen Betroffenen
kann ein Einwilligungsvorbehalt nur angeordnet werden, wenn konkrete Gefahren
für dessen Vermögen festgestellt sind, die nur auf diese Weise abgewendet
werden können (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Januar 2018 - XII ZB 141/17 -
FamRZ 2018, 625 Rn. 15).

bb) Dass nach diesen Maßstäben die Voraussetzungen für die Anordnung
eines Einwilligungsvorbehalts für den Bereich der Vermögenssorge vorliegen,
hat das Beschwerdegericht nicht ausreichend festgestellt.
Das Beschwerdegericht hält den Einwilligungsvorbehalt zum einen deshalb
für erforderlich, weil die Betroffene aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der
Lage sei, etwaige Verfügungen ihrer Söhne über ihr Grundvermögen zu überblicken,
zu unterbinden oder zu genehmigen. Dies rechtfertigt für sich genommen
allerdings zunächst nur die Anordnung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis
der Vermögenssorge, nicht aber schon die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.
Zum anderen begründet das Beschwerdegericht die Notwendigkeit eines
Einwilligungsvorbehalts mit der Sorge, dass die leiblichen Kinder der Betroffenen
Zugriff auf ihr Grundstücksvermögen nehmen. Aber auch diese Erwägung rechtfertigt
die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts nicht, zumal das Beschwerdegericht
bislang nicht festgestellt hat, dass es tatsächlich zu einer konkreten Vermögensgefährdung
der Betroffenen gekommen ist. Feststellungen, dass die Betroffene
durch aktives Tun ihr Vermögen bereits gefährdet hat, hat das Beschwerdegericht
ebenfalls nicht getroffen.

3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache ist
an das Landgericht zurückzuverweisen, weil diese noch nicht zur Endentscheidung
reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).

Sollte das Beschwerdegericht nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen
zu dem Ergebnis gelangen, dass trotz der erteilten Vorsorgevollmachten
die Bestellung eines Betreuers für den Bereich der Vermögenssorge erforderlich
ist, weist der Senat darauf hin, dass die bisherigen Feststellungen unzureichend
sind, um von dem Wunsch der Betroffenen, von ihren leiblichen Söhnen betreut
zu werden, abzuweichen und einen Berufsbetreuer zu bestellen (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 19. Juli 2017 - XII ZB 390/16 - FamRZ 2017, 1779 Rn. 12 f. und
vom 15. Dezember 2010 - XII ZB 165/10 - FamRZ 2011, 285 Rn. 14 ff.).
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil
sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung,
zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

22.06.2022

Aktenzeichen:

XII ZB 544/21

Rechtsgebiete:

Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 104 Nr. 2, 1896 Abs. 2, 1897 Abs. 4 S. 1