FG Stuttgart 15. Mai 2019
7 K 2712/18
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1 u. 3; AO §§ 45, 153 Abs. 1; BGB § 1967 Abs. 2

Abzugsfähigkeit von Steuerberatungskosten

letzte Aktualisierung: 30.01.2020
FG Baden-Württemberg, Urt. v. 15.5.2019 – 7 K 2712/18

ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1 u. 3; AO §§ 45, 153 Abs. 1; BGB § 1967 Abs. 2
Abzugsfähigkeit von Steuerberatungskosten

Steuerberatungskosten, die der Erbe für die Erstellung berichtigter Einkommensteuererklärungen
wegen der Nacherklärung ausländischer Kapitaleinkünfte des Erblassers nach dessen Tod zu tragen
hat, sind Nachlassverbindlichkeiten, auch wenn der Steuerberater erst von dem Erben beauftragt
worden ist. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Entscheidungsgründe

I) Die zulässige Klage ist insoweit begründet, als die Kl die Berücksichtigung der für die (Nach)Erstellung der
Einkommensteuererklärungen 2002 – 2012 gezahlten Steuerberatungskosten in Höhe von 9.856,29 EUR als
Nachlassverbindlichkeiten begehrt. Demgegenüber hat der Bekl zu Recht dem steuermindernden Ansatz der
Kosten für die Wohnungsauflösung in Höhe von 2.685,67 EUR als Nachlassverbindlichkeiten widersprochen.

1) Gemäß § 10 Abs. 5 ErbStG sind vom steuerpflichtigen Erwerb, soweit sich nicht aus den Abs. 6 bis 9 etwas
anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeit nach Nr. 1 der Vorschrift die vom Erblasser herrührenden Schulden
berücksichtigungsfähig, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb, Anteil an einem
Gewerbebetrieb, Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder Anteil an einem Betrieb der Land- und
Forstwirtschaft in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits bei der Bewertung der wirtschaftlichen
Einheit berücksichtigt worden sind.

Dabei sind als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 1967 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht nur
die vom Erblasser herrührenden Schulden (Erblasserschulden), sondern auch die den Erben als solchen
treffenden Verbindlichkeiten (Erbfallschulden) anzusehen (BFH-Urteil vom 10.11.2015 VII R 35/13, Sammlung
der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 252, 101, BStBl II 2016, 372). Somit sind als
Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sowohl Verbindlichkeiten zu verstehen, die
noch zu Lebzeiten des Erblassers entstanden und dann nach § 45 AO auf dessen Gesamtrechtsnachfolger
übergegangen sind, als auch Verbindlichkeiten, die erst durch oder nach dem Erbfall entstanden sind, aber für
die der Rechtsgrund bereits zu Lebzeiten des Erblassers der Grund gelegt war (Meincke, ErbStG, 17. Aufl.,
§ 10 Rz. 42 ff.).

In diesem Sinne hat der Bundesfinanzhof u.a. entschieden, dass zu den abzugsfähigen
Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nicht nur die Steuerschulden gehören, die zum
Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der
Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem
Ablauf des Todesjahres entstehen (BFH-Urteil vom 04.07.2012 II R 15/11, BFHE 238, 233, BStBl II 2012, 790).
Aus dem Begriff "herrühren" ergebe sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll
wirksam entstanden sein müssen. Zivilrechtlich gingen mit dem Erbfall auch "verhaltene", noch werdende und
schwebende Rechtsbeziehungen des Erblassers auf den Erben über (BFH-Urteil vom 04.07.2012 II R 50/11
Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2012, 1790
m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze stellen nach Auffassung des erkennenden Senats die Kosten für die
Berichtigung der Einkommensteuererklärungen 2002 – 2012 Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs.
5 Nr. 1 ErbStG dar, nicht aber die Kosten für die Räumung der Eigentumswohnung des Erblassers.

a) Ein Erblasser ist bis zu seinem Tod einkommensteuerpflichtig. Die Einkommensteuerverbindlichkeiten des
Todesjahres hat er bereits im Zeitpunkt seines Todes rechtlich begründet, so dass diese nach § 10 Abs. 5 Nr. 1
ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar sind. Entschließt sich der Erblasser noch zu Lebzeiten,
frühere unrichtige Angaben in Einkommensteuererklärungen der Vorjahre zu berichtigen (§ 153 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 AO), sind auch die daraus erwachsenden Einkommensteuernachzahlungen steuermindernd als
Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG berücksichtigungsfähig. Dies gilt ebenso,
wenn der Erblasser sich zur Erfüllung seiner Erklärungs- oder Berichtigungspflichten steuerlicher Beratung
bedient, für die Kosten der diesbezüglichen Beratung (ebenso Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder
vom 11.12.2015 BStBI I, 2015, 1028).

Wenn jedoch der Erblasser zu Lebzeiten seiner einkommensteuerlichen Erklärungspflicht nicht oder nur
unvollständig nachkommt, geht diese Verpflichtung nach § 153 Abs. 1 Satz 2 AO auf seinen
Gesamtrechtsnachfolger über. Im eigentlichen Sinne erfüllt der Erbe mit der Erstellung und Einreichung der
korrekten und vollständigen Einkommensteuererklärungen originär eine bereits bestehende Verpflichtung des
Erblassers gegenüber den Finanzbehörden. So wie vom Erblasser beauftragte Steuerberatungskosten auf
diesen zurückzuführen sind, gilt dies nach Ansicht des erkennenden Senats auch, wenn der Erbe einen
Berufsträger mit der Erstellung oder Berichtigung von Einkommensteuererklärungen des Erblassers nach
dessen Tod beauftragt.

Ein „Herrühren vom Erblasser“ im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ist nach Auffassung des Gerichts nicht
auf die Frage reduzierbar, wer der schuldrechtliche Vertragspartner des Steuerberaters ist. Es ist vielmehr in
den Blick zu nehmen, wem die Verpflichtung zur Abgabe vollständiger und richtiger
Einkommensteuererklärungen ursprünglich oblegen hat. Dies ist der Erblasser und nicht der Erbe. Letzterer hat
die Verpflichtung des Erblassers nur derivativ nach § 153 Abs. 1 Satz 2 AO übertragen erhalten.

Beauftragt der Erbe mit der Erstellung oder Berichtigung der Einkommensteuererklärungen des Erblassers
einen Steuerberater, rühren die daraus resultierenden Kosten somit vom Erblasser her. Daran ändert auch die
Tatsache nichts, dass die Beauftragung eines Steuerberaters zur Erfüllung der (Nach)Erklärungspflichten nicht
in jedem Fall zwingend notwendig erscheint. Denn der Fiskus hat die persönliche Entscheidung des Erben,
einen Berufsträger zu mandatieren oder die Steuererklärungen selbst zu fertigen, zu akzeptieren.

b) Demgegenüber stellen die Kosten für die Räumung der Eigentumswohnung des Erblassers nach seinem
Tod nach Ansicht des Senats keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG dar. Der
Erblasser hat die Räumung seiner Wohnung nicht selbst beauftragt. Damit war zum Todestag die Erbmasse
nicht mit einer durch den Erblasser eingegangenen Verpflichtung belastet. Vielmehr hat erst die Erbin durch
eine eigenständige Entscheidung die Räumung der Eigentumswohnung veranlasst, um die Wohnung als
Nachlassgegenstand besser verwerten zu können. Es bestand zum Todeszeitpunkt auch keine Pflicht des
Erblassers gegenüber einem Dritten, seine eigene Eigentumswohnung zu räumen bzw. besenrein zu
hinterlassen.

2) Die Kosten für die Räumung der Eigentumswohnung des Erblassers stellen nach Ansicht des Senats auch
keine Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG dar.

Kosten im Sinne der Vorschrift sind solche, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der
Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen.
Demgegenüber schließt § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG den Abzug von Kosten der Verwaltung des
Nachlasses aus.

Mit dem Merkmal der „Unmittelbarkeit“ im Sinne des Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG macht der Gesetzgeber
deutlich, dass eine bloße Kausalität mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung eines Nachlasses oder zur
Erlangung von dessen Erwerb allein nicht ausreicht, um eine Nachlassverbindlichkeit zu begründen. Der Begriff
der Nachlassabwicklungskosten wird inhaltlich weit ausgelegt (BFH-Urteile vom 11.01.1961 II 155/59 U, BFHE
72, 273, BStBl III 1961, 102; vom 19. 6. 2013 II R 20/12, BFHE 241, 416, BStBl II 2013, 738). Er soll dem
Grunde nach die Kosten der Eröffnung des Testaments, der Erteilung des Erbscheins, der tatsächlichen und
rechtlichen Feststellung des Nachlasses und dessen Wertes, der Kosten zur Umschreibung des Grundbuches
die Kosten der Testamentsvollstreckung oder Kosten durch die Auflösung der Erbengemeinschaft umfassen
(s. allgemein Meincke, ErbStG, 17. Aufl., § 10 Rz. 57, 60 m. w. N.). Aufwendungen, die auf einem eigenen
Willensentschluss des Erben beruhen, sind hingegen keine Nachlassregelungskosten (Kapp/Ebling, ErbStG,
§ 10 Rz. 117, m. w. N.).

Als Erwerbskosten zur Erlangung des Erbes werden diejenigen Kosten verstanden, die der Erbe aufwenden
muss, um rechtlich das Erbe antreten zu können (z. B. Erbenermittlungskosten, Prozess- oder
Beratungskosten im Prozess gegen einen sich als vermeintlichen Erben Gerierenden). Dies gilt auch in Bezug
auf Aufwendungen, die der Erwerber zu Lebzeiten des Erblassers an diesen als Gegenleistung - auch in Form
einer etwaigen Pflegeleistung - für eine vertraglich vereinbarte Erbeinsetzung erbracht hat (BFH-Urteile vom
13.07.1983 II R 105/82, BFHE 139, 294, BStBl II 1984, 37; vom 09.11.1994 II R 110/91, BFHE 176, 48, BStBl II
1995, 62).

Das Kriterium der Unmittelbarkeit in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG, das einen engen zeitlichen und
sachlichen Zusammenhang zur Abwicklung, Regelung, Verteilung oder Erlangung des Erwerbs verlangt, ist von
der Regelung des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG abzugrenzen, nach der die Kosten zur Verwaltung des
Nachlasses nicht als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden dürfen. Hat der Erbe bzw. die
Erbengemeinschaft ihre rechtliche Herrschaft über die zum Nachlassvermögen gehörenden Gegenstände
erlangt und ist der Wert dieser Gegenstände weder im Verhältnis zu den einzelnen Mitgliedern der
Erbengemeinschaft noch zu den Finanzbehörden streitig, bildet dies eine Zäsur, die den engen sachlichen
Zusammenhang zu den berücksichtigungsfähigen Nachlasskosten unterbricht (Urteil des Finanzgerichts
Baden-Württemberg vom 18.12.2014 7 K 1377/14, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2015, 658).

Nach diesen Grundsätzen unterfallen die geltend gemachten Kosten zur Räumung der Eigentumswohnung des
Erblassers nach Auffassung des Senats nicht der Regelung des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG. Sie stellen
vielmehr nichtabzugsfähige Kosten der Verwaltung des Nachlasses i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG
dar. Dass eine vom Erblassers übernommene Wohnung zum Todestag nicht leer, sondern möbliert ist, hindert
dessen Erben nicht daran, das rechtliche, ungeteilte Erbe an der Eigentumswohnung anzutreten.

Ob und in welchem Umfang eine noch zu räumende Eigentumswohnung sich auf deren Grundbesitzwert für
Zwecke der Erbschaftsteuer auswirken könnte, kann an dieser Stelle offenbleiben. Die Kl hat den
diesbezüglichen Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert der streitigen Wohnung nicht angegriffen, so
dass dieser bestandskräftig geworden ist. Im Rahmen einer Klage gegen den nachfolgenden
Erbschaftsteuerbescheid können jedoch keine Einwendungen, die einen bestandskräftigen
Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert für Zwecke der Erbschaftsteuer betreffen, erfolgreich geltend
gemacht werden.

II) Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

III) Im Hinblick auf die höchstrichterlich nicht abschließend geklärte Behandlung von Beratungskosten für die
Erstellung von Einkommensteuererklärungen durch den Erben als Nachlassregelungskosten (BFH-Urteile vom
11.01.1961 II 155/59 U, BFHE 72, 273, BStBl III 1961, 102; und vom 04.07.2012 II R 50/11 Rz. 5, BFH/NV
452012, 1790) lässt der Senat die Revision gegen seine Entscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach
§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.

IV) Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711
ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

FG Stuttgart

Erscheinungsdatum:

15.05.2019

Aktenzeichen:

7 K 2712/18

Rechtsgebiete:

Erbschafts- und Schenkungsteuer
Erbenhaftung
Sonstiges Steuerrecht

Erschienen in:

ZEV 2019, 548-551
Zerb 2019, 304-309

Normen in Titel:

ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1 u. 3; AO §§ 45, 153 Abs. 1; BGB § 1967 Abs. 2