OLG Brandenburg 18. März 2019
9 WF 265/18
BGB §§ 1638 Abs. 1, 1666, 1666a, 1680 Abs. 1

Kein Ausschluss der elterlichen Vermögenssorge durch bloße Anordnung der Testamentsvollstreckung

letzte Aktualisierung: 26.7.2019
OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.3.2019 – 9 WF 265/18

BGB §§ 1638 Abs. 1, 1666, 1666a, 1680 Abs. 1
Kein Ausschluss der elterlichen Vermögenssorge durch bloße Anordnung der
Testamentsvollstreckung

1. Der Ausschluss der Eltern oder eines Elternteils von der Vermögensverwaltung muss nicht
ausdrücklich in der letztwilligen Verfügung vom Erblasser vorgenommen werden. Es genügt,
dass ein entsprechender Wille in der letztwilligen Verfügung ansatzweise zum Ausdruck kommt.
2. Die bloße Anordnung einer Testamentsvollstreckung genügt hingegen für den Ausschluss der
elterlichen Vermögenssorge nicht. (Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe:

I.
Die Beteiligten streiten über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft.

L…, geboren am … 2008, und Li…, geboren am … 2009, sind die Kinder der Beteiligten zu 1.
und des K… . Die Ehe der Kindeseltern wurde im Jahr 2012 geschieden.

Der Kindesvater ist am ... 2016 verstorben. Er hinterließ noch zwei weitere Kinder.

Mit handschriftlichem Testament vom … 2012 hatte der Erblasser seine beiden Töchter L… und
Li… als Erben zu je ½ eingesetzt und Testamentsvollstreckung angeordnet. Ferner bestimmte
er, dass seine geschiedene Ehefrau N… den Minimalpflichtteil aus dem Nachlass erhält, und sie
kein Wohnrecht an dem Haus (in M….) besitzt.

Zum Nachlass gehören zwei (verpachtete) Apotheken, Guthaben auf Privat- und Geschäftskonten
sowie Immobilien im In- und Ausland.

Mit Beschluss vom 19.03.2018 (Az. 10 VI 304/16) hat das Amtsgericht Eisenhüttenstadt den
Testamentsvollstrecker wegen Untätigkeit entlassen. Die im Testament - für den Fall des Todes
des Testamentsvollstreckers - weiter benannte Person lehnte die Übernahme des Amtes ab.
Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht Eisenhüttenstadt mit Beschluss vom 08.10.2018
für beide betroffene Kinder eine Ergänzungspflegschaft angeordnet und den Beteiligten zu 2.
zum Ergänzungspfleger bestellt. Der Wirkungskreis umfasst die Verwaltung des ererbten
Vermögens nach dem Erblasser K… . Wegen der Begründung wird auf den Inhalt des
Beschlusses verwiesen.

Gegen diesen Beschluss hat die Mutter mit einem am 12.10.2018 beim Amtsgericht
eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, mit der sie dessen Aufhebung erstrebt. Der
Erblasser habe sie (die Mutter) nicht von der Verwaltung des ererbten Vermögens ausschließen
wollen. Derartiges ergebe sich nicht aus seinem Testament.

Der Ergänzungspfleger verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Begründung.

II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 58 ff. FamFG zulässig. Insbesondere ist die
Mutter gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft nach § 59 Abs. 1 FamFG
beschwerdeberechtigt, da durch den angefochtenen Beschluss in die elterliche Sorge als
Bestandteil ihres Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG eingegriffen worden ist (BGH,
FamRZ 2016, 1660; FamRZ 2008, 1156).

In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Das Amtsgericht hat zu Unrecht für die minderjährigen Kinder eine Ergänzungspflegschaft
hinsichtlich der Verwaltung des Nachlasses ihres am … 2016 verstorbenen Vaters angeordnet.
Nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge steht, für Angelegenheiten, an
denen die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Er erhält insbesondere einen Pfleger zur
Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch
letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen (§
1909 Abs. 1 S. 2 BGB). Das ist hier nicht der Fall.

Die Beteiligte zu 1. ist für die betroffenen Kinder allein sorgeberechtigt. Stirbt ein Elternteil und
stand die elterliche Sorge bis zu diesem Zeitpunkt - wie hier - den Eltern gemeinsam zu, so steht
nach § 1680 Abs. 1 BGB die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu. Bestandteil der
elterlichen Sorge ist neben der Personensorge auch die Vermögenssorge
(§ 1626 Abs. 1 BGB). Sie umfasst alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die darauf
gerichtet sind, das Kindesvermögen zu erhalten, zu verwerten und zu vermehren (Palandt/Götz,
BGB, 78. Aufl., § 1626 Rz. 20). Soweit die Vermögenssorge reicht, hat der überlebende
Elternteil auch die Befugnis zur Vertretung des Kindes (§ 1629 Abs. 1 S. 1, 3 BGB).

Der Beteiligten zu 1. steht die Sorge für das gesamte Vermögen der Kinder zu. Dazu gehört
auch der Nachlass des am … .2016 verstorbenen Kindesvaters. Die Vermögenssorge der
Mutter ist nicht aufgrund testamentarischer Anordnung ausgeschlossen; sie kann die Kinder
bezüglich des ererbten Vermögens vertreten.

Nach § 1638 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Vermögenssorge nicht auf das Vermögen, welches
das Kind von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt
hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.

In dem Testament vom … 2012 hat der Erblasser die Mutter nicht von der Vermögenssorge
hinsichtlich des Nachlasses ausgeschlossen. Die letztwillige Verfügung enthält keine
ausdrückliche Bestimmung, wonach das Vermögensverwaltungsrecht der Mutter beschränkt
sein soll. Dies steht außer Streit. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ergibt sich eine
derartige Beschränkung auch nicht im Wege der Auslegung des Testaments.
Das Amtsgericht hat das Testament dahin ausgelegt, dass die Mutter von der Verwaltung
ausgeschlossen sein soll. Dem kann nicht gefolgt werden. Bei der Auslegung ist beim
Testament als Willenserklärung gemäß § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und nicht
am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften.

Der Ausschluss von der Vermögensverwaltung muss nicht ausdrücklich in der letztwilligen
Verfügung durch den Erblasser vorgenommen werden. Es genügt, dass der Wille des
Erblassers, die Eltern oder einen Elternteil von der Verwaltung auszuschließen, in der
letztwilligen Verfügung wenn auch nur unvollkommen zum Ausdruck kommt (BayObLG, FamRZ
1989, 1342; FamRZ 1964, 522; Erman/Döll, BGB, 15. Aufl., § 1638 Rz. 8; MünchKomm/Huber,
BGB, 7. Aufl., § 1638 Rz. 8; jurisPK-BGB/Schwer, 5. Aufl., § 1638 Rz. 3; Staudinger/Heilmann,
BGB, 2016, § 1638 Rz. 11; Frenz, DNotZ 1995, 908, 915). Die letztwillige Verfügung bedarf
dazu der Auslegung.

Der Ausschluss kann darin liegen, dass der Erblasser um die Bestellung eines Pflegers oder um
die Verwaltung durch das Jugendamt ersucht (OLG Frankfurt, ZKJ 2012, 451). Die Anordnung
einer Testamentsvollstreckung allein genügt für den Ausschluss der elterlichen Vermögenssorge
aber nicht (BayObLG, FamRZ 2004, 1304; FamRZ 1989, 1342; Soergel/Löhnig, BGB, 13. Aufl.,
§ 1638 Rz. 23; Erman/Döll, a.a.O., § 1638 Rz. 8; Staudinger/Heilmann, a.a.O., § 1638 Rz. 11;
MünchKomm/Huber, a.a.O., § 1638 Rz. 9; jurisPK-BGB/Schwer, a.a.O., § 1638 Rz. 4;
Palandt/Götz, a.a.O., § 1638 Rz. 4; Frenz, DNotZ 1995, 908, 915). Es sind immer die Umstände
des Einzelfalls entscheidend.

Allein aus der Anordnung der Testamentsvollstreckung lässt sich nicht entnehmen, dass die
Vermögensverwaltung der Mutter gemäß § 1638 BGB ausgeschlossen sein sollte. Beide
Anordnungen können nebeneinander getroffen werden; sie schließen sich nicht aus. Zu prüfen
ist, ob ein Wille des Erblassers vorlag, die Mutter für den Fall der Beendigung der
Testamentsvollstreckung von der Verwaltung des ererbten Vermögens auszuschließen. Dafür
gibt der Inhalt der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände nichts
her. Soweit in der letztwilligen Verfügung ausgeführt wurde, die geschiedene Ehefrau N…
besitze kein Wohnrecht an dem Wohnhaus in M…, stellt dies eine bloße Information für den
Testamentsvollstrecker dar. Es handelte sich hierbei um das ehemalige Familienheim. Der
Erblasser schloss insoweit eine Weitervermietung nicht aus. Im Hinblick darauf, dass zum
Zeitpunkt der Errichtung des Testaments die geschiedene Ehefrau und die gemeinsamen Kinder
das Haus noch bewohnten, erwog der Erblasser mögliche Verwertungshindernisse. In dieser
Situation war eine Aufklärung des Testamentsvollstreckers über die rechtlichen Verhältnisse der
Liegenschaft (kein Wohnrecht) nur verständlich. Dass der Erblasser die Mutter damit von der
Verwaltung sämtlicher Vermögenswerte ausschließen wollte, die den Töchtern aufgrund seines
Todes zukommen, lässt sich nicht begründen. Gleiches gilt in Bezug auf die Anordnung, dass
die geschiedene Ehefrau N… nur „den Minimalpflichtteil“ aus dem Nachlass erhalten soll. Der
Erblasser wollte mit dieser Bestimmung lediglich sicherstellen, dass sein Vermögen den
eingesetzten Erbinnen, seinen beiden Töchtern L… und Li…, möglichst ungeschmälert zufällt.

Er war sich offenbar nicht bewusst, dass nach erfolgter Scheidung kein gesetzliches

Ehegattenerbrecht (§ 1931 BGB) mehr bestand. Ein Wille des Erblassers, die Mutter der Kinder
von der Vermögensverwaltung auszuschließen, lässt sich auch insoweit nicht ausmachen. In
diesem Zusammenhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kindeseltern über die
Scheidung hinaus freundschaftlich verbunden waren. Sie unternahmen mit den Töchtern noch
Ausflüge und verreisten auch zusammen; es gab auch noch gemeinsame geschäftliche
Aktivitäten (Erwerb einer Eigentumswohnung in der D…). Es lässt sich weder aus dem Inhalt
des Testaments noch aus anderen Umständen schließen, dass die Testamentsvollstreckung
aus Misstrauen der geschiedenen Ehefrau gegenüber erfolgte. Der Erblasser wollte die
Beziehung seiner Kinder zu den in der letztwilligen Verfügung als Testamentsvollstrecker
bestimmten Personen - über seinen Tod hinaus - erhalten; die in Rede stehende Anordnung war
Ausdruck eines besonderen Vertrauensverhältnisses. Bei den eingesetzten
Testamentsvollstreckern handelte es sich um den besten Freund des Erblassers und dessen
Ehefrau; diese sind auch Paten der betroffenen Kinder. Die Erwartung des Erblassers hat sich -
aus welchen Gründen auch immer - nicht erfüllt.

Die testamentarischen Anordnungen, welche die Mutter der Erbinnen betreffen, lassen nur
erkennen, dass diese nicht selbst Nutznießerin des Vermögens des Erblassers werden sollte.

Der Fall, dass sowohl der eingesetzte Testamentsvollstrecker als auch die hilfsweise - für
dessen Todesfall - eingesetze Person nicht für das Amt zur Verfügung stehen würden, ist vom
Erblasser nicht bedacht worden. Dass für diesen Fall aus Sicht des Erblassers Gründe bestehen
könnten, die Mutter der Erbinnen von der Vertretung auszuschließen, ist nicht festzustellen.

Schließlich gibt es auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter die
Vermögensverwaltung nicht im Interesse und zum Wohle der betroffenen Kinder ausführen wird.

Ein Eingriff in die elterliche Sorge nach §§ 1666, 1666 a BGB scheidet aus, sodass sich die
angeordnete Ergänzungspflegschaft auch aus diesem Grund nicht rechtfertigen lässt.
Nach alledem war der Beschluss vom 08.10.2018 aufzuheben.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
Der Beschwerdewert ist nach §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG festgesetzt worden.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Brandenburg

Erscheinungsdatum:

18.03.2019

Aktenzeichen:

9 WF 265/18

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Gesetzliche Erbfolge
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

ZEV 2019, 307

Normen in Titel:

BGB §§ 1638 Abs. 1, 1666, 1666a, 1680 Abs. 1