Wirtschaftsfähigkeit des Hofanwärters im Zeitpunkt des Erbfalls erforderlich
letzte Aktualisierung: 5.1.2022
OLG Hamm, Beschl. v. 28.4.2021 – 10 W 60/20
HöfeO §§ 6 Abs. 6, 7 Abs. 1 S. 2
Wirtschaftsfähigkeit des Hofanwärters im Zeitpunkt des Erbfalls erforderlich
1. Wirtschaftsfähigkeit des Hofanwärters muss grundsätzlich schon im Zeitpunkt des Erbfalls
vorliegen; der Hoferbe muss bereits zu diesem Zeitpunkt imstande sein, den Hof ohne längere
Umstellungszeit („Lehrzeit“) ordnungsgemäß zu bewirtschaften.
2. Der Erbe eines Bullenmastbetriebes muss bei Eintritt des Erbfalls über jedenfalls ausreichende
Kenntnisse und Fähigkeiten sowohl hinsichtlich der artgerechten Haltung der Tiere, als auch
hinsichtlich der ordnungsgemäßen Feldbestellung verfügen, die ihn in die Lage versetzen, die
Eigenbewirtschaftung des Hofes ohne Inanspruchnahme wesentlicher Hilfe durch Dritte zu
übernehmen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Hoffolgezeugnisverfahren um die Hoferbfolge betreffend den im
Grundbuch des Amtsgerichts Warendorf von T Blatt #### eingetragenen Hof im Sinne der
HöfeO nach ihrem am 00.00.2019 ledig und kinderlos verstorbenen Bruder Herrn I N
(Erblasser).
Auf dem ca. 10 ha großen Hof und einer Zupachtfläche von ca. 6,5 ha wird im
Nebenerwerb Ackerbau und eine Bullenmast mit etwa 60 Tieren betrieben.
Der am 00.00.1964 geborene Beteiligte zu 1.) ist Tischler und in diesem Beruf seit dem
Jahr 1980 vollschichtig tätig. Landwirtschaftliche Weiterbildungen sind bis zum Erbfall nicht
erfolgt.
Am 25.09.1987 errichtete der Erblasser ein eigenhändiges Testament, in dem er den
Beteiligten zu 1.) als seinen Alleinerben einsetzte.
Im Dezember 1996 wurde bei dem Erblasser ein Gehirntumor diagnostiziert, weshalb auch
in den Folgejahren wegen des Auftretens von Rezidiven mehrfache auch stationäre
Behandlungen des Erblassers erforderlich wurden.
Am 22.08.2000 schlossen der Erblasser und der Beteiligte zu 1.) einen
Betriebsüberlassungsvertrag, mit dem letzterem die land- und forstwirtschaftlichen Flächen
des Hofes – mit Ausnahme des Wohnhauses – ab dem 01.09.2000 für die Dauer von 10
Jahren zur Nutzung überlassen wurden.
Am 12.11.2003 errichtete der Erblasser ein weiteres eigenhändiges Testament, in dem er
den Beteiligten zu 1.) als Hoferben und Erben einsetzte, ersatzweise die Mutter der
Beteiligten und weiter ersatzweise die Beteiligte zu 2.).
Mit weiterer schriftlicher Vereinbarung vom 07.07.2014 verlängerten der Erblasser und der
Beteiligte zu 1.) die Laufzeit des Betriebsüberlassungsvertrages vom 22.08.2000 auf
unbestimmte Zeit.
Ein letztes Testament errichtete der Erblasser am 28.04.2018. Darin setzte er den
Beteiligten zu 1.) zu seinem Universalerben ein, ersatzweise die Beteiligte zu 2.).
Nach Eintritt des Erbfalls am 00.00.2019 beantragte der Beteiligte zu 1.) in notarieller
Urkunde des Notars C G in P vom 23.04.2019 (UR-Nr. ###/2019) die Erteilung eines
Erbscheins nebst Hoffolgezeugnis.
Er sei testamentarisch und aufgrund der jahrelangen Nutzungsüberlassung zum Hoferben
berufen, zudem sei er testamentarischer Erbe des hoffreien Vermögens. Aufgrund der
jahrelangen Erkrankung des Erblassers habe er den Hof seit nunmehr fast 20 Jahren
bewirtschaftet und sei daher wirtschaftsfähig. Soweit er aufgrund seiner Berufstätigkeit
auswärts tätig sei und übernachte, sei die Betreuung des Betriebes durch einen Nachbarn
sichergestellt, der während seiner Abwesenheit das Vieh betreue und Arbeiten auf den
landwirtschaftlichen Flächen erledige. Infolge seiner Tumorerkrankung sei der Erblasser
auf Hilfe und Unterstützung durch ihn, den Beteiligten zu 1.), angewiesen gewesen. Ab
Mai 2018 sei der Erblasser absolut nicht mehr in der Lage gewesen, den
landwirtschaftlichen Betrieb zu leiten. Zur Bewirtschaftung der Flächen habe er, der
Beteiligte zu 1.), regelmäßig Lohnunternehmer eingeschaltet, Nachbarn hätten lediglich
aushilfsweise unentgeltlich mitgeholfen. Sämtliche Bewirtschaftungsentscheidungen habe
er selbst getroffen, im Jahr 2017 habe er den Spaltenboden im Bullenstall selbst erneuert.
Die Beteiligte zu 4.) sei nicht wirtschaftsfähig. Diese habe eine Berufsausbildung als
Malerin absolviert und übe den Beruf auch heute aus. Zur selbständigen Führung eines
landwirtschaftlichen Betriebes sei sie nicht in der Lage.
Die Beteiligte zu 4.) ist dem Antrag auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses mit dem
Vorbringen entgegen getreten, der Beteiligte zu 1.) sei nicht wirtschaftsfähig im Sinne der
HöfeO. Gleiches gelte für die als Ersatzerbin eingesetzte Beteiligte zu 2.) und die Beteiligte
zu 3.). Nur sie selbst sei wirtschaftsfähig, sie bewirtschafte zusammen mit ihrem Ehemann
im Nebenerwerb einen Vieh- und Ackerbaubetrieb mit einer Eigentumsfläche von ca. 24 ha
und regelmäßig 70-80 Mastbullen im Betrieb.
Der Erblasser habe zwar formal einen Betriebsüberlassungsvertrag mit dem Beteiligten zu
1.) geschlossen, eine tatsächliche Betriebsüberlassung und Betriebsführung durch den
Beteiligten zu 1.) habe jedoch bis zum Erbfall nie stattgefunden. Die Bewirtschaftung sei
allein durch den Erblasser und die Nachbarn E und T J erfolgt. Die Helfer habe der
Beteiligte zu 1.) weder beaufsichtigt noch angeleitet, da ihm hierfür die erforderlichen
Kenntnisse fehlten. Auch dürfe der Beteiligte zu 1.) keine Feldspritzmittel kaufen, da ihm
hierfür der „Spritzschein“ fehle. Die notwendigen Kenntnisse habe der Beteiligte zu 1.)
auch nicht durch Mitarbeit erworben, er sei durch seine Tätigkeit als Tischler stets beruflich
ausgelastet gewesen.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Beteiligten zu 1.) persönlich angehört und sodann eine
Stellungnahme der Landwirtschaftskammer zur Frage der Wirtschaftsfähigkeit des
Beteiligten zu 1.) eingeholt.
In ihrer Stellungnahme vom 17.12.2019 wies die Landwirtschaftskammer darauf hin, dass
bei dem Beteiligten zu 1.) grundlegende Kenntnisse in der Fütterung der Mastrinder
vorhanden seien, er aber nicht über den Sachkundenachweis im Bereich des
Pflanzenschutzes verfüge und die diesbezüglichen Arbeiten durch einen sachkundigen
Nachbarn ausführen lasse. Die Ackerarbeiten würden weitgehend durch einen Nachbarn
und Erntearbeiten durch einen Lohnunternehmer erledigt. Die Kenntnisse im Bereich der
Düngung seien unzureichend bzw. mangelhaft, da dem Beteiligten zu 1.) nicht bekannt sei,
wo er Stickstoffwerte im Boden finden könne, er die wesentliche Sperrfrist für die
Ausbringung von Stickstoffdüngern nicht gekannt, die Frist zum Einarbeiten von flüssigen
Wirtschaftsdüngern unzutreffend genannt und das Zeitintervall für Bodenuntersuchungen
falsch angegeben habe.
Auch die organisatorisch-kalkulatorischen Fähigkeiten seien lückenhaft, da der Beteiligte
zu 1.) zwar den Einkaufspreis für die „Fresser“, den Erlös je kg Schlachtgewicht und die
Ausschlachtung in zutreffender Größenordnung habe benennen können, aber nicht alle zu
berücksichtigenden Kostenpositionen. Prämien habe der Beteiligte zu 1.) erst auf
Nachfrage benennen können, wobei u. a. die seit dem Jahr 2005/2006 abgeschaffte
Rinderprämie genannt worden sei. Bei der Flächenprämie hätten wesentliche Bestandteile
des Antragsverfahrens, z. B. das sog. „Greening“ nicht genannt werden können, Antragsund
Auszahlungstermin seien falsch genannt worden.
Der Beteiligte zu 1.) habe den Betrieb durch die Inanspruchnahme von Hilfe durch
Nachbarn und / oder anderer sachkundiger Personen so organisiert, dass der Betrieb trotz
fehlender Kenntnisse mit positiven Einkünften neben seiner außerlandwirtschaftlichen
Tätigkeit habe fortgeführt werden können.
Wegen des genauen Wortlauts wird auf die Stellungnahme vom 17.12.2019 Bezug
genommen (Bl. 197 ff.).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.02.2020 hat das Amtsgericht -
Landwirtschaftsgericht – Warendorf die zur Erteilung des beantragten Erbscheins
erforderlichen Tatsachen festgestellt und den Antrag auf Erteilung eines
Hoffolgezeugnisses zurückgewiesen. Der Beteiligte zu 1.) sei zwar testamentarisch zum
Alleinerben und Hoferben des Erblassers eingesetzt worden. Der Erteilung eines
Hoffolgezeugnisses stehe jedoch entgegen, dass der Beteiligte zu 1.) nicht gem. § 6 Abs.
7 HöfeO wirtschaftsfähig sei, wobei es entscheidend auf den Zeitpunkt des Eintritts des
Erbfalls ankomme.
In der Befragung des Beteiligten zu 1.) am 21.11.2019 habe sich ergeben, dass diesem die
notwendigen Fähigkeiten zur Eigenbewirtschaftung des Hofes fehlen. Die maßgeblichen
landwirtschaftlichen Arbeiten wie das Füttern der Mastbullen, das Bestellen, Düngen und
Abernten der Felder sei in der Vergangenheit und bis heute an Dritte delegiert. Insoweit
hätten sich in der Befragung erhebliche Kenntnisdefizite ergeben, insbesondere im Bereich
des Pflanzenschutzes und der Düngung lägen allenfalls rudimentäre Kenntnisse vor.
Gleiches gelte in Bezug auf landwirtschaftliche Förderprogramme und den
betriebswirtschaftlichen Überblick im Allgemeinen.
Es möge zwar zutreffen, dass der Beteiligte zu 1.) schon zu Lebzeiten des Erblassers
maßgeblicher Entscheidungsträger gewesen sei und der Hof „im grünen Bereich“
gewirtschaftet habe. Das Delegieren sämtlicher wesentlicher Arbeiten, vor allem in den
Bereichen Ackerbau und Rindermast auf Dritte, reiche auch dann nicht aus, eine
Befähigung zur ordnungsgemäßen Eigenbewirtschaftung anzunehmen, wenn dies für
einen Betrieb noch wirtschaftlich tragbar sei.
Mit seiner Beschwerde vom 27.03.2020 wendet sich der Beteiligte zu 1.) gegen die
Zurückweisung seines Antrags auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses.
Zu Unrecht habe das Landwirtschaftsgericht seine Wirtschaftsfähigkeit verneint. Indem der
Erblasser ihm seit 20 Jahren die eigenständige Bewirtschaftung des Hofes überlassen
habe, habe er zu erkennen gegeben, dass er ihm die selbständige Bewirtschaftung des
Hofes zutraue. Durch die im Zeitpunkt des Erbfalls 20 Jahre lang erfolgte erfolgreiche
Bewirtschaftung habe er, der Beteiligte zu 1.), die für die Bewirtschaftung erforderlichen
Fähigkeiten bewiesen. Da es sich um einen Nebenerwerbsbetrieb handele, dürften die
Anforderungen an die Wirtschaftsfähigkeit nicht überspannt werden.
Es sei nicht ungewöhnlich, dass der Beteiligte zu 1.) neben dem eigenen körperlichen
Einsatz Lohnunternehmen beschäftige und Nachbarschaftshilfe in Anspruch nehme. Diese
in der Landwirtschaft übliche Delegation von Aufgaben spreche eher für als gegen seine
Wirtschaftsfähigkeit. Die Landwirtschaftskammer habe in ihrer Stellungnahme bestätigt,
dass es nicht zu Umweltverstößen gekommen sei. Soweit in einigen Bereichen Wissen
und Kenntnisse fehlen würden, sei dies nicht geeignet, die Wirtschaftsfähigkeit des
Beschwerdeführers in Zweifel zu ziehen. Zu Unrecht sei nicht berücksichtigt worden, dass
dem Beteiligten zu 1.) im Qualitätssicherungs-Management am 19.03.2018 eine
einwandfreie Führung des Hofes bescheinigt worden sei.
Dass er über Einzelheiten der Flächenprämien nicht orientiert sei, sei unbeachtlich. Die
entsprechenden Informationen habe er in der Vergangenheit stets bei den zuständigen
Behörden eingeholt und die Prämien mit Erfolg beantragt.
Er beantragt seine erneute Anhörung zu seinen Fähigkeiten und seiner Eignung, den Hof
zu führen, weil er nicht die Möglichkeit gehabt habe, aus eigenem Antrieb umfassend
darzulegen, aufgrund welcher Umstände und durch welche Maßnahmen es ihm gelungen
sei, den Betrieb über 20 Jahre selbständig und selbstverantwortlich mit Gewinn zu führen.
Durch die Art der Befragung, insbesondere durch den Verfahrensbevollmächtigten der
Beteiligten zu 4.), sei er so verunsichert worden, dass ihm einige, ihm ansonsten bekannte
Dinge nicht eingefallen seien.
Selbst wenn seine Wirtschaftsfähigkeit nicht festgestellt werden könnte, sei er nach § 10
HöfeO Alleinerbe des Hofes geworden, da die weiteren Geschwister des Erblassers und
deren Abkömmlinge unter keinen Umständen wirtschaftsfähig seien, was näher dargelegt
wird. Wenn nach den Vorschriften der HöfeO kein Hoferbe vorhanden oder wirksam
bestimmt sei, vererbe sich der Hof nach den Vorschriften des allgemeinen Rechts. Da er
testamentarischer Erbe sei, sei er auch in dem Fall Erbe des Hofes.
Ferner rügt er die Beteiligtenstellung der Beteiligten zu 4.).
Der Beteiligte zu 1.) beantragt,
1) dem Antragsteller ein Hoffolgezeugnis zu erteilen, in dem bezeugt ist, dass der
Antragsteller Hoferbe des im Grundbuch von T, Bl. ####, eingetragenen Hofes ist,
2) a) hilfsweise, das Amtsgericht, Landwirtschaftsgericht, anzuweisen, dem Antragsteller
ein Hoffolgezeugnis zu erteilen, in dem bezeugt ist, dass der Antragsteller Hoferbe des im
Grundbuch von T, Bl. ####, eingetragenen Hofes ist,
b) in zweiter Stufe hilfsweise, die Tatsachen für festgestellt zu erachten, die zur Erteilung
des vorgenannten Hoffolgezeugnisses erforderlich sind.
Die Beteiligte zu 4.) beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Die Beteiligte zu 2.) unterstützt die Beschwerde mit näheren Ausführungen.
Das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – Warendorf hat der Beschwerde durch
Beschluss vom 20.05.2020 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung
vorgelegt. Zur Begründung der Nichtabhilfe ist u. a. ausgeführt, allein der Bestand der
Betriebsüberlassungsverträge führe nicht dazu, dass der Antragsteller die erforderlichen
Fähigkeiten zur Bewirtschaftung des Hofes besitze, zumal der Erblasser zu Lebzeiten
unstreitig noch Arbeiten für den Betrieb geleistet habe, soweit ihm dies gesundheitlich
möglich gewesen sei. Unter Berücksichtigung der Angaben des Antragstellers am
21.11.2019 liege auch keine übliche Nachbarschaftshilfe oder Delegation von Aufgaben
vor, vielmehr erledige der Antragsteller weder ackerbauliche Arbeiten noch die Versorgung
der Tiere eigenverantwortlich, wozu er nach seiner Befragung auch nicht in der Lage wäre.
Der Senat hat den Beteiligten zu 1.) am 20.04.2021 persönlich angehört und anschließend
eine mündliche Stellungnahme des Vertreters der Landwirtschaftskammer NRW eingeholt.
Wegen des Ergebnisses der Anhörung und des Inhalts der Stellungnahme wird auf den
Berichterstattervermerk zum Senatstermin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) ist gemäß §§ 1 Abs.1 HöfeVfO, 9 LwVG i.V.m. §§
58, 63, 64 FamFG zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landwirtschaftsgericht den Antrag des
Beteiligten zu 1.) auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses zurückgewiesen, weil nicht
festgestellt werden kann, dass der Beteiligte zu 1.) im Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls
am 04.03.2019 wirtschaftsfähig gewesen ist.
1.
Ohne Erfolg beanstandet der Beschwerdeführer die Hinzuziehung der Beteiligten zu 4.).
Diese ist auf ihren mit Schriftsatz vom 14.05.2019 schlüssig gestellten Antrag als
gesetzliche (Mit-)Erbin des Erblassers zu Recht nach §§ 7 Abs. 3, 345 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, S.
3 FamFG, 1 I 1 HöfeVfO, 9 i.V.m. 1 Nr. 5 LwVfG als Beteiligte hinzugezogen worden. Ihre
Stellung als mögliche gesetzliche Hoferbin des Erblassers wird durch die Entscheidung im
vorliegenden Verfahren unmittelbar betroffen. Ihre – von dem Beteiligten zu 1.) behauptete
– fehlende Wirtschaftsfähigkeit steht bislang nicht fest.
2.
Die Erbfolge betreffend den Hof richtet sich vorliegend – auch nach dem
übereinstimmenden Verständnis der Beteiligten – nach den Vorschriften der HöfeO,
insbesondere handelte es sich im Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls bei der
landwirtschaftlichen Besitzung um einen Hof im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 und 3 HöfeO.
Die landwirtschaftliche Besitzung stand im Alleineigentum des Erblassers, der
Wirtschaftswert beträgt 17.614 DM bzw. 9.005,89 € und für den Grundbesitz ist im
Grundbuch ein Hofvermerk eingetragen. Die Bewirtschaftung ist zu keiner Zeit aufgegeben
worden, sondern mit dem Willen des Erblassers durchgängig von der Hofstelle aus erfolgt.
3.
Es kann dahinstehen, ob der Beteiligte zu 1.) gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HöfeO als Hoferbe
berufen ist, weil ihm der Erblasser die Bewirtschaftung des Hofes auf Dauer übertragen
hatte, denn er ist jedenfalls durch die Testamente des Erblassers nach § 7 Abs. 1 S. 1
HöfeO als Hoferbe berufen.
Nach § 7 Abs. 1 S. 2 HöfeO kann jedoch nicht zum Hoferben bestimmt werden, wer wegen
Wirtschaftsunfähigkeit nach § 6 Abs. 6 S. 1 und 2 HöfeO als Hoferbe ausscheidet.
Die Wirtschaftsfähigkeit des Beteiligten zu 1.) hat das Landwirtschaftsgericht zu Recht
verneint.
a) Wirtschaftsfähig ist nach § 6 Abs. 7 HöfeO nur, wer nach seinen körperlichen und
geistigen Fähigkeiten, nach seinen Kenntnissen und seiner Persönlichkeit in der Lage ist,
den von ihm zu übernehmenden Hof selbständig ordnungsmäßig zu bewirtschaften. Nach
allgemeiner Ansicht muss der Hoferbe hierzu Fähigkeiten in zwei Bereichen haben.
Zunächst muss der Hoferbe landwirtschaftlich-technische Kenntnisse und Fähigkeiten
haben. Dazu gehört je nach Art des zu übernehmenden Hofes etwa die Fähigkeit zur
ordnungsgemäßen Feldbestellung, zur artgerechten Haltung eines entsprechenden
Viehbestandes sowie zur ordnungsgemäßen Unterhaltung und Wartung der Gebäude und
Gerätschaften. Darüber hinaus muss der Hoferbe mit Blick auf die vom Gesetz geforderte
selbständige Bewirtschaftung auch organisatorisch-kalkulatorische Kenntnisse und
Fähigkeiten vorweisen können. Er muss die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge
erfassen, einen Wirtschaftsplan aufstellen und durchführen, laufende Verbindlichkeiten
erfüllen und alte Schuldenlasten angemessen abtragen können (OLG Hamm, Beschluss
vom 24.08.2015, I-10 W 5/15, Rn. 51-53 m. w. N., juris).
Die jeweils zu stellenden Anforderungen hängen dabei von der Art, der Größe und der in
Betracht kommenden Bewirtschaftung des Hofes ab; ein Grundbestand
landwirtschaftlicher Kenntnisse und Fähigkeiten ist allerdings stets erforderlich. Bei einem
eher kleinen landwirtschaftlichen Betrieb wird die eigene, auch körperliche Mitarbeit im
Vordergrund stehen; hierfür müssen dann aber auch die erforderlichen Kenntnisse und
Fertigkeiten vorhanden sein. Auch wenn eine Verpachtung des Hofes oder erheblicher
Teile des Hofes in Betracht zu ziehen ist, muss jedenfalls für die Wirtschaftsfähigkeit des
Erben verlangt werden, dass dieser die notwendigen landwirtschaftlichen Kenntnisse hat,
um die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Pächters beurteilen zu können und die
Bewirtschaftung der Flächen, falls erforderlich, (wieder) selbst in die Hand nehmen zu
können (OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 21.12.2010, 10 W 37/09, Rn. 35 m.
w. N., juris).
Die Feststellung der Wirtschaftsfähigkeit setzt nicht voraus, dass eine Absicht des
Hofanwärters besteht, den Hof selbst zu bewirtschaften. Er muss jedoch in der Lage sein,
den Hof jederzeit in Eigenbewirtschaftung übernehmen zu können. Eine bloße Fähigkeit
zur Verpachtung ist nicht ausreichend. Da sich die Wirtschaftsfähigkeit somit nicht an
einem allgemeinen Maßstab, sondern an den Eigenheiten gerade des zu übernehmenden
Hofs bemisst, sind an die Erben kleinerer Höfe oder Nebenerwerbshöfe schon
grundsätzlich keine geringeren Anforderungen hinsichtlich der Wirtschaftsfähigkeit zu
stellen. Dies gilt umso mehr, als bei mangelnder Wirtschaftsfähigkeit kein Anlass besteht,
die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch berufenen Erben gegenüber einem vermeintlichen
Erben nach der Höfeordnung zurückzusetzen (OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2013,
I-10 W 48/13, Rn. 41 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2013, I-10 W 38/13, Rn.
76 juris).
Dabei muss die Wirtschaftsfähigkeit des Hofanwärters grundsätzlich schon im Zeitpunkt
des Erbfalls vorliegen; der Hoferbe muss bereits zu diesem Zeitpunkt imstande sein, den
Hof ohne längere Umstellungszeit („Lehrzeit“) ordnungsgemäß zu bewirtschaften (OLG
Celle, Beschluss vom 21.03.2011, 7 W 126/10 (L), Rn. 43 m. w. N., juris).
b) Nach diesen Maßstäben lässt sich nicht feststellen, dass der Beteiligte zu 1.) bei Eintritt
des Erbfalls am 04.03.2019 wirtschaftsfähig im Sinne des § 6 Abs. 7 HöfeO gewesen ist.
Es handelt sich vorliegend um einen im Nebenerwerb geführten Bullenmastbetrieb, der auf
den eigenen und zugepachteten Flächen Ackerbau zum Zweck der Futtergewinnung
betreibt. Der Beteiligte zu 1.) müsste daher bei Eintritt des Erbfalls über jedenfalls
ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten sowohl hinsichtlich der artgerechten Haltung der
sog. Fresser, als auch hinsichtlich der ordnungsgemäßen Feldbestellung verfügt haben,
die ihn in die Lage versetzt hätten, die Eigenbewirtschaftung des Hofes ohne
Inanspruchnahme wesentlicher Hilfe durch Dritte zu übernehmen.
Da der Beteiligte zu 1.) weder eine landwirtschaftliche Ausbildung noch entsprechende
Fortbildungen absolviert hat, könnte er diese Kenntnisse und Fähigkeiten nur durch eine
Mitarbeit auf dem Hof bzw. durch dessen eigene Bewirtschaftung in der Zeit ab dem
01.09.2000 erworben haben. Insoweit ist es – worauf bereits das Landwirtschaftsgericht
zutreffend hingewiesen hat – jedoch nicht ausreichend, dass dem Beteiligten zu 1.) durch
den Erblasser ab September 2000 die Bewirtschaftung der Flächen vertraglich überlassen
worden ist. Erforderlich wäre vielmehr, dass der Beteiligte zu 1.) in dieser Zeit auch
tatsächlich die anfallenden praktischen Arbeiten in einem solchen Maß selbst ausgeführt
hätte, dass er hierdurch die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hätte erwerben
können. Dies ist indes schon aufgrund der Angaben des in beiden Instanzen persönlich
angehörten Beteiligten zu 1.) nicht festzustellen.
Zwar hat er abhängig von seiner hauptberuflichen Auslastung auch die Fütterung der Tiere
durchgeführt, so dass insoweit von ausreichenden Kenntnissen und Fähigkeiten
auszugehen sein dürfte. Wesentliche Arbeiten im Zusammenhang mit der Feldbestellung
hat der Beteiligte zu 1.) jedoch zu keiner Zeit selbst ausgeführt. Nach seinen Angaben
gegenüber dem Landwirtschaftsgericht nur gut 8 Monate nach Eintritt des Erbfalls erfolge
die Bestellung der Äcker durch einen Nachbarn, der zudem die Pflanzenschutzarbeiten
und das Grubbern nach der Ernte ausführe. Das Düngen werde durch die Nachbarjungen
mit ihm, dem Beteiligten zu 1.) zusammen gemacht. Weitere Arbeiten wie Stoppelmulchen
und die Maisernte erfolge durch ein Lohnunternehmen.
Auch aus den Angaben des Beteiligten zu 1.) gegenüber dem Senat ergibt sich, dass
diesem eigene praktische Erfahrungen in der Feldbestellung fehlen. In Bezug auf von ihm
ausgeführte Arbeiten hat der Beteiligte zu 1.) konkret nur seine Mitarbeit in einem
Teilbereich der Ernte der Grassilage, dem Festfahren, genannt. Ferner bestätigte er, dass
das Aussäen und Bestellen der Flächen durch den Nachbarjungen erfolge, der hieran
große Freude habe und kaum davon abzuhalten sei, und die Maisernte, das Maishäckseln
und das Einfahren des Ackergrases durch den Lohnunternehmer ausgeführt würden.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beteiligte zu 1.) trotz fehlender eigener
praktischer Erfahrungen bis zum Stichtag des Erbfalls zumindest über ausreichende
theoretische Kenntnisse verfügte, die ihm eine Eigenbewirtschaftung der Flächen
ermöglicht hätten.
So fehlt ihm zum einen der Sachkundenachweis im Bereich des Pflanzenschutzes, wenn
auch insoweit nach Einschätzung des Vertreters der Landwirtschaftskammer gewisse
Kenntnisse vorhanden sind. Zum anderen haben sich in der Anhörung des Beteiligten zu
1.) durch das Landwirtschaftsgericht unzureichende Kenntnisse im Bereich der Düngung
offenbart. So wusste der Beteiligte zu 1.) nicht, wo er Werte für den Stickstoffgehalt im
Boden finden könne und welche Stickstoffwerte durch Zwischenfrüchte erzeugt werden.
Die wesentliche Sperrfrist für die Ausbringung von Stickstoffdüngern nach der Ernte der
Hauptfrucht war ihm nicht bekannt, die Frist zur Einarbeitung von flüssigen
Wirtschaftsdüngern wurde unpräzise mit „innerhalb eines Tages, am besten sofort“, und
nicht wie vorgeschrieben „innerhalb von einer bzw. vier Stunden“ angegeben. Zudem
wurde das Zeitintervall für Bodenuntersuchungen falsch angegeben. An Feldbegehungen
hat der Beteiligte zu 1.) jedenfalls vor dem Erbfall nicht teilgenommen.
Weitergehende theoretische Kenntnisse zum hier maßgeblichen Zeitpunkt ergeben sich
auch nicht aus der in der Beschwerdeinstanz erfolgten Anhörung des Beteiligten zu 1.).
Zwar konnte er nun – anders als in erster Instanz – die Begriffe der Schlagkartei und der
Düngebedarfsermittlung nennen, konnte aber nicht inhaltlich beschreiben, wie die
Düngebedarfsermittlung erfolgt, sondern nur angeben, wo er sich insoweit informieren
kann. Die Fruchtfolge konnte er nicht aus dem Kopf, sondern nur nach Einblick in die
mitgebrachten Unterlagen wiedergeben, was insbesondere nach der Einschätzung der
ehrenamtlichen Richter angesichts der sehr eingeschränkten Auswahl an Feldfrüchten
äußerst ungewöhnlich ist.
Der Senat verkennt nicht, dass Schwächen in den Kenntnissen und Fähigkeiten eines
Bereichs durch entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten in dem anderen Bereich
ausgeglichen werden können. Der Beteiligte zu 1.) verfügte zum maßgeblichen Stichtag
jedoch nicht über solche Kenntnisse und Fähigkeiten im organisatorisch-kalkulatorischen
Bereich, dass diese die dargelegten Mängel im landwirtschaftlich-technischen Bereich
kompensieren könnten. Aus den Angaben des Beteiligten zu 1.) in seiner Anhörung durch
das Landwirtschaftsgericht ergeben sich vielmehr erhebliche Defizite auch im
organisatorisch-kalkulatorischen Bereich.
Der Beteiligte zu 1.) konnte nicht genau angeben, was ihn ein Hektar Ackerbau koste und
welche Erlöse er zu erwarten habe, obwohl er ausweislich der mit Schriftsatz vom
08.04.2021 eingereichten Gewinn- und Verlustrechnungen durchaus Erlöse aus der
Pflanzenproduktion erzielt, soweit diese nicht als Tierfutter selbst verwendet werden. Auch
konnte er in Bezug auf die Bullenmast nicht angeben, welche Kosten insgesamt für ein
Tier bis zur Schlachtreife anfallen. Insoweit konnte er nur allgemein angeben, der Betrieb
liege bis jetzt noch „im grünen Bereich“. Eine weitere Kontrolle der betriebswirtschaftlichen
Daten nimmt der Beteiligte zu 1.) nach eigenen Angaben nicht vor. Die zuletzt vorgelegten
Gewinn- und Verlustrechnungen sind ausweislich des Erstellungsdatums (07.04.2021) und
der Angaben des Beschwerdeführers nur im Hinblick auf das laufende Verfahren erstellt
worden, um belegen zu können, dass der Betrieb Gewinne erwirtschaftet.
Auch im Bereich des Prämienrechts, das nach den plausiblen Ausführungen des Vertreters
der Landwirtschaftskammer für die Landwirte von besonderer Bedeutung ist, weil die
Prämien üblicherweise mehr als 50 % der Einnahmen ausmachen, fehlten dem Beteiligten
zu 1.) noch im Zeitpunkt der Anhörung durch das Landwirtschaftsgericht im November
2019 grundlegende Kenntnisse. So konnte er spontan kein Förderprogramm für
Landwirtschaft in NRW nennen. Die Flächenprämie war ihm nur auf Vorhalt bekannt.
Entsprechende Anträge will er schon selbst einige Male gestellt haben, ansonsten habe
der Erblasser diese weiter gestellt. Auch in Bezug auf das Antragsverfahren fehlten
wesentliche Kenntnisse. So wusste der Beteiligte zu 1.) weder, dass die Antragstellung
jeweils zum 15.05. erfolgen muss, noch wann regelmäßig eine Auszahlung der Prämien
erfolgt. Insoweit ist es auch nicht ausreichend, dass der Beteiligte zu 1.) gegenüber dem
Senat auf die durchaus übliche Inanspruchnahme von Hilfe durch die
Landwirtschaftskammer verweist. Denn wenn schon die Antragsfrist nicht bekannt ist, ist
nicht sichergestellt, dass diese Hilfe noch rechtzeitig in Anspruch genommen werden kann.
Auch das Erfordernis des „Greenings“ war dem Beteiligten zu 1.) beim
Landwirtschaftsgericht nicht bekannt, obwohl er in der Anhörung durch den Senat
anzugeben wusste, dass dies ab einer Flächengröße von 15 ha – also auch für den
streitgegenständlichen Betrieb – erforderlich ist. Auf Nachfrage konnte er auch nicht
erklären, wie man die Prämienrechte bekomme und welche Kosten dafür anfallen.
Dagegen führte er die im Zeitpunkt seiner Anhörung im Jahr 2019 schon seit vielen Jahren
abgeschaffte Rinderprämie an.
Schließlich kann eine Wirtschaftsfähigkeit nicht daraus hergeleitet werden, dass der
Betrieb in der Vergangenheit offenbar vergleichsweise günstige Ergebnisse erzielt hat.
Denn es kann angesichts des Umstands, dass der Erblasser zu seinen Lebzeiten bis zum
Jahr 2018 noch praktische und organisatorische Aufgaben übernommen hat, soweit ihm
dies gesundheitlich möglich war, und der Beteiligte zu 1.) ansonsten umfangreiche
Unterstützung durch Nachbarn und einen Lohnunternehmer in Anspruch genommen hat,
nicht festgestellt werden, dass das positive Ergebnis auf ausreichenden Kenntnissen und
Fähigkeiten des Beteiligten zu 1.) beruht.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44 Abs.1, 45 Abs.1 LwVG. Es entspricht in dem
hier vorliegenden Beschwerdeverfahren billigem Ermessen, die Gerichtskosten des
Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten dem Beteiligten zu 1.) als Beschwerdeführer
aufzuerlegen, nachdem seine Beschwerde keinen Erfolg hatte.
Die Rechtsbeschwerde war nicht gem. §§ 1 Abs.1 HöfeVfO, 9 LwVG i.V.m. 70 Abs. 2
FamFG zuzulassen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 GNotKG und entspricht dem
4-fachen Einheitswert in Höhe von 28.300,00 DM bzw. 14.469,56 €.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:28.04.2021
Aktenzeichen:10 W 60/20
Rechtsgebiete:Landwirtschaftserbrecht (insbes. Höferecht)
Normen in Titel:HöfeO §§ 6 Abs. 6, 7 Abs. 1 S. 2