OLG Hamm 09. Juni 2022
4 UF 175/20
BGB §§ 1318, 1570, 1579

Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bei Aufhebung einer bigamischen Ehe

letzte Aktualisierung: 4.1.2023
OLG Hamm, Beschl. v. 9.6.2022 – 4 UF 175/20

BGB §§ 1318, 1570, 1579
Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bei Aufhebung einer bigamischen Ehe

1. Bei Aufhebung einer Ehe besteht gem. § 1318 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB i. V. m. § 1570 BGB
analog ein Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt.
2. Bei Aufhebung einer bigamischen Ehe besteht auch bei Bösgläubigkeit der Ehegatten ein
Anspruch auf nachehelichen Unterhalt in vollem Umfang, wenn ein vorrangiger Unterhaltsanspruch
eines ersten Ehegatten nicht gegeben ist.

Gründe:

A.
Die Antragstellerin begehrt nach Aufhebung ihrer mit dem Antragsgegner am 20.02.2010
geschlossenen Ehe die Zahlung von nachehelichem Unterhalt. Dem Verfahren liegt
folgender Sachverhalt zugrunde:

Aus der am 20.02.2010 zwischen den Beteiligten geschlossenen Ehe sind die Kinder A B ,
geb. am 00.00.20XX, und C, geb. am 00.00.20XX, hervorgegangen. Die endgültige
Trennung der Beteiligten erfolgte am 01.07.2015 innerhalb der Ehewohnung, aus der der
Antragsteller am 13.12.2015 dann auszog. Die Kinder verblieben bei der Antragsgegnerin.
Für den Antragsteller war es die dritte Ehe, nachdem er zuvor Frau D – E, geb. F, am
25.08.1993 auf Jamaika geheiratet hatte und die in 1998 geschlossene Ehe mit Frau G,
aus der die am 00.00.19XX geborene Tochter H hervorgegangen ist, im Jahre 2002
geschieden worden war.

Die auf Jamaika geschlossene Ehe ist vom Antragsteller bewusst nicht im
Personenstandsregister angemeldet und erst im Jahre 2020 geschieden worden.
Der im Juni 2016 vom Antragsteller im vorliegenden Verfahren eingereichte
Scheidungsantrag ist, nachdem die Doppelehe bekannt geworden war, nicht mehr
beschieden worden. Vielmehr hat das Familiengericht auf Antrag der Antragsgegnerin am
22.02.2019 einen seit dem 26.03.2019 rechtskräftigen Eheaufhebungsbeschluss erlassen.
Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten um die Zahlung von nachehelichem
Unterhalt, wobei die Antragsgegnerin zuletzt den Anspruch auf den Zeitraum bis zum
30.09.2019 beschränkt hat.

Die Fragen, ob der Antragsteller zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt verpflichtet ist,
ist zwischen den Beteiligten streitig. Insbesondere ist umstritten, ob eine im Februar 2017
nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses als „(...)“ vor dem Arbeitsgericht Aachen mit
dem früheren Arbeitgeber des Antragstellers vergleichsweise vereinbarte Abfindung von
69.000,00 € brutto unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Ferner, ob die
Antragsgegnerin, die als „(...)“ teilschichtig in der Praxis ihres Vaters angestellt und
daneben noch selbständig tätig ist, zur Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit
verpflichtet ist. Zudem, ob ein etwaiger Unterhaltsanspruch wegen Bestehens einer
verfestigten Lebensgemeinschaft sowie aufgrund diverser Verhaltensweisen der
Antragsgegnerin (Strafanzeigen, widersprüchlicher Vortrag im Verfahren etc.) verwirkt ist.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die ausführliche Sachverhaltsdarstellung
nebst Wiedergabe der Anträge im angegriffenen Beschluss Bezug genommen.

Das Familiengericht hat – nach Beweisaufnahme zur Kenntnis von der Doppelehe – mit
am 11.09.2020 verkündeten Beschluss den Antragsteller zur Zahlung von nachehelichem
Unterhalt in Höhe von 2.134,00 € für den beantragten Zeitraum vom 26.03. bis zum
30.09.2019 gemäß § 1318 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 1570 Abs. 1 S. 2, 3 BGB
verpflichtet. Dabei hat es ausgeführt, dem Antragsteller sei es nicht gelungen, eine positive
Kenntnis der Antragsgegnerin vom Bestehen der ersten Ehe bzw. vom Aufhebungsgrund
des § 1306 BGB zu beweisen. Unabhängig davon stehe § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB
einer Anwendung des § 1570 BGB unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt entgegen,
letztlich greife die Ausnahmeregelung des § 1318 Abs. 2 S. 2 BGB ein. Ferner hat es die
Abfindung mit ihrem Nettobetrag bei der Ermittlung der Unterhaltsansprüche berücksichtigt
und eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs verneint und diesen lediglich leicht
reduziert.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses
Bezug genommen.

Gegen den am 18.09.2020 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner
am 16.10.2020 eingegangenen Beschwerde, die er nach Verlängerung der
Begründungsfrist bis zum 18.12.2020 mit am 14.12.2020 eingegangenen Schriftsatz
begründet hat.

Er ist der Ansicht, das Familiengericht habe sich nur unzureichend mit der Frage befasst,
ob die Antragsgegnerin positive Kenntnis von der Aufhebbarkeit der Ehe hatte. Die
Voraussetzungen des § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB lägen nicht vor. Ihre Gutgläubigkeit
habe die Antragsgegnerin nicht substantiiert dargelegt. Hierzu behauptet er, sie habe
hierzu in den verschiedenen Verfahren widersprüchlich vorgetragen und jedenfalls
unmittelbar nach der Hochzeit davon erfahren, dass der Antragsteller noch verheiratet war.
Zudem sei es – wie der Antragsteller im Senatstermin nochmals bestätigt hat – ein
„running gag“ gewesen, wenn er erklärt habe, er könne sich überall im Ausland trauen
lassen, nur nicht auf Jamaika. Zwischenzeitlich habe er sich die notwendigen Unterlagen
beschafft und sei von Frau D - E im Jahre 2020 geschieden worden, was zwischen den
Beteiligten unstreitig ist. In diesem Zusammenhang hätten sie beide wechselseitig auf die
Durchführung des Versorgungs- und Zugewinnausgleichs sowie auf Unterhalt verzichtet.
Soweit das Familiengericht selbst bei positiver Kenntnis der Antragsgegnerin von der
Aufhebbarkeit der Ehe die Anwendbarkeit des § 1570 BGB bejaht habe, könne dem nicht
gefolgt werden. Das Familiengericht habe rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen des §
1570 BGB bejaht. Hierzu behauptet er, die Antragsgegnerin betreue die gemeinsamen
Kinder gar nicht vollumfänglich. Denn nach dem Anstellungsvertrag habe sie eine
wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Dass sie – wie von ihr behauptet – lediglich
teilschichtig gearbeitet habe, werde mit Nichtwissen bestritten. Insofern sei nicht
nachvollziehbar, warum die Antragsgegnerin bei ganztägiger Betreuung der Kinder und
einer vertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf
Betreuungsunterhalt angewiesen sei. Hinsichtlich der vom Familiengericht berücksichtigten
Wegzeiten fehle es bereits an einem substantiierten Vortrag der Antragsgegnerin. Zudem
sei ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht Gegenstand des Betreuungsunterhalts,
sondern des Aufstockungsunterhalts.

Jedenfalls sei ein etwaiger nachehelicher Unterhaltsanspruch aus verschiedenen Gründen
verwirkt.

Hierzu behauptet er, es bestehe seit Juni 2016 eine verfestigte Lebensgemeinschaft
zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Lebensgefährten Herrn I. Man verbringe
gemeinsame Urlaube, zeige sich in der Öffentlichkeit zusammen und bei der Abholung der
Kinder zum Umgang sei Herr I regelmäßig anwesend. Insoweit ist er der Ansicht, das
Familiengericht, das den Vortrag als nicht ausreichend substantiiert gewertet habe, hätte
einen Hinweis erteilen müssen. Ferner müsse entgegen der Auffassung des
Familiengerichts, das für eine Verfestigung einen Zeitraum von 3 Jahren zugrunde gelegt
hat, im vorliegenden Einzelfall von einer kürzeren Frist ausgegangen werden.
Ferner habe die Antragsgegnerin mutwillig die „(...)“ des Vaters nicht übernommen, um ihr
Einkommen niedrig zu halten und den Gewinn der „(...)“ nicht offenbaren zu müssen.
Außerdem habe sie ihre Tätigkeit für das „(...)“ des Lebensgefährten nicht unverzüglich,
wie erforderlich, sondern verspätet mitgeteilt. Hierzu behauptet er, erst aus den im
November 2018 vorgelegten Gehaltsabrechnungen von der Anstellung seit März erfahren
zu haben.

Insgesamt sei ihr Vortrag zum Umfang ihrer Erwerbstätigkeit widersprüchlich, was zur
Verwirkung eines etwaigen Anspruchs führe. Hierzu behauptet er, es existiere ein
Anstellungsvertrag mit der „(...)“ des Vaters vom 01.02.2010, wonach ihre Tätigkeit 40
Wochenstunden umfasse, was unstreitig ist. Gleichzeitig trage die Antragsgegnerin aber
vor, nur teilschichtig tätig zu sein um dann zu behaupten, bis zu 6-7 Stunden täglich zu
arbeiten.

Ferner verschweige die Antragsgegnerin die Existenz eines Wohnvorteils. Hierzu
behauptet er, die Antragsgegnerin wohne mietfrei in einer elterlichen Wohnung.
Ein etwaiger Unterhaltsanspruch sei zudem durch zwei unsubstantiierte Strafanzeigen
vom 28.02.2018 wegen Nachstellens und Bedrohung sowie vom 15.03.2019 wegen
Doppelehe, Unterhaltspflichtverletzung und Misshandlung von H verwirkt. Hierzu
behauptet er, die letztgenannte Anzeige sei für ihn rufschädigend gewesen und habe bei
ihm Rechtsanwaltskosten i.H.v. 681,28 € verursacht.

Insoweit begründe auch die Übernahme des Mandats bezüglich Ansprüchen Hs gegen ihn
einen Verwirkungsgrund, da die Antragsgegnerin die erforderliche Solidarität unter
Eheleuten vermissen lasse.

Ferner führe die Vorlage falscher eidesstattlicher Versicherungen seines Bruders und des
Herrn I hinsichtlich des Zeitpunkts der Kenntnis von der Doppelehe zur Verwirkung eines
etwaigen Anspruchs. Die Widersprüchlichkeit des eigenen Vortrages zeige, dass die
eidesstattlichen Versicherungen falsch seien.

Entsprechendes gelte im Hinblick auf ihren unrichtigen Vortrag im Schriftsatz vom
18.08.2017, er habe eine frühere Partnerin zur Abtreibung genötigt und sich eine
Gummipuppe zur sexuellen Befriedigung angeschafft.

Jedenfalls in der Gesamtschau der vorgenannten Punkte sei von einer Verwirkung
auszugehen.

Das Verhalten der Antragsgegnerin werde entgegen der Auffassung des Familiengerichts
nicht relativiert, weil er gleichwertige Verursachungsanteile nicht gesetzt habe. Denn die
Verfahren 12 F 30/18 und 12 F 33/17 beim AG Essen-Borbeck seien von ihm nicht
provoziert worden, hätten vielmehr einen sachlichen Grund gehabt.

Hinsichtlich der Unterhaltsberechnung macht er geltend, seine Leistungsfähigkeit sei vom
Familiengericht falsch beurteilt worden, da der Abfindungsbetrag nicht zu berücksichtigen
gewesen sei. Hierzu behauptet er, diesen Betrag für die Anschaffung einer Küche und
eines Pkw sowie zur Rückführung von Schulden verbraucht zu haben. Zudem habe das
Familiengericht den Wohnvorteil der Antragsgegnerin unterhaltsrechtlich nicht
berücksichtigt.

Er beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen Borbeck vom 11.09.2020
dahingehend abzuändern, dass der Antrag zurückgewiesen wird.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie behauptet, erst nach der Hochzeit überhaupt davon erfahren zu haben, dass es für
den Antragsteller bereits die dritte Ehe war. Dass die erste Ehe mit L F, jetzt D - E nicht
geschieden worden war, habe sie erst nach der Trennung erfahren.
Seit A´s Geburt habe sie nicht mehr Vollzeit gearbeitet. Ihre teilschichtige Tätigkeit sei
Familienmodell gewesen.

Die Übernahme der „(...)“ ihres Vaters stehe nicht in ihrer Disposition. Dies sei eine
Entscheidung ihres Vaters, der mit 78 Jahren immer noch arbeite.

Eine Lebensgemeinschaft mit Herrn I bestehe erst seit August 2020, als dieser bei ihr
eingezogen sei. Sie sei seit ca. zwei Jahren vor der Eheaufhebung mit Herrn I liiert. Zu
Familienfeiern oder sonstigen familiären Anlässen habe weder er sie noch sie ihn
begleitet. In ihren Urlauben sei Herr I nur jeweils kurz zu Besuch am Urlaubsort gewesen.
Der vorgelegte Arbeitsvertrag sei nicht gefälscht, wie vom Antragsteller angenommen.
Vielmehr sei der Vertrag von ihr erst nach der Eheschließung unterschrieben worden, aber
vorher vorbereitet gewesen. Aufgrund dessen habe man die Anpassung des Datums
vergessen.

Ferner ist sie der Ansicht, der Antragsteller müsse sich vorhalten lassen, die Abfindung
nicht freiwillig angegeben zu haben. Zudem habe er die Abfindung und den Erlös aus dem
Hausverkauf verprasst, u.a. für diverse Party- und Bordellbesuche, was insoweit unstreitig
ist.

Ihr Unterhaltsanspruch sei auch nicht verwirkt. Hierzu behauptet sie, das Verhalten des
Antragstellers sei insgesamt übergriffig gewesen.

Die Übernahme des Mandats für H sei nur erfolgt, weil der ursprünglich beauftragte
Rechtsanwalt nicht tätig geworden sei. Die Strafanzeige habe sie im Auftrag der
Stieftochter gestellt. Die Anwaltskammer habe ein vom Antragsteller angeregtes
standesrechtliches Verfahren mangels Interessenkonflikts eingestellt, was insoweit
unstreitig ist.

Seit dem Hausverkauf wohne sie auch nicht mietfrei und die Erklärungen zur Abtreibung
stammten vom Antragsteller selbst und seien von ihr nur wiederholt worden.
Die Sache mit der Gummipuppe sei im Bericht von Herrn J in der Kindschaftssache
bestätigt worden. Es habe sich dabei um ein Geschenk der Reha-Gruppe für psychisch
erkrankte Menschen an den Antragsteller gehandelt.

Zudem ist sie der Ansicht, Teile der Abfindung habe der Antragsteller nicht für den Erwerb
einer Küche verwenden dürfen. Hierzu behauptet sie, der Hausrat sei einvernehmlich
geteilt worden.

Der Senat hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2022 angehört.
Wegen des Ergebnisses wird auf den gefertigten Anhörungsvermerk Bezug genommen.
Die Akten 12 F 33/17, 12 F 30/18 und 12 F 53/19 jeweils AG Essen-Borbeck sowie 12 F
78/17 AG Essen-Borbeck zugleich 4 UF 167/20 OLG Hamm lagen zur Information vor und
waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

B.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das
Familiengericht hat ihn zutreffend zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in der
titulierten Höhe verpflichtet.

I.
Die Beschwerde ist nach den §§ 117 Abs. 1, 2. FamFG i.V.m. den in Bezug genommenen
Regelungen zum Berufungsrecht der ZPO zulässig, insbesondere ist die Beschwerde
form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.
Der Antragsteller ist gemä1318 􀢜 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 1570 BGB analog zur
Zahlung des vom Familiengericht im angegriffenen Beschluss titulierten
Unterhaltsbetrages verpflichtet.

1.
Nach § 1318 Abs. 1 BGB bestimmen sich die Folgen der Aufhebung einer Ehe – wie sie
hier vorliegt – grundsätzlich nach den Vorschriften über die Scheidung. Dementsprechend
regelt § 1318 Abs. 2 BGB die analoge Anwendung der Unterhaltsvorschriften, hier konkret
des § 1570 BGB. Dabei differenziert die Vorschrift u.a. für den Fall der bigamischen Ehe
i.S.d. § 1306 BGB, wie er hier vorliegt, zwischen dem gutgläubigen (Nr. 1) und dem
bösgläubigen Ehegatten (Nr. 2). Während der Unterhaltsanspruch des gutgläubigen
Ehegatten durch die Aufhebung der Ehe nicht tangiert werden soll, ihm also derselbe Rang
wie der Unterhaltsanspruch des Ehegatten aus der ersten Ehe des Bigamisten zukommt,
schränkt § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB den Unterhaltsanspruch hinsichtlich des
bösgläubigen Ehegatten ein. Waren nämlich beide Ehegatten bei Eingehung der Zweitehe
bösgläubig, so schließt dieser Umstand zwar Unterhaltsansprüche des nicht bigamischen
Ehegatten nicht grundsätzlich aus, jedoch kann dieser Unterhalt nur verlangen, soweit
dadurch der Unterhaltsanspruch des ersten Ehegatten nicht beeinträchtigt wird
(Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 1318 Rn. 8).

2.
Die Antragsgegnerin war bei Eheschließung, dem insoweit maßgebenden Zeitpunkt
(Johannsen/Henrich/Althammer, a.a.O., Rn. 5), gutgläubig im Sinne des § 1318 Abs. 2 S.
1 Nr. 1 BGB.

a)
Umstritten ist, da § 1318 Abs. 2 Nr. 1 BGB den Unterhaltsanspruch von der fehlenden
Kenntnis der Aufhebbarkeit abhängig macht, was Gegenstand der Kenntnis ist. Zum einen
wird vertreten, Kenntnis der Tatsachen genüge; die Kenntnis, dass die Tatsachen einen
Grund zur Aufhebung der Ehe geben, sei nicht erforderlich (OLG Bremen FamRZ 2016,
828, 829; Johannsen/Henrich/Althammer, a.a.O., Rn. 3; Grüneberg/Siede, BGB, 81. Aufl.
2022, § 1318 Rn. 2; BeckOGK/M. Otto, BGB, Stand: 01.01.2022, § 1318 Rn. 6). Denn
letztlich sei bei Kenntnis der Tatsachen das Bewusstsein ihrer Bedeutung als
Aufhebungsgrund kaum nachzuweisen. Auch sei nicht einzusehen, weshalb bloße
Kenntnis der Fakten nicht ausreichen sollte, vielmehr Rechtskenntnisse erforderlich sein
sollen.

Nach anderer Ansicht ist neben der Kenntnis der die Aufhebbarkeit begründenden
Tatsachen erforderlich, dass der Ehegatte – wenigstens in laienhafter Wertung – auch ihre
rechtliche Bedeutung als Aufhebungsgrund erkennt (Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl.
2013, § 1318 Rn. 6; Johannsen/Henrich/Althammer, a.a.O., Rn. 4; Staudinger/Voppel,
BGB, 2018, § 1318 Rn. 15; MüKoBGB/Wellenhofer, 9. Aufl. 2022, § 1318 Rn. 4; jurisPKBGB/
Schiefer, 9. Aufl. 2020, § 1318 Rn. 10; Erman/Roth, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1318 Rn.
4; BeckOK BGB/Hahn, 62. Edition, Stand: 01.05.2022, § 1318 Rn. 3). Das ergebe sich aus
dem Wortlaut des Gesetzes (Kenntnis der „Aufhebbarkeit“) und dem zugrunde liegenden
Zweck des Vertrauensschutzes.

b)
Der Meinungsstreit bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da die Antragsgegnerin bereits
keine Kenntnis von den die Aufhebbarkeit begründenden Tatsachen hatte. Hiervon muss
der Senat nach dem Ergebnis der Anhörung der Beteiligten und unter Berücksichtigung
der erstinstanzlich erfolgten Beweisaufnahme ausgehen. Im Einzelnen:

aa)
§ 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB verlangt positive Kenntnis, bedingter Vorsatz oder
fahrlässige, auch grob fahrlässige Unkenntnis genügen insoweit nicht (BeckOK
BGB/Hahn, a.a.O., Rn. 3 m.w.N.).

Zutreffend weist der Antragsteller in diesem Zusammenhang darauf hin, dass für die
Gutgläubigkeit bei Eheschließung derjenige Ehegatte darlegungs- und beweispflichtig ist,
der sich auf sie beruft (Johannsen/Henrich/Althammer, a.a.O., Rn. 5). Dies ist vom
Familiengericht verkannt worden, da es den Antragsteller als darlegungs- und
beweisbelastet angesehen hat, was sich insbesondere an der Vernehmung des Zeugen K,
der vom Antragsteller benannt worden war, zeigt.

bb)
Allerdings verkennt der Antragsteller, dass ihn eine sekundäre Darlegungslast
dahingehend trifft, anzugeben wann, wo und wie er die Antragsgegnerin vor
Eheschließung über den Bestand der ersten Ehe informiert haben will. Dieser
Darlegungslast ist er nicht nachgekommen, weshalb der Senat von der fehlenden Kenntnis
der Antragsgegnerin auszugehen hat.

Im Rahmen seiner Anhörung hat der Antragsteller erklärt, er sei dem Irrglauben erlegen,
dass er überall noch einmal heiraten dürfe, nur nicht auf Jamaika. Dies habe er auch allen
seinen Partnerinnen so gesagt. Diese hätten dann regelmäßig gelächelt. In seinem
Bekanntenkreis sei dieser Umstand ein „running gag“ gewesen.

Unabhängig davon, ob der Antragsteller diese Erklärung auch gegenüber der
Antragsgegnerin abgegeben hat, ergibt sich hieraus bereits nicht ihre positive Kenntnis
von dem die Aufhebung begründenden Lebenssachverhalt. Denn nach der Schilderung
des Antragstellers und der von ihm beschriebenen Reaktion der Partnerinnen gingen alle
Beteiligten nicht von einer Eheschließung, sondern von einem Gag, einem allenfalls auf
Jamaika relevanten Geschehen aus.

Dies entspricht auch der eigenen vom Antragsteller sowohl schriftsätzlich als auch im
Rahmen der Anhörung als Irrglauben bezeichneten Rechtsauffassung. Danach sollte die
Heirat auf Jamaika nur in Deutschland verbindlich werden und zum Beispiel den
Steuerklassenwechsel rechtfertigen können, wenn eine entsprechende Urkunde zum
Personenstandsregister gereicht werde, was aber unstreitig nicht geschehen ist.
Dementsprechend ging der Antragsteller selbst nicht von einer Eheschließung auf Jamaika
aus und konnte daher die Antragsgegnerin auch nicht über einen die Aufhebung
begründenden Lebenssachverhalt informieren.

Unabhängig davon konnte der Antragsteller auch im Rahmen seiner Anhörung nicht
angeben, wann er die Antragsgegnerin von der Heirat auf Jamaika in Kenntnis gesetzt
haben will. Soweit schriftsätzlich auf den Umzug der Beteiligten im August 2009 und einen
Besuch des Zeugen K kurz vor der Hochzeit als Zeitpunkte abgestellt wird, führt auch dies
nicht weiter. Denn zu diesen Terminen soll die Antragsgegnerin nach dem Vortrag des
Antragstellers lediglich im vorgenannten – nicht ausreichenden – Sinne informiert worden
sein. Dem entspricht im Ergebnis auch die Darstellung des Zeugen K im Rahmen seiner
Vernehmung durch das Famililengericht.

Darüber hinaus ist die vom Antragsteller behauptete Information der Antragsgegnerin in
den Gesamtzusammenhang zu stellen. Danach war der Antragsteller vor der Ehe mit der
Antragsgegnerin bereits die Ehe mit Frau G eingegangen und diese Ehe war, wie der
Antragsgegnerin unstreitig bekannt war, geschieden worden. Durch diesen Umstand wird
die Erklärung des Antragsgegners, er dürfe nur nicht mehr auf Jamaika heiraten, nochmals
relativiert, da dieser Umstand offensichtlich der Heirat mit Frau G nicht entgegengestanden
hatte. Die Antragsgegnerin konnte die vermeintliche Erklärung des Antragstellers nur so
verstehen, dass den Vorgängen auf Jamaika keinerlei Bedeutung zu kam, insbesondere
keine Ehe geschlossen worden war. Eine positive Kenntnis der Antragsgegnerin von dem
die Aufhebung begründenden Lebenssachverhalt kann aufgrund dessen nicht festgestellt
werden.

3.
Der Antragstellerin steht der vom Familiengericht zuerkannte Unterhaltsbetrag gemäß §
1570 BGB analog zu.

a)
Die zwischen den Beteiligten bestehende Ehe ist rechtskräftig aufgehoben, die
Eheaufhebung tritt im Rahmen der analogen Anwendung an die Stelle der Scheidung, und
die Antragsgegnerin betreut die gemeinschaftlichen zwei Kinder.

b)
Soweit der Antragsteller meint, eine Betreuung der Kinder als tatbestandliche
Voraussetzung finde nicht statt, da die Antragsgegnerin einer Erwerbstätigkeit nachgehe
und die Kinder in Schule und Kindergarten betreut seien, geht dieser Einwand fehl. Denn
die Betreuung findet nicht allein während der Arbeitszeit statt. Vielmehr rechtfertigt sich der
Unterhalt aus § 1570 BGB aus dem Aspekt, dass die Versorgung und Betreuung eines
Kindes durch einen Elternteil diesen unzweifelhaft mehr Zeit kosten, als wenn er alleine
leben würde, und dieser Zeitaufwand einer Erwerbstätigkeit entgegensteht oder sie
jedenfalls besonders belastend macht (Johannsen/Henrich/Althammer/Hammermann,
a.a.O., § 1570 Rn. 20).

Also auch, wenn die Antragsgegnerin entsprechend der vorgelegten Vertragskopie 40
Wochenstunden in der „(...)“ ihres Vaters arbeiten würde, schlösse dies den
Unterhaltsanspruch des § 1570 BGB nicht aus.

Daneben hat die Anhörung der Antragstellerin im Senatstermin die Annahme des
Familiengerichts bestätigt, dass der Zeitaufwand für die Betreuung der Kinder einer
weitergehenden Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin entgegensteht. Denn nach dem
unwidersprochenen Vortrag haben beide Kinder nachmittags Aktivitäten, zu denen sie von
der Antragsgegnerin aufgrund ihres Alters gebracht werden müssen.

c)
Der Unterhaltsanspruch besteht über den Zeitpunkt der Eheaufhebung hinaus bis zum
30.09.2019. Zwar ist die Zeit des Basisunterhalts nach § 1570 Abs. 1 S. BGB unzweifelhaft
beendet und eine Verlängerung des Unterhalts aus kindbezogenen Gründen wird von der
Antragsgegnerin nicht substantiiert vorgetragen. Allerdings ist der Unterhalt aus
elternbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 2 BGB bis zum vorgenannten Zeitpunkt zu
verlängern.

Die Verlängerung aus elternbezogenen Gründen ist Ausdruck der nachehelichen
Solidarität (BT-Drs. 16/6980 S. 9) und stützt sich auf Umstände, die in der Ehe wurzeln.
Neben der Ehedauer kann dies auch die eheliche Rollenverteilung und Ausgestaltung der
Kinderbetreuung, so wie sie vereinbart und gelebt worden ist, sein (vgl. zu den einzelnen
Gründen Johannsen/Henrich/Althammer/Hammermann, a.a.O., Rn. 57, 58).

Dass vorliegend solche elternbezogenen Gründe für eine Verlängerung des
Betreuungsunterhaltsanspruchs bis zum 30.09.2019 gegeben sind, steht außer Frage.
Denn der Unterhaltsanspruch erfasst lediglich einen Zeitraum von rd. sechs Monaten nach
Aufhebung der Ehe. Dem stehen gegenüber eine Ehedauer von rd. sechs Jahren sowie
eine gelebte Ehe mit Teilerwerbstätigkeit der Antragsgegnerin aus Gründen der Betreuung
von zwei gemeinsamen Kindern. Beide Gesichtspunkte hätten eine deutlich weitergehende
Verlängerung des Unterhaltsanspruchs gerechtfertigt, worauf der Senat im Termin
hingewiesen hat.

d)
Im Hinblick auf den kurzen Unterhaltszeitraum braucht der Frage einer weitergehenden
Erwerbsobliegenheit der Antragsgegnerin nicht weiter nachgegangen zu werden. Zum
einen hat der Senat bereits im Trennungsunterhaltsverfahren ausgeführt, dass unter
Berücksichtigung der Kinderbetreuung eine weitere Ausweitung der Erwerbstätigkeit von
der Antragsgegnerin nicht verlangt werden kann. Unabhängig davon wäre der
Antragsgegnerin eine Orientierungsphase zuzubilligen, wenn der Senat, abweichend vom
Familiengericht, eine weitergehende Erwerbsobliegenheit annehmen würde. Da der
Unterhaltszeitraum aber bereits beendet ist, stellt sich diese Frage nicht mehr.

e)
Der Antragsteller ist auch in dem vom Familiengericht ermittelten Umfange leistungsfähig.
Insoweit verweist der Senat auf die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens des
Antragstellers durch das Familiengericht, die in der Sache von keiner Seite – mit
Ausnahme der Berücksichtigung der Abfindung, dazu nachfolgend – angegriffen worden
ist.

Soweit der Antragsteller meint, die ihm ausgezahlte Abfindung i.H.v. 38.426,10 € netto sei
insgesamt nicht zu berücksichtigen, da von ihm anderweitig für den Erwerb eines Autos,
einer Küche und zur Rückführung eines privaten Darlehens verbraucht, geht diese
Auffassung fehl.

aa)
Abfindungen aus Arbeitsverhältnissen haben regelmäßig Lohnersatzfunktion und sind
deshalb als Einkommen zu bewerten. Ist die Abfindung nicht mehr vorhanden, kann sich
der Unterhaltsschuldner auf seine Leistungsunfähigkeit nur dann berufen, wenn er nicht
unterhaltsbezogen leichtfertig oder verantwortungslos gehandelt hat (BGH FamRZ 2008,
1163; OLG München FamRZ 1998, 559; OLG Celle FamRZ 1992, 590). Da die
Abfindungssumme selbst als Ersatz des fortgefallenen Arbeitseinkommens dient, also
nicht nur die Zinseinkünfte, ist sie im Rahmen einer sparsamen Wirtschaftsführung zur
Deckung des nach den früheren ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen
Unterhaltsbedarfs aller zu verwenden. Die Abfindung dient folglich dazu, die bisherigen
wirtschaftlichen Verhältnisse vorübergehend aufrechtzuerhalten, weshalb sie zeitlich so zu
verteilen ist, dass der angemessene Bedarf des Unterhaltsberechtigten und des
Unterhaltspflichtigen in bisheriger Höhe sichergestellt bleibt (Wendl/Dose, Das
Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage 2019, § 1 Rn. 94).

bb)
Der vom Antragsteller behauptete Verbrauch der Abfindung stellt sich unter diesen
Voraussetzungen als unterhaltsrechtlich vorwerfbar dar, so dass die Abfindung mit ihrem
Nettobetrag vom Familiengericht zutreffend berücksichtigt worden ist. Denn die
Anschaffung einer Küche, eines Pkw sowie der Verbrauch für Bordellbesuche und Partys
stellen keine sparsame Wirtschaftsführung dar. Hinsichtlich der zu Letzt genannten Punkte
bedarf es keiner weiteren Vertiefung. Aber auch die Anschaffung einer Küche und eines
Pkw durch den Antragsteller erfolgten unterhaltsrechtlich vorwerfbar. Denn hinsichtlich der
Küche hat die Antragsgegnerin substantiiert vorgetragen, dass der Hausrat zwischen den
Beteiligten aufgeteilt worden sei. Dem ist der Antragsteller nicht mit Substanz
entgegengetreten. Unabhängig davon ist die Notwendigkeit des Erwerbs der Küche im
Januar 2017 durch den Antragsteller nicht nachvollziehbar. Denn sein Auszug war bereits
im Dezember 2015 erfolgt. Dass die vom Antragsteller bewohnte Wohnung keine Küche
hatte und er rd. 1 Jahr ohne Küche gelebt haben will, wird von ihm nicht behauptet und
dürfte auch als lebensfremd anzusehen sein. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller ab
Februar 2016 noch seine erstgeborene Tochter H bei sich aufgenommen hat, die ebenfalls
versorgt werden musste.

Hinsichtlich der Anschaffung eines Pkw ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller vor
und nach der Trennung im „(...)“ tätig war und insoweit immer einen Dienstwagen zur
Verfügung hatte. Da er sich auch auf solche Stellen beworben hat, konnte er davon
ausgehen, wieder einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Allein der
Umstand, zu etwaigen Bewerbungsgesprächen während der Zeit der Arbeitslosigkeit
fahren zu müssen, rechtfertigt jedenfalls nicht den Erwerb eines Pkw.

cc)
Unabhängig davon und selbst tragend ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller rd. 3
Monate vor Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs den anteiligen Erlös aus dem
Hausverkauf in Höhe von rd. 21.000,00 € erhalten hatte. Aus diesem hätte er sowohl die
Kosten für die Küche als auch die Kosten für den Pkw ganz überwiegend tragen können.
Soweit der Antragsteller im Rahmen seiner persönlichen Anhörung erklärt hat, er habe den
Erlösanteil zur Bestreitung seiner laufenden Ausgaben benötigt, verfängt auch dieser
Einwand nicht. Denn die Kündigung erfolgte zum 28.02.2017. Bis dahin bezog der
Antragsteller weiterhin sein laufendes Einkommen.

dd)
Die Leistungsfähigkeit des Antragstellers ist auch nicht dadurch eingeschränkt, weil dem
ersten Ehegatten, Frau D - E gleichrangig mit der Antragsgegnerin Unterhaltsansprüche
zustehen. Denn nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers hat dieser im Rahmen des
Scheidungsverfahrens eine umfassende vergleichsweise Regelung getroffen, die einen
Unterhaltsanspruch von Frau D - E gerade nicht mehr vorsieht.
Unabhängig davon dürfte ein solcher Anspruch schon deshalb nicht bestanden haben, da
Frau D - E ein entsprechender Anspruch aus ihrer aktuell bestehenden Ehe vorrangig
zustehen dürfte.

f)
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist der nacheheliche Unterhaltsanspruch der
Antragsgegnerin auch nicht gemäß § 1318 Abs. 1, 2 S. 1 BGB i.V.m. § 1579 Nr. 2 bis 8
BGB verwirkt. Denn der Vortrag des Antragstellers reicht bereits nicht zur Darlegung der
von ihm behaupteten Härtegrunde der Nr. 2, 3, 4, 5, 7 und 8 des § 1579 BGB aus, zudem
ist seine Inanspruchnahme im Rahmen der gebotenen Abwägung nicht als grob unbillig
anzusehen.

aa)
Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt der Härtegrund einer verfestigten
Lebensgemeinschaft nicht vor. Hiervon muss der Senat ausgehen, da der
darlegungsbelastete Antragsteller die Existenz einer verfestigten Lebensgemeinschaft der
Antragsgegnerin mit Herrn I nicht mit Substanz vorgetragen hat.

(1)
Nach der Rechtsprechung des BGH setzt eine Verwirkung nach § 1579 Nr. 2 BGB eine
längerdauernde Beziehung des Unterhaltsberechtigten zu einem anderen Partner voraus,
die sich in einem solchen Maße verfestigt hat, dass sie als eheähnlich anzusehen ist (BGH
NJW 2011, 1582, 1585 Rn. 39 m.w.N. zur früheren Vorschrift des § 1579 Nr. 7 BGB). Dem
kann trotz eines längerdauernden Verhältnisses zu einem neuen Partner entgegenstehen,
dass die Lebensbereiche getrennt gehalten werden und die Beziehung damit bewusst auf
Distanz angelegt ist (BGH NJW 2002, 217).

Dabei ist der Begriff der verfestigten Lebensgemeinschaft gesetzlich nicht definiert und
wird heute weit verstanden. Er setzt keine sexuelle Verbindung oder eine gemeinsame
Wohnung als konstitutives Element voraus. Vielmehr fallen unter die Nr. 2 nach heutigem
Verständnis sämtliche Lebensgemeinschaften unabhängig von der geschlechtlichen und
sexuellen Ausrichtung (BeckOGK/Haidl, BGB, Stand: 01.05.2022, § 1579 Rn. 51). Nach
dem Regierungsentwurf ist insoweit maßgebend, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte
mit Eingehung der verfestigten Lebensgemeinschaft sich damit endgültig aus der
nachehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr
benötigt (BT-Drs. 16/1830, 21).

Eine feste soziale Bindung besteht bei einer sozioökonomischen Gemeinschaft und ist bei
einer gewissen Mindestdauer des Zusammenlebens anzunehmen, die länger als ein Jahr
(OLG Hamm NJW-RR 1997, 963) und i.d.R. zwei bis drei Jahre betragen muss (BGH
FamRZ 1995, 540; zur Dauer auch OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 351; letztlich aber Frage
der konkreten Umstände im Einzelfall: BGH NJW 2012, 2190 Rn. 34). Von einer
sozioökonomischen, auf Dauer angelegten Gemeinschaft kann dann ausgegangen
werden, wenn der neue Partner des an sich unterhaltsberechtigten Ehegatten
wirtschaftlich in der Lage ist, diesen zu unterhalten, wobei es unerheblich ist, ob der neue
Partner akzeptable Gründe hat, von einer Eheschließung abzusehen (BGH FamRZ 1983,
569).

Indizien für eine feste soziale Bindung können – auch bei getrennten Haushalten, wie hier
von der Antragsgegnerin behauptet – zum Beispiel sein:

gemeinsame Urlaube und Freizeitgestaltung, insbesondere an Wochenenden und an
Feiertagen, gemeinsames Ausrichten von Festen, gemeinsames Erscheinen in öffentlichen
Anzeigen, bei Begleitung zu offiziellen Veranstaltungen, bei ständiger gegenseitiger Hilfe
und Unterstützung im Alltag, das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3
SGB II, die Teilnahme an Familienfeiern des anderen Partners, Fürsorgeleistungen für den
Partner, Versorgung in Krankheitsfällen oder bei Vorsorge für den Partner, z.B. durch
letztwillige Verfügung.

(2)
Hinsichtlich der vorgenannten Indizien ist der Antragsteller, der sich auf die
Ausnahmeregelung des § 1579 BGB beruft, darlegungs- und beweispflichtig. Er muss
Indizien vortragen, die für eine verfestigte Beziehung sprechen, während die
Antragsgegnerin dann eine sekundäre Darlegungslast trifft. Dieser Darlegungslast wird der
Vortrag des Antragstellers nicht gerecht.

Soweit der Antragsteller entscheidend auf gemeinsame Urlaube der Antragsgegnerin mit
Herrn I abstellt, trägt die Antragsgegnerin unwidersprochen vor, dass Herr I lediglich nur an
einzelnen Tagen am Urlaubsort war, so dass von gemeinsamen Urlauben nicht
gesprochen werden kann. Auch der Umstand, dass A nach der Erklärung der
Antragsgegnerin im Verfahren 12 F 53/19 AG Essen-Borbeck ein gutes Verhältnis zu Herrn
I habe, streitet ebenfalls nicht für die Existenz einer verfestigten Lebensgemeinschaft.
Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Anhörung ebenfalls
unwidersprochen vorgetragen, dass man erst im Jahre 2019 gemeinsam eine
Karnevalsfeier des Vaters von Herrn I besucht habe, ansonsten aber an keinen
Familienfeiern gemeinsam teilgenommen habe. Weitere Anhaltspunkte für die Existenz
einer sozioökonomischen Gemeinschaft werden vom Antragsgegner nicht vorgetragen.
Sind bereits keine Indizien für das Erscheinungsbild einer verfestigten
Lebensgemeinschaft (Umstandsmoment) vom Antragsteller dargelegt, fehlt es auch an
dem notwendigen Zeitmoment. Denn dieses knüpft an ein Zusammenleben an, dass hier
nach dem Vortrag der Antragsgegnerin erst seit August 2020 vorliegt, als Herr I bei ihr
eingezogen ist. Anhaltspunkte für ein früheres Zusammenleben sind vom Antragsteller
weder vorgetragen noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht
worden. Aufgrund dessen kann der Senat dahinstehen lassen, ob Voraussetzung für die
Annahme einer Verfestigung ist, dass das Zusammenleben mindestens zwei bis drei Jahre
andauert (vgl. dazu BeckOGK/Haidl, a.a.O., Rn. 59 ff.). Denn weder die Darlegungen des
Antragstellers zum Umstandsmoment noch zum Zeitmoment rechtfertigen aus Sicht des
Senats die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft der Antragsgegnerin mit
Herrn I innerhalb des Unterhaltszeitraums Trennungsunterhalt.

bb)
Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist auch der Härtegrund des § 1579 Nr. 3 BGB,
wonach sich der Berechtigte eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen
Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten
schuldig gemacht haben muss, nicht vor.

(1)
Schon nach dem Wortlaut der Regelung muss es sich um wirklich gravierende Straftaten
handeln. Handlungen mit strafrechtlicher Relevanz, die als Ausprägung eines
Rosenkrieges der beteiligten Eheleute zu werten sind, sollen von der Norm gerade nicht
erfasst werden (vgl. nur BeckOK BGB/Beutler, BGB, 62. Edition, Stand: 01.05.2022, §
1579 Rn. 10 m.w.N).

(2)
Die vom Antragsteller ins Feld geführten Verhaltensweisen der Antragsgegnerin erfüllen
aus Sicht des Senats die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nr. 3 nicht im Ansatz.

(a)
Zwar können schwere Beleidigungen, Verleumdungen und schwerwiegende falsche
Anschuldigungen den Tatbestand der Nr. 3 erfüllen, wenn sie nachteilige Auswirkungen auf
den persönlichen, beruflichen oder sonstigen sozialen Bereich des Unterhaltsverpflichteten
haben können (BGH NJW 1982, 100).

Die Anzeige der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller vom 28.02.2018 wegen
Nachstellung und Bedrohung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Zum einen hat die
Antragsgegnerin die Anzeige selbst wieder zurückgenommen, zum anderen hat die
Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht weitergeführt, so dass offen ist, ob die Angaben in
der Anzeige zutreffend waren oder nicht. Unabhängig davon konnte die Anzeige wegen
der Rücknahme und der Verfahrensweise der Staatsanwaltschaft keine nachteiligen
Auswirkungen auf den Antragsteller haben. Insbesondere werden von ihm solche
Auswirkungen nicht im Ansatz dargelegt.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der von der Antragsgegnerin am 15.03.2019 erstatteten
Strafanzeige. Denn diese Anzeige ist ausdrücklich Namens und in Vollmacht von H, die
zum damaligen Zeitpunkt Mandantin der Antragsgegnerin war, erstattet worden. Von daher
scheidet eine Berücksichtigung zum Nachteil der Antragsgegnerin bereits aus. Soweit der
Antragsteller in der Vertretung seiner Tochter durch die Antragsgegnerin einen
Interessenkonflikt sieht, hat die von ihm eingeschaltete Rechtsanwaltskammer einen
solchen nicht angenommen und das Verfahren laut Schreiben vom 11.04.2019 eingestellt.
Soweit die Antragsgegnerin im Verfahren 12 F 128/16 nach Auffassung des Antragstellers
wahrheitswidrig behauptet haben soll, er habe seine ehemalige Partnerin zu Abtreibung
genötigt und die Anschaffung einer Sexgummipuppe seiner Tochter H mit näheren
Einzelheiten mitgeteilt, liegen die Voraussetzungen der Nr. 3 nicht vor. Zum einen trägt die
Antragsgegnerin unwidersprochen vor, die Angaben stammten sowohl von dem
Antragsteller selbst als auch von dritter Seite. Zum anderen sind auch nachteiligen
Auswirkungen auf den Antragsteller nicht zu erkennen bzw. von ihm vorgetragen.
In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, wenn der Antragsteller ihn
betreffende Behandlungsunterlagen, deren Inhalt Anlass zu Spekulationen hinsichtlich
seiner Persönlichkeit geben, zugänglich macht, dann darf er sich nicht wundern, dass
diese Unterlagen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden.

(b)
Entgegen der Ansicht des Antragstellers führt auch der Umstand, dass die
Antragsgegnerin ihre seit März 2018 ausgeübte Tätigkeit für das „(...)“ des Herrn I erst mit
Schriftsatz vom 05.11.2018 durch die Vorlage entsprechender Gehaltsabrechnung
offengelegt hat, nicht zur Anwendung des § 1579 Nr. 3 BGB. Denn selbst wenn man einen
versuchten Prozessbetrug in dem Verhalten sehen wollte, wofür aus Sicht des Senats
allerdings nichts spricht, würde es jedenfalls an der erforderlichen Schwere des Verstoßes
fehlen, da das verschwiegene Einkommen nur gering war, von der Antragsgegnerin selbst
mitgeteilt worden ist und zu diesem Zeitpunkt noch keine Unterhaltsberechnung erfolgt
war, so dass die verspätete Mitteilung sich nicht auswirkt hat.

Von daher bedarf es keiner Bewertung, dass der Antragsteller seine Abfindung auch nicht
selbst in das Verfahren eingeführt hat.

Zu dem behaupteten Verschweigen eines Wohnvorteils ist bereits zuvor Stellung
genommen worden. Da die Antragsgegnerin keinen Wohnvorteil hat, kann ein
Verschweigen nicht die Voraussetzungen der Nr. 3 erfüllen.

cc)
Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat die Antragsgegnerin ihre Bedürftigkeit auch
nicht mutwillig im Sinne des § 1579 Nr. 4 BGB herbeigeführt.

Hinsichtlich der Angemessenheit der Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin kann auf die
früheren Ausführungen verwiesen werden. Zutreffend weist das Familiengericht in diesem
Zusammenhang darauf hin, dass die Antragsgegnerin im Laufe des Unterhaltszeitraums
ihre Einkünfte gesteigert hat.

Der Vorwurf des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe mutwillig die „(...)“ des Vaters
nicht übernommen, um den Gewinn der „(...)“ nicht offenlegen zu müssen, verfängt nicht.
Denn nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin hat ihr Vater seine „(...)“
nicht übertragen wollen. Unabhängig davon fehlt es bereits an der Mutwilligkeit, da es die
freie Entscheidung der Antragsgegnerin bleiben muss, ob sie eine „(...)“ übernehmen will
oder nicht.

dd)
Der vom Antragsteller behauptete Härtegrund des § 1579 Nr. 5 BGB liegt ebenfalls nicht
vor, da die Antragsgegnerin sich nicht mutwillig über schwerwiegende
Vermögensinteressen des Antragstellers hinweggesetzt hat.

Dieser Härteklausel liegt der Gedanke zugrunde, dass der Berechtigte im Interesse der
nachehelichen Solidarität alles zu unterlassen hat, was dem Pflichtigen die Erfüllung seiner
Unterhaltspflicht erschwert oder unmöglich macht. Grund für die Sanktion ist, dass der
Unterhaltsberechtigte unter Verletzung des Gegenseitigkeits- und Loyalitätsprinzips durch
sein Verhalten die Einkünfte beeinträchtigt, aus denen er Unterhalt begehrt (OLG Hamm
FamRZ 2015, 1397, juris Rn. 165).

Voraussetzung ist insbesondere, dass sich das Verhalten des Unterhaltsberechtigten auf
die Vermögensinteressen des Unterhaltsschuldners auswirkt (BeckOK/Beutler, a.a.O., Rn.
17).

Daran fehlt es hier, da der Antragsteller keinerlei direkte oder indirekte Auswirkungen auf
seine Vermögensinteressen aufgrund des Verhaltens der Antragsgegnerin dargelegt hat.
Soweit er geltend macht, durch die unberechtigten Anzeigen zur Einschaltung eines
Rechtsanwalts, die mit Kosten verbunden war, veranlasst worden zu sein, sind bei
aufgewendeten dreistelligen Honorarbeträgen jedenfalls keine schwerwiegenden
Vermögensinteressen betroffen.

ee)
Die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin folgt auch nicht aus § 1579
Nr. 7 BGB.

Nach dieser Vorschrift führt ein offensichtlich schwerwiegendes eindeutig beim
Berechtigten liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Verwirkung des
Unterhalts. Der Härtegrund sanktioniert daher Verletzungen des aus der Ehe
resultierenden Gegenseitigkeitsprinzips und knüpft an die schwerwiegende Missachtung
ehelicher Bindungen und ehelicher Pflichten an.

Die hierzu gebildeten Fallgruppen liegen allerdings hier nicht vor.

(1)
So ist die Antragsgegnerin die Beziehung zu Herrn I erst nach der Trennung der
Beteiligten eingegangen, so dass kein Ausbruch aus intakter Beziehung gegeben ist.

(2)
Als sonstige Gründe kommt zwar in Betracht, wenn der Unterhaltsberechtigte den
Unterhaltsschuldner mit unberechtigten Strafanzeigen überzieht. Dies ist aus den bereits
dargelegten Gründen allerdings nicht der Fall. Zudem ist ein etwaiges Fehlverhalten der
Antragsgegnerin – wie dargelegt – nicht schwerwiegend im Sinne der Vorschrift.

ff)
Entgegen der Ansicht liegt auch der Auffangtatbestand des § 1579 Nr. 8 BGB nicht vor, da
ein Fehlverhalten der Antragsgegnerin, dass in seiner Schwere, aber nicht in seiner Art mit
den Fällen in den Nr. 3 - 7 vergleichbar ist, nicht vorliegt.

Soweit sich der Antragsteller auf widersprüchliche Angaben der Antragsgegnerin zur
Kenntnis von der Doppelehe und auf die Vorlage unzutreffender eidesstattlicher
Versicherungen beruft, erfüllt dieses Verhalten der Antragsgegnerin nicht die
Voraussetzungen des Auffangtatbestandes.

So ist bereits nicht nachvollziehbar, inwiefern die behaupteten widersprüchlichen Angaben
ein schwerwiegendes Fehlverhalten begründen sollen. Zudem hat der Senat im
Parallelverfahren dargelegt, dass die Antragsgegnerin hinsichtlich der Aufhebbarkeit der
Ehe gutgläubig im Sinne des § 1318 BGB war. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird
verwiesen.

Soweit die Antragsgegnerin eidesstattliche Versicherungen von dritten Personen vorgelegt
hat, kann darin auch kein schwerwiegendes Fehlverhalten gesehen werden. Denn die
Erklärungen sind von den jeweiligen versichernden Personen zu verantworten und stellen
ein zulässiges Mittel zur Glaubhaftmachung dar. Soweit der Antragsteller die Unrichtigkeit
der Erklärungen behauptet, hat er hierzu weder substantiiert vorgetragen noch Beweis
angeboten.

Auch in der Zusammenschau ergibt sich aus Sicht des Senats kein solch
schwerwiegendes Fehlverhalten der Antragsgegnerin, das die Verwirkung des
nachehelichen Unterhaltsanspruchs rechtfertigen könnte.

gg)
Unabhängig vom Vorliegen eines Härtegrundes – und damit selbst tragend – fehlt es an
der groben Unbilligkeit der Inanspruchnahme des Antragstellers.
Im Rahmen der zur Ermittlung der groben Unbilligkeit gebotenen Abwägung aller
Umstände des Einzelfalls sind die Schwere des Verwirkungsgrundes, das Mitverschulden
des Verpflichteten, seine Belastung durch die Unterhaltsverpflichtung (BGH FamRZ 1986,
889), die Angewiesenheit des Berechtigten auf den Unterhaltsanspruch und die Reaktion
des Verpflichteten auf das Fehlverhalten (Billigung oder Verzeihung) (OLG Düsseldorf
FamRZ 1997, 1159) zu berücksichtigen (vgl. BeckOK/Beutler, a.a.O., Rn. 34).

Dabei reicht es für die Annahme einer groben Unbilligkeit aus, wenn die gebotene
Billigkeitsabwägung eindeutig zugunsten des Unterhaltspflichtigen ausfällt und
infolgedessen die Zubilligung eines Unterhalts die Zumutbarkeitsgrenze deutlich
überschreitet. Erhebliche Bedeutung kommt dabei dem Maß der ehelichen Solidarität (vgl.
BGH NJW 2011, 3089 Rn. 30) zu, die wiederum von dem gegenläufigen Grundsatz der
Eigenverantwortung des Berechtigten beeinflusst wird (BeckOGK/Haidl, a.a.O., Rn. 206).
Eine solche grobe Unbilligkeit kann der Senat vorliegend nicht feststellen. Im Rahmen der
Zumutbarkeit ist dabei insbesondere in den Blick zu nehmen, dass die Antragsgegnerin
nachehelichen Unterhalt lediglich für einen Zeitraum von rd. sechs Monaten geltend macht
und die Ehe durch die Teilerwerbstätigkeit der Antragsgegnerin geprägt war, um die
Betreuung der Kinder sicher zu stellen. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin ihr
Erwerbseinkommen im Laufe des Unterhaltszeitraums gesteigert hat und durchgängig
erwerbstätig war, so dass der Antragsteller mit seinen Unterhaltszahlungen nicht den
gesamten Bedarf der Antragsgegnerin sichern muss, es vielmehr allein um einen Betrag
i.H.v 2.134,00 € insgesamt geht. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte fällt die
Billigkeitsabwägung nicht eindeutig zugunsten des Antragstellers aus, vielmehr ist ihm die
Zahlung nachehelichen Unterhalts in der vom Amtsgericht zuerkannten Höhe unter
Berücksichtigung der ehelichen Solidarität zumutbar.

III.
Zudem – und damit selbst tragend – ergibt sich der vorgenannte Unterhaltsanspruch auch
aus § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 1570 BGB analog.

Denn der bestehende Unterhaltsanspruch, wie er soeben dargelegt worden ist, besteht
auch im Falle einer Bösgläubigkeit der Antragsgegnerin. Denn die vorgenannte Regelung
schließt den Unterhaltsanspruch nicht aus, sondern räumt dem ersten Ehegatten lediglich
einen vorrangigen Unterhaltsanspruch ein. Da aber - wie dargelegt – etwaige
Unterhaltsansprüche der Frau D - E im Zuge des Scheidungsverfahrens ehevertraglich
ausgeschlossen worden sind, greift der Vorrang nicht zu Lasten der Antragsgegnerin ein,
so dass ihr der zuvor dargelegte Unterhaltsanspruch auch bei Annahme ihrer
Bösgläubigkeit zusteht.

Darüber hinaus wäre die Versagung des Betreuungsunterhaltsanspruch nach § 1318 Abs.
2 S. 2 BGB in der zuerkannten Höhe im Hinblick auf die Belange der von der
Antragsgegnerin betreuten zwei gemeinschaftlichen Kinder aus Sicht des Senats grob
unbillig. Denn die Belange der Kinder werden zwangsläufig dadurch berührt, dass der
betreuende Elternteil bei Entfall seines Unterhaltsanspruchs z.B. gezwungen ist, seine
Erwerbstätigkeit zu Lasten der Betreuung der Kinder auszuweiten. Zudem ist der kurze
Zeitraum, für den nachehelicher Unterhalt noch verlangt wird und die geringe Höhe des
zuerkannten Betrages im Rahmen der Billigkeitsabwägung zugunsten der Antragsgegnerin
zu berücksichtigen.

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Der Festsetzung des Verfahrenswertes
liegt § 51 FamGKG zugrunde.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar, da die Voraussetzungen für die Zulassung der
Rechtsbeschwerde nicht gegeben sind.

* In dieser Sache ist ein Berichtigungsbeschluss am 05.08.2022 ergangen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

09.06.2022

Aktenzeichen:

4 UF 175/20

Rechtsgebiete:

Ehegatten- und Scheidungsunterhalt
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 1318, 1570, 1579