Keine Geltendmachung von materiell-rechtlichen Einwänden im Verfahren nach § 127 GNotKG
letzte Aktualisierung: 31.8.2021
KG, Beschl. v. 12.1.2021 – 9 W 1093/20
GNotKG §§ 21 Abs. 1 S. 1, 127
Keine Geltendmachung von materiell-rechtlichen Einwänden im Verfahren nach § 127
GNotKG
Die Geltendmachung materiell-rechtlicher Einwände, sei es im Wege der Aufrechnung oder der
Arglisteinrede, ist im gerichtlichen Verfahren in Notarkostensachen nach
statthaft.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind in Bruchteilsgemeinschaft im Grundbuch eingetragene Eigentümer
des mit einer Wohnanlage bebauten Grundstücks B-straße 104-108 in Berlin. Sie
beabsichtigten, eine Regelung über die Zuordnung der einzelnen Wohneinheiten für den
Fall einer Auseinandersetzung zu treffen und wandten sich deshalb an den Antragsgegner.
Mit E-Mail vom 28. Juni 2019 wies die Antragstellerin zu 1) „nochmal“ darauf hin, dass
keine Wohnungseigentümergemeinschaft praktiziert werden solle. Vielmehr gehe es
lediglich um die Zuordnung der Eigentumsanteile. Weiter äußerte die Antragstellerin zu 1)
auch die Vermutung, dass noch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts erforderlich sei, in
welche die Eigentumsanteile eingebracht werden, und fragte, ob sie selbst einen GbRVertrag
aufsetzen könne. Der Antragsgegner beurkundete unter dem 13. August 2019 zu
seiner UR-Nr. 517/2019 eine Teilungsvereinbarung gemäß
hielten den Vollzug der Teilungsvereinbarung an.
Der Antragsgegner erteilte den Antragstellern unter dem 18. November 2019 die hier
angegriffene Kostenberechnung Nummer 1900529 über 34.843,06 Euro, wobei er einen
Geschäftswert von 10.380.000 € zugrunde legte. Im Hinblick auf die Zustellung einer
vollstreckbaren Ausfertigung zahlten die Antragsteller den hälftigen Betrag, um den
Antragsgegner von Vollstreckungsmaßnahmen vorerst abzuhalten.
Auf den Nachprüfungsantrag der Antragsteller hat das Landgericht die Kostenberechnung
des Antragsgegners aufgehoben.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10. Juni 2020 – 80 OH 253/19 – abzuändern
und den Nachprüfungsantrag der Antragsteller zurückzuweisen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie beanstanden neben dem für den Geschäftswert der Beurkundungsgebühr
angenommenen Grundstückswert die nicht sachgemäße Umsetzung ihres Willens. Die
Vollziehung der beurkundeten Teilungsvereinbarung hätte entgegen dem erklärten Willen
der Antragsteller bereits jetzt zur Entstehung einer Wohnungseigentümergemeinschaft, also
einem Rechtsträgerwechsel, mit Auswirkungen auch auf die bestehenden Mietverhältnisse
geführt. Der Antragsgegner habe sie über diese Folgen und die stattdessen mögliche und
gebotene Beurkundung einer Vorratsteilung nach
wäre, nicht belehrt. Vorsorglich erklären sie die Aufrechnung mit einem der
Kostenberechnung entgegengerichteten Schadensersatzanspruch und verlangen die
geleistete Teilzahlung zurück.
II.
Die nach
Verbindung mit den
begründet.
Die Antragsteller schulden dem Notar die mit der Notarkostenberechnung vom 18.
November 2019 geltend gemachten Gebühren u.a. für ein Beurkundungsverfahren (KV
Nr. 21100) in Höhe von 34.843,06 Euro.
Der Antragsgegner hat die Höhe des Geschäftswerts zutreffend festgesetzt (dazu 1.). Die
Kosten sind nicht gemäß
nicht zu erheben (dazu 2.). Die Antragsteller können der Kostenrechnung schließlich auch
in dem hiesigen Verfahren keine materiell-rechtlichen Einwände entgegengehalten (dazu 3.).
1. Der Geschäftswert für die Eintragung der Eigentumsumschreibung ist mit 10.380.000,--
Euro richtig ermittelt.
Gemäß
maßgebend. Notargebühren werden gemäß
Verfahrens oder des Geschäfts fällig. Da die Beurkundung der Teilungsvereinbarung gemäß
maßgeblich.
Gemäß
Teileigentum Geschäftswert der Wert des bebauten Grundstücks. Dieser Wert ist nach
182/15 – juris Rn. 10 ff.).
a) Der Wert der Sache wird gemäß
gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Sache unter Berücksichtigung
aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre
(Verkehrswert). Steht der Verkehrswert – wie hier – nicht fest, so ist er für die Zwecke der
Gebührenerhebung nach den Kriterien des § 46 Abs. 2 (und ggf. Abs. 3) GNotKG zu
bestimmen. Angestrebt wird mit dieser Vorgabe einerseits eine möglichst zuverlässige,
andererseits aber auch eine praktikable und zeitnahe Bewertung. Das Gesetz verlangt für die
Zwecke der Gebührenfestsetzung keine mit letzter Präzision vorzunehmende
Wertfeststellung. Das zeigt schon das gesetzliche Verbot gemäß
Feststellung des Verkehrswerts förmlich Beweis zu erheben.
b) Bei bebauten Grundstücken können der Wert des Bodenanteils (Bodenwert) und der
Wert der Gebäude (Gebäudewert) gesondert ermittelt und durch Addition zum Gesamtwert
zusammengefasst werden (OLG München, Beschluss vom 11. Juli 2018 – 34 Wx 115/18
Kost – juris Rn. 14 f.).
aa) Zur Bestimmung des Bodenwerts kann gemäß
veröffentlichten Bodenrichtwert (
Bodenwert beträgt hier ausgehend von einer Grundstückgröße von 2.880 m² und einem
Bodenrichtwert bezogen auf den 13. August 2019 in Höhe von ca. 2.350 Euro/m²
insgesamt ca. 6.768.000,-- Euro.
bb) Angaben zum Gebäudewert fehlen, insbesondere ist mangels weiterer Angaben eine
Berechnung nach dem Brandversicherungswert oder nach dem Preisindex für
Wohngebäude nicht möglich (vgl. zu diesen Berechnungsarten Soutier in: BeckOK KostR,
31. Edition, 1. September 2020, GNotKG § 46 Rn. 25). Eine Beweisaufnahme findet nicht
statt,
schätzen. Soweit der Antragsgegner den Wert für die Gebäude auf 3.612.000,-- Euro
geschätzt hat, ist hiergegen nichts zu erinnern. Das zeigt sich auch daran, dass bei der
zugrunde zu legenden Wohn-/Nutzfläche von 4.712,09 m² und dem festgesetzten
Geschäftswert in Höhe von 10.380.000 Euro der vom Notar zugrunde gelegte
Quadratmeterpreis bei (fiktiver) Veräußerung der Wohnungseinheiten 2.202,84 Euro
beträgt. Dieser Wert erscheint angesichts der veröffentlichten Wohnungspreise in Berlin-W.
eher zu niedrig als überhöht.
2. Die Kosten sind nicht gemäß
Vorschrift werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären,
nicht erhoben. Eine unrichtige Sachbehandlung i.S.v.
bei einem offen zutage tretenden Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder bei
einem offensichtlichen Versehen des Notars sowie dann vor, wenn der Notar von mehreren
gleich sicheren Gestaltungsmöglichkeiten die teurere wählt (BGH, Beschluss vom 1.
Oktober 2020 – V ZB 67/19 – juris Rn.6 m.w.N.).
Ein offen zutage tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen ist ebenso wenig
wie ein offensichtliches Versehen des Notars zu erkennen. Auch ist nicht festzustellen, dass
der Notar von mehreren gleich sicheren Gestaltungsmöglichkeiten die teurere gewählt hätte.
Denn die Gestaltungsmöglichkeiten zur Begründung von Wohneigentum nach
einerseits und
Kostengesichtspunkten austauschbar wären.
Unrichtigkeit im Sinne des
Kostenschuldner eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass er die kostenpflichtig
vorgenommene Maßnahme nicht wünscht oder der Notar sie trotz entsprechender
Anhaltspunkte ohne Rücksprache vornimmt oder der Notar ohne triftigen Grund, ohne
Rücksprache oder ohne entsprechenden Hinweis von dem erteilten Auftrag abweicht
(Macht in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017,
Rn.10 und 21 unter Hinweis auf BayObLG, Beschluss vom 9. September 1993 – 3Z BR
131/93 – juris). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Denn die Antragsteller behaupten
selbst nicht, dass sie allein eine Vorratsteilung gemäß
Vielmehr ging es den Antragstellern darum, dass die einzelnen Wohneinheiten derart
„zugeordnet“ werden sollten, dass im Falle einer Auseinandersetzung eindeutig geregelt sei,
welcher Antragsteller welche Einheit erhielte. Exakte Vorgaben zur rechtlichen Gestaltung
haben die Antragsteller nicht gemacht. Vielmehr bemängeln sie gerade, nie darauf
hingewiesen worden zu sein, dass verschiedene Möglichkeiten einer Teilung nach dem
Wohnungseigentumsgesetz existierten.
3. Die Antragsteller können der Kostenrechnung in dem gerichtlichen Verfahren in
Notarkostensachen schließlich auch keine materiell-rechtlichen Einwände entgegengehalten.
Die Geltendmachung materiell-rechtlicher Einwände, sei es im Wege der Aufrechnung oder
der Arglisteinrede – dolo agit, qui petit quod (statim) redditurus est – (s. zum gemeinsamen
Ursprung von Aufrechnung und Arglisteinrede und zu ihrer Abgrenzung Jeremias,
Internationale Insolvenzaufrechnung, 2005, S. 9 ff.; Schiemann in: Staudinger, BGB,
Neubearbeitung 2017, § 249 Rn. 189), ist im gerichtlichen Verfahren in Notarkostensachen
nicht statthaft.
Demgemäß können die Antragsteller im hiesigen Verfahren nicht einwenden, dass dem
Antragsgegner eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen sei, die darin liegen könnte, dass er
eine Teilungsvereinbarung nach §3 WEG und keine Vorratsteilung gemäß
beurkundet hat. Denn diese – zwischen den Beteiligten streitige – Frage eines der
notariellen Kostenforderung ggf. entgegenstehenden Schadensersatzanspruchs aus
notarieller Amtspflichtverletzung stellt einen materiell-rechtlichen Einwand dar, der im
gerichtlichen Überprüfungsverfahren nach
Soweit die bislang ganz überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur dies
anders sieht und materiell-rechtliche Einwände, insbesondere Amtshaftungsansprüche des
Kostenschuldners gegen den Notar im Wege der Aufrechnung oder der Arglisteinrede im
gerichtlichen Verfahren in Notarsachen berücksichtigen will (BGH, Urteile vom 30.Januar
1961 – III ZR 215/59 – juris Rn.18; vom 22. November 1966 – VI ZR 39/65 – VersR
1967, 254 und vom 22.Oktober 1987 – IX ZR 175/86 – juris Rn. 23; OLG Frankfurt,
Beschlüsse vom 18.Dezember 2018 – 20 W 46/17 – juris Rn.24, vom 27. Oktober 2016 –
20 W 352/14 – juris Rn.32 und vom 3. Februar 1956 – 6 W 419/57 –
289 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.März 1995 – 8W 562/94 – juris Rn. 4; BayObLG,
Beschluss vom 1. Oktober 2004 – 3Z BR 129/04 – juris Rn. 9; OLG Hamm, Beschlüsse
vom 19.Februar 1979 – 15 W 57/78 – juris Rn. 5; vom 29. Juli 2003 – 15 W 220/03 – juris
Rn. 12 und vom 17. August 2012 – I-15 W 383/11 – juris Rn. 13 f.; OLG Naumburg,
Beschluss vom 12. Juni 2019 – 2 W 9/18 – juris Rn.29; OLG Dresden, Beschluss vom
12.September 2016 – 17 W 826 - 828/16 – juris Rn. 18; Schmidt-Räntsch in: BeckOK
KostR, 31. Edition 1. Juni 2019,
Notarkostenkommentar, 2. Aufl. 2016, § 21 Rn. 25 und § 127 Rn.68; Ländernotarkasse,
Leipziger Kostenspiegel, 3. Aufl. 2021, Rn. 1.194 ff.; Sikora in: Korintenberg, GNotKG, 21.
Aufl., § 127 Rn. 36; Forbriger in: Hartmann, Kostengesetze, 50. Aufl. 2020,
Rn. 6; Neie in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 3. Aufl. 2019, § 127 Rn. 19;
Rohs/Wedewer, GNotKG, 129. Aktualisierung, Oktober 2020, §§ 127-130 Rn. 12;
Wöstmann in: Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 4. Aufl. 2018, Rn.
381; Mayer in: Haug/Zimmermann, Die Amtshaftung des Notars, 4. Aufl. 2018, Rn. 885 f.
[wenn auch kritisch]; Sandkühler in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl. 2016, § 17
Rn.104), folgt der Senat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (Beschluss vom
30. Juni 2015 – 9 W 103/14 – juris Rn. 5) dem nicht mehr.
Der Berücksichtigung materiell-rechtlicher Einwände stehen der Wortlaut des § 127 Abs. 1
Satz 1 GNotKG (dazu a)), systematische (dazu b)), historische (dazu c)) sowie teleologische
Erwägungen (dazu d)) entgegen.
a) Bereits der Wortlaut des
Berücksichtigung von materiell-rechtlichen Einwänden. Enumerativ zählt die Norm die
„Kostenberechnung (§ 19), einschließlich der Verzinsungspflicht (§ 88), ... Zahlungspflicht
[und] ... Ausübung des Zurückbehaltungsrechts (§ 11)“ auf, wobei die „Zahlungspflicht“
sich maßgeblich auf die in
bezieht. Damit nimmt der Wortlaut des
Bezug auf spezifisch kostenrechtliche Einwände (anders OLG Frankfurt, Beschluss vom
18.Dezember 2018 – 20 W 46/17 – juris Rn. 24; bereits maßgeblich auf den Wortlaut von
b) Gegen die Berücksichtigung von materiell-rechtlichen Einwänden im Zusammenhang
mit potenziellen Amtspflichtverletzungen des Notars im gerichtlichen Verfahren in
Notarkostensachen sprechen ferner systematische Erwägungen.
aa) Wie der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 1. Oktober 2020 – VZB 67/19 – juris Rn.
zuletzt betont hat, sind materiell-rechtliche Einwände in Kostenfestsetzungsverfahren
grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 2. März
1995 – 8 W 562/94 – juris Rn. 4). Für das Verfahren der Festsetzung prozessualer Kosten
nach
der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen. Die Feststellung von zwischen den
Parteien streitigen Tatsachen und die Entscheidung komplizierter Rechtsfragen ist in diesem
Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen
Instrumente auch nicht sinnvoll möglich. Nur Einwände, die keine Tatsachenaufklärung
erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden
Mitteln ohne weiteres klären lassen, können ausnahmsweise auch im
Kostenfestsetzungsverfahren erhoben und beschieden werden. Dementsprechend ist auch
die Aufrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn über den
Bestand und die Höhe der Gegenforderung und die Aufrechnungslage kein Streit besteht
(BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 – V ZB 102/13 – juris Rn. 14 m.w.N.). Auch im
Verfahren nach
Amtshaftungsanspruch aus
Notarkostenkommentar, 2. Aufl. 2016, § 81 Rn. 28 ff. s. auch Fackelmann in: Korintenberg,
21. Aufl. 2020, GNotKG § 81 Rn. 54).
Es sind keine Gründe ersichtlich, warum etwas Anderes im Rahmen der gerichtlichen
Überprüfung der notariellen Kostenberechnung nach
wie das Verfahren nach
Notarkostensachen nach
(zu
wenn sich die sehr knappe, allein auf
zu
Rahmen der Gerichtskostenfestsetzung anerkannte Grundsatz jedenfalls durch die
allgemeine Gesetzesbegründung zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz unterstrichen.
Das Gesetz ist danach ein wesentlicher Teil der Kostenstrukturreform, deren wichtigstes
Ziel die Vereinfachung des Kostenrechts ist. Hierdurch sollen die Gerichte so weit wie
möglich von der sehr umfangreich gewordenen Kostenrechtsprechung entlastet werden
(BT-Drs. 17/11471, S. 133).
bb) Der Umstand, dass der Notar als Gebührengläubiger – wie bei anderen öffentlichrechtlichen
Forderungen auch – sich selbst einen Vollstreckungstitel für seine Forderung
schaffen kann und der Gebührenschuldner im Hinblick hierauf schutzwürdig ist, zwingt
nicht zu einer anderen Handhabung. Der Schutz des Gebührenschuldners lässt sich auf
andere Weise sicherstellen, soweit entgegenstehende (potenzielle) Schadensersatzansprüche
aus Notarhaftung im Raume stehen. Dieser Schutz erfordert daher nicht die möglichst
umfassende Berücksichtigung sämtlicher materiell-rechtlicher Einwendungen des
Gebührenschuldners (anders OLG Stuttgart, Beschluss vom 2. März 1995 – 8 W 562/94 –
juris Rn. 4).
Im Ergebnis kann der Gebührenschuldner im Wege der Vollstreckungsabwehrklage bzw.
einer negativen Feststellungsklage derartige materiell-rechtliche Einwendungen geltend
machen. Von ihrem Standpunkt, wonach auch materiell-rechtliche Einwände in dem
gerichtlichen Verfahren in Notarkostensachen geltend gemacht werden könnten, geht die
bislang herrschende Auffassung folgerichtig davon aus, dass eine negative Feststellungsklage
gegen die durch eine Notarkostenrechnung begründete Zahlungspflicht als unzulässig
abzuweisen sei und gleiches für die im Allgemeinen nach
Einwendungen gelte (OLG Oldenburg, Urteil vom 17.September 1996 – 5 U 82/96 – juris
Rn. 14 OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.Mai 2002 – 24 U 8/02 – juris Rn. 10 ff.; so auch
Senat, Beschluss vom 26.November 2019 – 9W 105/18 – juris Rn. 3;
K.Schmidt/Brinkmann in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 767 Rn. 34
Rebhan in: BeckOK KostR, 31. Edition 1. Juni 2020,
Korintenberg, GNotKG 21. Aufl. 2020, § 89 Rn. 18; Diehn in:
Bormann/Diehn/Sommerfeldt, 3. Aufl. 2019, GNotKG § 89 Rn.25f., s. aber auch OLG
Düsseldorf, Urteil vom 8. April 2008 – I-24 U 186/06 – juris Rn. 29: Leistungsklage wegen
Beitreibung von bereits befriedigten Gebührenansprüchen). Eine unmittelbare Anwendung
des
den sonstigen Vollstreckungstiteln i.S.v.
stelle keinen Kostenfestsetzungsbeschluss nach
dabei um eine gerichtliche, wenn auch nicht richterliche, Entscheidung handeln müsse.
Ferner liege auch keine mit dem Rechtsmittel der Beschwerde anfechtbare Entscheidung
i.S.v.
fielen hierunter nur gerichtliche Entscheidungen, nicht aber notarielle Handlungen wie die
Kostenberechnung. Schließlich scheide auch die Anwendung von
aus, weil es sich bei der Kostenberechnung nicht um eine von einem deutschen Notar
aufgenommene Urkunde handele und sich der Kostenschuldner darin auch nicht wegen der
Kostenforderung der Zwangsvollstreckung unterworfen habe (OLG Düsseldorf, Urteil vom
28. Mai 2002 – 24 U 8/02 – juris Rn. 11 m.w.N. anders wohl Geimer in: Zöller,
Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 794 Rn. 43). Indes soll auch nach Maßgabe dieser
Auffassung eine Vollstreckungsgegenklage nach
sein, wenn eine Aufrechnung mit illiquiden, also bestrittenen und nicht rechtskräftig
festgestellten Aktiv- bzw. Gegenforderungen erklärt wird, die nicht im Zusammenhang mit
Amtspflichtverletzungen des Notars stehen (so bereits KG, Beschluss vom 23. Februar
1973 – 1 W 1672/72 – ZZP 86 (1973), 441 mit zust. Anm. Grunsky OLG Düsseldorf,
Urteil vom 28. Mai 2002 – 24 U 8/02 – juris Rn.13 Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, 22.
Aufl. 2002, § 767 Rn. 58).
33. Ist aber eine Berücksichtigung von materiell-rechtlichen Einwänden, die im Zusammenhang
mit behaupteten Amtspflichtverletzungen des Notars stehen, im Rahmen des § 127
GNotKG – sei es in Gestalt einer Aufrechnung oder der Erhebung der dolo-agit-Einrede –
generell abzulehnen, so kann die dann entstehende Rechtsschutzlücke ohne weiteres auch
dadurch geschlossen werden, dass eine negative Feststellungsklage auch im Hinblick auf
Notarkostenberechnungen im Sinne des
Prozessaufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung,
könnte auch eine (analoge) Anwendung von
Beschluss vom 25. August 2014 – 4 OH 2/14 – juris Rn. 17).
34. cc) Für das gerichtliche Verfahren in Notarkostensachen findet das Gesetz über das
Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
und damit der Amtsermittlungsgrundsatz Anwendung. Im Gegensatz dazu gelten für
Prozesse über Notarhaftungsansprüche nach
damit der Beibringungsgrundsatz. Auch wenn den Gebührenschuldner hinsichtlich solcher
Gegenansprüche aus
Notarkostenbeschwerde dem Zivilprozess vergleichbare Darlegungs- und
Substantiierungspflichten treffen sollen (BayObLG, Beschluss vom 1. Oktober 2004 – 3Z
BR 129/04 – juris Rn. 10 Ländernotarkasse, Leipziger Kostenspiegel, 3. Aufl. 2021, Rn.
1.200), ginge hiermit ein systematischer Bruch einher, weil der Ablauf des gerichtlichen
Verfahrens in Notarkostensachen insgesamt einheitlich dem Gesetz über das Verfahren in
Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und nicht der
Zivilprozessordnung unterfällt (kritisch so auch Henze, Anmerkung zu Senat, Beschluss
vom 30. Juni 2015 – 9 W 103/14 –,
Die Amtshaftung des Notars, 4. Aufl. 2018, Rn. 886; s. auch OLG Frankfurt, Beschluss
vom 3. Februar 1956 – 6 W 419/57 –
„Anomalie“ die Rede ist, und LG Lübeck, Beschluss vom 20. September 2016 – 7 OH
18/14 – juris Rn. 27).
35. Das Nebeneinander zweier grundsätzlich unterschiedlicher Verfahrensordnungen führt zu
Friktionen und tendenziell einer Verkürzung des Rechtsschutzes für den Kostenschuldner.
Mit einer Berücksichtigung von (potenziellen) Notarhaftungsansprüchen im gerichtlichen
Verfahren in Notarkostensachen einher ginge beispielsweise die problematische
Konsequenz, dass dort – mit Ausnahme der Rechtsbeschwerde – für den
Gebührenschuldner kein Anwaltszwang besteht (Henze, Anmerkung zu Senat, Beschluss
vom 30. Juni 2015 – 9 W 103/14 –,
36. Auch die Einführung des
gegen eine übergreifende Entscheidungskompetenz und damit gegen eine streitige
Entscheidung über Notarhaftungsansprüche im Verfahren der Notarkostenbeschwerde.
Denn mit
die freiwillige Gerichtsbarkeit wie fremde Rechtswege gegenüberstehen, obgleich beide Teil
der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind (LG Kleve, Beschluss vom 25. August 2014 – 4 OH
2/14 – juris Rn. 17; LG Lübeck, Beschluss vom 20. September 2016 – 7OH 18/14 – juris
Rn. 24; Greger in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 145 Rn. 19b; vgl. auch OLG Frankfurt,
Beschluss vom 30. März 2015 – 5 UF 1/14 – juris Rn. 90 ff.).
37. dd) In Konstellationen, in welchen eine Amtspflichtverletzung beim Gebührenschuldner
einen über die Belastung mit der notariellen Gebührenforderung hinausgehenden weiteren
finanziellen Schaden verursacht hat (vgl. zu einer derartigen Konstellation OLG Frankfurt,
Beschluss vom 18. Dezember 2018 – 20 W 46/17 – juris Rn. 9 f.) – birgt die bisher
überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur die Gefahr widersprechender
Entscheidungen in sich. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf
ein Notarhaftungsanspruch bis zur Höhe des notariellen Gebührenanspruchs im Hinblick
auf die Notarkostenbeschwerde nicht im streitigen Verfahren nach der Zivilprozessordnung
geltend gemacht werden, sondern nur der überschießende Betrag (BGH, Urteile vom
30.Januar 1961 – III ZR 215/59 – juris Rn.18, vom 22. November 1966 – VI ZR 39/65 –
OLG Hamm, Urteil vom 27. März 2019 – 11 U 137/18 – juris Rn. 6; Ländernotarkasse,
Leipziger Kostenspiegel, 3. Aufl. 2021, Rn. 1.196; abweichend OLG Hamm, Beschluss vom
19. Februar 1979 – 15 W 57/78 – juris Rn. 5; anders wohl auch Beushausen, Das Deutsche
Notariatskostenrecht, 3. Aufl. 1951, S. 215). Demgemäß können widerstreitende
Entscheidungen des über die Notarkostenbeschwerde befindenden Gerichts einerseits und
des über den überschießenden Notarhaftungsanspruch entscheidenden Gerichts
andererseits hinsichtlich des Bestehens des als Gegenforderung aufgestellten
Notarhaftungsanspruchs nicht ausgeschlossen werden (hierauf weist bereits KG, Beschluss
vom 29. September 1939 – 4 T 67/39 –
Beschluss vom 3. Februar 1956 – 6 W 419/57 –
zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 1953 – 10 W 258/53 –,
f.; Mayer in: Haug/Zimmermann, Die Amtshaftung des Notars, 4.Aufl. 2018, Rn. 886;
kritisch Rohs/Wedewer, Kostenordnung, 1. und 2. Aufl. 1957, S. 657). Widerstreitende
Entscheidungen sind von vornherein ausgeschlossen, wenn die auf Notarhaftung
beruhenden potenziellen Aktiv- bzw. Gegenforderungen des Gebührenschuldners
insgesamt in der streitigen Zivilgerichtsbarkeit geltend zu machen und derartige materiellrechtliche
(Aufrechnungs-)Einwände im gerichtlichen Verfahren in Notarkostensachen
nicht zu berücksichtigen sind.
38. c) Die Gesetzesbegründung zu
Frage. Die Kontinuität der obergerichtlichen Rechtsprechung seit der Einführung der
Vorgängervorschrift (
einer nicht als zutreffend erkannten Praxis (anders OLG Stuttgart, Beschluss vom 2. März
1995 – 8 W 562/94 – juris Rn.4 unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 4. Oktober 1982 –
GSZ 1/82 – juris Rn. 8 f.).
39. Vielmehr spricht auch die Gesetzeshistorie gegen die Zulassung materiell-rechtlicher
Einwände im gerichtlichen Verfahren in Notarkostensachen. Die eine Aufrechnung
zulassende Rechtsprechung – ausgehend von der Entscheidung des Kammergerichts aus
dem Jahr 1937 (Beschluss vom 4. Juni 1937 – 1a Wx 2121/36 –
dürfte zunächst auch dadurch motiviert gewesen sein, dass die Vorschrift des
a.F. – Nichterhebung von Gebühren wegen unrichtiger Sachbehandlung – gemäß § 144
Abs. 3 KostO a.F. auf Notare keine Anwendung fand und damit im gerichtlichen Verfahren
in Notarkostensachen nach
(Gleichwohl wurde eine unrichtige Sachbehandlung im Notarkostenbeschwerdeverfahren
nach
Beschluss vom 5. Januar 1938 – 8 Wx 501/37 –
Kostenordnung, 2. Aufl. 1938, S. 678 unter b); Küntzel, Kostenordnung, 1951, S. 294 unter
5.; s. dazu auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Februar 1956 – 6 W 419/57 – Rpfleger
1958, 288, 290). Hierfür spricht auch die frühere Entwicklung: Die 1936 mit
geschaffene Regelung geht auf landesrechtliche Verfahren zurück, die Einwendungen im
Zusammenhang mit amtspflichtwidrigem Verhalten des Notars im Rahmen des
Kostenbeschwerdeverfahrens nicht zuließen. So erfolgte nach § 25 der Preußischen
Gebührenordnung für Notare vom 25. Juli 1910 – NotGebO – die gerichtliche Festsetzung
der Kosten des Notars nur wegen der Höhe seiner Gebühren und Auslagen oder wegen des
in Ansatz gebrachten Geschäftswerts (s. hierzu Mügel, Die Preußischen Kostengesetze vom
25. Juli 1920, 7. Aufl. 1916, S. 582 f. unter 4.). Demgemäß war die Einwendung der
unrichtigen Sachbehandlung nicht zulässig. In Übereinstimmung hiermit entschied das
Kammergericht (Beschluss vom 15.Dezember 1911 – 1a. X 1105/11 – Jahrbuch für
Entscheidungen des Kammergerichts, 42. Band (1912), 347 s. dazu auch Mügel, Die
Preußischen Kostengesetze vom 25. Juli 1920, 7. Aufl. 1916, S. 583 unter 5.), dass der
Einwand einer überflüssigen Beurkundung im Rahmen des § 25 NotGebO, der im
öffentlichen Interesse mit Rücksicht auf die Amtsstellung des Notars die einfache und
billige Austragung von Streitigkeiten über die Höhe der Notargebühren ermöglichen solle,
nicht berücksichtigt werden könne, da die Entscheidung über die Zahlungspflicht dem
Prozessweg vorbehalten sei. Damit zeigt die rechtshistorische Wurzel der
Vorgängervorschrift des
Abs. 5 Satz 1 BRAGO a.F. (jetzt
Gebühren des Rechtsanwalts gegen die eigene Partei ausgeschlossen ist, wenn der
Kostenschuldner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren
Grund haben (OLG Frankfurt, Beschluss vom 3.Februar 1956 – 6 W 419/57 – Rpfleger
1958, 288, 290).
40. Dass der Gesetzgeber trotz Änderungen der Kostenordnung und schließlich anlässlich des
Erlasses des 2. Kostenmodernisierungsgesetzes es bislang unterlassen hat, eine dem § 11
Abs. 5 Satz 1 RVG (ehemals § 19 Abs. 5 Satz 1 BRAGO) entsprechende Bestimmung
einzuführen, lässt keine Rückschlüsse auf die Frage zu, wie weit Einwendungen oder
Einreden, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben, im Verfahren nach § 127
GNotKG zu berücksichtigen sind (anders OLG Stuttgart, Beschluss vom 2. März 1995 – 8
W 562/94 – juris Rn. 4; Wudy in: Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar, 2. Aufl.,
§ 21 Rn. 25). Der Gesetzgeber hat sich zu dieser Frage – soweit ersichtlich – gerade nicht
verhalten.
41. d) Schließlich sprechen auch teleologische Erwägungen gegen die Berücksichtigung
materiell-rechtlicher Einwände im gerichtlichen Verfahren in Notarkostensachen. Denn die
Klärung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen und von komplizierten
Rechtsfragen im gerichtlichen Verfahren in Notarkostensachen liefe dem vom Gesetzgeber
herausgestellten Ziel des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zuwider, das nach der
allgemeinen Gesetzesbegründung die Vereinfachung des Kostenrechts ist: Die Gerichte
sollen so weit wie möglich von der sehr umfangreich gewordenen Kostenrechtsprechung
entlastet werden (BT-Drs. 17/11471, S. 133).
42. 4. Im Hinblick auf die vom Senat vollzogene Abkehr von der bislang ganz herrschenden
Meinung in Rechtsprechung und Literatur entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit
im Sinne von § 81 Absatz 1 FamFG, die Kosten beider Instanzen gegeneinander
aufzuheben.
43. Die Rechtsbeschwerde war nach
und Abs. 2 Nr. 2 FamFG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Gebührenschuldner materiell-rechtliche
Einwände gegen den Gebührenanspruch des Notars im gerichtlichen Verfahren in
Notarkostensachen geltend machen kann, wird von den Oberlandesgerichten
unterschiedlich beantwortet, so dass eine Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zu
einer Vereinheitlichung beitragen würde.
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:12.01.2021
Aktenzeichen:9 W 1093/20
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Kostenrecht
Öffentliches Baurecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
GNotKG §§ 21 Abs. 1 S. 1, 127