OLG München 22. August 2012
34 Wx 200/12
BGB §§ 106, 107, 1629 Abs. 2, 1643 Abs. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1, 1822 Nr. 10; GBO §§ 19, 20

Erfüllung eines Grundstücksvermächtnisses; keine Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers; Erfordernis familiengerichtlicher Genehmigung bei Erwerb eines Eigentumsbruchteils an Wohnungseigentum

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 11065R
letzte Aktualisierung: 14.12.2012
OLG München, 22.8.2012 - 34 Wx 200/12
BGB §§ 106, 107, 1629 Abs. 2, 1643 Abs. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1, 1822 Nr. 10; GBO §§ 19, 20
Erfüllung eines Grundstücksvermächtnisses; keine Notwendigkeit der Bestellung eines
Ergänzungspflegers; Erfordernis familiengerichtlicher Genehmigung bei Erwerb eines
Eigentumsbruchteils an Wohnungseigentum
1. Zur Umschreibung von Wohnungseigentum an Minderjährige in Erfüllung eines Vermächtnisses, wenn ein Elternteil (Mit-)Erbe ist.
2. Der Mitwirkung eines familiengerichtlich bestellten Pflegers bedarf es zur dinglichen Überlassung des vermachten Wohnungseigentums in diesem Fall nicht (Bestätigung der Senatsrechtsprechung vom 23.9.2011, 34 Wx 311/11).
3. Jedoch bedarf die Auflassung von Bruchteilen eines Wohnungseigentums an Minderjährige
der familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Nr. 10 BGB (siehe KG vom 15.7.2012,
1 W 312/10), und zwar auch dann, wenn zwei minderjährige Kinder gemeinsam zu gleichen
Anteilen erwerben.


Oberlandesgericht München
Az.:
34 Wx 200/12
Haidhausen, Blatt 11467-8 AG München - Grundbuchamt
In der Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuchsache
wegen Zwischenverfügung (Bestellung eines Ergänzungspflegers und
familiengerichtliche Genehmigung)
erlässt das Oberlandesgericht München - 34. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht Lorbacher, die Richterin am Oberlandesgericht Paintner
und den Richter am Oberlandesgericht Hinterberger am 22. August 2012 folgenden
Beschluss
I.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 4 wird die Zwischenverfügung des
Amtsgerichts München - Grundbuchamt - vom 17. April 2012 in Ziffer II
dahingehend
abgeändert,
dass
das
Erfordernis
der
Bestellung
eines
Ergänzungspflegers entfällt.
II.
Die Beschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
III.
Der Geschäftswert der Beschwerde wird, soweit diese zurückgewiesen wird, auf
3.000 € festgesetzt.
34 Wx 200/12
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1 und 4 sind Töchter der am 23.6.2011 verstorbenen Erblasserin
Ingeborg H. und gemäß notariellem Testament vom 29.9.2008 Erbinnen je zur Hälfte. In
ihrer letztwilligen Verfügung hatte die Erblasserin Vermächtnisse angeordnet.
Soweit hier erheblich überließen die Beteiligten zu 1 und 4 den Beteiligten zu 2 und 3,
minderjährigen Kindern von Dr. Christo M. und der Beteiligten zu 1, zu notarieller
Urkunde vom 5.3.2012 in Erfüllung dieser Vermächtnisse je zu hälftigem Miteigentum
eine Eigentumswohnung mit Tiefgaragen-Doppelparker. Die Beteiligte zu 1 und deren
Ehemann erklärten für ihre beiden Kinder die Auflassung; sie bewilligten und
beantragten
die
Eintragung
des
Rechtsübergangs
im
Grundbuch.
Die
den
minderjährigen Kindern überlassene Eigentumswohnung ist nicht vermietet und steht
leer.
Die Urkunde enthält unter Buchstabe C. (Familiengerichtliche Genehmigung) folgende
Erklärung:
Die Beteiligten gehen davon aus, dass die für die minderjährigen Kinder in
dieser Urkunde enthaltenen Erklärungen von deren sorgeberechtigten Eltern
für ihre Kinder ohne Bestellung eines Ergänzungspflegers abgegeben
werden können, da die an die minderjährigen Kinder übereignete Wohnung
unvermietet ist und somit die Erfüllung des Vermächtnisses für die Kinder
rechtlich lediglich vorteilhaft ist.
Weiter gehen die Beteiligten davon aus, dass die Voraussetzungen für eine
familiengerichtliche Genehmigungspflicht der Vermächtniserfüllung an die
minderjährigen Kinder gemäß § 1643 Abs. 1 i.V.m. § 1821 Nr. 5 BGB nicht
gegeben sind, weil vorliegend mangels zu erbringender Gegenleistung aus
dem Vermögen der minderjährigen Kinder kein entgeltlicher Erwerb von
Grundbesitz vorliegt. ...
Das Grundbuchamt hat in diesem Zusammenhang am 17.4.2012 durch fristsetzende
Zwischenverfügung aufgegeben, einen Ergänzungspfleger zu bestellen und eine
familiengerichtliche Genehmigung für das Rechtsgeschäft einzuholen.
Hiergegen wendet sich das Rechtsmittel der Urkundsbeteiligten vom 30.5.2012, die, wie
schon in der Urkunde niedergelegt, davon ausgehen, dass es weder eines
Ergänzungspflegers noch einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
II.
Die gegen die Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO grundsätzlich statthafte, auf
die einzelne Beanstandung beschränkte und beschränkbare Beschwerde nach § 71
Abs. 1 GBO (vgl. Demharter GBO 28. Aufl. § 71 Rn. 1) ist vom Notar (vgl. § 15 Abs. 2
GBO; § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamFG) namens der Urkundsbeteiligten eingelegt
worden. Dies sind die Beteiligten zu 1 und 4 als Erbinnen, die im Rahmen der
Vermächtniserfüllung rechtsgeschäftliche Erklärungen abgegeben haben, ferner die
Beteiligten zu 2 und 3 als Auflassungsempfänger. An der Urkunde vom 5.3.2012
mitgewirkt hat zwar auch der Vater und Mitinhaber der elterlichen Sorge für die
Beteiligten zu 2 und 3, dies allerdings nicht aus eigenem Recht, sondern namens seiner
Kinder als deren (gemeinschaftlicher) gesetzlicher Vertreter (§ 1629 Abs. 1 Satz 2
Halbs. 1 BGB). Dieser selbst hat kein eigenes Antragsrecht (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GBO),
ebensowenig als nicht unmittelbar Beteiligter ein eigenes Beschwerderecht (vgl.
Demharter § 13 Rn. 42). Sachgerecht ist der Beschwerdeantrag deshalb dahin
auszulegen, dass er von den (allen) Beteiligten zu 1 bis 4 eingelegt ist, von den
Beteiligten zu 2 und 3 durch deren vertretungsberechtigte Eltern, nämlich der Beteiligten
zu 1 sowie deren Ehemann.
Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.
1. Nach §§ 106, 107 BGB bedarf ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr
vollendet hat, zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen
Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters, hier also seiner Eltern
als Inhaber der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge (§ 1626 Abs. 1, § 1629 Abs. 1 Satz
1 Halbs. 1 BGB). Diese liegt vor.
a) Die Beteiligten zu 1 und 2 als Inhaber der elterlichen Sorge haben für die Beteiligten
zu 3 und 4 die Grundbucherklärungen abgegeben. Auf die Frage der ausschließlich
rechtlichen Vorteilhaftigkeit des Geschäfts (siehe dazu grundsätzlich BGH NJW 2010,
3643) kommt es dann nicht mehr an (Zorn FamRZ 2011, 776/778; ferner Sonnenfeld
34 Wx 200/12
Rpfleger 2011, 475/477).
b) Der Übertragung des Wohnungseigentums (§ 925 BGB) liegt ein fälliger
Vermächtnisanspruch
nach
§§
2174,
BGB
zugrunde.
Ein
gesetzlicher
Vertretungsausschluss nach § 181 BGB besteht schon deshalb nicht, weil die
Eigentumsübertragung lediglich die Erfüllung der entstandenen Verbindlichkeit, nämlich
des angefallenen Vermächtnisses, zum Gegenstand hat. Zu einer anderen Beurteilung
käme
der
Senat
nach
seiner
im
Beschluss
vom
23.9.2011
niedergelegten
Rechtsauffassung (34 Wx 311/11 = NJW-RR 2012, 137) nur, wenn die Verbindlichkeit
ihren Grund in einem vom Vertreter vorgenommenen Verpflichtungsgeschäft hätte
(siehe Sonnenfeld Rpfleger 2011, 475/477), was hier nicht der Fall ist.
Der Senat hatte dies in seinem Beschluss vom 8.2.2011 (34 Wx 18/11 = Rpfleger 2011,
434) noch anders beurteilt, hieran jedoch später angesichts der aufgezeigten
gesetzlichen Systematik (Sonnenfeld aaO.) nicht mehr festgehalten. Die revidierte
Rechtsprechung des Senats hat Zustimmung (Röhl MittBayNot 2012, 111/113), aber
auch Kritik erfahren (Keim ZEV 2011, 660; derselbe bereits in ZEV 2011, 563). So wird
vorgebracht, dass beim Vermächtnisvollzug durch ein nachteiliges Erfüllungsgeschäft
eine Gefahr für den vertretenen Vermächtnisnehmer bestehe, da vorher kein
Verpflichtungsgeschäft von einem unabhängigen Vertreter genehmigt worden sei (Keim
ZEV 2012, 660/661). Indessen hält der Senat nach erneuter Prüfung an seiner im
Beschluss vom 23.9.2011 vertretenen Auffassung fest. Es greift die gesetzlich normierte
Ausnahme vom Vertretungsverbot nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 BGB i.V.m. § 1629
Abs. 2 BGB ein (siehe Röhl MittBayNot 2012, 111/113). Die mit dem Insichgeschäft
verbundene typische Gefährdung besteht nicht, wenn die Verbindlichkeit nicht durch ein
Geschäft des Vertreters begründet wurde. Die Notwendigkeit, für den Vollzug des
Geschäfts einen Ergänzungspfleger zu bestellen, erübrigt sich dann.
2. Im Übrigen ist die Beschwerde jedoch nicht begründet. Zwar ist bei Übertragung von
Wohnungs- und Teileigentum grundsätzlich keine familiengerichtliche Genehmigung der
Auflassung erforderlich (siehe BGH NJW 2010, 3643/3644, Rn. 17). Für den Fall der
zugrunde liegenden Vermächtniserfüllung gilt nichts anderes (siehe auch Beschluss des
Senats vom 23.9.2011, 34 Wx 311/11 unter II. 2.). Indessen ist - jedenfalls hier - die
Besonderheit zu beachten, dass Wohnungs- (Teil-) Eigentum in Bruchteilen (je zu 1/2)
übertragen wird, was - wie das Kammergericht zu Recht ausführt (KG vom 15.7.2010, 1
34 Wx 200/12
W 312/10, bei juris) - die Genehmigungspflicht nach § 1643 Abs. 1 i.V.m. § 1822 Nr. 10
BGB auslöst (zustimmend Bettin in Bamberger/Roth BGB 3. Aufl. § 1822 Rn. 26;
MüKo/Wagenitz BGB 6. Aufl. § 1822 Rn. 65; siehe schon BGHZ 60, 385, für
gesamtschuldnerische
Übernahme
der
Kaufpreisschuld
bei
Erwerb
eines
Miteigentumsanteils). Dass die gesamtschuldnerische Haftung der Mitberechtigten (vgl.
OLG Stuttgart OLGZ 1969, 232; Palandt/Bassenge BGB 71. Aufl. § 16 WEG Rn. 37)
eine gesetzliche Folge aus § 16 Abs. 2 WEG darstellt, ist ebenso unerheblich wie die
Wahrscheinlichkeit
der
Heranziehung
und
die
Durchsetzbarkeit
etwaiger
Ausgleichsansprüche (vgl. BGHZ 60, 385/389). Es gilt vielmehr im Interesse des
Mündels (Minderjährigen) ein abstrakter Maßstab. Es kann deshalb auch keine Rolle
spielen, dass die Beteiligten zu 2 und 3 auf Erwerberseite zu 100 % das Wohnungs- und
Teileigentum erwerben. Vielmehr ergibt sich die Problematik bei jedem der beiden
Beteiligten gleichermaßen im Hinblick auf die Inanspruchnahme des anderen. Ebenso
ist
es
unerheblich,
ob
sich
die
Rechtslage
bei
der
Übertragung
von
Miteigentumsanteilen nach Bruchteilen (§§ 1008 BGB ff.; siehe Senat vom 23.9.2011)
gleichermaßen oder doch grundlegend anders darstellt im Hinblick auf das
Gemeinschaftsverhältnis nach §§ 741 ff. BGB (siehe Palandt/Bassenge § 1008 Rn. 8),
das eine Bestimmung entsprechend § 16 Abs. 2 WEG nicht kennt.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Geschäftswert bemisst sich nach §
131 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. § 78 Abs. 2 GBO)
sind nicht erfüllt.
Lorbacher
Paintner
Hinterberger
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richterin
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
.
Leitsatz:
BGB §§ 106, 107, 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 1 Nr. 1, § 1643 Abs. 1, § 1822 Nr. 10
GBO §§ 19, 20
1. Zur Umschreibung von Wohnungseigentum an Minderjährige in Erfüllung eines
Vermächtnisses, wenn ein Elternteil (Mit-) Erbe ist.
2. Der Mitwirkung eines familiengerichtlich bestellten Pflegers bedarf es zur dinglichen
Überlassung des vermachten Wohnungseigentums in diesem Fall nicht (Bestätigung der
Senatsrechtsprechung vom 23.9.2011, 34 Wx 311/11).
3. Jedoch bedarf die Auflassung von Bruchteilen eines Wohnungseigentums an Minderjährige
der familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Nr. 10 BGB (siehe KG vom 15.7.2012, 1 W
312/10), und zwar auch dann, wenn zwei minderjährige Kinder gemeinsam zu gleichen Anteilen
erwerben.
OLG München, 34. Zivilsenat
Beschluss vom 22.8.2012
34 Wx 200/12

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

22.08.2012

Aktenzeichen:

34 Wx 200/12

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Grundbuchrecht
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

DNotI-Report 2012, 202
MittBayNot 2013, 247-248
RNotZ 2013, 41-43
notar 2013, 55-56
DNotZ 2013, 205-208
NotBZ 2012, 464-466
ZEV 2013, 202-203

Normen in Titel:

BGB §§ 106, 107, 1629 Abs. 2, 1643 Abs. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1, 1822 Nr. 10; GBO §§ 19, 20